Seit 1997 führt das Zentrum für Kognitionswissenschaften am Institut für Hirnforschung der
Universität Bremen, kurz ZKW, fortlaufend Tierversuche an gut zwei Dutzend Makaken
durch. Während der Versuchsphasen müssen die Tieraffen stundenlang in derselben Position
verharren[...]wobei auch ihr Kopf fixiert ist. Um die
Aktivität der Nervenzellen [..] messen zu können, ist das Gehirn der
Tiere mit feinen Elektroden verbunden, hierzu wurde den Affen unter Narkose eine winzige
Öffnung in die Schädeldecke gebohrt. Damit die Makaken während der Experimente
kooperieren, lässt man sie in der vorangehenden Nacht und am Morgen vor den Versuchen
dursten. Der im Nachhinein verabreichte Saft stellt für sie einen Anreiz dar und ist zugleich
Belohnung. Fünf bis 10 Jahre müssen die Primaten die Experimente über sich ergehen lassen,
anschließend werden sie eingeschläfert.1
Ziel der Hirnforschung an den Affen ist ein besseres Verständnis, wie Wahrnehmung,
Aufmerksamkeit und Gedächtnis funktionieren. Durch die Makakenversuche erhofft man
sich, wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, die dazu dienen könnten, menschliches
Leid zu verhindern oder zumindest zu verringern. So glaubt Andreas Kreiter, Neurobiologe
und leitender Forscher am ZKW, dass seine Tierversuche beispielsweise zu wichtigen
Erkenntnissen im Bezug auf die Behandlung von Epilepsiepatienten führen könnten.2
Tierschützer fordern seit langem das Ende seiner Versuche, da sie eine zu große Belastung für
die Tiere unterstellen, außerdem erschließt sich ihnen der Zweck der Experimente nicht in
aller Deutlichkeit. Die Forscher hingegen berufen sich auf die Freiheit der Wissenschaft, die
man nicht einfach ohne zwingenden Grund untergraben könne, die ja schließlich den
medizinischen Fortschritt gewährleiste.
Ich mache es mir im Folgenden zur Aufgabe, eine Stellungnahme für oder gegen die
Weiterführung der Bremer Makakenversuche auszuarbeiten. Um eine schlüssige Position
vertreten zu können, werde ich meiner Arbeit die ethischen Konzeptionen von Peter Singer
und Norbert Hoerster zugrunde legen, sie gegeneinander abwägen und mein Urteil auf ihrer
Basis fällen. Besonderes Gewicht soll dabei folgender Frage zukommen, anhand derer ich
beurteilen möchte, welcher der o.g. Philosophen, durch seine ethische Konzeption, die
überzeugenderen Antworten liefert:
Darf man Tierversuche dann durchführen, wenn der Vorteil, der dem Menschen durch sie
entsteht, größer ist, als das Leiden der Tiere, das durch die Experimente verursacht wird?
Seit 1997 Führt das Zentrum für Kongnitionswissenschaften am Institute Hirnforschung der Universität Bremen, kurz ZKW, fortlaufend Tierversuche an gut zwei Dutzend Makaken durch. Während der Versuchsphasen müssen die Tieraffen stundenlang in derselben Position verharren, eingezwängt in einem Primatenstuhl, wobei auch ihr Kopf fixiert ist. Um die Aktivität der Nervenzellen in bestimmten Situationen messen zu können, ist das Gehirn der Tiere mit feinen Elektroden verbunden, hierzu wurde den Affen unter Narkose eine winzige Öffnung in die Schädeldecke gebohrt. Damit die Makaken während der Experimente kooperieren, lässt man sie in der vorangehenden Nacht und am Morgen vor den Versuchen dursten. Der im Nachhinein verabreichte Saft stellt für sie einen Anreiz dar und ist zugleich Belohnung. Fünfbis 10 Jahre müssen die Primaten die Experimente über sich ergehen lassen, anschließend werden sie eingeschläfert.[1]
Ziel der Hirnforschung an den Affen ist ein besseres Verständnis, wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Gedächtnis funktionieren. Durch die Makakenversuche erhofft man sich, wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, die dazu dienen könnten, menschliches Leid zu verhindern oder zumindest zu verringern. So glaubt Andreas Kreiter, Neurobiologe und leitender Forscher am ZKW, dass seine Tierversuche beispielsweise zu wichtigen Erkenntnissen im Bezug auf die Behandlung von Epilepsiepatienten führen könnten.[2]Tierschützer fordern seit langem das Ende seiner Versuche, da sie eine zu große Belastung für die Tiere unterstellen, außerdem erschließt sich ihnen der Zweck der Experimente nicht in aller Deutlichkeit. Die Forscher hingegen berufen sich auf die Freiheit der Wissenschaft, die man nicht einfach ohne zwingenden Grund untergraben könne, die ja schließlich den medizinischen Fortschritt gewährleiste.
