In der folgenden Arbeit werde ich die theoretischen Grundlagen, die Entwicklung, den heutigen Forschungsstand und die Praxis tiergestützter Pädagogik und Therapie darstellen.
Das Thema tiergestützte Pädagogik/Therapie ist keineswegs neu, bereits im 16. Jahrhundert erschienen erstmals Zeitungsartikel zu diesem Thema und auch einige wenige wissenschaftliche Berichte, die jedoch oft belächelt wurden. Im 18. Jahrhundert wurden in England Tiere in einer Anstalt für geistig Behinderte eingesetzt und 1970 ergab eine Umfrage in den USA, dass 48% der befragten Therapeuten Tiere gelegentlich schon "irgendwie" in ihrer Arbeit eingesetzt haben.1
Deutschland ist mit seinen Forschungen zu diesem Thema im Vergleich zu anderen Ländern jedoch weit im Rückstand. Die Praxis ist der Theorie im deutschsprachigem Raum weit voraus. So ist die Zahl und auch die Qualität der Praxisprojekte in der pädagogischen oder therapeutischen Arbeit mit Tieren in den letzten zehn Jahren deutlich angestiegen, wissenschaftlich abgesicherte und anerkannte Erkenntnisse zu diesem Thema gibt es allerdings nur sehr begrenzt. Am weitesten fortgeschritten ist die Anerkennung der positiven Wirkung von Tieren in der Altenhilfe. Jedoch auch im Bereich der pädagogischen, sonderpädagogischen und psychologischen Kinder- und Jugendarbeit kommen Tiere vielfältig zum Einsatz. Es dominieren hier individuelle Handlungsansätze, was zur Konsequenz hat, das es nur bedingt zu Informationsweitergabe und fachlichem Austausch kommt.
Erst seit einigen Jahren gibt es Symposien zu diesem Themenbereich, wodurch der fachliche Austausch angekurbelt werden soll und die Arbeit mit Tieren als Helfer, Begleiter oder Co-Therapeut/Pädagoge bekannt gemacht und anerkannt werden soll. Dieses Ziel hat auch eine berufsbegleitende Fortbildung zu diesem Thema, die seit 2001 erstmals angeboten und deren Inhalt weitgehend auch in diese Arbeit einfließen wird.
Beginnen möchte ich mit den Formen des Zusammenlebens von Menschen und Tieren in den einzelnen Weltreligionen wie Hinduismus, Buddhismus, Islam und Christentum. Ferner werde ich hierbei die europäischen und chinesischen Denkweisen berücksichtigen.
In den verschiedenen Kulturen gibt es die unterschiedlichsten Einstellungen zu Tieren, als Beispiel seien die buddhistischen Mönche genannt, welche den Boden kehren, bevor sie auf ihm gehen, um keine Lebewesen zu töten.
[...]
Gliederung
1. Einleitung
2. Die Mensch-Tier Beziehung in Religion, Geschichte und Ethik
2.1 Die Mensch-Tier Beziehung in den verschiedenen Religionen
2.1.1 Das Tier im Hinduismus
2.1.2 Das Tier im Buddhismus
2.1.3 Das Tier im chinesischen Denken Exkurs: Yin Yang
2.1.5 Das Tier im Christentum
2.2 Das Tier in der Geschichte
2.2.1 Das Tier in der Spätantike und im Mittelalter
2.2.1.1 Das Tier in der Wissenschaft der Spätantike und des Mittelalters
2.2.2 Die Frühe Neuzeit
2.2.3 René Descartes
2.2.4 Folgen für den Tierschutz
2.3 Das Tier in der heutigen Ethik
2.3.1 Bedeutung von Natur und Tieren in der heutigen Zeit
2.3.2 Die universelle Ethik Schweitzers
2.3.3 Einstellung des Menschen zur Natur
3. Das Tier in Psychologie und Pädagogik
3.1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Mensch und
Tier
3.2 Grundlagen der Mensch-Tier Beziehung
3.2.1 Biophilie
3.2.2 Kommunikation zwischen Mensch und Tier
3.2.3 Du-Evidenz
3.3 Allgemeine Auswirkungen der Mensch - Tier Beziehung
4. Einsatz von Tieren zu pädagogischen und therapeutischen Zwecken
4.1 Entwicklung
4.2 Richtlinien und Definitionen
4.2.1 Animal-Assisted Activities - Tiergestützte Aktivitäten (AAA)
4.2.2 Animal-Assisted Therapy - Tiergestützte Therapie (AAT)
4.3 Tiere in der pädagogischen und therapeutischen Arbeit mit
Kindern
4.3.1 Das Beziehungserleben durch Tiere
4.3.2 Wie wirkt tiergestützte Pädagogik/Therapie?
4.3.2.1 Wirkung in der Pädagogik
4.3.2.2 Wirkung in der Therapie
5. Die Bedeutung von Spiel und Spielräumen für Kinder
5.1 Die Entwicklung des Spiels im historischen Kontext
5.2 Charakteristika von Spiel
5.3 Funktionen des Spiels
5.4 Kindliche Erlebnisräume
5.5 Resümeè
6. Jugendfarmen und Aktivspielplätze
6.1 Allgemeines
6.1.1 Entstehung von Jugendfarmen und Abenteuerspielplätzen
6.1.2 Allgemeine Konzeption von Jugendfarmen
6.1.3 Der Bund der Jugendfarmen und Aktivspielplätze e.V.
6.2 Stadtteilfarm Bremen Huchting
6.2.1 Aufbau der Stadtteilfarm
6.2.2 Beschreibung der Farm
6.2.3 Zielsetzung
6.2.4 Angebot
6.2.5 Problembereiche der Farmarbeit
6.2.5.1 Personelle Situation
6.2.5.2 Finanzen
6.3 Fazit
7. Therapeutisches Reiten
7.1 Überblick
7.1.1 Hippotherapie
7.1.2 Behindertensport
7.2 Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren
7.2.1 Entwicklung des Heilpädagogischen Reitens/ Voltigierens
7.2.2 Grundlagen des heilpädagogischen Reitens/ Voltigierens
7.2.3 Vorraussetzungen für heilpädagogisches Reiten/ Voltigieren
7.2.3.1 Das Pferd
7.2.3.2 Der Therapeut
7.3 Einsatzgebiete, Ziele und Auswirkungen des Therapeutischen Reitens
7.3.1 Körperliche Ebene
7.3.2 Individuelle Ebene
7.3.3 Soziale Ebene
7.4 Fazit
8. Delphintherapie
8.1 Entstehung und Anwendung der Delphintherapie
8.2 Forschungsprojekt zur Delphintherapie der Universität
Würzburg
8.3 Wirkung der Delphintherapie
8.3.1 Der Delphin als Verstärker
8.3.2 Der Delphin als Eisbrecher
8.3.3 Ultraschallwellen
8.4 Fazit
9. Tierhaltung und Tierbesuchsdienste in Institutionen
9.1 Allgemeines
9.2 Institut für soziales Lernen mit Tieren
9.2.1 Konzept
9.2.2 Die Tiere des Instituts
9.3 Tiere helfen Menschen e.V.
9.4 Fazit
10. Tiere in der Resozialisation und im Strafvollzug
10.1 Green Chimneys
10.2 Servicehundeausbildung im Washington Corrections Center
for Woman (WCCW)
10.3 Fazit
11. Tiere im Einsatz in der Ergotherapie
11.1 Allgemeines
11.2 „Kea“ als therapeutischer Helfer
11.2.1 Die Beobachtungsebene
11.2.2 Die Kontaktebene
11.2.3 Ebene der Selbstaktivität
11.2.4 Ebene der komplexen Interaktion
12. Hygienische und rechtliche Voraussetzungen
12.1 Gesundheitliche Fragen
12.1.1 Infektionen durch Tiere
12.1.2 Allergien und anfällige Patienten
12.1.3 Unfallgefahr
12.2 Rechtliche Voraussetzungen
12.2.1 Tierhaltung in Institutionen
12.2.2 Voraussetzungen für Tiere in der Praxis oder als Besuchsdienst in Einrichtungen
13. Schluss
Anhang
1. Das Tierschutzrecht
1.1 Historische Entwicklung des Tierschutzgesetzes
1.2 Das Tierschutzgesetzt von 1998
2. Adressen
2.1 Allgemeine Adressen zu Einrichtungen der tiergestützten
Pädagogik/Therapie
2.2 Ausbildung Reittherapie
2.2.1 Lehrgangsbedingungen beim Förderkreis Therapeutisches Reiten e.V.
Literatur
1. Einleitung
In der folgenden Arbeit werde ich die theoretischen Grundlagen, die Entwicklung, den heutigen Forschungsstand und die Praxis tiergestützter Pädagogik und Therapie darstellen.
