Soziale Einstellungen und soziale Fähigkeiten, das Gesellschaftsbild sowie Zukunftsperspektiven von Menschen werden durch konkrete Erfahrungen am Arbeitsplatz wesentlich beeinflußt. In der Regel endet die Sozialarbeit aber vor dem Firmentor und konzentriert sich im Wesentlichen auf die Reproduktionsbereiche Familie und Freizeit und kann so zu vielen Ursachen sozialer Probleme gar nicht erst vordringen.
Die Lösung einer Vielzahl von Problemen, die ihren Niederschlag im privaten Bereich finden, haben ihren Ursprung am Arbeitsplatz. Einem Lebensbereich, in dem die meisten Menschen einen erheblichen Teil ihrer Lebenszeit verbringen. Da eine aktuelle Situation zu offenen Fragen die Betroffenen am ehesten motiviert und damit eine rechtzeitige Klärung möglich ist, bietet sich betriebliche Sozialarbeit als optimaler Zugangsbereich präventiver Angebote sozialer Intervention geradezu an. Probleme können so frühzeitig erkannt und deren Ausweitung auf die anderen Lebens- und Arbeitsbereiche verhindert werden. Hilfe kann so schnell und unbürokratisch geleistet werden. In vielen Unternehmen hat sich mittlerweile, neben dem ständigen Drang zum immer schlankeren Unternehmen, auch die Erkenntnis durchgesetzt, daß Mitarbeiter nicht nur einen notwendigen Kostenfaktor darstellen, sondern eine wichtige wirtschaftliche Ressource, die es gilt, weiterzuentwickeln, zu fördern und zu erhalten, wenn ein erfolgreiches Bestehen am Markt garantiert sein soll.
Körperliche, psychische und soziale Prozesse stehen in enger Wechselwirkung zu Arbeitsbedingungen, Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit. Vielfältige Faktoren wie u.a. Kommunikationsmöglichkeiten und soziale Beziehungen am Arbeitsplatz, Entwicklungsperspektiven, Entscheidungsspielräume, Führungskompetenzen beeinflussen Leistung, Motivation, Krankenstand, Arbeitsklima und auch die Qualität der Arbeit. (vgl. Rahmenkonzeption für das Arbeitsfeld Betriebliche Sozialarbeit, S. 5 ) Sind Mitarbeiter durch Verhaltensstörungen, chronische Krankheiten sowie durch aktuelle Lebensprobleme, akut belastet, dann gefährden sie einerseits ihre Gesundheit und können anderseits ein erhebliches Risiko für die Sicherheit des Betriebes darstellen. Maßnahmen zur besseren Bewältigung von Krisensituationen sowie zur Vermeidung chronischer Störungen und Krankheiten sind deshalb auch ein aktiver Beitrag zur Sicherheitspolitik eines Unternehmens.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Teil A: Fakten und Geschichte
