Perestroika und Glasnost sind Begriffe die fast jedem bekannt sind. Jeder verbindet sie direkt
mit der ehemaligen Sowjetunion, mit Reformen aber auch vor allem mit Michail
Gorbatschow. Dieser Sowjetpolitiker hat es geschafft Entspannung im politischen
Mächteziehen zwischen den Ost- und Westmächten herzustellen. Darüber hinaus entwarf er
eine Wirtschaftsreform die die Sowjetunion komplett verändern sollte. Jedoch ist diese
Reform fast vollständig gescheitert und hat die wirtschaftliche Lage der Sowjetunion nicht
verbessert sondern eher verschlechtert.
In der folgenden Ausarbeitung wird die Reform als solches dargestellt, in Etappen
untergliedert und das Phänomen Gorbatschow erörtert.
Ein zentralen Schwerpunkt widmet diese Arbeit der Frage des Scheiterns. Zufolge der marxistisch-leninistischen Ideologie hat die zentralverwaltungswirtschaftliche
Steuerung die Vorteile, dass wirtschaftliche und soziale Ausbeutung unmöglich werden, die
Entfremdung des Menschen von sich selbst und seiner Arbeit beseitigt und eine langfristig
perspektivische Planung der wirtschaftlichen Entwicklung möglich wird.1
Tatsächlich jedoch ist die Sowjetunion hauptsächlich an ihrem politischen und
wirtschaftlichen System zerbrochen.
Die gesamte Lenkung der Wirtschaftsprozesse, die in der Marktwirtschaft mittels Markt-
Preis-Mechanismus "wie von selbst" geregelt wird, wird im Sozialismus durch einen
immensen Verwaltungsapparat geleistet. Es hat sich jedoch gezeigt, dass dieser nicht
annährend so gut geeignet ist, im Sinne einer effizienten Wirtschaft die Fragen einer
rationalen und zielorientierten Planung zu beantworten.
Aufgrund der fehlenden freien Preise (Preise, die sich auf dem Markt entsprechend dem
Gesetz von Angebot und Nachfrage verhalten) gibt es keinen Knappheitsanzeiger. Die mit der
zentralen Lenkung beauftragte hierarchische Verwaltung ist kaum in der Lage, auf veränderte
Bedingungen schnell und angemessen zu reagieren. Die Wirtschaftsordnung ignoriert in
weiten Teilen die Konsumwünsche ihrer Gesellschaft. Zudem hat der fehlende Wettbewerb
zur Folge, dass der technische Fortschritt sehr viel langsamer vollzogen wird und Produkte
überdurchschnittlich viele Mängel aufweisen.2
1 Vgl. Lampert, Heinz: Die Wirtschafts- und Sozialordnung der Bundesrepublik Deutschland, 11.Aufl., München
1991. Seite: 36.
2 Vgl. hierzu: Ebd. S.37 u. 38
Inhaltsverzeichnis:
1 Einleitung
2 Die wirtschaftliche Situation seit 1980 – Auf dem Weg zur Reform
2.1 Allgemeine Schwierigkeiten der zentralen Planwirtschaft
2.2 Probleme der 70er und 80er
3 Der Reformer: Michail Gorbatschow
4 Die Reform
4.1 Glasnost
4.2 Perestroika
4.3 Uskorenie : „Politik der Beschleunigung“ (1985 - 1987)
4.4 „Politik der Umgestaltung“ (1987- 1989).
4.5 Die Reform in der Krise (1989-1991)
5 Das Scheitern der Perestrojkareform
5.1 Die wirtschaftliche Situation
5.2 Widerstand der privilegierten Schicht
5.3 Glasnost - als Scheitergrund für die Reform
5.4 Streiks als Artikulation des Zornes
5.5 Gründe für das Scheitern von Perestrojka und makroökonomische Entwicklungen
6 Der geteilte Gorbatschow
6.1 Gorbatschow I
6.2 Gorbatschow II
7 Das „Schatalin- 500 Tage Programm
8 Ergebnis
9 Literatur
1 Einleitung
Perestroika und Glasnost sind Begriffe die fast jedem bekannt sind. Jeder verbindet sie direkt mit der ehemaligen Sowjetunion, mit Reformen aber auch vor allem mit Michail Gorbatschow. Dieser Sowjetpolitiker hat es geschafft Entspannung im politischen Mächteziehen zwischen den Ost- und Westmächten herzustellen. Darüber hinaus entwarf er eine Wirtschaftsreform die die Sowjetunion komplett verändern sollte. Jedoch ist diese Reform fast vollständig gescheitert und hat die wirtschaftliche Lage der Sowjetunion nicht verbessert sondern eher verschlechtert.