Das Thema tiergestützte Pädagogik/Therapie ist keineswegs neu, bereits im 16. Jahrhundert erschienen erstmals Zeitungsartikel zu diesem Thema und auch einige wenige wissenschaftliche Berichte, die jedoch oft belächelt wurden. Im 18. Jahrhundert wurden in England Tiere in einer Anstalt für geistig Behinderte eingesetzt und 1970 ergab eine Umfrage in den USA, dass 48% der befragten Therapeuten Tiere gelegentlich schon „irgendwie“ in ihrer Arbeit eingesetzt haben.1
Deutschland ist mit seinen Forschungen zu diesem Thema im Vergleich zu anderen Ländern jedoch weit im Rückstand. Die Praxis ist der Theorie im deutschsprachigem Raum weit voraus. So ist die Zahl und auch die Qualität der Praxisprojekte in der pädagogischen oder therapeutischen Arbeit mit Tieren in den letzten zehn Jahren deutlich angestiegen, wissenschaftlich abgesicherte und anerkannte Erkenntnisse zu diesem Thema gibt es allerdings nur sehr begrenzt. Am weitesten fortgeschritten ist die Anerkennung der positiven Wirkung von Tieren in der Altenhilfe. Jedoch auch im Bereich der pädagogischen, sonderpädagogischen und psychologischen Kinder- und Jugendarbeit kommen Tiere vielfältig zum Einsatz. Es dominieren hier individuelle Handlungsansätze, was zur Konsequenz hat, das es nur bedingt zu Informationsweitergabe und fachlichem Austausch kommt.
Erst seit einigen Jahren gibt es Symposien zu diesem Themenbereich, wodurch der fachliche Austausch angekurbelt werden soll und die Arbeit mit Tieren als Helfer, Begleiter oder CoTherapeut/Pädagoge bekannt gemacht und anerkannt werden soll. Dieses Ziel hat auch eine berufsbegleitende Fortbildung zu diesem Thema, die seit 2001 erstmals angeboten und deren Inhalt weitgehend auch in diese Arbeit einfließen wird.
Beginnen möchte ich mit den Formen des Zusammenlebens von Menschen und Tieren in den einzelnen Weltreligionen wie Hinduismus, Buddhismus, Islam und Christentum. Ferner werde ich hierbei die europäischen und chinesischen Denkweisen berücksichtigen. In den verschiedenen Kulturen gibt es die unterschiedlichsten Einstellungen zu Tieren, als Beispiel seien die buddhistischen Mönche genannt, welche den Boden kehren, bevor sie auf ihm gehen, um keine Lebewesen zu töten. Ein weiteres Beispiel ist Descartes, der im 17.
Jahrhundert mit seiner „Automatenlehre“ Tiere als Maschinen darstellte und ihnen jegliche Gefühle absprach.
Zum Abschluss dieses ersten Überblicks werde ich auf die Ethik der heutigen Mensch - Tier Beziehung eingehen, da die Einstellung zu Tieren beim einzelnen Menschen sehr unterschiedlich ist.
Tiere gehören längst nicht mehr selbstverständlich zu unserem Leben, viele Menschen kommen nur mit ihnen in Kontakt, wenn sie ihr Fleisch auf dem Teller liegen haben. Ansonsten sehen sie Tiere oft als Krankheitsüberträger. Die Entwicklung des Tierschutzgesetztes, welche in diesem Rahmen ebenfalls aufgezeigt wird, verdeutlicht diese distanzierte Einstellung zu Tieren.
Nach diesem ersten Überblick soll es im zweiten Abschnitt meiner Arbeit um psychologische Erkenntnisse der Mensch-Tier Beziehung gehen.
Auch wenn die Psychologie Tiere mehr als selten in ihre Forschungen mit einbezogen hat, gab es in den letzten Jahren doch einige Studien und Erfahrungen, die den positiven Einfluss, den Tiere auf Menschen haben, aufzeigen und betonen. In diesem Rahmen werde ich auf den Begriff der Biophilie zu sprechen kommen, auf die besondere Kommunikation zwischen Mensch und Tier eingehen sowie die Du- Evidenz erklären, die ein entscheidender Faktor dafür ist, ob eine Beziehung zwischen Mensch und Tier aufgebaut werden kann.
Des weiteren werde ich darstellen, was Menschen, und besonders Kinder im Umgang mit Tieren lernen können und wie wichtig diese Erfahrungen sind. Experten vertreten die Meinung, dass Kinder, die mit einem Tier aufgewachsen sind, selbstbewusster und verantwortungsbewusster mit sich und anderen umgehen. Das die meisten Kinder sich zu Tieren hingezogen fühlen steht wohl außer Frage. In ihnen finden sie ganz besondere Freunde, für die sie natürlich auch Verantwortung übernehmen müssen, wenn ein Haustier ihren Alltag teilt.
Im weiteren Verlauf der Arbeit werde ich verschiedene Bereiche der tiergestützten Pädagogik und Therapie in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen darstellen. Um die Bedeutung von Natur und Tieren für kindliche Spielräume zu erläutern, werde ich zunächst einen Exkurs in die Entwicklung des Kinderspiels machen. Hier wird deutlich herausgestellt, dass Kinder durch die Entwicklung unserer Gesellschaft immer weniger Zeit in der freien Natur verbringen und viele von ihnen Tiere nur noch aus dem Fernsehen kennen. An dieser Stelle werde ich beweisen, das dies eine starke Beeinträchtigung der kindlichen Entwicklung zur Folge hat da die Tiere im Alltag der Kinder nur sporadisch vorkommen und so keine Möglichkeiten mehr bieten können, wichtige Erfahrungen im Umgang mit anderen Lebewesen zu sammeln, Verantwortung für sich selbst und andere zu übernehmen und somit einen wesentlichen Beitrag zur kindlichen Entwicklung leisten.
Nachdem die Bedeutung von Natur und Tieren für die kindliche Entwicklung herausgestellt ist, werde ich als Beispiel für den Einsatz von Tieren im pädagogischen Arbeitsfeld die Arbeit auf Jugendfarmen vorstellen. Hierbei werde ich mich auf meine Erfahrungen während meines Praktikums auf einer Jugendfarm in Bremen stützen, welches mich auf die Idee brachte, diese Arbeit zu verfassen.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass therapeutisches Reiten eine der bekanntesten Formen und eine in Jugendfarmen weit verbreitete pädagogische und therapeutische Methode ist. Ferner soll hier noch erwähnt werden, dass diese Methode auch die einzige ist, bei der Tiere schon seit langer Zeit in der Therapie eingesetzt werden. Dabei ist der Begriff Therapeutisches Reiten ein Oberbegriff für drei verschiedene Ansätze, nämlich der Hippotherapie, den Behindertensport und das heilpädagogische Reiten. Nach kurzer Definition dieser drei Ansätze werde ich näher auf das heilpädagogische Reiten eingehen, da dieses für die pädagogische Arbeit von größerer Bedeutung ist. Mindestens genauso populär wie die Reittherapie ist die Delphintherapie, bei der Kinder mit verschiedenen Behinderungen und Störungen zusammen mit Delphinen schwimmen. Ich halte diese Therapieform für besonders erwähnenswert, da sie in den Grundzügen die gleichen Ziele wie die Reittherapie verfolgt und bei den verschiedenen Behinderungen und Störungen mit ebenso großem Erfolg eingesetzt werden kann. Allerdings vertrete ich die Meinung, dass sie in unseren Breiten nicht eingesetzt werden sollte, da Delphine hier nicht artgerecht gehalten werden können. Die wenigen Angebote, bei denen diese Therapie mit freilebenden Delphinen angeboten wird, sind sehr teuer und werden nicht von der Krankenkasse bezahlt.
Des weiteren werde ich die Vor- und Nachteile der Tierhaltung und der Tierbesuchsdienste in Institutionen, wie Heimen, Schulen, Behinderteneinrichtungen oder Krankenhäusern eingehen.
