Wenn der Name ,,Attila“ fällt, so bringen ihn die meisten wohl mit dem Volk der Hunnen in Verbindung, einem Reiterstamm, der zu Zeiten von Römern und Barbaren in Europa einfiel und scheinbar grausam plündernd durch die Lande zog. Weniger bekannt, aber für die vorliegende Arbeit nicht weniger von Bedeutung ist sein Zeitgenosse Aëtius, ein römischer Heermeister, dem es bestimmt war, Attilas Widersacher zu werden. Viel ist im Laufe der Jahre über die Persönlichkeiten beider Männer spekuliert worden, viel wurde über ihre Charakterzüge, ihre politischen Ziele und Ambitionen und ihre Motivlage diskutiert, zumeist nur aufgrund vager Quellen und Indizien. War Aëtius wirklich ,,der letzte Römer“, wie er gerne genannt wird oder waren die Fehler des Heermeister im Umgang mit den Hunnen so offensichtlich, dass man ihm im Nachhinein ohne weiteres Unfähigkeit bescheinigen könnte?
Es kann und soll nicht das Ziel dieser Arbeit sein, eine klare Antwort auf diese Frage zu finden. Das Ziel soll es viel eher sein, die vorhandenen Quellen- und Literaturangebote einer kritischen Untersuchung zu unterziehen, um so nach und nach ein möglichst realistisches Bild dieser beiden Männer und ihrer Beziehung zueinander zu zeichnen.
Im Hinblick auf den historischen Kontext soll die Frage geklärt werden, wie das Verhältnis zwischen dem Weströmischen Reich und dem Hunnenkönig Attila im Rahmen unseres Untersuchungszeitraumes zu charakterisieren ist. Hierbei soll insbesondere auf die Bedeutung der oströmischen Politik und auf die Rolle der Schwester des römischen Kaisers, Justa Grata Honoria eingegangen werden. Ausgehend von diesem Verhältnis möchte ich den Verlauf dieses Konflikts verfolgen, der mit der berühmten Schlacht auf den Katalaunischen Feldern eine Eskalation erlebte. Hierbei soll die Frage geklärt werden, welche beiden Konstellationen sich in dieser Schlacht gegenüberstanden und welche Ambitionen beide Parteienverbände verfolgten. Schließlich werde ich mich dem entscheidenden Höhepunkt des Konflikts, dem Einfall der Hunnen in Oberitalien widmen und versuchen, eine Antwort auf die Frage zu finden, welche Faktoren Aëtius seinen Sieg über Attila im Jahre 451/52 zu verdanken hatte.
In meinem abschließenden Resümee möchte ich versuchen, anhand der verfügbaren Quellen und Literatur ein möglichst umfassendes Gesamtbild des Verhältnisses zwischen Römern und Hunnen zu kreieren.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung: Von Attila, dem Hunnenkönig und Aëtius, dem Heermeister Roms
II. DieWelten zweierMänner
III. Römisch-Hunnische Diplomatie
IV. Der Tod Theodosius II. und die Hinwendung nach Westen
V. Die Honoria-Affäre
VI. DerGallienfeldzug
VII. Attila in Italien
VIII. Fazit
I. Einleitung: Von Attila, dem Hunnenkönig und Aëtius, dem Heermeister Roms
Wenn der Name „Attila" fällt, so bringen ihn die meisten wohl mit dem Volk der Hunnen in Verbindung, einem Reiterstamm, der zu Zeiten von Römern und Barbaren in Europa einfiel und scheinbar grausam plündernd durch die Lande zog. Manch einer mag ihn auch unter seinem ihm zugeschriebenen Pseudonym „Etzel" mit der Nibelungensage in Verbindung bringen oder mit bekannten Verfilmungen. Weniger bekannt, aber für die vorliegende Arbeit nicht weniger von Bedeutung ist sein Zeitgenosse Aëtius, ein römischer Heermeister, dem es bestimmt war, Attilas Widersacher zu werden und ihm letztendlich auch in der Schlacht gegenüberzutreten. Viel ist im Laufe der Jahre über die Persönlichkeiten beider Männer spekuliert worden, viel wurde über ihre Charakterzüge, ihre politischen Ziele und Ambitionen und ihre Motivlage diskutiert, zumeist nur aufgrund vager Quellen und Indizien. Dies mag vermutlich der Grund sein, warum die Bewertung beider Figuren so unterschiedlich ausgefallen ist. War Aëtius wirklich „der letzte Römer", wie er gerne genannt wird1 oder waren die Fehler des Heermeister im Umgang mit den Hunnen so offensichtlich, dass man ihm im Nachhinein ohne weiteres Unfähigkeit bescheinigen könnte?