Ich mache es mir im Folgenden zur Aufgabe, eine Stellungnahme für oder gegen die Weiterführung der Bremer Makakenversuche auszuarbeiten. Um eine schlüssige Position vertreten zu können, werde ich meiner Arbeit die ethischen Konzeptionen von Peter Singer und Norbert Hoerster zugrunde legen, sie gegeneinander abwägen und mein Urteil auf ihrer Basis fällen. Besonderes Gewicht soll dabei folgender Frage zukommen, anhand derer ich beurteilen möchte, welcher der o.g. Philosophen, durch seine ethische Konzeption, die überzeugenderen Antworten liefert:
Darf man Tierversuche dann durchführen, wenn der Vorteil, der dem Menschen durch sie entsteht, größer ist, als das Leiden der Tiere, das durch die Experimente verursacht wird?
Peter Singer spricht in seiner Vorstellung einer Tierethik von dem Prinzip der gleichen Interessenabwägung, einer Gleichbehandlung des Tieres. Damit aber ist nicht etwa gemeint, dass Tiere auf eine Stufe mit den Menschen gestellt werden sollten, denn der Mensch unterscheidet sich sehr wohl durch seine geistigen Fähigkeiten von nicht menschlichen Lebewesen. Singer möchte mit diesem Prinzip vielmehr ausdrücken, dass Tiere, genau wie Menschen, Bedürfnisse und Interessen haben und dass diese gleichermaßen berücksichtigt werden sollten. Die meisten Tiere, insbesondere die Affen, besitzen ein Empfindungsvermögen, d.h. sie sind in der Lage Glück und Freude, aber eben auch Schmerz und Leid zu empfinden. Folglich haben sie also auch ein Interesse, Schmerz und Leid zu vermeiden, nämlich das Interesse, nicht gequält zu werden.[3]
Wenn wir Menschen die Interessen der leidensfähigen Tiere ignorieren und sie sogar unterdrücken, um unsere eigenen menschlichen Interessen zu befriedigen, dann wirft Singer den Menschen Speziesismus vor. Der Speziesismus besteht für ihn darin, dass wir eine Privilegierung unserer Spezies innerhalb der biologischen Klasse der Säugetiere vornehmen. Wir sprechen den Menschen einen höheren Daseinswert als den Tieren zu, wir legen also auf gewisse Weise ein rassistisches Verhalten gegenüber Tieren an den Tag. Dem Speziesismus stellt Singer sein Prinzip der gleichen Interessenberücksichtigung gegenüber. Dürfen wir also Tierversuche durchführen, bei denen Tiere leiden müssen? Als Rechtfertigung für Tierversuche würde der Mensch laut Singer anführen, dass es immerhin noch besser sei, Versuche an Tieren durchzuführen, als an Menschen, die ja viel stärker unter der gleichen Situation leiden würden, da sie im Gegensatz zu Tieren, die Fähigkeit besitzen, sich vorzustellen, was sie erwartet. Menschen haben ein viel größeres Bewusstsein von dem, was ihnen zustößt und das macht ihr Leiden schlimmer. Sie würden also schon im Voraus schreckliche Angst leiden. Der Mensch würde seine privilegierte Position gegenüber den Tieren also damit begründen, dass er geistige Fähigkeiten besitzt, die kein anderes nicht menschliches Lebewesen aufweist. Vor dem Hintergrund dieser Aussage fällt es einem natürlich schwer, ein Konzept zu entwickeln, das darauf abzielt, die Interessen von Tieren zu schützen und sie gleichberechtigt zu behandeln.[4]
Warum machen wir Experimente mit Affen, wo wir doch heutzutage genau wissen, dass sie empfindungsfähige Lebewesen sind und als solche unter bewussten Erlebnissen leiden können? Bei unserem Bremer Fall der Makakenversuche müssen wir davon ausgehen, dass diese Tiere eine dem Menschen vergleichbare Leidensfähigkeit besitzen. 93 Prozent ihres Erbguts seien mit dem des Menschen identisch, so der Tierethiker Luy.[5]
Oben hatte ich angeführt, dass wir Versuche an Menschen moralisch verwerfen, weil ein Mensch aufgrund seiner geistigen Fähigkeiten um ein vielfaches mehr Leid erfahren würde, als ein Tier in einer vergleichbaren Situation. Singer akzeptiert diesen Standpunkt, doch fragt er sich, wieso wir dann nicht Experimente zu Forschungszwecken an Säuglingen, oder etwa an geistig schwer Behinderten erlauben, wir diese vielmehr moralisch verwerfen. Wenn wir nun mit Singer argumentieren wollten, müssten wir den Einwand anführen, dass ein geistig schwer Behinderter oder ein Säugling sicherlich nicht mehr kognitive Fähigkeiten als ein Affe besitzt - im Gegenteil, der Affe besitzt wahrscheinlich ein größeres Bewusstsein und würde demnach auch mehr Leid empfinden. Wenn wir nun also das Prinzip der gleichen Interessenberücksichtigung anwenden würden, so müssten wir aufgrund der Gleichbehandlung von leidensfähigen Wesen, Abstand davon nehmen, Affen zu Forschungszwecken zu benutzen. Daraus nämlich, dass wir es moralisch verwerflich fänden, an Säuglingen und geistig schwer Behinderten Experimente durchzuführen, muss resultieren, dass wir es ebenso moralisch unzumutbar finden müssten, dass Versuche an Makaken unternommen werden. Wenn wir solche Tierversuche dennoch tolerieren oder gar gutheißen, werden wir zu Speziesisten.[6]