Neben all diesen Möglichkeiten, Tiere in Einrichtungen, Therapien und pädagogischen Konzepten einzusetzen, möchte ich als letztes noch die Möglichkeit beschreiben, wie Tiere bei der Resozialisation von Jugendlichen und in der Ergotherapie eingesetzt werden können. Nach diesen Ausführungen zu verschiedenen Einsatzgebieten von Tieren werde ich die hygienischen und rechtlichen Grundlagen aufzeigen, um auch damit verbundene Schwierigkeiten und Möglichkeiten im Einsatz von Tieren in Pädagogik und Therapie zu vervollständigen.
Zum Abschluss möchte ich dann noch mal die besondere Wirkung von Tieren auf Kindern aufzeigen und welchen Nutzen Pädagogen, Erzieher und Therapeuten hieraus für ihre Arbeit ziehen können.
2. Die Mensch-Tier Beziehung in Religion, Geschichte und Ethik
In der weit zurückreichenden Tradition der Menschheit waren Menschen und Tiere schon immer eng miteinander verbunden. In vielen Religionen, Überlieferungen, Märchen, Sagen, Legenden und Fabeln ist das Handeln der Tiere oft sehr vermenschlicht dargestellt. Sie befinden sich mit den Menschen auf einer Ebene, wenn sie nicht sogar, als Gott oder Begleiter eines Gottes, höher gestellt werden.
Oft schlüpfen Menschen in Tiergestalten und umgekehrt. Die Gemeinsamkeiten zwischen Menschen und Tieren spiegeln sich in vielen Religionen, Weltanschauungen, Kulturen und Wissenschaften wieder. Darwins Evolutionstheorie sorgte damals für großes Aufsehen, und spätestens im 18. Jahrhundert bewiesen geologische Ausgrabungen unwiderlegbar, das alles Leben einen gemeinsamen Ursprung hat.2
Um die Wirkung von Tieren auf Kinder und auf Menschen allgemein zu verstehen, ist es sinnvoll, zunächst unsere Einstellung zu Tieren zu klären. Von daher werde ich im Folgenden die Mensch-Tier Beziehung in verschiedenen Religionen, im Laufe unserer Kulturgeschichte und in der Ethik beschreiben.
2.1 Die Mensch-Tier Beziehung in den verschiedenen Religionen
2.1.1 Das Tier im Hinduismus
Der Hinduismus ist eine in Indien entstandene Religion, der mit circa 80 Prozent die Mehrheit der indischen Bevölkerung angehört und die darüber hinaus in vielen Teilen der Welt verbreitet ist. Da die Schriften des Hinduismus mehr von den Taten der Menschen als von ihrem Denken handeln, findet man, obwohl es nur wenige Praktiken und Glaubensformen gibt, die von allen ausgeübt werden, eine weitaus größere Übereinstimmung im Verhalten der Hindus als in ihrem Glauben.
Die meisten Hindus verehren Shiva, Vishnu oder die weibliche Gotthe it Devi. Darüber hinaus werden von Dörfern und einzelnen Familien Hunderte von kleineren lokalen Gottheiten angebetet.
Es gibt einige wenige Praktiken, die bei fast allen Hindus üblich sind: die Hochachtung gegenüber ihren Priestern, den Brahmasamadsch, und die Verehrung der Kuh, das Verbot Fleisch, insbesondere Rindfleisch, zu verzehren sowie die Eheschließung innerhalb der Kaste (Jati), wobei die Hoffnung auf männliche Nachkommen vorherrscht.3
Der Hindu glaubt an Reinkarnation, die fortwährend ist. Die Seele wandert von Lebewesen zu Lebewesen, mit dem Ziel das Nirvana zu erreichen. Mit jeder Stufe der Seelenwanderung kommt er dem Nirvana, der Erlösung von allem Irdischen näher. Die Seele wandert hierbei zwischen menschlicher und tierischer Gestalt hin und her, jedoch ist es nicht möglich, mit einer tierischen Gestalt ins Nirvana einzutreten.
Der Hindu ist davon überzeugt, das Menschen und Tiere nahezu gleiche Empfindungen und Gesinnungen besitzen. Ähnlich wie in der islamischen Kultur sind Tiere in rein und unrein unterteilt. So ist festgelegt, welche Tiere verspeist und geopfert werden sollen. Das Recht Tiere zu töten rechtfertigt der Hindu damit, das diese sich von Pflanzen ernähren und diese sind in seinen Augen ebenfalls Lebewesen. Die von Gott gegebene Nahrungskette schließt somit das Töten und Verspeisen von Tieren mit ein. Der Mensch hebt sich durch die Wahlmöglichkeit seiner Nahrung von den anderen Lebewesen ab. Diese Freiheit gibt ihm die Überlegenheit über andere Kreaturen, doch sie verpflichtet ihn auch für die Lebensmöglichkeiten dieser zu sorgen 4
Der Hindu soll also alles Leben schützen soweit es ihm möglich ist. Auch wenn er nicht alles Leid von anderen Lebewesen fernhalten kann, soll sein Blick für das Leid anderer doch geschärft werden. Er sieht in einem Tierkörper eine gefallene Seele die jetzt in einem Tierkörper existiert. Einige Hindus verzichten schon deshalb ganz auf den Genuss von Fleisch, weil sie ja unter Umständen einen Freund oder Verwandten verspeisen könnten. Das absolute Tötungsverbot gilt im Hinduismus nur für die oberen Kasten. Die unteren Kasten sind noch so weit von der Erlösung befreit, das sie ihr Karma gelegentlich mit Töten und Essen von Tieren beschmutzen können. 5
Eine besondere Stellung hat die Kuh im Hinduismus.
Sie ist das Symbol für die gesamte Natur, durch die der Mensch lebt. Schutz der Kuh heißt, Schutz der gesamten stummen Kreatur Gottes. So errichten die Hinduisten z. B. Altersheime für alte und schwache Kühe.6 Kuh und Bulle gelten als die göttlichen Begleiter, manche Götter benutzen sie auch als Reittiere. Zur Durchführung vieler religiöser Rituale braucht der Hindu das Butterfett und die Milch der Kuh. Es werden u.a. auch Jogurt, Urin, Dung und Gorocana (gelbes Pigment aus Urin) verwendet. Diese Dinge gelten als gesundheitsförderlich und verhelfen zu religiöser Reinheit. Reiche Inder geben für den Schutz der Kuh im Jahr viele Millionen Dollar aus.
2.1.2 Das Tier im Buddhismus
Der Buddhismus wurde im Nordosten Indiens gegründet. Er beruht auf den Lehren von Siddhartha Gautama, der im Allgemeinen Buddha (der Erleuchtete) genannt wird. Der Buddhismus verbreitete sich nicht nur in Indien, sondern auch in Sri Lanka, Thailand, Kambodscha, China, Japan, Taiwan, Tibet, Nepal, die Mongolei, Korea und Vietnam. Weltweit wird die Anzahl der Buddhisten auf circa 300 Millionen geschätzt, die zu 99 Prozent in Asien beheimatet sind.
Der Buddhismus war anfangs eine Bewegung buddhistischer Mönche innerhalb der vorherrschenden brahmanischen Tradition. Er wurde jedoch bald zu einer eigenen Richtung.7 Buddha hatte einiges an der hinduistischen Kultur auszusetzen, unter anderem verneinte er vehement den Opferkult der vedischen Schriften. Im Buddhismus wird die totale Gewaltlosigkeit gegenüber allen Lebewesen, zu denen auch Pflanzen zählen, als ideales Verhalten angesehen. Manche buddhistischen Mönche trage Glöckchen am Fuß, damit die Tiere gewarnt sind, die auf dem Boden vor ihnen sind. Grund hierfür ist die Selbstverpflichtung zum Nicht-Töten, die sich jeder Buddhist freiwillig auferlegt hat. Diese Selbstverpflichtung ist eine der wichtigsten Grundlagen zum rechten Verhalten und zum richtigen, heilsamen Handeln. Hierbei werden alle Tiere, auch Insekten und Würmer eingeschlossen.
Menschen, die Tiere von Beruf aus töten werden bei den Buddhisten als sehr gering angesehen. Da aber die Notwendigkeit dieser Arbeit erkannt wird, ist es solchen Menschen möglich, durch Spenden an die Mönche ihre Sünden vergeben zu bekommen. Notwendig wird diese Arbeit schon deshalb, weil im Buddhismus der Verzehr von Fleisch keineswegs verboten ist. Vegetarismus wäre für den Buddhisten keine Lösung des Problems da Pflanzen in ihrer Religion ebenfalls beseelte Lebewesen sind. Daher ist es einigen Menschen gestattet, Tiere zu töten. Mönche sündigen nur, wenn sie sehen oder hören, wie ein Tier getötet wird, oder wenn der Mönch Anlass des Tötens ist.8
Typisch für Buddhisten ist die indirekte Form des Tötens. So werden Fische zum Beispiel auf den Boden gelegt, bis sie von selbst Sterben.