1. Betriebliche Sozialarbeit
1.1 Definition
1.2 Schweigepflicht
1.3 Ziele betrieblicher Sozialarbeit
2. Historische Entwicklung der betrieblichen Sozialarbeit in Deutschland
2.1 Beginn der betrieblichen Sozialarbeit
2.2 Frühere Aufgaben und Tätigkeiten
2.3 Ausbildung
2.4 Betriebliche Sozialarbeit nach dem ersten Weltkrieg
2.5 Betriebliche Sozialarbeit im Nationalsozialismus
2.6 Neukonstituierung nach dem 2. Weltkrieg
2.7 Von der Werksfürsorge zur betrieblichen Sozialberatung
2.8 Verbreitung von betrieblichen Sozialarbeitern in Deutschland
Teil B: Aktueller Stand
3. Gegenwärtige Erwartungen an betriebliche Sozialarbeit
3.1 Erwartungen der Belegschaft
3.2 Erwartungen des Betriebsrates
3.3 Erwartungen der Personalleitung
3.4 Erwartungen der Unternehmensleitung
4. Arbeitsmethoden betrieblicher Sozialarbeit
4.1 Einzel- und Familienhilfe (Casework)
4.2 Gruppenarbeit (Social Group Work)
4.3 Gemeinswesenarbeit (Social Community Work)
5. Aktuelle Anforderungen an betriebliche Sozialarbeit
5.1 Beratung bei Problemen am Arbeitsplatz
5.1.1 Krisenintervention bei Beziehungsstörungen am Arbeitsplatz
5.1.2 Konfliktbewältigung bei Differenzen zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten
5.2 Beratung bei gesundheitlichen Problemen
5.2.1 Suchtberatung
5.2.1.1 Alkohol
5.2.1.2 Arznei- und illegale Rauschmittel
5.2.2 Aids
5.2.3 Wiedereingliederung Langzeitkranker
5.2.4 Wiedereingliederung nach Rehabilitationsmaßnahmen
5.3 Beratung bei anderen persönlichen Problemen
5.3.1 Schuldnerberatung
5.3.2 Beratung bei psychischen Problemen
5.4 Beratung bei familiären Problemen
5.5 Erschließung von inner- und außerbetrieblichen Hilfen
5.6 Vorbereitung auf den Ruhestand
5.7 Information, Aufklärung und Schulung
5.7.1 Gesundheitsförderung
5.7.1.1 gesundheitliche Prävention
5.7.1.2 Suchtprävention
5.7.1.3 Schulungsmaßnahmen
5.7.2 Schulung von Führungskräften zu fachbezogenen Themen
5.8 Organisationsbezogene Maßnahmen
5.9 Öffentlichkeitsarbeit
Teil C: Perspekiven
6. Perspektiven betrieblicher Sozialarbeit
6.1 Diskussion
6.1.1 Kosten und Nutzen - der Versuch eines monetären Vergleichs
6.1.2 Die Position von betrieblichen Sozial- beratern - zwischen den Fronten
6.1.3 Betriebliche Sozialarbeit - reaktionäres Manipulationsinstrument oder ernst- gemeintes Hilfsangebot ?
6.1.4 Soziale Ethik kontra Rentabilität
6.1.5 Berrührungspunkte von sozialem Denken und Ökonomie
6.1.6 Variationen zum Thema Schweigepflicht
6.1.7 Defizite betrieblicher Sozialarbeit
6.1.8 Persönliche Bewertung
6.2 Optimierung betrieblicher Sozialarbeit
6.2.1 Standortkläung innerhalb der Hierachie des Betriebes
6.2.2 Erweiterung der Kompetenzen
6.2.3 Standardisierte Arbeitsbedingungen
6.2.5 Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen
6.2.6 Klärung des Berufsprofils
6.2.7 Vereinheitlichung der Ausbildung
6.3 Zukünftige Entwicklung betrieblicher Sozialarbeit
6.3.1 Aus Sicht von betrieblichen Sozialberatern
6.3.2 verschiedene Blickwinkel
6.3.3 Aus persönlicher Sicht
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Einleitung
Soziale Einstellungen und soziale Fähigkeiten, das Gesellschaftsbild sowie Zukunftsperspektiven von Menschen werden durch konkrete Erfahrungen am Arbeitsplatz wesentlich beeinflußt. In der Regel endet die Sozialarbeit aber vor dem Firmentor und konzentriert sich im wesentlichen auf die Reproduktionsbereiche Familie und Freizeit und kann so zu vielen Ursachen sozialer Probleme gar nicht erst vordringen.
Die Lösung einer Vielzahl von Problemen, die ihren Niederschlag im privaten Bereich finden, haben ihren Ursprung am Arbeitsplatz. Einem Lebensbereich, in dem die meisten Menschen einen erheblichen Teil ihrer Lebenszeit ver- bringen. Da eine aktuelle Situation zu offenen Fragen die Betroffenen am ehesten motiviert und damit eine rechtzeitige Klärung möglich ist, bietet sich betriebliche Sozialarbeit als optimaler Zugangsbereich präventiver Angebote sozialer Intervention geradezu an. Probleme können so frühzeitig erkannt und deren Ausweitung auf die anderen Lebens- und Arbeitsbereiche verhindert werden. Hilfe kann so schnell und unbürokratisch geleistet werden.
In vielen Unternehmen hat sich mittlerweile, neben dem ständigen Drang zum immer schlankeren Unternehmen, auch die Erkenntnis durchgesetzt, daß Mit- arbeiter nicht nur einen notwendigen Kostenfaktor darstellen, sondern eine wichtige wirtschaftliche Ressource, die es gilt, weiterzuentwickeln, zu fördern und zu erhalten, wenn ein erfolgreiches Bestehen am Markt garantiert sein soll.
Körperliche, psychische und soziale Prozesse stehen in enger Wechselwirkung zu Arbeitsbedingungen, Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit. Viel- fältige Faktoren wie u.a. Kommunikationsmöglichkeiten und soziale Be- ziehungen am Arbeitsplatz, Entwicklungsperspektiven, Entscheidungs- spielräume, Führungskompetenzen beeinflussen Leistung, Motivation, Krankenstand, Arbeitsklima und auch die Qualität der Arbeit. (vgl. Rahmen- konzeption für das Arbeitsfeld Betriebliche Sozialarbeit, S. 5 ) Sind Mit- arbeiter durch Verhaltensstörungen, chronische Krankheiten sowie durch aktuelle Lebensprobleme, akut belastet, dann gefährden sie einerseits ihre Gesundheit und können anderseits ein erhebliches Risiko für die Sicherheit des Betriebes darstellen. Maßnahmen zur besseren Bewältigung von Krisen- situationen sowie zur Vermeidung chronischer Störungen und Krankheiten sind deshalb auch ein aktiver Beitrag zur Sicherheitspolitik eines Unter- nehmens.
Ist eine rasche Indikation bei auftretenden psychosozialen Problemen im Un- ternehmen durch professionelle Hilfe nicht möglich, können sich selbst kleine Bagatellprobleme in somatischen oder psychischen Beschwerden manifestie- ren. Auch Mißbrauch und Abhängigkeit von Suchtmitteln können daraus resultieren.
Genau an dieser Stelle setzt die betriebliche Sozialarbeit ein. Durch rechtzeitige Intervention ist es möglich, daß entstehende Probleme nicht eskalieren, sondern gelöst werden, bevor sie die Betroffenen sowie das Unternehmen ernsthaft schädigen.
Auch die privaten Sorgen und Probleme der Mitarbeiter sind Aufgabenfeld betrieblicher Sozialberatung, denn niemand gibt seine persönliche Identität an der Eingangstür der Arbeitsstelle ab. Dies ist insoweit auch ein interessanter betriebswirtschaflicher Aspekt betrieblicher Sozialarbeit, als unzufriedene Beschäftigte weniger produktiv sind, als ihre motivierten Kollegen. Betriebliche Sozialarbeit stellt ein sehr komplexes Aufgabenfeld der sozialen Arbeit dar. Die Einzigartigkeit des komprimierten Vorhandenseins von Ar- beitsfeldern der Sozialen Arbeit konzentriert auf einen Arbeitsbereich fasziniert mich. In keinem anderen Tätigkeitsbereich korrelieren so viele verschiedene Aufgabenbereiche aufeinander wie in der betrieblichen Sozialarbeit. Außerdem besteht hier die Möglichkeit, direkt an der Quelle vieler Probleme, die oftmals in den privaten sozialen Bereich verschleppt werden, tätig zu werden - als direkte Ursachenbekämpfung.