In der folgenden Ausarbeitung wird die Reform als solches dargestellt, in Etappen untergliedert und das Phänomen Gorbatschow erörtert.
Ein zentralen Schwerpunkt widmet diese Arbeit der Frage des Scheiterns.
2 Die wirtschaftliche Situation seit 1980 – Auf dem Weg zur Reform
2.1 Allgemeine Schwierigkeiten der zentralen Planwirtschaft
Zufolge der marxistisch-leninistischen Ideologie hat die zentralverwaltungswirtschaftliche Steuerung die Vorteile, dass wirtschaftliche und soziale Ausbeutung unmöglich werden, die Entfremdung des Menschen von sich selbst und seiner Arbeit beseitigt und eine langfristig perspektivische Planung der wirtschaftlichen Entwicklung möglich wird.[1]
Tatsächlich jedoch ist die Sowjetunion hauptsächlich an ihrem politischen und wirtschaftlichen System zerbrochen.
Die gesamte Lenkung der Wirtschaftsprozesse, die in der Marktwirtschaft mittels Markt-Preis-Mechanismus "wie von selbst" geregelt wird, wird im Sozialismus durch einen immensen Verwaltungsapparat geleistet. Es hat sich jedoch gezeigt, dass dieser nicht annährend so gut geeignet ist, im Sinne einer effizienten Wirtschaft die Fragen einer rationalen und zielorientierten Planung zu beantworten.
Aufgrund der fehlenden freien Preise (Preise, die sich auf dem Markt entsprechend dem Gesetz von Angebot und Nachfrage verhalten) gibt es keinen Knappheitsanzeiger. Die mit der zentralen Lenkung beauftragte hierarchische Verwaltung ist kaum in der Lage, auf veränderte Bedingungen schnell und angemessen zu reagieren. Die Wirtschaftsordnung ignoriert in weiten Teilen die Konsumwünsche ihrer Gesellschaft. Zudem hat der fehlende Wettbewerb zur Folge, dass der technische Fortschritt sehr viel langsamer vollzogen wird und Produkte überdurchschnittlich viele Mängel aufweisen.[2]
Das System der zentralen Planwirtschaft ging auf Kosten der Wirtschaftlichkeit der Sowjetunion.[3]
Anstatt den Bauern zu überlassen, was und wie auf den Feldern am günstigsten angebaut werden sollte, gab man von oben Planungsvorgaben. Allein hierfür wurden drei Millionen Aufseher beschäftigt.[4] Diese Art der Entscheidungsfindung wirkte in zwei Richtungen: Einerseits prägte sich in der russischen Gesellschaft die Einstellung aus, dass "Privatinitiative ein Verbrechen an der Gesellschaft"[5] sei. Die Menschen in der Sowjetunion versuchten, sich aufgrund der befürchteten Repressalien möglichst unauffällig zu verhalten. Dadurch wiederum wurden Fehlentwicklungen später bemerkt und behoben, als in einem System mit aktiven Mitwirkungs- und Mitsprachemöglichkeiten. Zum anderen scheint es ein systemimmanentes Phänomen zu sein, dass große Bürokratien gigantische aber letztlich wenig hilfreichen Projekte ins Leben ruft, wie beispielsweise ist das riesige Bewässerungsvorhaben, die "von niemanden benötigte Eisenbahnstrecke BAM"[6] oder die zwei 170 Millionen PS starken "Energija"-Raketen, nach deren Fertigstellung die Planer feststellten, dass sie dafür gar keine Verwendung hätten.[7]
Auch die rasante Austrocknung des Aralsees ist einem überdimensionalen Projekt anzulasten, das mittels großzügiger Bewässerungssysteme in Usbekistans und Kasachstans den rückständigen Republiken im Süden zu mehr Wirtschaftlichkeit verholfen werden sollte.[8] Die Bewässerung ermöglichte neben dem Anbau riesiger Baumwollfelder den Bau großer Städte und Industriebetriebe in diesen unwirtschaftlichen Gebiet. Um das sich anbahnende Unglück abzuwehren, entwarf man den Plan, die sibirischen Ströme nach Mittelasien umzuleiten. Der Zusammenbruch verhinderte dieses Vorhaben.[9]