Es kann und soll nicht das Ziel dieser Arbeit sein, eine klare Antwort auf diese Frage zu finden. Dafür reicht die verfügbare Quellenlage weder aus noch ist sie über jeden Zweifel erhaben. Das Ziel soll es viel eher sein, die vorhandenen Quellen- und Literaturangebote einer kritischen Untersuchung zu unterziehen, um so nach und nach ein möglichst realistisches Bild dieser beiden Männer und ihrer Beziehung zueinander zu zeichnen. Im Zentrum der Quellenanalyse soll hierbei die Gotengeschichte des Geschichtsschreibers Jordanis stehen, die bearbeitete Literatur stammt hauptsächlich von Timo Stickler, Otto Maenchen-Helfen, Gerhard Wirth und Hermann Schreiber.
Im Hinblick auf den historischen Kontext soll die Frage geklärt werden, wie das Verhältnis zwischen dem Weströmischen Reich und dem Hunnenkönig Attila im Rahmen unseres Untersuchungszeitraumes zu charakterisieren ist. Hierbei soll insbesondere auf die Bedeutung der oströmischen Politik und auf die Rolle der Schwester des römischen Kaisers, Justa Grata Honoria eingegangen werden. Ausgehend von diesem Verhältnis möchte ich den
Verlauf dieses Konflikts verfolgen, der mit der berühmten Schlacht auf den Katalaunischen Feldern eine Eskalation erlebte. Hierbei soll die Frage geklärt werden, welche beiden Konstellationen sich in dieser Schlacht gegenüberstanden und welche Ambitionen beide Parteienverbände verfolgten. Schließlich werde ich mich dem entscheidenden Höhepunkt des Konflikts, dem Einfall der Hunnen in Oberitalien widmen und versuchen, eine Antwort auf die Frage zu finden, welche Faktoren Aëtius seinen Sieg über Attila im Jahre 451/52 zu verdanken hatte.
In meinem abschließenden Resümee möchte ich versuchen, anhand der verfügbaren Quellen und Literatur ein möglichst umfassendes Gesamtbild des Verhältnisses zwischen Römern und Hunnen zu kreieren.
II. Die Welten zweier Männer
Um einen Einblick in die Geschehnisse jener Zeit werfen zu können, ist es nötig, zunächst einen Eindruck von den beiden Hauptakteuren, Aëtius und Attila, zu gewinnen.
Flavius Aëtius, geboren um das Jahr 390 in Durostorum, war der Sohn eines verdienten römischen Offiziers2. Für unser Thema von besonderer Bedeutung ist die Jugend Aëtius', die er als Geisel teils bei den Westgoten, teils bei den Hunnen, verbrachte3. Dieser Umstand gewinnt insofern an Bedeutung, als dass anzunehmen ist, dass Aëtius in dieser Zeit gute Kontakte zu den Hunnen aufbauen konnte4, die er in seiner späteren Karriere nutzte, um mithilfe hunnischer Hilfstruppen seine politische Position zu stärken und seinen Machtbereich zu festigen. So geschehen im Jahre 425, als Aëtius mit seinem hunnischen Hilfsheer zwar nicht rechtzeitig kam, um dem Usurpator Johannes beizustehen5, dafür jedoch unter dem neuen Kaiser Valentinian III. bis zum magister militum aufstieg6. Auch nachdem ihn die Kaiserinmutter Galla Placidia mithilfe des weströmischen Feldherren Bonifatius aus dem Weg räumen wollte7, waren es auch hunnische Truppen, die es Aëtius nach dessen Sieg über Bonifatius ermöglichten8, seine Machtposition 433 wieder einzunehmen.
Ihm gegenüber stand Attila9, der im Laufe der Zeit zum Führer der Hunnen aufgestiegen ist. Anzunehmen, aber nicht gesichert, ist ein Aufenthalt Attilas als Geisel in Rom, was eine Parallele zu Aëtius darstellen würde. So wie Aëtius' Leben durch die Geiselhaft bei den Hunnen geprägt wurde, so sieht der Historiker Hermann Schreiber im Aufenthalt Attilas in Rom eine mögliche Ursache für dessen späteres Bestreben, dieses in seinem Glanz und seinem Niedergang beeindruckende Rom zu erobern oder zumindest ihm Untertan zu machen.10
Zu erwähnen sei, dass die Bezeichnung „Hunne" nicht viel mehr als ein Sammelbegriff für eine Völkergruppe darstellt, die sich durch ihre gemeinsame Lebensart auszeichnete.11 Man darf sich das Volk der Hunnen also keinesfalls als ethnische Einheit vorstellen, da es sich aus einer Vielzahl von Stämmen zusammensetzte. Dazu kamen die diversen Hilfsvölker, die das militärische Kontingent der Hunnen noch verstärkte.12
Diese Konstellation machte eine einheitliche Führung freilich nicht leichter und so hatte auch Attila Konkurrenten im Kampf um die Macht, etwa seinen Bruder Bleda, die es aus dem Weg zu räumen galt, was Attila auch sofort nach seinem Herrschaftsantritt mit aller gebührenden Härte vollzog.13
Die näheren Machtkonstellationen im römischen, wie auch im hunnischen Lager um Aëtius und Attila genauer darzustellen, würden den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Festzuhalten ist, dass beide trotz ihrer offensichtlichen Herkunftsunterschiede doch gewisse Parallelen durchlebten, was vielleicht mit ein Grund sein könnte, weshalb die Forschungsliteratur der Beziehung dieser beiden Figuren mitunter so viel positives zuschreibt und man meinen könnte, zwei Männer desselben Schlages müssten unweigerlich eine gute Beziehung zueinander pflegen. So erwähnt schon Stickler die Missdeutung diplomatischer Geschenke als Freundschaftsgesten14. Dass solche Geschenke Teil einer diplomatischen Beziehung war, die zwar stets auf wackeligen Füßen, jedoch unerlässlich für beide Parteien war, wird im Folgenden noch erläutert werden.
