Angesichts der vorliegenden Fotografien, welche vermeintlich den maghrebinischen Harem um 1900 dokumentieren, muss das Problematisieren des eigenen Blickes die erste Prämisse
dieses Essays sein. Dieser Blick ist notwendigerweise von einer eurozentristischen Perspektive geprägt, so dass auch dessen okzidentale Konzepte an die Aufnahmen herangetragen werden.
Da der französische Kolonialismus den Entstehungskontext der Bilder darstellt und deren Rhetorik entscheidend prägt, dürfen die Fotografie nicht aus diesem Zusammenhang herausgelöst werden und es besteht überdies auch bei der aktuellen Analyse die Gefahr, die
dargestellten Körper noch einmal mehr zu kolonisieren.
Allerdings soll die Bewusstwerdung a priori diesem Engpass entgegenwirken, sofern diese Abstraktionsleistung überhaupt denkbar ist.
Neben der ‚mis-en-scène’ der orientalischen Modelle wird in diesem Aufsatz eine Debatte über das Ver- und Entschleiern auf zwei Ebenen formuliert: Einerseits soll das Entschleiern der Fotografie als Technik und Wahrnehmung thematisiert werden, denn „la photographie est pire que l´éloquence; elle proclame que rien n´est impénétrable, que rien n´est inavouable et que rien n´est voilé.“
Andererseits muss die Frage nach der angeblich vollzogenen Entschleierung der verschleierten Frauen diskutiert werden, was wiederum relational zum vorangegangen Punkt steht.
Diese Wirkungstechniken der Fotografie werden an Baudelaires scharfer Kritik besonders deutlich: „Die Liebe zum Obszönen, die im natürlichen Herzen ebenso lebhaft ist wie die Eigenliebe, ließe sich eine so schöne Gelegenheit ihrer Befriedigung nicht entgehen.“
Daher werden die fotografischen Produkte nach ihren Befriedigungstechniken befragt, welche der Sexualisierung des Orients und insbesondere der Orientalin vorausgehen. Hieraus ergibt
sich die Frage nach den Blickregimen, welche diese Ausführungen stetig begeleiten [...]
a. Einleitung
Angesichts der vorliegenden Fotografien, welche vermeintlich den maghrebinischen Harem um 1900 dokumentieren, muss das Problematisieren des eigenen Blickes die erste Prämisse dieses Essays sein. Dieser Blick ist notwendigerweise von einer eurozentristischen Perspektive geprägt, so dass auch dessen okzidentale Konzepte an die Aufnahmen herangetragen werden.
Da der französische Kolonialismus den Entstehungskontext der Bilder darstellt und deren Rhetorik entscheidend prägt, dürfen die Fotografie nicht aus diesem Zusammenhang herausgelöst werden und es besteht überdies auch bei der aktuellen Analyse die Gefahr, die dargestellten Körper noch einmal mehr zu kolonisieren.
Allerdings soll die Bewusstwerdung a priori diesem Engpass entgegenwirken, sofern diese Abstraktionsleistung überhaupt denkbar ist.
Neben der ‚mis-en-scène’ der orientalischen Modelle wird in diesem Aufsatz eine Debatte über das Ver- und Entschleiern auf zwei Ebenen formuliert: Einerseits soll das Entschleiern der Fotografie als Technik und Wahrnehmung thematisiert werden, denn „la photographie est pire que l´éloquence; elle proclame que rien n´est impénétrable, que rien n´est inavouable et que rien n´est voilé.“1
Andererseits muss die Frage nach der angeblich vollzogenen Entschleierung der verschleierten Frauen diskutiert werden, was wiederum relational zum vorangegangen Punkt steht.
Diese Wirkungstechniken der Fotografie werden an Baudelaires scharfer Kritik besonders deutlich: „Die Liebe zum Obszönen, die im natürlichen Herzen ebenso lebhaft ist wie die Eigenliebe, ließe sich eine so schöne Gelegenheit ihrer Befriedigung nicht entgehen.“2 Daher werden die fotografischen Produkte nach ihren Befriedigungstechniken befragt, welche der Sexualisierung des Orients und insbesondere der Orientalin vorausgehen. Hieraus ergibt sich die Frage nach den Blickregimen, welche diese Ausführungen stetig begeleiten
b. Orientalismus
Jenseits einer eventuell dahinter liegenden Realität im Zeitalter des realistischen Imperativs „Kopiert die Natur; und Nichts als die Natur“ ermisst Baudelaire, ob „diese äußere Natur wirklich existiert.“3
Auf diese Art und Weise entsteht die These, den Körper im Sinne Foucaults als Schauplatz gesellschaftlicher Zeichenprozesse aufzufassen. Dies bedeutet, den dargestellten und speziellen Körper der ‚Orientalin’ als Schnittstelle des europäischen Orientalismusdiskurses zu begreifen.