Eine andere zentrale Bedeutung in der Mensch-Tier Beziehung des Buddhismus hat die Wiedergeburtslehre. Die Seele, das Karma, wandert immer weiter von einer Existenz in die nächste. Das Karma umfasst die Taten einer Person sowie deren ethische Folgen. Bei der Wiedergeburt werden gute Taten belohnt und schlechte bestraft. Dementsprechend existiert in der Welt weder unverdientes Glück noch ungerechtfertigtes Leid, sondern nur eine universelle Gerechtigkeit. Das Karma vollzieht sich somit vielmehr aufgrund eines gewissen moralischen Naturgesetzes als aufgrund eines Systems göttlichen Gerichts. Das Karma bestimmt z. B. Art, Schönheit, Intelligenz, Langlebigkeit, Wohlstand und sozialen Status. Nach Buddha können unterschiedliche Karmas zu einer Wiedergeburt als Mensch, als Tier, als hungriger Geist, als Bewohner der Hölle oder sogar als einer der Hindugötter führen. 9
Die Daseinsform des Tieres ist im Buddhismus keineswegs positiv. Auch wenn der Buddhist Respekt und Mitgefühl gegenüber allem anderen Lebewesen hat, heißt das nicht, dass das Tier besonders hohes Ansehen besitzt. Es gilt als eine üble Existenzform, nur noch unterboten von den Höllenbewohnern.
„ In der idealen Welt eines Buddhisten gibt es keine Tiere und die Tatsache, dass es von Tieren nur so wimmelt, ist ein Zeichen dafür, das die Welt sich in einem schlechten Zustand befindet. “ 10
2.1.3 Das Tier im chinesischen Denken
Im chinesischen Denken ist die Wesensverwandtschaft zwischen Menschen und allen anderen lebenden Geschöpfen ganz selbstverständlich. In jedem Wesen sind die beiden Grundkräfte des Seins, das Yin und das Yang zusammen wirksam. Unter allen Wesen ist der Mensch jenes, in welchem sich Yin und Yang am besten miteinander verbinden können.
Exkurs: Yin Yang
Das Yin:
Verkörpert das weibliche Prinzip
Eigenschaften: dunkel, schwach, ruhig-kontemplativ, nachgiebig, unten (Erde), Stoffliche, Destruktive , Ruhe, kompliziert- intuitiv.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Yang:
Verkörpert das männliche Prinzip
Eigenschaften: hell, stark, schöpferisch, fest, oben (Himmel), Geistige, Konstruktive, Bewegung, klar und rational.
Weiblich und männlich, Tag und Nacht sind keine absoluten Gegensätze, vielmehr enthalten beide den Kern des jeweils anderen in sich. Die Yin &Yang Lehre ist Grundlage der chinesischen Medizin.11
Im chinesischen Denken wird kein Unterschied zwischen sterblichen und unsterblichen Wesen gemacht. Man glaubt an die Seelenwanderung zwischen Mensch und Tier. Die Wesensverwandtschaft zwischen Mensch und Tier, wird im chinesischen Denken erkannt und anerkannt.
Wie genau der Mensch sich nun aber gegenüber den Tieren zu verhalten hat, darüber gehen die Meinungen auseinander.
Die Anhänger des Laotse (chin. Philosoph, ca. 3. - 4. Jrhd. v. Chr.), behaupten, der Mensch dürfe nicht in die Natur eingreifen. Er soll zwar gut zu allen Tieren sein, aber nicht eingreifen um ihnen ein besseres Schicksal bereiten zu wollen. Tätige Ethik wird hier abgelehnt.
„ Seid gut zu den Menschen, zu den Pflanzen und zu den Tieren ! Hetzt weder Menschen noch Tiere, noch fügt ihnen Leid zu! “ 12
Die Anhänger des Kungtse dagegen verlangen tätige Menschenliebe. Der Nachfolger Kungtse´s, Mon Dsi verlangte diese Liebe genauso gegenüber Tieren.
Das Kang Ying Pin, eine Schrift die während der Sung Dynastie entstand (960-1227 n.Chr.), besteht aus einer Sammlung von 212 kurzen Sätzen über „Gut und Böse“. In dieser Schrift wird kein Unterschied zwischen Mensch und Geschöpfen gemacht. Der Mensch soll um jede Kreatur besorgt sein.13 Anhänger des Kang Ying Pin geben sich die größte Mühe, kein
Lebewesen zu töten. Manche kehren den Boden, bevor sie auf ihm gehen, um keine Insekten zu töten, es wird sogar berichtet, dass alte Häuser nicht ausgebessert werden, damit die Lebewesen, die in den Ritzen des Gesteins wohnen nicht getötet werden. Es bringt dem Menschen Gutes, wenn er den anderen Geschöpfen Gutes tut, und Strafe, wenn er ihnen schadet. Wobei zu beachten ist, dass die Achtung vor anderen Lebewesen aus reiner Nächstenliebe und dem tiefen Empfinden für die Kreatur von Statten geht und nicht aus Angst vor Strafe.
Im Kang Ying Pin, welches immer noch weit verbreitet ist, werden die Pflichten des Menschen gegenüber den Tieren so ernst genommen, wie bisher nirgendwo sonst in Religion oder Schriften.
Probleme, die diese Lebenseinstellung mit sich bringt, zum Beispiel was passiert wenn man es nicht vermeiden kann Leben zu töten, werden jedoch nicht weiter behandelt. 14
2.1.4 Das Tier im Islam
Der Islam (arabisch: Unterwerfung, Hingabe) ist die jüngste der großen Weltreligionen und wurde von Mohammed begründet. Die Anhänger des Islams, genannt Muslime, glauben an den einen Gott Allah. Gegenwärtig wird die Zahl der Anhänger des Islam auf etwa 935 Millionen Menschen geschätzt. Zu den Ländern der islamischen Weltgemeinschaft gehören die arabischen Staaten in Nordafrika und im Nahen Osten, die Türkei und Teile der früheren UdSSR in Zentralasien (Turkvölker), der Iran, Afghanistan, Pakistan, Indien und Bangladesh, Indonesien, Malaysia, Philippinen und Teile Chinas. In Europa ist der Islam die zweitgrößte Religion nach dem Christentum.15
Ebenso wie die Bibel baut auch der Koran, die heilige Schrift des Islams, auf dem Schöpfungsmythos auf. Gott erschuf die Welt und alles Leben, die Menschen als Krone der Schöpfung sollen sich die Erde zu Nutzen machen.
Tiere sind in islamischen Ländern zum einen Nahrungsmittel- und Bekleidungslieferant, zum anderen Arbeits- und Transporttier. Tiere die als Nahrungs- oder Bekleidungslieferant dienen sind aufgeteilt in erlaubte und verbotene Tiere. Verboten sind Raubtiere mit Reißzähnen(z.B. Löwe, Wolf), Greifvögel und Reptilien. Als ganz besonders unrein gilt das Schwein, der Koran verbietet den Umgang mit Schweinen so wie den Verzehr von Schweinefleisch an mehreren Stellen. Verbotene Tiere dürfen nicht gegessen oder geopfert werden.
Erlaubt sind Fische und Nutztiere wie Kamele, Schafe, Ziegen oder Hühner. Diese müssen jedoch rituell geschlachtet worden sein, ansonsten gelten sie ebenfalls als unsauber. Wie getötet oder geschlachtet wird ist im Koran genau festgelegt.