Die Aufgabenbereiche betrieblicher Sozialarbeit, die übrigens nirgendwo festgeschrieben oder bundes-, bzw. landeseinheitlich verbindlich geregelt sind, stellen ein ungeheures Aufgabenpotential dar. Praktisch alle Tätigkeitsfelder, die auch in der alltäglichen Sozialarbeit von Belang sind, treten als Aufgaben- bündel im Arbeitsbereich betriebliche Sozialarbeit in Erscheinung. So können nicht alle Aufgaben gleichwertige Rollen in der Arbeit eines betrieblichen Sozialarbeiters spielen. Der Sozialberater entscheidet aber meist selbständig, welche Aufgabenschwerpunkte mit welcher Intensität bearbeitet werden. Oft existieren in den Unternehmen keine festen Aufgaben -und Stellen- beschreibungen für betriebliche Sozialarbeiter. Auch die Arbeitsschwerpunkte differieren von Unternehmen zu Unternehmen und stehen in unmittelbarem kausalem Zusammenhang mit Art und Branche des Unternehmens, seiner Größe und Enwicklung und Perspektiven sowie mit der Anzahl und Art der Strukturierung der Beschäftigten.
Aufgrund der Heterogenität der Arbeitsschwerpunkte, die, wenn überhaupt, gelegentlich in betrieblichen Stellenbeschreibungen geregelt sind, haben meine Ausführungen zu diesem Gebiet keinen allgemeingültigen Anspruch.
Sie stellen lediglich einen Katalog der wichtigsten, in der betrieblichen Sozialarbeit praktizierten Tätigkeiten dar und ermöglichen so einen Überblick über dieses Ressort. Darum ist mein Diskurs über die aktuellen An- forderungen an betriebliche Sozialarbeit auch nur eine Sammlung von Tätigkeitsmerkmalen, die meist partiell, seltener im ganzen, in deutschen Unternehmen praktiziert werden. Betriebliche Sozialarbeit wird, abgesehen von den speziell dafür geschaffenen Sozialberatungsstellen, von ver- schiedenen Stellen im Unternehmen geleistet. Personalverwaltungen, (gerade in Klein- und Mittelbetrieben) Betriebsrat, Betriebsarzt bzw. werksärztlicher Dienst, Selbsthilfegruppen und ehrenamtliche Suchtkrankenhelfer sind hierbei die wichtigsten. (Vgl. Jahn, S. 49)
In meiner Arbeit beziehe ich mich jedoch ausschließlich auf die Arbeitsgebiete, die von professionellen, staatlich anerkannten Sozial- arbeitern/-pädagogen ausgeführt werden.
Eine allgemeingültige Berufsbezeichnung für die ausschließlich in der betrieb- lichen Sozialarbeit Tätigen existiert nicht. Es hat sich jedoch weitgehend der Terminus Sozialberater/-in durchgesetzt. Ich werde in meiner Arbeit allerdings nicht zwischen der "männlichen" und "weiblichen" Form differenzieren, son- dern verwende die Bezeichnung "Sozialberater" für männliche und weibliche Beschäftigte.
Auf die Entwicklung betrieblicher Sozialarbeit in der DDR werde ich nicht eingehen, obwohl diese hier ebenfalls, wenn auch unter anderen Umständen und in ganz anderem Rahmen, stattfand.
Der Gegenstand meiner Arbeit ist die Veränderung der Tätigkeitsmerkmale von betrieblicher Sozialarbeit seit ihrer Gründung über die Gegenwart bis zur möglichen Zukunft.
Den Schwerpunkt habe ich allerdings auf die Beschreibung und Ausführung der aktuellen Tätigkeitsschwerpunkte betrieblicher Sozialarbeit gelegt. Außerdem werde ich noch auf die scheinbaren Widersprüche in der betrieblichen Sozialarbeit eingehen, die in der einschlägigen Fachliteratur immer wieder genannt und kontrovers diskutiert werden.
Ziel meiner Arbeit ist es, zu belegen, daß betriebliche Sozialarbeit eine konstruktive, sinnvolle und ökonomisch wie sozial zu rechtfertigende Tätigkeitfeld darstellt, die für alle Beteiligten Nutzen bringt, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Teil A: Fakten und Geschichte
1. Betriebliche Sozialarbeit
Betriebliche Sozialarbeit wird grundsätzlich von Unternehmen als freiwillige soziale Leistung angeboten und ist Teil der betrieblichen Sozialpolitik. Dar- unter fallen alle Arten von Leistungen, die Unternehmen ihren Beschäftigten unabhängig von gesetzlichen oder tariflichen Verpflichtungen gewähren.
(Vgl. Henke, S. 28)
In ihrem Umfang und der personellen Ausstattung ist sie stark von der Ertrags- konjunktur und Größe des jeweiligen Unternehmens abhängig. Betriebliche Sozialarbeit ist in der Regel erst in Unternehmen mit einem Mitabeiterstamm von mindestens 1000 Menschen etabliert. Oft ist die betriebliche Sozialarbeit in der Personalabteilung angesiedelt; möglich ist aber auch eine besondere Stabsstelle, die direkt der Betriebsleitung unterstellt ist, oder eine Abteilung im werksärztlichen Dienst.
