Das vorrangige Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) ist die Bewahrung der mittelfristigen Preisstabilität in der Europäischen Währungsunion (EWU), um die Volatilität der wirtschaftlichen Entwicklung zu minimieren. Um die Risiken für Preissteigerungen frühzeitig zu identifizieren, analysiert die EZB das Wirtschafts- und Finanzumfeld mit Hilfe der Zwei-Säulen-Strategie, die aus der wirtschaftlichen und der monetären Analyse besteht. Die Analysen werden unabhängig voneinander durchgeführt und bei konträren Ergebnissen miteinander gegengeprüft. Damit wird ein diversifizierter Informationspool ausgewertet, um möglichst exakte Inflationsprognosen zu erzielen und die Leitzinspolitik entsprechend anzupassen. Die Arbeit stellt zunächst qualitativ die Konzeption der Zwei-Säulen-Strategie vor, bevor das derzeitige Standardmodell zur Durchführung der wirtschaftlichen Analyse, das Neu-Keynesianische Modell, hergeleitet und untersucht wird. Das Herzstück der Arbeit bildet ein Ansatz zur Modellierung der monetären Säule, der zum einen eine Erklärung für den langfristig proportionalen Verlauf der Geldmenge und der Inflationsrate innerhalb des Neu-Keynesianischen Modells bietet und zum anderen eine erste theoretische Symbiose der wirtschaftlichen mit der monetären Säule vorschlägt. Die Durchführung von Simulationen zeigt, dass der Ansatz vor systematischen geldpolitischen Fehlentscheidungen aufgrund schlechter Prognosen hinsichtlich des Produktionspotentials bewahrt und den eigentlich dadurch induzierten Inflationsbias minimiert.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Zwei-Säulen-Strategie
2.1 Durchführung der Geldpolitik
2.2 Preisstabilität
2.3 Wirtschaftliche Analyse
2.4 Monetäre Analyse
3 Die wirtschaftliche Analyse im NK-Modell
3.1 Einführung in die Neu-Keynesianische Literatur
3.2 Das Modell
3.2.1 Haushalte
3.2.2 Unternehmen
3.2.3 Gleichgewicht
3.2.4 Zinsregel
3.3 Simulationen von Schocks
3.3.1 Geldpolitischer Schock
3.3.2 Technologieschock
3.4 Transmissionskanäle
4 Zinspolitik und die monetäre Analyse
4.1 Zinspolitik im Modell
4.1.1 Vollständige Informationen
4.1.2 Unvollständige Informationen
4.2 Die Produktionslücke
4.3 Geld- und Inflationstrends
4.4 Die monetäre Gegenprüfung
5 Schlussteil
5.1 Die Zwei-Säulen-Strategie in der Finanzkrise
5.2 Beurteilung und Fazit
A Abbildungen
B Tabellen
C Mathematischer Anhang
C.1 Kapitel 3
C.1.1 Dynamik des aggregierten Preislevels
C.1.2 Optimale Preisfestsetzung
C.2 Kapitel 4
C.2.1 Vollständige Informationen
C.2.2 Unvollständige Informationen
C.2.3 Die monetäre Gegenprüfung
D MATLAB - Codes
D.1 NK-Modell Simulationen
D.2 Die monetäre Gegenprüfung
E Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Danksagung
Abbildungsverzeichnis
A.1 Die Zwei-Säulen-Strategie der EZB
A.2 M3-Geldmengenwachstum und EURIBOR in der EWU
A.3 Eine vorausschauende Zinsregel für die EWU
A.4 Simulationsergebnisse eines geldpolitischen Schocks im NK-Modell
A.5 Simulationsergebnisse eines Technologieschocks im NK-Modell
A.6 Schematische Darstellung des Transmissionssmechanismus
A.7 Fehleinschätzungen der Produktionslücke
A.8 Beziehung Inflationsrate und Geldmengenwachstum
A.9 Geldmengen- und Inflationstrends
A.10 Stochastische Simulationen für Geldmengenwachstum und Inflationstrend
A.11 Monetäre Gegenprüfung im NK-Modell
Tabellenverzeichnis
B.1 Gesamtwirtschaftliche Projektionen vom März und Juni 2009
B.2 Der Transmissionsmechanismus im Euro-Währungsgebiet
B.3 Überblick der Gleichungssysteme in Kapitel 3
B.4 Annahmen über Parameterwerte für Schocksimulationen
B.5 Überblick der Gleichungssysteme in Kapitel 4
B.6 Annahmen über Parameterwerte für Gegenprüfung
B.7 Wertpapierkäufe der wichtigsten Zentralbanken
B.8 Fehleinschätzungen der Produktionslücke 1974/1-1982/4
B.9 Fehleinschätzungen der Produktionslücke 1983/1-1991/4
B.10 Fehleinschätzungen der Produktionslücke 1992/1-1998/4
Kapitel 1 Einleitung
Im Umfeld der größten Wirtschafts- und Finanzkrise seit dem US-Börsencrash im Jahr 1929 sind die Zentralbanken noch stärker in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt. Kritiker werfen den Zentralbanken vor, durch ihre über lange Zeit extrem niedrige Zinspolitik in großem Maße mit für die Blasenentwicklung auf den Finanzmärkten verantwortlich zu sein. Im Moment werden große Massen an Liquidität in die Finanzmärkte gepumpt, um die Kreditvergabeaktivitäten der Banken und Finanzinstitutionen zu fördern. Damit sich die Auswirkungen der Finanzkrise nicht zu stark auf die Realwirtschaft übertragen, senkte die EZB in den vergangenen Monaten das Leitzinsniveau in einem erheblichen Maße. Insbesondere befürchtet die EZB das Aufkeimen deflationärer Risiken für die mittelfristige Preisstabilität und daher auch mögliche nachhaltige Wachstumsstörungen für das Produktionsniveau in der EWU.