Im Islam hat das Tier keine große Bedeutung, es wird lediglich darüber nachgedacht, welchen Nutzen der Mensch aus den Tieren ziehen kann. Wichtig sind allerdings die Ausführungen über Tiere, die verboten sind. Von diesen soll ein Muslim sich fernhalten oder sie vertreiben. Aus solch einer Grundeinstellung lässt sich kaum eine positive Beziehung zwischen Mensch und Tier aufbauen. Wenn Haustiere gehalten werden, dann fast ausschließlich, um Geister zu vertreiben und Böses fernzuhalten. Das Tier wird als Sache gesehen, entweder nützlich oder schädlich.16
2.1.5 Das Tier im Christentum
Das Christentum ist neben dem Judentum und dem Islam eine der großen monotheistischen Religionen. Ca. 1,8 Milliarden Menschen bekennen sich zum Christentum, der am weitesten verbreiteten Weltreligion. 17
Dem Christentum liegt der Schöpfungsgedanke zugrunde. Der Mensch ist die Krone der Schöpfung Gottes, etwas Einzigartiges. Er soll sich die Erde Untertan machen, dabei aber Sorge für sie tragen. Die besondere Stellung des Menschen wird schon im ersten Kapitel des Alten Testaments, der Schöpfungsgeschichte deutlich:
„ Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde, die ganze Welt. Auf der Erde war es noch wüst und unheimlich; es war finster und Wasserfluten bedeckten alles. Da befahl Gott „ Licht soll ausstrahlen “ , und es wurde hell. Gott hatte Freude an dem Licht, denn es war gut. Er trennte das Licht von der Dunkelheit und nannte das Licht „ Tag “ und die Dunkelheit „ Nacht “ . Es wurde Abend und wieder Morgen. Der erste Tag. “ 18
In den darauffolgenden Tagen schuf Gott Himmel, Erde, Sonne, Mond und Sterne, die Tiere im Wasser und in der Luft.
Am sechsten Tag befahl Gott: „“ Die Erde soll Leben hervorbringen. Vieh, wilde Tiere und alles, was auf dem Boden kriecht. “ Und er machte alle Arten von Tieren und er hatte Freude daran, denn es war gut. Dann sagte Gott „ Nun wollen wir den Menschen machen, ein Wesen,das unsähnlich ist. Er soll Macht habenüber die Fische im Meer, die Vögel in der Luft undüber alle Tiere auf der Erde “ 19
Im Alte Testament bringen die Menschen ihrem Gott Tieropfer dar, bei Jesaja wird jedoch deutlich, das Gott diese Tieropfer gar nicht will: „ Was soll ich mit euren vielen Opfern? Die Schafböcke, die ihr für mich verbrennt und das Fett eurer Masttiere habe ich satt, das Blut von Stieren, Lämmern und Böcken mag ich nicht. “ 20
Als Jesus später das schon im Alten Testament vorhandene Gebot der Liebe zum absoluten Grundsatz menschlicher Gesinnung und menschlichen Handelns verkündete, könnte man eigentlich erwarten, dass er dies auch in Bezug auf die Tiere tut. Doch in dieser Hinsicht wird das Alte Testament nicht ausgeweitet.
Eine Erklärung hierfür wäre, das Jesus sowieso davon überzeugt war, dass Gott wie zu den Menschen, so auch zu den Tieren und Pflanzen voller Liebe ist. Außerdem erwartete Jesus das Ende der Welt, das jüngste Gericht. Von daher führte er die Ethik der Liebe nicht im Einzelnen aus, sondern verkündete nur allgemein, dass zur Erlangung des Reich Gottes die vollendete Gesinnung der Liebe notwendig ist.21
Wie schon erwähnt war das Christentum immer darauf bedacht, die Sonderstellung des Menschen in der Schöpfung zu betonen. In der Bibel ist kaum von Tieren die Rede, abgesehen von Tieren, die in Gleichnissen erwähnt werden. Das Thema Mensch-Tier Beziehung wird kaum angesprochen. Der Mensch ist das Höchste was Gottes Schöpfung ziert. Und auch wenn in der Bibel Liebe und Fürsorge für alle Lebewesen gepredigt wird und Jesus in seine Ethik der Liebe auch auf Tiere und Pflanzen bezieht, so sieht sich der Mensch doch als Herrscher über alles und erfindet alles mögliche, um sein schlechtes Verhalten gegenüber anderem Leben zu rechtfertigen. Dies wird im nächsten Kapitel deutlich werden, nicht zuletzt durch die Lehre Descartes.
2.2 Das Tier in der Geschichte
In frühen Jägerkulturen war die Beziehung zwischen Mensch und Tier noch sehr eng. Menschen und Tiere lebten miteinander und waren voneinander abhängig. Eines der ersten Tiere, das schon in der Altsteinzeit vom Menschen gezähmt wurde, war der Hund. Er wurde als Jagdhelfer, Wächter und Hirte ausgebildet. 22
Menschen waren genau wie Tiere ein Teil der Natur und sie lebten miteinander in Einklang. Wie im vorangegangenen Kapitel dargestellt, waren Mensch und Tier eine Einheit. Erst mit Aufkommen des Monotheismus wurde der Mensch zum Herrscher über Tiere und Natur. In den Naturreligionen, in denen meist mehrere Götter verehrt werden, sind diese Teil der Natur und sehr eng mit ihr verbunden. Kulturen, in denen Tiere verehrt oder als heilig gesehen werden, gelten bei uns heute oft als rückständ ig. Im folgenden werde ich daher die Entwicklung der Mensch-Tier Beziehung im europäischen Raum, unter Einfluss des Christentums beschreiben.
2.2.1 Das Tier in der Spätantike und im Mittelalter
Tiere wurden zu dieser Zeit auf jeden Fall sehr geschätzt. Menschen hatten eine enge Beziehung zu Tieren, hauptsächlich zu jenen, die sie zur Arbeit einsetzten. In der Spätantike war dies hauptsächlich das Rind. Später wurden auch vermehrt Pferde eingesetzt. Bei der Arbeit wurde auf einen sorgsamen Umgang mit den Tieren geachtet und Krankheiten, welche durch zu schnelles Abkühlen bei Überhitzung oder Überanstrengung entstehen können, wurden vorgebeugt und medizinisch versorgt.
Die Jagd war in der Spätantike noch den höheren Schichten vorbehalten. Gejagt wurde hier besonders gerne mit Hilfe von Tieren, die man eigens zur Jagd abgerichtet hatte. Besonders hohes Ansehen genoss der, welcher einen Jagdvogel zähmte, da diese als sehr schwer abzurichten galten.
In den Klöstern entwickelte sich in der Spätantike die Vorstellung, dass Tiere in zwei Klassen zu unterteilen seien.
Zum einen jene Tiere, in welche Jesus einen Dämonen geschickt hatte, so zum Beispiel Schlangen und wilde Tiere, welchen man daher am besten aus dem Weg ging, zum anderen die von Gott gelenkten Tiere, welc he im näheren Umfeld der Menschen lebten und als
Arbeitskraft oder Nahrungsmittel gehalten wurden. Diese verdienten Schutz, Zuneigung und Sympathie.
Die Kelten (Heiden) im frühen Mittelalter standen Tieren sehr nahe. Sie glaubten daran, dass der Mensch sic h nach dem Tot in ein Tier verwandelt. Je nachdem wie er sein Leben geführt hatte, wird er entweder zu einem wohlgenährten, gesunden Tier oder zu einem abgemagerten Tier mit einem jämmerlichen Dasein. Bei den Kelten waren viele Tiere göttliche Begleiter und wurden schon von daher respektiert.23
Bei den Germanen gab es ebenfalls eine Trennung zwischen Guten und Bösen Tieren. Die Guten halfen den Menschen und Göttern im Kampf gegen die Dämonen. In ihren Mythen und Sagen kämpften Menschen, Götter und Tiere gemeinsam gegen Nachtgestalten und Dämonen, zu denen allerdings auch tierische Dämonen gehörten.
Im allgemeinen kann man sagen, das die Menschen zu dieser Zeit eine sehr enge Bindung zu ihren Tieren hatten und fürsorglich mit ihnen umgingen. Tiere wurden als Partner gesehen. Diese enge Beziehung hatte im 13. Jahrhundert in Frankreich und später auch in Deutschland eine sehr merkwürdige Folge. Es kam dazu, das Tiere, die Menschen verletzt oder getötet hatten, vor einem weltlichen Gericht angeklagt wurden. Wenn zum Beispiel ein Schwein ein Kind gebissen hatte, wurde ihm (dem Schwein) öffentlich der Prozess gemacht, bei seiner Hinrichtung mussten andere Schweine zugucken.
Geistliche Gerichte verurteilten Tiere ebenfalls, nämlich solche, die dem Menschen schadeten. So wurden z.B. Raupen oder Blutegel durch einen Exorzismus vertrieben. Die christlichen Überlieferungen wurden in dieser Zeit von orientalischen Einflüssen umgeformt und somit hielt eine, bis dahin im Neuen Testament unbekannte Tierliebe im Christentum Einzug. Jesus hatte damals nicht im speziellen Tierliebe gepredigt, da er dies vor dem Hintergrund des in naher Zukunft erwarteten Jüngsten Gericht nicht für notwendig hielt. Durch keltische und germanische Einflüsse wurde die Mensch- Tier Beziehung ebenfalls verstärkt. Später fühlten sich besonders die Armen und Schwachen mit Tieren verbunden, da sie alle auf Gottes Hilfe angewiesen waren.24
2.2.1.1 Das Tier in der Wissenschaft der Spätantike und des Mittelalters
Die beiden wichtigsten Fragen in Bezug auf Tiere, die sich die Wissenschaftler in der Antike stellten waren zum einen ob menschliche und tierische Seelen gleich sind und zum anderen wie Seelen gezeugt werden..