Folgende Faktoren sind für die Implementierung betrieblicher Sozialarbeit im Unternehmen von Bedeutung:
1. Die soziale "Verantwortung" und "sittliche Verpflichtung" des Unternehmens, Maßnahmen und Einrichtungen zur Verbesserung der Lage der Arbeitnehmer zu treffen. Trifft dieser Punkt zu ist dieser Grundsatz meist fest in der Firmenphilosophie und -tradition verankert.
2. Ein weiteres Motiv basiert aufgrund betriebswirtschaftlicher Motivation, in deren Mittelpunkt die Förderung des Betriebserfolges durch Optimierung des menschlichen Faktors steht. (Vgl. Jahn, S. 5)
3. Ein "sozialen Image" des Unternehmens soll die Bindung der Arbeitnehmer an den Betrieb verstärken, die Fluktuation senken und die Attraktivität des Betriebes nach außen erhöhen.
In jedem Fall läßt sich davon ausgehen, daß die Intention von Unternehmen, betriebliche Sozialarbeit anzubieten, eng mit betriebswirtschaftlichem Interesse verknüpft ist.
Betriebliche Sozialarbeit wird heute überwiegend als Sozialberatung in eige- nen Diensträumen durchgeführt. Hauptaufgabe ist meist, in Form von umfas- sender Beratung und Unterstützung den Mitarbeitern eines Unternehmens durch zuverlässige Einzelfallhilfe, wertfreie Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.
Diese Hilfe betrifft jeweils einzelne Klienten mit meist arbeitsplatzbedingten bzw. sich auf den Arbeitsplatz auswirkenden psychosozialen Problemen. (Vgl. Henke, S.28)
Aber auch gruppenzentrierte Aufgaben und die betriebliche Gesundheitsförde- rung nehmen immer mehr Raum in der betrieblichen Sozialarbeit ein. Die sozialberaterische Tätigkeit wird häufig von professionellen Sozialarbei- tern/Sozialpädagogen durchgeführt. Gelegentlich sind auch Krankenpfleger, Lehrer, Psychologen, seltener Sozialwissenschaftler, Weiterbildner und durch Schulungen spezialisierte Mitarbeiter aus der Personalabteilung in den Sozial- beratungsstellen beschäftigt. Der Anteil von Männern und Frauen in diesem Berufsfeld ist mittlerweile annähernd paritätisch. (Vgl. Blandow, 1993a, S. 106)
Therapeutische Maßnahmen werden seltener durchgeführt. Im Bedarfsfall werden die Betroffenen eher an externe Stellen vermittelt. Gegenstand der Arbeit eines Sozialberaters sind die Zusammenhänge zwischen sozialen und persönlichen Problemen in Einzelfällen, wie auch in ihrer eventuellen gruppendynamischen Bedeutung.
In der Regel ist die Position der betrieblichen Sozialberater mit keiner Weisungskompetenz versehen und oft Abteilungen zugeordnet, in denen ausschließlich Berufsgruppen vertreten sind, die mit anderen Aufgaben be- traut sind.
1.1 Definitionen
Betriebliche Sozialarbeit ist kein einheitlich definierter Begriff, sondern wird in der Regel für verschiedenartige betriebliche Hilfen und Maßnahmen benutzt, die in irgendeiner Weise mit menschlichen Belangen zu tun haben. Die Bandbreite reicht von Wohnungsbaumaßnahmen über die Einrichtung von Kantinen, Arbeitgeberdarlehen, Notlagenunterstützungen, Beratungs- und Seminarangeboten sowie Maßnahmen zur Gesundheitsförderung bis hin zu Hilfsprogrammen für besondere Ziel- oder Problemgruppen.
Das Lexikon für Soziale Arbeit definiert Betriebliche Sozialarbeit als "...Ende des vorigen Jahrhunderts besonders von der neuen Frauenbewegung gefor- derte fürsorgerische Maßnahmen ... diente ursprünglich der Anpassung weib- licher Arbeitskräfte an neue Arbeitsbedingungen, entwickelte sich im Laufe der zwanziger Jahre immer mehr zu einer speziellen Familienfürsorge der Be- triebsmitglieder beider Geschlechter Die betriebsfürsorgliche Tätigkeit, die grundsätzlich beratender Natur ist, erfolgt im Rahmen der betrieblichen Personalabteilungen und wird von professionellen Sozialarbeitern oder
betriebsintern geschulten Kräften ausgeübt. Da Sie bei der Lösung von Problemen Hilfe leistet, die mit der gegebenen Arbeitssituation verbunden sind, gerät sie oft in Widerspruch zur allgemeinen Sozialarbeit, mit deren Zielen und Prinzipien übereinzustimmen sie große Schwierigkeiten hat."
(Lexikon für Soziale Arbeit, S. 45)
"Stark vereinfacht ist betriebliche Sozialarbeit jede sozial intentionierte Handlung im Zusammenhang mit einem Angehörigen des jeweiligen Betriebes, die sich mit dessen Problemen beschäftigt."
(Henke, S. 28)
In diesen "Definitionen" wird deutlich, daß "betriebliche Sozialarbeit" immer nur einen bestimmten Rahmen beschreiben kann. Verbindliche Aufgabenbeschreibungen existieren nicht, da diese nie eindeutig festgelegt wurden und aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen und Bedürfnisse der verschiedenen Unternehmen stark differieren.
1.2 Schweigepflicht
Die Probleme und Fragestellungen, mit denen Sozialberater sich in ihrer täglichen Arbeit beschäftigen, erfordern ein besonderes Vertrauensverhältnis vom Klienten zum Berater. Die Zusammenarbeit kann deshalb nur erfolgreich sein, wenn eine vertrauliche Behandlung gewährleistet wird. Sozialberater unterliegen darum - ähnlich wie die Werksärzte - einer besonderen Schweigepflicht. Sie ist geregelt in § 208 StGB Abs. 1 Nr. 5 und gilt unabhängig davon, ob die Beschäftigung im öffentlichen Dienst, bei Verbänden oder im Industrieunternehmen erfolgt. (Vgl. Freytag, S. 287)
Hiervon kann der Sozialberater nur vom Klienten befreit werden, was sich z.B. aus Hilfestellungen für ihn bei Gruppenarbeit ergeben kann.
