Seit dem Jahr 1968 verfügt das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland über ein Notstandsrecht, auch bezeichnet als die Notstandsverfassung. Die Artikel 115a – 115l GG regeln seit dem den Verteidigungsfall.
Durch das Ende des Ost-West-Konfliktes 1990 hat sich die sicherheitspolitische Gefährdungslage verschoben. Die Gefahr klassischer, kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen zwei oder mehreren Staaten in Mitteleuropa ist unwahrscheinlicher geworden. Die Neubewertung von Risiken und Gefahren, die in bedrohlichen Dimensionen vom internationalen Terrorismus ausgehen wird, lässt feststellen, dass die strategische Ausgangssituation Deutschlands sich grundlegend geändert hat, da groß angelegte, infrastrukturzerstörende Bodenkampfhandlungen unwahrscheinlich geworden sind. Doch die Bedrohung durch Terrorakte und die zunehmende Entwicklung hin zu asymmetrischen Kriegen, sowie die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen an Staaten mit instabilen politischen Verhältnissen oder extremistischen Ausrichtungen, schaffen für die Bundesrepublik Deutschland eine völlig neue Bedrohungslage. Vor allem die Weiterverbreitung von atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen an Staaten im Nahen und Mittleren Osten, welche in wenigen Jahren über Trägersysteme verfügen die bis nach Mitteleuropa reichen können, beschreiben die neuen sicherheitspolitischen Risiken.
Inwieweit das momentan, scheinbar „verstaubte“ Instrumentarium des Grundgesetzes zum Verteidigungsfall, auf die Folgen aus den neuen Bedrohungen des 21. Jahrhunderts, durch Fundamentalismus und Terrorismus, angewendet werden kann, werde ich in dieser Arbeit versuchen darzustellen. Zu Beginn werde ich die historische Entwicklung der Notstandsinstrumentarien bis zur heute gültigen Form aufzeigen. Anschließend möchte ich ausführlich im Hauptteil dieser Arbeit, die bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen des Grundgesetzes zum Verteidigungsfall aufzeigen. Insbesondere möchte ich auch hier schon auf akute Regelungslücken und Ergänzungs- bzw. Verbesserungsmöglichkeiten aufmerksam machen.
Im Anschluss werde ich ein Beispielszenario skizzieren, durch welches es in der Bundesrepublik, auch in Zeiten von asymmetrischen Kriegsbedrohungen, zur Anwendung der Notstandsregelungen in der heutigen Zeit kommen kann.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einführung
- 2. Historische Entwicklung bis zur heutigen Notstandsverfassung
- 2.1 Historische Grundlagen bis zur Gründung der BRD 1949
- 2.2 Entstehung der heutigen Form des Verteidigungsfalls in der BRD
- 3. Die Regelungen des Grundgesetzes zum Verteidigungsfall
- 3.1 Definition des Verteidigungsfalls und die Einbettung in die Notstandsverfassung
- 3.2 Die Feststellung des Verteidigungsfalls
- 3.3 Die Änderungen der Gesetzgebungskompetenzen und des Gesetzgebungsverfahrens
- 3.3.1 Änderung der Befehls- und Kommandogewalt nach Art. 115b GG
- 3.3.2 Erweiterte Gesetzgebungskompetenzen des Bundes nach Art. 115c GG
- 3.3.3 Abgekürztes Gesetzgebungsverfahren nach Art. 115d GG
- 3.4 Weitere Rechtsfolgen des Verteidigungsfalls anhand des Grundgesetzes
- 3.4.1 Außerordentliche Befugnisse der Bundesregierung nach Art. 115f GG
- 3.4.2 Stellung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 115g GG
- 3.4.3 Wahlperioden von Verfassungsorganen nach Art. 115h GG
- 3.4.4 Befugnisse der Landesregierungen nach Art. 115i GG
- 3.5 Beendigung des Verteidigungsfalls und Geltungsdauer der außerordentlichen Vorschriften
- 4. Die Beschreibung eines möglichen Eintrittszenarios des Verteidigungsfalls in heutigen Zeiten
- 4.1 Tatsächliche Folgen des Beispielsszenarios auf Bundesebene
- 4.2 Auswirkungen auf die Landesebene und auf die Kommunen
- 4.3 Gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf das öffentliche Leben
- 5. Kritik an den bestehenden Regelungen zum Verteidigungsfall und Ausblick für zeitgemäße Anpassungen
- 6. Thesen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit befasst sich mit der Aktualität des Verteidigungsfalls im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Sie analysiert die historischen Entwicklungen des Notstandsrechts und untersucht, ob die derzeitigen Regelungen angesichts der veränderten Sicherheitslage noch zeitgemäß sind. Darüber hinaus werden mögliche Szenarien für den Eintritt eines Verteidigungsfalls in heutigen Zeiten beleuchtet und die Auswirkungen auf unterschiedliche Ebenen der Staatsorganisation und das öffentliche Leben diskutiert.