Die damals maßgebenden Philosophen waren Platon und Aristoteles. Beide haben sich in viele n Schriften mit der Mensch- Tier Beziehung auseinandergesetzt.
In Platons Denken stehen Menschen in jedem Fall über den Tieren. So nimmt er zum Beispiel an einer Stelle an, das ein Mann nur dann wieder ein Mann wird, wenn er sich geistig betätigt. Lässt er sich von materiellen Dingen leiten, wird er zur Frau. Wenn ein Mann oder eine Frau sich von seinen/ihren Trieben leiten lässt, wird diese Seele in einem Tierkörper wiedergeboren.25
Nach Platon werden freischwebende Seelen bei der Geburt in einen Körper eingebettet, je nach Moralität der Seele kommt sie in einen menschlichen oder tierischen Körper. Die Seele, das psychische ist zunächst von der Materie, dem Körper getrennt. Sie geht als fremde Substanz in diesen ein. Die niedrigen Seinsebenen sind nach Platons Lehre aus den höheren entstanden. Man nennt diese Lehre deshalb auch umgekehrten Darwinismus.26 Aristoteles erklärt die Mensch Tier Beziehung auf anderem Wege. Bei ihm ist die Seele untrennbar mit dem Körper verbunden. Menschen können auf Grund ihrer Seele aus Gegebenen Schlüsse auf etwas Kommendes ziehen, sie können somit ihren Verstand gebrauchen. Tiere haben nach Aristoteles zwar auch eine Seele, können diese aber nur dazu gebrauchen sich fortzubewegen und Dinge wahrzunehmen.
In der Spätantike sowie im frühen und im hohen Mittelalter gibt es viele Verhaltensweisen, welche die enge Beziehung zwischen Mensch und Tier deutlich werden lassen. Tiere wurden zwar als Arbeitstiere benutzt, aber dabei sorgsam behandelt und auch medizinisch versorgt, wohl nicht zuletzt, weil sie einen hohen materiellen Wert hatten und unter anderem auch den Wohlstand einer Familie zeigten.
Wissenschaftlich gesehen wurden Tiere immer wieder aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. Einige Wissenschaftler stellten Tiere mit den Menschen auf eine Stufe, gaben ihnen eine Seele, sprachen ihnen Unsterblichkeit zu. Die führte letztendlich dazu, das Naturwissenschaftler ein Modell entwarfen, in welchem Tiere und Menschen unabhängig von göttlichen Bestimmungen gleichberechtigt nebeneinander standen.
2.2.2 Die Frühe Neuzeit
Die Frage ob Tiere eine Seele haben wurde nach Platon und Aristoteles immer wieder von Wissenschaftlern diskutiert. Und wenn sie eine haben, inwiefern gleicht diese dann der menschlichen Seele? Können Tiere denken oder folgen sie nur ihren Instinkten? Bei der Diskussion dieser Fragen war man jedoch die meiste Zeit darauf bedacht, die menschliche Sonderstellung als einzigartige, vollkommene Schöpfung Gottes über das Tier zu stellen. Eine eigentümliche Verbindung zwischen Mensch und Tier blieb jedoch immer bestehen.
Im 13. Jahrhundert gab es einen Naturwissenschaftler, der an dieser Stelle genannt werden muss; Albert Magnus. Er sah den grundlegenden Unterschied zwischen Mensch und Tier darin, das Tiere nicht wie der Mensch nach Vervollkommnung streben. Magnus hat bei seiner Arbeit einen sehr revolutionären Ansatz verfolgt:
In den Naturwissenschaft galt es nun nicht mehr zu erforschen, wie Gott der Schöpfer nach seinem freien Willen Wunder gebraucht oder hier seine Allmacht zeigt, sondern was in der Natur Dingen nach natürlichen Eigenschaften auf natürliche Weise geschehen könnte Durch diesen Gedanken Magnusens kamen in der Folgezeit viele Erklärungsmodelle auf, in denen Naturwissenschaftler anfingen das Naturgeschehen zu deuten, ohne dabei einen göttlichen Eingriff mit einzubeziehen. Die wohl bedeutendste Theorie, die hieraus entstand, ist Darwins Evolutionslehre. Sie gilt heute als unumstritten, zumal Genetik und morphologische Befunde eindeutige Beweise für diese liefern.
Durch die zunehmende Bedeutung der Naturwissenschaften geriet die Frage ob Tiere eine Seele haben immer mehr ins Abseits.
Tiere genossen ihr Ansehen in Hinblick auf ihre Nützlichkeit oder Gefallen. Tiere wurden in Gruppen unterteilt wie essbar und ungenießbar oder nützlich und schädlich. Neben Kühen wurden die Pferde immer wichtiger, sie galten als sehr edle Tiere und waren gute Arbeitstiere und Prestigeobjekte. Bereits im 15.-18. Jahrhundert wurden Verbote für den Genuss von Hunde-, Katzen- oder Pferdefleisch ausgesprochen. Rinder und Schweine hingegen waren als Nahrungsmittel sehr beliebt.27
Das Tiere weitgehend nach ihrer Nützlichkeit für den Menschen beurteilt wurden hatte zur Folge, dass man immer weniger Rücksicht auf die Bedürfnisse und Gefühle der Tiere nahm. Tierquälerei wurde aus religiösen und materialistischen Gründen oft sogar unterstützt. Diese nahm solche Ausmaße an, dass es Ende des 18. Jahrhunderts das erste Tierschutzgesetz verabschiedet wurde. Das dies bitter von Nöten war, kann man deutlich an der Lehre
Descartes erkennen, die damals vor allem bei der Kirche großen Anklang fand und auch heute noch oft zur Rechtfertigung für Tierquälereien, wie z.B. bei Tierversuchen oder Massentierhaltung herangezogen wird.
2.2.3 René Descartes
Rene Descartes entwickelte die wohl für Tiere verhängnisvollste Lehre, die „Tierautomatenlehre“. Diese stützte ideologisch die Ausbeutung von Tieren in jeder Hinsicht. Descartes veröffentlichte 1637 sein Werk “Discourse de la Méthodé“, indem er Tiere als sehr perfekte Automaten bezeichnete und daher auch als von Gott Geschaffene. Er begründet den göttlichen Einfluss bei der „Herstellung“ von Tieren damit, dass Menschen zwar auch in der Lage seien, verschiedene Automaten herzustellen, jedoch sind die menschlichen Fähigkeiten beschränkt, so dass sie solche komplizierten Automaten wie Tierkörper nicht herstellen könnten.
Für ihn kam hinzu, dass Tiere keinen Verstand haben und daher nur dem menschlichen Leib nachgebildete Maschinen seien. Sie besitzen demnach in keiner Form die zwei wesentlichen Fähigkeiten des Menschen. Diese Fähigkeiten sind zum einen auf jede Situation angemessen sprachlich zu reagieren und zum anderen die Vernunft als Universalinstrument bei allen Gegebenheiten einzusetzen. Tiere sind nach Descartes höchstens in der Lage einige sinnlose Dinge nachzuahmen.