1.3 Ziele betrieblicher Sozialarbeit
Ein Ziel der betrieblichen Sozialarbeit ist es, für alle im Betrieb auftretenden sozialen Probleme, Lösungsmodelle und Lösungshilfen anzubieten, sowie die Unterstützung, Förderung und Stärkung des Mitarbeiters bei der Bewältigung der beruflichen Anforderungen und der daraus erwachsenden Probleme. Mögliche soziale Konflikte und ihre Auswirkung auf den einzelnen am Arbeitsplatz sollen so rechtzeitig erkannt werden, um Poblemsituationen vor- beugen zu können. Ebenso wird Einzelpersonen und Gruppen bei Anpassungsschwierigkeiten geholfen, die in Zusammenhang mit der
Arbeitssituation stehen oder Einfluß auf sie haben. (Vgl. Girmes, S. 117) Außerdem soll betriebliche Sozialarbeit Hilfen zum Erkennen der eigenen Situation sowie beim Entwickeln und Umsetzten von Lösungsmöglichkeiten anbieten, wenn die negativen Folgen mangelnder Konfliktbewältigung mani- fest geworden sind. Auch die Wiederherstellung bzw. die Pflege sozialer Kompetenzen bei betroffenen Mitarbeitern, womit die Handlungs-, Kommunkations- und Konfliktfähigkeit gemeint ist, gehört dazu. (Vgl. Schulze, S. 214)
Betriebliche Sozialarbeit soll die Unternehmensleitung immer wieder dazu anregen, die Arbeitssituation den menschlichen und sozialen Bedürfnissen anzupassen.
Weitere Ziele sind:
- Anreizfunktion für potentielle Bewerber
- soziales Image für den Betrieb
- Erhöhung der Arbeitsbereitschaft der Arbeitnehmer
- Erhöhung der Produktivität
- Bindung der Arbeitnehmer an den Betrieb
- Erhalt der Funktionsfähigkeit der betrieblichen Abläufe
- Senkung des Krankenstandes
- Verbesserung des Betriebsklimas
2. Historische Entwicklung der betrieblichen Sozialarbeit in Deutschland
Der Weg der betrieblichen Sozialarbeit begann damit, daß sozial eingestellte Fabrikherren begannen, sich um das "Wohl" ihrer Arbeiter zu sorgen. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden somit alle Maßnahmen, die heute unter dem Begriff "freiwillige betriebliche Sozialleistungen" als Teil der betrieblichen Sozialpolitik zusammengefaßt werden: Kranken- und Sterbekassen, Werkswohnungen, Kinderbewahranstalten, Prämiensysteme und schließlich später auch die betriebliche Sozialarbeit.
Träger dieser Maßnahmen waren die Fabrikherren selbst und ihre Frauen, die sich, der damaligen Zeit entsprechend, vielfach sozial betätigten.
2.1 Beginn der betrieblichen Sozialarbeit
Die betriebliche Sozialarbeit wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts von dem Begründer des Evangelischen Diakonievereins, Friedrich Zimmer, (1855 - 1919) unter dem Namen "Fabrikpflege" geschaffen. Die erste Fabrikpflegerin wurde von ihm im Jahr 1900 in einer Gummersbacher Textilfabrik unterge- gebracht. Sie hatte vorher die Fabrikarbeit praktisch erlernt und leitete ein Mädchenheim neben ihrer hauptsächlich sozialpädagogischen Arbeit im Be- trieb.
Erich Rathenau, der Begründer der AEG, war der erste Unternehmer, der aus eigener Motivation in seinem Kabelwerk in Oberspree um 1900 eine Fabrik- pflegerin einstellte. (Vgl. Reinicke, sozArb,6-7/88, S.202) Andere, sozial ge- sinnte Unternehmer wie Krupp und Siemens, folgten diesem Beispiel und stellten ihrerseits Fabrikpflegerinnen ein. (Vgl. Landwehr S.73 ff) Die ersten professionellen Fabrikpflegerinnen beschäftigten sich schwer- punktmäßig mit Problemen, die einerseits mit den betrieblichen Arbeits- bedingungen zusammenhingen, anderseits auch außerbetriebliche Ursachen hatten. Insgesamt wurden vor dem ersten Weltkrieg ca. 20 Fabrikpflegerinnen eingestellt. (Vgl. Girmes, S. 29)
2.2 Frühere Aufgaben und Tätigkeiten
Während des ersten Weltkriegs erlebte die Werksfürsorge einen großen Auf- schwung, als die zunehmende Beschäftigung von Frauen mit schwerer Indu- striearbeit neuartige Probleme stellte. Die immer größere Zahl von Frauen in den Betrieben und die Gefährdung der Kriegsproduktion durch mögliche Aus- fälle der Frauen aufgrund ihrer Doppelbelastung als Fabrikarbeiterin und Mutter sowie massiver Druck der Frauenreferate und Kriegsamtsstellen, ver- anlaßten die Ministerien zum Handeln. Die Einstellung von Werksfürsorge- rinnen wurde deshalb Anfang Januar 1917 für alle Betriebe verbindlich gere- gelt. Das Ziel der Fabrikpflege war zu diesem Zeitpunkt nicht die Fürsorge, sondern Hilfe im Anpassungsprozeß für berufsungewohnte Frauen in der Industriearbeit. (Vgl. Girmes, S.31)
Auf 500-1000 Frauen kam jetzt eine Fabrikpflegerin. Die Aufgabe der damals ausschließlich weiblichen Fabrikpflegerinnen war jetzt die Beratung der weiblichen Arbeitskräfte bei betrieblichen, familiären und gesundheitlichen Problemen sowie Mithilfe bei deren Arbeitsplatzgestaltung, daß Organi- sieren von Freizeitgestaltungsmaßnahmen und Hilfe bei der Beschaffung von