Die europäische Vorstellung und Erwartungshaltung, historisch gespeist durch Literatur, Malerei oder die Pariser Weltausstellung 1867, schreibt sich in den weiblichen, orientalischen Leib ein. Daher bezeichnet der palästinensische Kulturtheoretiker Edward Said den Orient, diese ‚terra incognita’, als Nicht-Ort, als imaginäre Konstruktion des Westens.4 Ebenfalls Dietmar Kämper schreibt: „Im Imaginären gibt es den Anderen nicht.“5 Auf diese Weise entsteht der Eindruck, dass der Westen die Idee des Orients aus Komponenten schuf, die er aus seinem Selbstbild tilgen wollte. Dadurch ist das Fremde und Andere nichts Gegebenes, sondern unterliegt einer Konstruktionsleistung. Die relationalen und binären Kategorien des ‚Selbst’ und des ‚Anderen’ dienen demgemäss in erster Linie der Selbstpositionierung, schaffen dabei Hierarchisierung mit entsprechenden Bewertungen, d.h. Stereotypisierungen.
Sowohl Idealisierung, Sehnsucht, Verlangen und Projektion von Wunschphantasien als auch gleichzeitige Ablehnung und Widerwillen ergeben die widersprüchliche Mischung und HS: Quel Corps? Hoelenn Maoût WS 06/07 Institut für Kulturwissenschaften Humboldt Universität Berlin „ambivalente Faszinationskraft“6 der Fotopostkarten, auf denen die dargestellten Körper als ihr materielles Kondensat auftreten. Daher ist es wichtig zu betonen, dass das, was auf den Bildern gesehen werden soll, verschwindet, so dass das, was vermeintlich zu sehen geglaubt wird, nämlich die ‚Orientalin’, überschrieben ist mit einem französisch-okzidentalen Diskurs, so dass, „nachdem der Orientalismus seinen Orient erfunden hatte, [...] die Fotografie als objektives Medium [...] den realen Beweis [anzutreten scheint].“7
c. Erzählweisen der Fotopostkarte des 19. Jahrhunderts
Allgemein prägt die Fotopostkarte ein raumzeitliches Phänomen, denn sie ist durch Reisen und Bewegung gekennzeichnet, so dass sie durch etwas An- Abwesendes funktioniert. Der Moment ihrer Entstehung und ihrer (post) Rezeption schaffen zugleich raumzeitliche Distanz und „halluzinierte Nähe“8, welche fortwährend zwischen Nähe und Ferne, zwischen einem Hier und einem Dort oszilliert: „La photographie permet de « voir avec ses propres yeux » ce qu´il y au loin même sans y aller.“9
Verwandtes hat Barthes für das fotografische Bild ausgemacht, welches die (vergangene) Welt in ihrer Abwesenheit darstellt.10
Zu der nahen Verwandtschaft der Fotografie zur Postkarte tritt der Kolonialismus. So besteht eine Simultanität zwischen Fotografie als Teil einer neuen visuellen Massenkultur und der imperialen Ausdehnung des Westens. Dabei ist der unglaubliche Aufschwung der Fotografie zu Beginn des 19. Jh. eng verzahnt mit dem Bestreben, fremdes Territorium festzuhalten, zu dokumentieren und ‚nach Hause zu bringen’.
[...]
1 Morand, Paul: Le R é veille Matin. Paris: Grasset 1937. S. 103
2 Baudelaire, Charles: Die Fotografie und das moderne Publikum. (Salon 1859). In: Ders.: Sämtliche Werke/Briefe. Bd. 5. München: Heimeran 1989. S. 137/138
3 Ebd. 140
4 Vgl.: Said, Edward W.: Orientalism. New York: Vintage Books Edition 1979. S. 2
5 Kamper, Dietmar: Der K ö rper, das Wissen, die Stimme und die Spur. In: Belting (Hg.): Quel corps? Eine Frage der Repräsentation. München: Fink Verlag 2002, 167-174. S. 167
6 Stemmler, Susanne: FotoTopoGrafien - Cartes postales d ´ Alger. In: Borso; Görling (Hg.): Kulturelle Topographien. Stuttgart: Metzler 2004, 97-123. S. 98
7 Stemmler, Susanne: FotoTopoGrafien - Cartes postales d ´ Alger. S. 113
8 Derrida, Jacques: Die Postkarte von Sokrates bis an Freud und jenseits. 1. Lieferung. Berlin: Brinkmann und Bosse 1982. S. 17
9 Yee, Jennifer: Clich é s de la femme exotique. Un regard sur la litt é rature coloniale fran ç aise entre 1871 et 1914. Paris : L´Harmattan 2000. S. 33
10 Vgl.: Barthes, Roland : La chambre claire. Notes sur la photographie. Paris: Éditions de l´Étoile: Gallimard, Le Seuil 1980. S.114-115
- Citar trabajo
- M.A. Hoelenn Maoût (Autor), 2007, Der koloniale Blick in den orientalischen Harem, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/167132
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