Aus diesen Annahmen zieht Descartes den Schluss, dass Tiere nicht nur weniger Verstand haben als Menschen, sondern gar keinen. Tiere leisten, auch wenn sie in vielen dingen geschickter und effektiver handeln als Menschen nicht mehr als eine Uhr,…
…„ die nur aus Rädern und Federn gebaut ist und genauer die Stunden und die Zeit messen kann, als wir mit unserer Klugheit. “ 28
Nach Descartes haben mit Ausnahme des Menschen alle Geschöpfe nur körperliches Dasein. Die Empfindungen und Regungen, die wir bei Tieren wahrzunehmen glauben, sind reiner Schein, nur der Mensch verhält sich denkend und empfindend. 29
Im Gegensatz zum Tier besitzt der Mensch eine immaterielle, vernünftige Seele die ihrer Natur nach vollkommen unabhängig vom Körper existiert und folglich unsterblich ist. Descartes geht soweit zu behaupten, das diejenigen, die sagen Tiere und Menschen hätten dieselbe Natur, Gotteslästerer seien. 30
Vor allem in der christlichen Lehre fand Descartes Theorie großen Anklang. Sie kam den Vertretern der Kirche sehr gelegen, nicht zuletzt weil der Unterschied zwischen Tier und Mensch, der durch den Einfluss anderer Religionen und Kulturen und neuen Erkenntnissen der Naturwissenschaften stark verwischt worden war, nun wieder hervorgehoben wurde. Tiere galten als Automaten und Menschen waren wieder die Krone von Gottes Schöpfung. Jeder, der das Gegenteil behauptete, versündigte sich. Die von den Christen beanspruchte „Sonderstellung“ des Menschen in der Schöpfung war somit wieder voll bestätigt. Eine für die Tiere verhängnisvolle Folge der Lehre Descartes lag darin, dass so der bedenkenlose Umgang mit Tieren in jeder Hinsicht gerechtfertigt wurde, sie galten als seelenlose Maschinen und unterlagen somit keiner Ethik. Radikale Gruppen, wie zum Beispiel die Cartesianer in Frankreich, behaupteten sogar, Tiere hätten weder Gefühle noch Schmerzempfinden.
Im Laufe der nächsten Jahrzehnte wurden Tiere vermehrt als Versuchsobjekte eingesetzt, später auch in der Bioindustrie. Massentierhaltung breitete sich zunehmend aus. Die Tiere litten zum Teil höllische Qualen, was für jeden offenen Beobachter offensichtlich war. Viele Befürworter dieser Methoden rechtfertigten ihr Vorgehen jedoch dadurch, das sie Tiere, in Anlehnung an Descartes, als gefühllose Maschinen darstellten.
2.2.4 Folgen für den Tierschutz
Descartes Lehre fand zwar auf der einen Seite großen Anklang, jedoch kam auch Kritik auf. Tierschützer sahen sich provoziert. Ende des 17. Jahrhunderts kam es zu Diskussionen über Tierversuche, Schlachtung und Fleischgenuss. Die erste Tierschutzbewegung, die RSPCA (Königliche Gesellschaft für den Schutz von Tieren vor Grausamkeit) wurde allerdings erst 1840 in England gegründet.
Schon im Mittelalter musste ein Bußgeld bezahlt werden, und wenn jemand ein Tier unrechtmäßig quälte oder tötete. Noch vor 150 Jahren war es ausschließlich in der Öffentlichkeit verboten, ein Tier unnötig zu quälen oder zu töten. Dies schien allerdings eher ein Schutz für die Bevölkerung zu sein, die solche Bilder nicht sehen wollte, als zum Schutz der Tiere, durfte man doch zu Hause alles mit ihnen machen was man wollte. Erst am Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Tierquälerei und unnötige Tötung auch im privaten Bereich verboten. Was jedoch nötig und was unnötig ist, wurde nicht festgelegt. 31
Das erste Gesetz, dass das Leben des Tieres an sich schützte wurde erst 1972 beschlossen. Es sollte dem Schutz des Lebens und des Wohlbefinden des Tieres dienen. Nach diesem Gesetz darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ 32
Allerdings ist auch in diesen Gesetzen nirgendwo festgelegt, was einen vernünftigen Grund darstellt ein Tier zu töten, diese Gründe definiert der Mensch selbst, wobei seine Bedürfnisse meist über denen des Tieres angeordnet werden. So ist es zum Beispiel erlaubt, Hühner auf engstem Raum in Legebatterien zu halten, schließlich brauchen wir ja jede Menge Eier und Hühnerfleisch, wenn es den Hühner dabei schlecht geht oder sie sogar an den Auswirkungen der schlechten Haltung sterben, hatte man doch den „vernünftigen“ Grund, möglichst gewinnbringend schnell und viel zu produzieren.
Nach § 90a BGB zählen Tiere heute vor Gericht nicht mehr als Sache, allerdings sind nach wie vor die für Sachen geltenden Vorschriften auf sie anzuwenden. 33
Seit 1994 ist der Staat zu Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verpflichtet, wozu auch die Tierwelt gehört, dies ist durch Artikel 20a im Grundgesetzt festgelegt. Allerdings bekommen Natur und Tiere durch diesen Artikel keine Grundrechte, hier wird nur ein Staatsziel formuliert.
Diese geschichtliche Entwicklung hat einen sehr großen Anteil am Umgang mit den Tieren und der Natur in der heutigen Zeit. Wie weit dieser Anteil reicht, werde ich im folgenden darstellen.
2.3 Das Tier in der heutigen Ethik
2.3.1 Bedeutung von Natur und Tieren in der heutigen Zeit
Nach Greiffenhagen steckt unsere Zivilisation derzeitig in einer tiefen Krise. Die westlichen Industrieländer produzieren in größtmöglichen Mengen, mit dem Ziel möglichst hohe technische Standards zu haben, soziale Sicherheiten geben zu können und die Natur zu beherrschen. Das die Natur unsere Lebensgrundlage ist, die wir eigentlich schützen sollten, scheint viele Menschen nicht bewusst zu sein oder es interessie rt sie nicht. Schäden, die durch unsere Industriegesellschaft entstehen, werden immer deutlicher, wie zum Beispiel das Ozonloch. Greiffenhagen sieht die Ursachen dieser Schwierigkeiten in einer grundsätzlichen Fehlorientierung unserer Kultur:
„ Ein einseitig auf Herrschaft ausgerichtetes Wissenschaftsverständnis, eine maßlose Ausbeutungssucht und schließlich ein einseitiger Identitätsbegriff, welcher Ambivalenzen, wie sie die asiatischen Philosophen kennen, ausschließt. “ 34
Der Mensch in den westlichen Industrienationen will sich einfach nur bequem einrichten, dass unsere Erde so früher oder später unbewohnbar wird, scheint ein Übel zu sein, welches man für Bequemlichkeit und Luxus in Kauf nimmt.
Die Menschen haben sich die Erde Untertan gemacht, wie es in der Bibel geschrieben steht. Das sie ohne Skrupel über die Natur und die Tiere herrschen und sie sich im Endeffekt so die eigene Lebensgrundlage nehmen, leuchtet vielen mittlerweile ein.
„ Das aber auch ein Zusammenhang besteht zwischen dem Ausmaßpsychischer und physischer Krankheiten, der Hilf- und Hoffnungslosigkeit, der Süchte und Verhaltensauffälligkeiten vieler Menschen, und der Art und Weise, wie Menschen mit Tieren und deren Lebensräumen umgehen, ahnen noch wenige. “ 35
In unserer Gesellschaft gibt es eine sehr widersprüchliche Einstellung zum Tier und zur Natur. Auf der einen Seite lieben wir unsere Haustiere, freuen uns über Tiere , die wir im Zoo oder im Fernsehen sehen, auf der anderen Seite werden Tiere auf grausame Art und Weise gequält und ausgebeutet. Tiere werden zu Tierversuchen benutzt, bei denen sie größten Schmerzen ausgesetzt sind oder getötet werden. Sie werden unter schlechtesten Bedingungen gehalten, die Hauptsache ist, es werden Fleisch, Eier oder Milch produziert. Bilder von Tierversuchen, Tiertransporten oder Massentierhaltung sind Bilder die nicht gerne gesehen werden, aber anstatt sich dagegen zu wehren, schauen die meisten Menschen einfach weg.
Manche Menschen lieben Tiere, suchen ihre Gesellschaft, andere können gar nicht mit ihnen anfangen, haben Angst, ekeln sich vielleicht sogar. Auch wird nicht für alle Tiere gleich empfunden, bestimmte Tierarten werden bevorzugt. Dies lässt sich auch in der tiergestützten Pädagogik und Therapie beobachten, wo eine Vielzahl von eingesetzten Tieren einen größeren Erfolg verspricht. Die unterschiedlichen Arten sprechen die Klienten auf verschiedenste Art an.
Unsere Sympathie mit bestimmten Tierarten richtet sich nach Gefallen und eventuell auch nach Nützlichkeit. Tiere, die wir mögen, wie zum Beispiel Heimtiere wie Hunde, Katzen oder Pferde, werden in unserer Gesellschaft meist gut behandelt. Sie werden ärztlich versorgt und normalerweise hat zumindest ihr Besitzer sie sehr gern.