Lebensmitteln. Aber auch die Versorgung der Kinder der Arbeiterinnen wurde organisiert, wie auch die Wohnungsfürsorge für ortsfremde und allein- stehende Arbeiterinnen. Ebenso gehörte die Hilfe im Umgang mit Behörden, Aufsicht über die betrieblichen Aufenthaltsräume und die Kontrolle über die Einhaltung des Mutterschutzes und der sonstigen medizinischen Einrichtungen zu den Aufgaben der Fürsorgerinnen. Sie kümmerten sich ebenfalls um die Wohnverhältnisse der alleinstehenden Arbeiterinnen. Dafür wurden vor- handene Heime nutzbar gemacht oder neue Einrichtungen geschaffen. Der Kontakt zu den Arbeiterinnen sollte durch regelmäßige Rundgänge im Betrieb und der Kantine, durch Abhaltung besonderer Sprechstunden und durch abendliche Zusammenkünfte geschaffen werden. Innerhalb des Betriebes hatten die Fabrikpflegerinnen auch das Recht, im Interesse ihrer Schutz- befohlenen auf die Abstellung betriebstechnischer und sozialer Mißstände zu bestehen.
Im November 1919 waren in 525 Betrieben mit einer Belegschaft von 507.000 Arbeiterinnen 500 Fabrikpflegerinnen angestellt; 1918 gab es bereits 752 praktizierende Fabrikpflegerinnen in 1258 Betrieben mit einer Mitarbeiterzahl von 779.819 Arbeitern. (Vgl. Reinicke, S. 204)
2.3 Ausbildung
Anfangs bereiteten überwiegend die Berufsorganisationen der Krankenpflege Krankenschwestern für die berufliche Tätigkeit der Fabrikpflege vor. Aller- dings war dabei die einseitige Ausrichtung auf die Hygiene ein Problem. Von den Unternehmen wurden Persönlichkeiten gefordert, die nicht nur im Ge- sundheitsschutz versiert waren, sondern die sich im Betrieb auskannten und fundierte Kenntnisse im Mutterschutz, Vormundschaftsrecht, Sozialversiche- rungsrecht und in der Gewerbeordnung hatten, aber auch bei persönlichen Problemen beraten konnten. Das führte dazu, daß die sozialen Frauenschulen sowie die Wohlfahrtsschulen eigene Ausbildungsgänge und Nachschulungs- kurse anboten, die sich auf die Vermittlung der geforderten Kompetenzen ein- stellten. Bei Nachweis einer sozialpädagogischen Vorbildung wurden die künftigen Fabrikpflegerinnen in 2 - 6 wöchigen Kursen geschult und später in Fortbildungskursen zusammengeführt. (Vgl. Girmes, S. 30)
Trotzdem herrschte immer noch ein Mangel an ausgebildeten Fachkräften, der schließlich das Kriegsamt Mitte 1917 dazu veranlaßte, Lehrkurse zur Ausbil- dung in der Fabrikpflege zu veranstalten. Eine einheitliche Ausbildung für Fabrikpflegerinnen gab es zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht. Auch waren noch bis 1934 verschiedene Berufsbezeichnungen wie Fabrikschwestern, Fabrik- wohlfahrtspflegerinnen, Sozialarbeiterinnen und Sozialsekretärinnen üblich.
Erst nach dem ersten Weltkrieg, in den Jahren 1918/1920 wurde die Ausbildung der Fabrikpflegerin in staatlichen Ausbildungsordnungen für die Berufsgruppen Sozialbeamtinnen, Fürsorgerinnen und Wohlfahrtspflegerinnen, aus denen die meisten Fabrikpflegerinnen kamen, verbindlich geregelt.
2.4 Betriebliche Sozialarbeit nach dem ersten Weltkrieg
Nach dem ersten Weltkrieg wurde die Fabrikpflege von seiten der Unterneh- men stark reduziert. (Vgl. Schulze, 1988, S. 205) Der Rückgang war aber auch bedingt durch den Mangel an Fürsorgerinnen, da in den 20er Jahren ein Ausbau der öffentlichen Fürsorge erfolgte. Viele ehemalige Fabrikpfleger- innen wechselten daraufhin in den öffentlichen Dienst. (Vgl. Girmes, S. 31) 1925 arbeiteten noch 110 Fabrikpflegerinnen in 116 Betrieben. Davon waren 60 Fabrikpflegerinnen in Betrieben mit mehr als 1000 Beschäftigte tätitg. Der Schwerpunkt der betrieblichen Sozialarbeit wurde in diesen Betrieben auf die betriebliche Familienfürsorge konzentriert. Eine Ausnahme und Fort- entwicklung der innerbetrieblich orientierten Fabrikpflege bildeten die so- zialen Betriebsarbeiterinnen des "Bielefelder Modells", die nach ihrer Fürsorgeausbildung zunächst durch ein Industriepraktikum die Arbeits- bedingungen der Arbeiter kennenlernen und deren Vertrauen gewinnen sol- lten. Erst danach begannen sie mit der eigentlichen Sozialarbeit. Ihr Ziel war die Stärkung der Verantwortung und Hilfsbereitschaft innerhalb von Arbeits- gruppen. Sie wirkten bei Einstellungen, Einarbeitung und Versetzungen sowie bei Verbesserungen der Arbeitsbedingungen mit. (Girmes, S. 35)
Die Schwerpunktverlagerung der Werksfürsorge von inner- auf außerbetriebliche Probleme stellte allerdings auch eine Ergänzungsfunktion zu der zunehmenden ökonomisch-technischen Orientierung der übrigen betriebli- chen Sozialleistungen dar. Unter dem Einfluß Tayloristischer Betriebsuntersu- chungen wurden jetzt auch die Arbeitskräfte zunehmend der Betriebsrationa- lisierung unterworfen. Durch materielle Zuwendungen und soziale Sicherun- gen sollten die Arbeitsleistungen gesteigert, die Arbeitskräfte eng an den Betrieb gebunden und Streiks verhindert werden. Ein weiters Ziel war, die Fluktuation zu verringern und den Einfluß der Gewerkschaften auf die Arbeitnehmer zu reduzieren.