Das planwirtschaftliche System litt unter einer mangelhaften Flexibilität. Es gab nur wenig Spielraum für Ad-hoc-Entscheidungen. Es unterlag immer der Schwierigkeit, zureichende Kriterien für die Informationserfassung beim Aufstellen eines Planes sowie der Kontrolle der Resultate zu entwickeln. Die zentralen Anweisungen griffen mitunter ohne genaue Kenntnisse der lokalen Bedingungen direkt in die wirtschaftliche Aktivität auf der Mikro-Ebene ein und führten im Ergebnis zu Schwierigkeiten bei Produktionsabläufen und Verteilungsverfahren.[10]
"Was das Wirtschaftssystem der zentralen Planwirtschaft betrifft, so versagte es desto mehr, je weiter der sowjetische Industrialisierungsprozess fortschritt, je komplexer folglich die Wirtschaftsstruktur wurde, je komplizierter sich hierdurch wiederum die Planungsaufgaben gestalteten, je mehr die Knappheit der ökonomischen Ressourcen [...] zunahm und je stärker sich das politische System im Sinne eines Verfalls von Autorität und Kompetenz veränderte."[11]
Die Systemmängel hatten eine Reihe von Folgen, die sich gegenseitig verstärkten und die der Sowjetunion zunehmend zusetzten. Aufgrund des fehlenden innerstaatlichen Wettbewerbs war die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt, der wichtige Devisen hätte einbringen können, gering. Die wirtschaftlichen Probleme und Fehlsteuerungen verursachten eine geschätzte Armutsrate von 20%.[12] Die wirtschaftliche Misere des Einzelnen mag auch zum steigenden Alkoholkonsum der Bevölkerung beigetragen haben.[13]
2.2 Probleme der 70er und 80er
Obwohl in der Ära Breschnew die sozialistische Planwirtschaft reformiert worden war, stagnierte die sowjetische Wirtschaft seit Ende der 70er Jahre. Anstatt die Konsumgüterproduktion voranzutreiben, floss das Geld in die Rüstungsindustrie, um im Wettrüsten mit den Amerikanern die Oberhand zu gewinnen. Währenddessen lag der Lebensstandard der russischen Bevölkerung weit unter dem der westlichen Industriestaaten. Der politische Unterdrückungsapparat der KPdSU war zwar seit Stalins Zeiten gelockert worden, Oppositionelle wurden jedoch nach wie vor in die Verbannung geschickt.
Nach außen machte die Sowjetunion den Anschein einer Supermacht, im Innern hingegen war sie am verfallen. An diesem Zustand änderte sich auch in den Jahren 1982 bis 1985 unter Breschnews Nachfolgern Andropow und Tschernenko nichts. Russland war in der Krise, die Wirtschaft im Zustand einer ausgeprägten Stagnation. Es war nicht einmal mehr möglich, die seit dem 10. Planjahrfünft (1976-1980) immer niedriger angesetzten Planvorgaben zu erfüllen. Seit Mitte der achtziger Jahren hatte die Schattenwirtschaft bereits einen beängstigend großen Raum eingenommen. Lediglich sie ermöglichte über weite Teile noch
die Verteilung der Produkte.
Immer offensichtlicher wurde, dass ein radikaler Umbau stattfinden musste, um einem Zusammenbruch zu entgehen. Es entstanden vage Entflechtungspläne für Partei und Staat, Ökonomie und Politik sowie Ideologie und Gesellschaft.