- Historische Entwicklung des Notstandsrechts in Deutschland
- Regelungen des Verteidigungsfalls im Grundgesetz
- Mögliche Szenarien für den Eintritt des Verteidigungsfalls in der heutigen Zeit
- Auswirkungen des Verteidigungsfalls auf das staatliche System und das öffentliche Leben
- Kritik an den bestehenden Regelungen und Bedarf für zeitgemäße Anpassungen
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Einführung: Dieses Kapitel bietet einen Überblick über den Forschungsgegenstand und die Relevanz des Themas im Kontext der aktuellen Sicherheitslage. Es stellt die Notstandsverfassung im Grundgesetz vor und betont die Notwendigkeit eines Instrumentariums für Krisen- und Kriegszeiten.
- Kapitel 2: Historische Entwicklung bis zur heutigen Notstandsverfassung: Dieses Kapitel zeichnet die historische Entwicklung des Notstandsrechts in Deutschland nach. Es beleuchtet die historischen Grundlagen bis zur Gründung der BRD 1949 und die Entstehung der heutigen Form des Verteidigungsfalls in der Bundesrepublik.
- Kapitel 3: Die Regelungen des Grundgesetzes zum Verteidigungsfall: Dieses Kapitel analysiert die detaillierten Bestimmungen des Grundgesetzes zum Verteidigungsfall. Es behandelt die Definition des Verteidigungsfalls, die Feststellungsprozesse, die Änderungen der Gesetzgebungskompetenzen und des Gesetzgebungsverfahrens, sowie weitere Rechtsfolgen wie außerordentliche Befugnisse der Bundesregierung und die Stellung des Bundesverfassungsgerichts.
- Kapitel 4: Die Beschreibung eines möglichen Eintrittszenarios des Verteidigungsfalls in heutigen Zeiten: Dieses Kapitel untersucht ein konkretes Szenario, das den Eintritt eines Verteidigungsfalls in der heutigen Zeit simuliert. Es analysiert die tatsächlichen Folgen auf Bundesebene, die Auswirkungen auf Landesebene und Kommunen sowie die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf das öffentliche Leben.
- Kapitel 5: Kritik an den bestehenden Regelungen zum Verteidigungsfall und Ausblick für zeitgemäße Anpassungen: Dieses Kapitel analysiert die Kritikpunkte an den bestehenden Regelungen zum Verteidigungsfall und diskutiert den Bedarf für zeitgemäße Anpassungen im Hinblick auf die veränderte Sicherheitslage.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Notstandsverfassung, Verteidigungsfall, Grundgesetz, Sicherheitslage, Terrorismus, Asymmetrische Kriege, Massenvernichtungswaffen, staatliche Kompetenzverschiebungen, Notstandsrecht, demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien. Die Arbeit analysiert die historischen Entwicklungen des Notstandsrechts in Deutschland und beleuchtet die Regelungen des Grundgesetzes zum Verteidigungsfall. Sie untersucht die Auswirkungen des Verteidigungsfalls auf unterschiedliche Ebenen der Staatsorganisation und das öffentliche Leben sowie den Bedarf für zeitgemäße Anpassungen der bestehenden Regelungen.
- Citar trabajo
- Jens Benedict (Autor), 2010, Der Verteidigungsfall - noch zeitgemäß?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/165703