Nachdem durch neue Arbeitsgesetze Arbeitsvermittlung, Arbeitsgericht, Arbeitslosenversicherung etc. neu geregelt worden waren, sollten durch die neue Phase der betrieblichen Sozialpolitik die soziale Leistungsfähigkeit der Betriebe und die Unnötigkeit weiterer Arbeitsgesetze demonstriert werden. Zu den bisherigen Maßnahmen betrieblicher Sozialarbeit kamen jetzt Erholungsheime, Ausbildungsstätten und betriebliche Bildungsmaßnahmen für Lehrlinge und Erwachsene hinzu.
2.5 Betriebliche Sozialarbeit im Nationalsozialismus
Nach 1933 wurde die gesamte Werksfürsorge durch die Ideologie des Natio- nalsozialismus beeinflußt. (Vgl. Blandow 1993a, S. 114) Durch Ausschaltung der freien Gewerkschaften und der gewählten Betriebsräte sowie ihre Erset- zung durch die Deutsche Arbeitsfront, (DAF) und durch die Einsetzung von Vertrauensmännern, die von der DAF bestätigt werden mußten, sowie die Einführung des Führerpinzips in den Betrieben, änderte sich auch die Arbeit der Fabrikpflegerinnen entscheidend, da sie immer stärker unter den Einfluß der DAF gerieten.1
Die bis zum Ende des 3. Reiches ungeklärte Stellung der DAF in der Konkur- renz zu staatlichen Behörden führte dazu, daß sie ohne eigentliche Legitima- tion im Binnenverhältnis der Betriebe agierte, während die staatliche Sozial- poltik die gesetzlichen Weichen stellte. Ziel der DAF war die Bildung einer "wirklichen" Volks- und Leistungsgemeinschaft aller Deutschen, in der jeder einzelne seinen Platz im wirtschaftlichen Leben der Nation finden sollte.
Durch den Einfluß der DAF auf die Betriebe wurden die schlechter ausgebildeten Fabrikpflegerinnen in "soziale Betriebsarbeiterinnen" umbenannt und mit den bereits vorhanden Arbeitnehmerinnen dieser Berufsgruppe gleichgstellt, so daß eine Unterscheidung nicht mehr möglich war. Außerdem wurden von jetzt an alle sozialen Betriebsarbeiterinnen durch das nationalsozialistische Frauenamt ausgewählt und politisch geschult.
Gegenüber den Weimarer Vorbildern brachte die DAF zwei neue Varianten in die betriebliche Sozialarbeit ein: Zum einen war nicht mehr die Familie der Arbeiter das Ziel ihrer Bemühungen, sondern die arbeitende Frau. Sie sollte als "Kameradin" des Mannes im Betrieb als erbbiologische Produzentin "arischen" Nachwuchses unterstützt werden. Zum anderen wurde der Gedanke der "Menschenführung" in den Betrieb eingebracht. (Vgl. Blandow 1993 b, S. 316)
Durch die starke Einflußnahme der DAF auf die Selektion und Ausbildung der "sozialen Betriebsarbeiterinnen," war deren Arbeit direkt in die Herrschaftsideologie des Nationalsozialismus eingebunden.
Die Aufgaben der "sozialen Betriebsarbeiterinnen" im Nationalsozialismus wurden von der DAF genau geregelt. Dazu gehörten u.a. die Mitarbeit bei der Auflösung auftretender Spannungen innerhalb der Betriebsgemeinschaft, Mit- arbeit an der Erziehungsarbeit am einzelnen Gefolgschaftsmitglied, Mitwir- kung bei Einstellungen und Entlassungen, Mithilfe im Sanitätsdienst des Be- triebs, Schwangeren- und Mutterschutzes, Anregung und Vermittlung von Ku- ren, Beratung und Betreuung der Gefolgschaftsmitglieder im Sinne der Ver- brauchslenkung etc..Außerdem wurden Heeresbetriebe, die mehr als 100 weibliche Arbeitskräfte beschäftigten, verpflichtet, eine soziale Betriebs- arbeiterin einzustellen. Das führte dazu, daß zum Ende der national- sozialistischen Herrschaft ca. 3000 soziale Betriebsarbeiterinnen in Deutschen Betrieben tätig waren.
Parallel zur staatlich verordneten Implementierung betrieblicher Sozialarbeit erfolgte auch eine weitgehende Entrechtung der Arbeitskräfte. Betriebliche Sozialarbeiter unterstützten diesen Prozeß meist tätkräftig, da sie im Sinne einer "großen Volksgemeinschaft" erheblich dazu beitrugen, die Gegensätze zwischen Kapital und Arbeit zu verwischen.