Mit anderen Worten: Immer dann, wenn wir die Verletzung der Interessen nicht menschlicher Lebewesen für unverzichtbar halten, gebietet uns das Prinzip der gleichen Interessenberücksichtigung, unsere menschlichen Interessen auf keinen Fall zu privilegieren. Das hat für Singer zur Folge, dass wenn wir ein für Tiere extrem schmerzhaft oder gar tödliches Experiment für unverzichtbar erklären, wir auch kein Problem damit haben dürften, es an Säuglingen oder geistig schwer Behinderten durchzuführen, da sie sich in ihrer Leidensfähigkeit nicht von Tieren unterscheiden. Da wir dies aber moralisch nicht vertreten können, müssen wir im Umkehrschluss auch Tierversuche verwerfen.[7]Nach dem Prinzip der gleichen Berücksichtigung von Interessen, müssen wir Tierversuche als nicht legitim bewerten, denn man würde solche Experimente ja keinesfalls auch an Kleinkindern oder geistig Zurückgebliebenen anwenden, obgleich diese sich von ihrer geistigen Fähigkeit nicht von den Tieren unterscheiden. Es ist wichtig sich vor Augen zu führen, dass Singer nicht etwa geistig schwer behinderte Menschen herabsetzen, sondern den Status der Tiere aufwerten möchte.[8]Er möchte davon abkommen, die Interessen der Menschen auf nicht gerechtfertigter Weise über die Interessen der Tiere zu stellen. Ziel ist eine größere Rücksichtnahme gegenüber Tieren.
Wenden wir nun also das ethische Konzept Peter Singers auf unseren Streitfall an, ob die Makakenversuche an der Bremer Universität weitergeführt werden sollten, oder ob man diese verbieten müsste. Singers Entwurf einer Tierethik zielt vor allem darauf ab, den Speziesismus wie oben erläutert zu verwerfen. Er plädiert für eine gleiche Interessenberücksichtigung der Tiere. Ganz konkret in unserem Fall müssen wir uns also fragen, ob wir bereit wären, an menschlichen Lebewesen, die eine ähnliche Leidensfähigkeit wie Makaken besitzen, also etwa an Säuglingen oder an geistig schwer Behinderten, die gleichen Experimente durchzuführen wie an den Makaken. Da das ohne Zweifel nicht der Fall ist, sollten die Menschen, so argumentiert Singer, denselben Willen des Schutzes auch den Tieren entgegenbringen. In letzter Konsequenz müsste man die Affenversuche also verbieten.
Im Folgenden soll nun die ethische Konzeption Norbert Hoersters besprochen werden. Hoerster nimmt in seinem Werk „Haben Tiere eine Würde?“ direkt Bezug auf die oben aufgeführten Aussagen Peter Singers. In Abgrenzung zu Singer ist seine Hauptthese, dass als einzig rationale Basis des Tierschutzes, eine altruistische Einstellung des Menschen zum Wohl des Tieres in Betracht komme. Für Hoerster kann nur eine Rücksichtnahme auf die Leidensfähigkeit der Tiere erreicht werden, nicht aber etwa eine Gleichbehandlung, wie sie Singer im Ansatz fordert, derja verlangt, die Interessen der Tiere zumindest gleichermaßen zu berücksichtigen. Hoerster beschäftigt sich ausgiebig mit Singers Prinzip der gleichen Interessenberücksichtigung, er fragt sich, ob ein solches Prinzip sich für jeden Menschen wirklich verbindlich begründen lässt.[9]
Zunächst versucht Hoerster das Prinzip Singers durch eine utilitaristische Ethik zu begründen. Nach Hoerster besagt der Utilitarismus, dass die oberste moralische Pflicht des Menschen darin bestehe, durch sein Handeln in größtmöglichem Maß die Interessen aller fühlenden Wesen zu befriedigen. Doch könne der Grundsatz des Utilitarismus keineswegs als hinreichende Begründung für das Prinzip Singers gelten, denn eine utilitaristische Ethik führt nicht dazu, dass alle Menschen die „gleiche Interessenberücksichtigung“ einhalten werden. Der Utilitarismus sei keine objektive Norm und der Mensch daher an seine Befolgung nicht gebunden.[10]
[...]
[1]Stengel, E., Affenfolteroderdoch Forschung?, STZ 15.10.2008.
[2]Ebd.
[3]Singer, P., Praktische Ethik, Stuttgart 1994, S. 84 f.
[4]Ebd., S. 86 f.
[5]Bethge, P., Drähte im Kopf, Spiegel 2008, Heft 50, S. 164.
[6]Singer, 1994, S. 88.
[7]Hoerster, N., Haben Tiere eine Würde?, Grundfragen der Tierethik, München 2004, S. 45.
[8]Singer, 1994, S. 109.
[9]Hoerster, 2004, S. 43.
[10]Ebd., S. 49.
- Citation du texte
- Erik Gerhard (Auteur), 2010, Über die ethische Legitimation von Affenversuchen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/165727
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