Rinder und Schweine, die wir eigentlich ja auch mögen, haben ein nicht ganz so schönes Leben. Oft werden sie nur zur Massenproduktion von Fleisch gebraucht. Ärztliche Versorgung dient hier nur zur Steigerung der Produktivität.
Insekten wie Spinnen oder Mücken oder gar Zecken werden meist direkt getötet, wenn sie uns in die Quere kommen. Über Gefühle oder Rechte einer Mücke oder eines Wurms machen sich die wenigsten Menschen in unserer Gesellschaft Gedanken.
Schweitzer beschrieb diese und andere Einstellungen von Menschen zu Tieren bereits 1933 in seinem Manuskript „Mensch und Kreatur in den Weltreligionen“.
2.3.2 Die universelle Ethik Schweitzers
Albert Schweitzer geht davon aus, das sich im Laufe der Jahrhunderte der Horizont der Ethik erweiterte. Es geht nicht mehr nur um das Verhalten der Menschen untereinander und in der Gesellschaft, sondern immer mehr auch darum, wie der Mensch sich zur Natur und allem Lebendigen verhält.36
Nach Schweitzer sollte es das Ziel einer jeden Ethik sein, universell zu werden, das heißt, der Mensch soll aus seinem primitiven Denken erwachen, in welches er nur seine engsten Bezugspersonen einbezieht. Wenn so der Kreis der Gemeinschaft größer wird erkennt der Mensch seine Wesensverwandtschaft mit anderen Menschen. Durch das Erkennen dieser Wesensgemeinschaft kommt es zur Bildung von Völkern.
Der denkende Mensch sollte an diesem Punkt jedoch nicht inne halten, er kann dies auch gar nicht mehr, sobald der Prozess des Denkens einmal in Gang gekommen ist. Er sollte nun auch die Wesensverwandtschaft mit anderen Völkern erkennen. Aus der Erkenntnis dieser Wesensverwandtschaft konnte die Idee der Menschheit entstehen.37
Darüber hinaus sollte der Mensch nicht umhin können auch die Verbundenheit zu anderen lebenden Geschöpfen zu erkennen und das diese genauso Wohl und Leid empfinden können wie Menschen. Von daher sollten sie auch so behandelt werden, wie ein Mensch sich behandelt wissen möchte. An diesem Punkt angelangt ist der Mensch in der Lage zuzulassen, das Mitgefühl gegenüber Tieren nicht nur ein Gefühlsüberschwang ist, sondern zum Wesen des Menschen dazugehört. Er wird erkennen, dass er seinen Empfindungen freien Lauf lassen muss, um sie in ihrer ganzen Tragweite zu erfassen. Darüber hinaus wird er erkennen, dass diese Verbindung nicht nur zu den Tieren in der näheren Umgebung besteht, sondern zu allem Leben auf der Erde.
„ Mögen wir von seinen Regungen auch noch so wenig verstehen, so wissen wir doch, dass in ihm Wille nach Leben und Sehnsucht nach Glück ist wie in uns und das ihm Leiden und Vernichtung beschieden ist, wie uns. Mit allem was lebt sind wir durch Wesensverwandtschaft und Schicksalsgemeinschaft verbunden. Wahre Ethik verlangt, dass wir nicht nur uns nahestehendes Leben, sondern alles Leben, dass in unseren Bereicht tritt zu erhalten und zu fördern suchen. Alles Leben ist Geheimnis, alles Leben ist Wert Erst wenn er seine Verbundenheit mit allem Lebendigen anerkennt und betätigt besitzt der Mensch wahres Menschentum. “ 38
In einigen Kulturen ist die universelle Ethik Schweitzers durchaus vorhanden. So zum Beispiel im chinesischen Denken. Die Wesensverwandtschaft zwischen Mensch und Tier, die Verbundenheit, die Schweitzer in seinem Werk beschrieb, wird hier erkannt und anerkannt. Auch die Buddhisten versuchen, Leben zu achten und zu schützen. Besonders extrem in dieser Einstellung sind die Anhänger des Kang Ying Pin, welche schon in Kapitel 2.1.3 beschrieben wurden. Probleme, die diese Lebenseinstellung mit sich bringt, zum Beispiel was passiert wenn man es nicht vermeiden kann Leben zu töten, werden jedoch nicht weiter behandelt. So kommen die Anhänger des Kang Ying Pin´s, zwar zu der von Schweitzer Beschriebenen „Universellen Ethik“, überschauen diese jedoch nicht und setzten sich nicht mit ihr auseinander.
2.3.2 Einstellung des Menschen zur Natur
In unserer Industriegesellschaft lässt die Einstellung zur Natur und anderen Lebewesen oft sehr zu wünschen übrig. Erste Schritte in die Richtung Schweitzers könnten das Wiederentdecken der Bedeutung von Natur und Tieren für unsere Psyche und unsere Gesellschaft sein. Reitferien für Kinder, Urlaub auf dem Bauernhof, Bergsteigen und andere naturnahe Angebote sind stark in Mode gekommen. Antistresstraining für Manager findet oft im Freien statt, Tierbesuchsdienste entstehen an allen Bereichen.
Erkennen wir die Verbundenheit mit der Natur und den Tieren im Sinne Schweitzers oder nutzen wir die Natur und die Tiere hiermit nur auf eine andere Art aus wie bisher? Laut Dr. M.B.H. Visser erkennt der Mensch im Tier seine eigenen Charakterzüge wieder, ist aber gleichzeitig sehr danach bestrebt, sich selbst als „besondere und einzigartige biologische Art“ von den Tieren abzugrenzen. Während eines Vortrags bei einer Weiterbildung zur tiergestützten Pädagogik/Therapie in Wedemark beschrieb er verschiedene Einstellungen, die Menschen zu Tieren und zur Natur haben und unterteilte diese in vier Gruppen, je nach dem inwieweit ihre Einstellung anthropozentrisch (Einstellung des Menschen sich als Mittelpunkt der ganzen Welt anzusehen) ist:39
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In der tiergestützten Pädagogik und Therapie sollen Tiere nicht genutzt werden, vielmehr soll von ihnen und ihrem Verhalten gelernt werden. Um Tiere auf diese Art und Weise in die
pädagogische oder therapeutische Arbeit einzubringen ist es notwendig, von der in unserer
Gesellschaft vorherrschenden, stark anthropozentrischen Haltung Abstand zu nehmen.
[...]
1 vgl. Ford, 2000
2 vgl. GEO,1998
3 vgl. Microsoft Encarta 1998,”Hinduismus”
4 vgl. Malinar, 1998
5 vgl. http://www.animal rights.de
6 vgl. http://www.ghs-rheinhausen.em.bw.schule.de/mmb-gs/indien/religion.htm 6
7 vgl. Microsoft Encarta 1998,”Buddhismus“
8 vgl. Schmitthausen, 1998
9 vgl. Microsoft Encarta 1998,”Buddhismus“
10 vgl. Schweitzer, 2001
11 vgl. http://home.t-online.de/home/oasis23/yin-yang.htm
12 vgl. Laotse, auf: http://www.vegetarismus.ch/zitate.htm#L
13 vgl. Schweitzer, 2001
14 vgl. Schweitzer,2001
15 Vgl. Microsoft Encarta 1998, “Islam”
16 vgl. www.uni-wuerzburg.de/sopaed1/index2.htm
17 vgl. Microsoft Encarta 1998, „Christentum”
18 vgl. Die Bibel, Genesis 1,1-1,2
19 vgl. Die Bibel, Genesis 1,2
20 vgl. Die Bibel, Jes.1,1
21 vgl. Schweitzer, 2001, S.207
22 vgl. Preuschhoff, 1995
23 Vgl.Schweitzer,2001
24 vgl. Schweitzer, 2001
25 vgl. Nitschke, 1998
26 vgl. Schweitzer, 2001
27 vgl. Nowosatko, 1998
28 vgl. Münch, 1998, S.329
29 vgl. Schweizer, 2001
30 vgl. Münch, 1998
31 vgl. Anhang
32 vgl Greiffenhagen., 1991
33 Vgl. Storr, 1996
34 vgl.Greiffenhagen, 1991, S 32
35 vgl. Preuschoff,1995, S.15
36 vgl. Schweitzer,2001
37 vgl. Schweitzer,2001
38 Vgl. Schweitzer,2001, S.184
39 Vgl. Visser, 2001
- Arbeit zitieren
- Linda Schumacher (Autor:in), 2002, Theorie und Praxis Tiergestützter Pädagogik in der Arbeit mit beeinträchtigten Kindern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16616
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