2.6 Neukonstituierung nach dem 2. Weltkrieg
Die "Werksfürsorge" hatte nach Kriegsende massiv mit dem Negativimage, daß parteiergebene soziale Beriebsarbeiterinnnen hinterlassen hatten, zu kämpfen. Außerdem gab es im von der DAF geprägten Aufgabenfeld kaum noch Arbeit. Dazu kam, daß von unternehmerischer Seite jetzt verstärkt auf kommunale und freie Träger der Wohfahrtspflege verwiesen wurde. Aber auch die Arbeitnehmervertretungen, deren betrieblicher Einfluß durch das Betriebsrätegesetz erheblich verbessert wurde, standen der mit dem Stig- ma des staatlichen respektive patriarchalischen Unterdrückungsinstruments behafteten betrieblichen Sozialarbeit, ablehnend gegenüber.
Außerdem konnten und wollten sich aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage nur wenige Großbetriebe betriebliche Sozialarbeiterinnen leisten. Dadurch, daß nach Kriegsende viele der vorher freiwillig gewährten betrieblichen Leistungen gesetzlich festgeschrieben und vom Staat oder der Kommune geleistet wurden, fielen diverse Tätigkeitsbereiche weg.
Die meisten der noch verbliebenen Betriebsfürsorgerinnen, wie die in der betrieblichen Sozialarbeit tätigen Frauen sich jetzt wieder nannten, konzentrierten sich nun auf die Behebung materieller Notlagen, die Wohnungsnot und die familiären Problemen der Arbeitnehmer.
Die Ausbildung der betrieblichen Sozialarbeiterinnen übernahmen überwie- gend die Wohlfahrtsschulen. In der Ausbildung, die sich u.a. wieder an der Ausbildung der betrieblichen Sozialarbeiterinnen der Weimarer Republik ori- entierte, wurden als Novum Praktika in der Werksfürsorge eingerichtet.
2.7 Von der Werksfürsorge zur betrieblichen Sozialberatung
Mit der sich entwickelnden Wohlstandsgesellschaft änderten sich die An- forderungs- und Tätigkeitsprofile der betrieblichen Sozialarbeit. Das hatte zur Folge, daß 1957 der Sozialausschuß der Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie die Werksfürsorge in "Sozialberatung" umbenannte. Damit sollte auch nach außen sichtbar gemacht werden, daß nicht mehr Fürsorge Hauptanliegen der betrieblichen Sozialarbeit ist, sondern Beratung. (Vgl. Girmes, S.37)
Der Schwerpunkt der betrieblichen Sozialarbeit wurde jetzt auf folgende Aufgabenfelder verlagert:
- Förderung der Selbsthilfe der Arbeitskräfte.
- Beratung des Managements und der Arbeitnehmer bei Anpassungsproblemen.
- Pädagogisch-psychologische Hilfen bei persönlichen Problemen.
Im Gegensatz zur traditionellen betrieblichen Fürsorge standen jetzt nicht mehr die Fürsorge und Betreuung, sondern Beratung, Hilfe zur Selbsthilfe, und Selbstverantwortung im Focus der betrieblichen Sozialarbeit. (Vgl. Henke, S. 29)
Diese Schwerpunktverlagerung der Tätigkeiten wurde in anderen Branchen nur zögernd nachvollzogen, kam aber später in der zunehmenden Verbreitung der Umbenennung von Werksfürsorge in Sozialberatung zum Ausdruck. Infolge des "Wirtschaftswunders" nahm die Zahl der fachlich ausgebildeten Werksfürsorgerinnen Ende der fünfziger Jahre wieder stark zu. In den Rezessionsphasen 1967/68 und ab 1974 ging die Gesamtzahl der Werks- fürsorgerinnen geringfügig zurück, weil einige von ihnen entlassen und nicht ersetzt wurden.
Zu Beginn der 70er Jahre erlebte die betriebliche Sozialarbeit wieder einen gewissen Aufschwung. Im Zuge eines komplexer werdenden Mensch-Maschi- ne-Verhältnissses und durch Prozesse der Arbeitsintensivierung wurden Spe- zialisten für "menschliche Betriebsstörungen" gesucht. Seit dieser Zeit spielen psycho-soziale Konflikte und die Alkoholproblematik tragende Rollen in der betrieblichen Sozialarbeit.
2.8 Verbreitung von betrieblichen Sozialarbeitern in Deutschland
Im wesentlichen ist betriebliche Sozialberatung momentan in industriellen Großbetrieben zu finden, wird aber auch im Bereich von Versicherungen und Großbanken, in Kaufhäusern, bei Körperschaften des öffentlichen Rechts und auch in staatlichen Behörden praktiziert. Es ist zur Zeit allerdings nicht genau bekannt, in wie vielen Unternehmen eine betriebliche Sozialberatung etabliert ist, bzw. stattfindet, denn die aktuellsten empirischen Untersuchung zu diesem Thema sind zehn Jahre alt. (Vgl. Blandow 1993 a, S. 107)
Nach einer Erhebung des deutschen Berufsverbandes der Sozialarbeiter und Sozialpädagogen gab es im Juni 1975 dreihundertvierzig betriebliche Sozialarbeiter in Westdeutschland. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird von 200-300 Beschäftigten ausgegangen. (siehe Tabelle und Graphik)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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- Arbeit zitieren
- Ulf Becker (Autor:in), 1995, Historische Entwicklung, gegenwärtiger Stand und Perspektiven betrieblicher Sozialarbeit in Unternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16708
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