III. Römisch-Hunnische Diplomatie
Für das Verhältnis zwischen Römern und Hunnen vor dem Tod Theodosius II., der einen Wendepunkt in dieser Beziehung markiert, finden die Historiker nicht selten klare Worte. So bezeichnet der Historiker Franz Altheim die Hunnen als die „Gläubiger Ostroms"15. Der Historiker Otto Maenchen-Helfen findet die Darstellung der Hunnen seitens des Nestorius als „die Herren und die Römer die Sklaven" zwar übertrieben, aber im Grunde dennoch zutreffend.16 Gesichert ist, dass Hunnen und Römer im fünften Jahrhundert, in dem die Geschichte von Aëtius und Attila spielt, offenbar in regem Kontakt zueinander standen. Dieser Kontakt, der sowohl aus Erpressung und Plünderung, als auch aus Versöhnung und Tribut bestand, war auf lange Sicht gesehen für beide Seiten von Vorteil. Attila hatte seine Gefolgsleute, die wie schon erwähnt nicht unbedingt einheitlich hinter ihm standen, mit Beute und Eroberungen bei Laune zu halten, derartige Raubzüge stärkten seine Position und untermauerten seinen Legitimationsanspruch als Herrscher. Dazu kamen die Einnahmen von den Tributen der Römer, mit denen Attila nicht nur seine eigene Sippe, sondern auch seine Verbündeten versorgen konnte. Gleichzeitig gab diese Konstellation Rom die Möglichkeit, sich seinen Frieden zu erkaufen und nicht selten mithilfe der Hunnen auch andere Barbarenvölker zurückzuschlagen. Zudem war ein Hunnenherrscher, der sich, abgesehen von gelegentlichen Beutezügen, durch Tributzahlungen in Schach halten ließ, weitaus angenehmer als ein Gegner, dessen Absichten im Dunkeln standen und der theoretisch jederzeit losschlagen konnte.17 Die Verträge zwischen Hunnen und Römern mögen unter derlei Voraussetzungen weder besonders lange Bestand gehabt haben, noch fühlten sich die Vertragspartner unbedingt an die Abmachungen gebunden, d]ie die Gesandtschaften an den Höfen der Herrscher trafen.18
Der Westen entrichtete Attila zwar Tribute19, aber da Westrom aufgrund der Kämpfe in Nordafrika und Gallien um 430 keine besonders ergiebige finanzielle Einnahmequelle für die Hunnen darstellte, konzentrierte sich das o.g. Spiel aus Erpressung und Versöhnung hauptsächlich auf den recht nachgiebigen Herrscher des Ostreiches, Theodosius II.
[...]
1 Ursprünglich bei dem römischen Historiker Prokopius, Bd. III, 3, 15, später etwa bei Parnicki, Aëtius, der letzte Römer.
2 Stickler, Aëtius, Gestaltungsspielräume eines Heermeisters im ausgehenden Weströmischen Reich, 24.
3 So Gregor von Tours, der sich auf das Werk des römischen Historikers Renatus Profuturus Frigeridus stützt in Ren. Frig. Greg. Tur. Franc. 2,8.
4 Ren. Frig. Greg. Tur. Franc. 2,8.
5 Ren. Frig. Greg. Tur. Franc. 2,8.
6 Hydatius, Continuatio Chronicorum Hieronymianorum, s.a. 431.
7 Hyd. Lem. s.a. 432; Prokopius, Bd. V, 1,3,36.
8 Stickler, Aëtius, 88.
9 Zur genauen Namensbedeutung siehe Schreiber, Attila und die Hunnen, 129.
10 Vgl. Schreiber, Attila und die Hunnen, 132.
11 Wirth, Attila, Das Hunnenreich und Europa, 12.
12 Stickler, Aëtius, 96/97.
13 Ebd., 100/101.
14 Ebd., 113/114.
15 Altheim, Geschichte der Hunnen, Bd.4.
16 Maenchen-Helfen, Die Welt der Hunnen.
17 Stickler, Aëtius, 94-96.
18 Stickler, Aëtius, 115/116.
19 Maenchen-Helfen, Die Welt der Hunnen, 79/80.
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