3 Der Reformer: Michail Gorbatschow
1985 wurde Michail Gorbatschow vom Politbüro zum Generalsekretär der KPdSU und damit zum jüngste Staatsoberhaupt der Sowjetgeschichte gewählt.
Zu jener Zeit musste die Führung immer deutlicher eingestehen, dass ihr System der Korrektur bedurfte.[14] Gorbatschow versuchte mit seiner Perestrojka Politik (1985-1991), die aus einzelnen wirtschaftlichen und politischen Reformen bestand, den Anzeichen der Stagnationsperiode entgegenzutreten und dem Sozialismus durch den Verzicht auf Repression ein menschliches Gesicht zu verleihen. Das Machtmonopol der Nomenklatura und ihrer Parteiorganisationen sollte nicht in Frage gestellt werden.
,,Das Wesen der Perestroika liegt in der Tatsache, dass sie Sozialismus und Demokratie miteinander verbindet und das leninsche Prinzip des sozialistischen Aufbaus sowohl in der Theorie als auch in der Praxis wiedereinführt."[15]
Und weiter:
,,Um allen Gerüchten und Spekulationen ein Ende zu setzen (...), möchte ich noch einmal betonen, dass alle Reformen, die wir durchführen in Übereinstimmung stehen mit unserem sozialistischen Weg."[16]
Grundlegende wirtschaftliche Reformen waren vor allem nötig, da es sich nicht um eine konjunkturelle, vorübergehende Wachstumsverzögerung handelte, sondern um einen strukturelles Defizit.
Hauptziel und -motivation Gorbatschows war eine ,,tiefgründige Umgestaltung der Wirtschaft".
[...]
[1] Vgl. Lampert, Heinz: Die Wirtschafts- und Sozialordnung der Bundesrepublik Deutschland, 11.Aufl., München 1991. Seite: 36.
[2] Vgl. hierzu: Ebd. S.37 u. 38
[3] "Wirtschaftlich" im Sinne von 1.Einnahmen gleich Ausgaben und 2.Gewährleistung der Grundversorgung der Gesellschaft.
[4] Lt. Schmeljow, Nikolai: Perestroika aus der Sicht eines Ökonomen; in: Abalkin, Leonid/ Blinow, Anatoli (Hrsg.): Perestroika von innen. Zehn sowjetische Wirtschaftsexperten beziehen Stellung. Düsseldorf u.a. 1989. Seite: 35.
[5] Krone-Schmalz, Gabriele: ...an Rußland muß man einfach glauben. Meine Moskauer Jahre. Seite: 35.
[6] Schmeljow, Nikolai: Perestroika aus der Sicht eines Ökonomen, Seite:35.
[7] Lt. Klingholz, Reiner: Gagarins arme Erben; in: s.o. Seite: 94.
[8] Nove, Alec: An Economic History of the UdSSR, 1917-1991, Harmondsworth,1992. Seite: 402.
[9] Vgl. hierzu: Steyer, Claus-Dieter: Schiffe liegen auf dem Wüstensand; in: Der Tagesspiegel vom 27.9.95. Seite: 28.
[10] Lt. Hiller, Marlene P.: Politische Landeskunde der Sowjetunion. Seite: 61.
[11] Höhmann, Hans-Herrmann: Der ökonomische Systemwechsel; in: Revolution in Moskau. Der Putsch und das
Ende der Sowjetunion, Hamburg 1991. Seite: 211/212.
[12] Lt. Druwe, Ulrich: Das Ende der Sowjetunion. Krise und Auflösung einer Weltmacht. Weinheim, Basel 1991. Seite: 41.
[13] 15% aller Konsumausgaben der Sowjetbürger entfielen auf dem Alkohol. (Vgl. Ebd.) Gorbatschow versuchte daher, mittels einer Kampagne dieses Problem in den Griff zu bekommen.
[14] Nove, Alec: An Economic History of the UdSSR, 1917-1991, Harmondsworth,1992. Seite: 394.
[15] Gorbatschow. Michail: ,,Perestroika. Die zweite russische Revolution".
[16] Gorbatschow. Michail: ,,Perestroika. Die zweite russische Revolution" .
- Quote paper
- Luca Bonsignore (Author), 2002, Die Wirtschaft der Perestroika, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16554
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