Die EZB implementiert ihre Geldpolitik mit Hilfe einer Zwei-Säulen-Strategie, die so- wohl kurz- bis mittelfristige als auch langfristige Risiken für die Preisstabilität identifizieren soll. Die Strategie besteht zum einen aus der wirtschaftlichen Analyse, die insbesondere das kurzfristige Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage auf den Güter- und Dienstlei- stungsmärkten analysiert. Zum anderen wird eine monetäre Analyse durchgeführt, die eine Bewertung für die langfristige Entwicklung der Inflationsrate abgibt. Die Analysen werden in den Säulen getrennt und unabhängig voneinander durchgeführt und die Ergebnisse dann auf Konsistenz gegengeprüft. Dieser hybride und diskretionäre Charakter der geldpoliti- schen Strategie der EZB wird von Marktteilnehmern und Wissenschaftlern gegenwärtig intensiv diskutiert. Zwar räumt die EZB anders als andere Zentralbanken der Geldmenge eine besondere Rolle ein, jedoch werden Geldmengenaggregate bzw. andere monetäre Indikatoren in den Standardmodellen zur Bewertung der Geldpolitik nicht beachtet.
Gegenwärtig fragen sich viele Beobachter, warum die EZB die Blasenentwicklung durch ihre monetäre Analyse nicht erkannt hat. Trotz starker Wachstumsraten der Geldmengen- aggregate hielt die EZB das Leitzinsniveau sehr lange auf einem niedrigen Niveau. Dies lässt Zweifel zu, ob die EZB ihre Geldpolitik auch wirklich von der Entwicklung der Geldmenge abhängig macht.
Die Diplomarbeit stellt zunächst in Kapitel 2 die Zwei-Säulen-Strategie der EZB vor. Dabei wird einleitend auf die Historie der geldpolitischen Strategie der EZB eingegangen. Darauf aufbauend werden Gründe geliefert, warum das vorrangige Ziel der EZB die Be- wahrung der mittelfristigen Preisstabilität ist. Anschließend wird in einer nicht-technischen Darstellung erklärt, wie die wirtschaftliche und monetäre Analyse funktioniert. Kapitel 3 gibt zunächst eine Einführung in die Neu-Keynesianische Literatur. Anschlie- ßend wird auf der Grundlage von Galí2008 und Walsh2003 das NK-Modell mit den einzelnen Komponenten hergeleitet, welches eine wirtschaftliche Analyse ermöglicht. Mit der Herleitung eines Gleichgewichts im Modell lassen sich mit der Neu-Keynesianischen Philipps-Kurve (NK-PK ) und der Dynamischen IS-Kurve (DIS ) die zentralen Gleichungs- systeme für die Geldpolitik charakterisieren. Die Durchführung von Schocksimulationen gibt Aufschluss über die Wirkungsmacht der Geldpolitik auf makroökonomische Varia- blen. Zum Abschluss des Kapitels wird die Weitergabe des Zinsniveaus über verschiedene Transmissionskanäle untersucht.
In Kapitel 4 erfolgt zunächst die Analyse der Zinspolitik unter vollständigen und unvollständigen Informationen. Dabei wird insbesondere die enorme Bedeutung der Pro- duktionslücke für die Determinierung des Zinsniveaus deutlich. Anhand eines Ansatzes von Beck und Wieland2008 wird zunächst analytisch anhand von Simulationen gezeigt, dass Fehleinschätzungen der Produktionslücke durch Zentralbanken für den Parallelverlauf von Inflationsrate und des Geldmengenwachstums verantwortlich sind. Damit wird gezeigt, dass sich dieser empirische Zusammenhang innerhalb des NK-Modells erklären lässt. Das Herzstück der Diplomarbeit bildet die Herleitung einer monetären Gegenprüfung, die die Politikfehler innerhalb des NK-Modells durch die Einbeziehung monetärer Informationen ausgleicht und so eine Synthese für einen analytischen Rahmen der wirtschaftlichen und monetären Säule schafft. Abschließend erfolgt die Beurteilung der Zwei-Säulen-Strategie in der gegenwärtigen Finanzkrise. Dabei wird besonders die zukünftige Rolle der monetären Analyse im Ent- scheidungsprozess der EZB kritisch hinterfragt. Zum Schluss der Arbeit werden die Modelle bewertet und ein Ausblick für die Geldpolitik in den kommenenden Jahren gegeben.
Kapitel 2 Die Zwei-Säulen-Strategie
2.1 Durchführung der Geldpolitik
Die EZB hat sich seit der Inthronisierung am 1. Januar 1999 die Bewahrung der mittel- fristigen Preisstabilität in der EWU zum erstrangigen Ziel gesetzt. Maßgeblich steuert die EZB u.a. durch ihre Offenmarktgeschäfte das allgemeine Zinsniveau. Banken und Finanzinstitutionen geben Leitzinsänderungen durch veränderte Zinskonditionen an die Marktteilnehmer weiter, sodass die EZB Einfluss auf das Konsum- und Sparverhalten und somit auch auf die Gesamtnachfrage nehmen kann. Aufgrund der anerkannten Erfolge bei der Stabilisierung des Preisniveaus wurde die geldpolitische Strategie der EZB auf zwei voneinander unabhängigen Säulen im Sinne der Deutschen Bundesbank konzipiert [ECB, 1999]. Zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Situation in der EWU bedient sich die EZB durch die wirtschaftliche und monetäre Analyse eines diversifizierten Informations- pools. Anfangs herrschte starke Unsicherheit darüber, ob das Strategiekonzept aufgrund des stark heterogenen Wirtschaftsraums (unterschiedliche Währungen, Wirtschaftsen- wicklung) der EWU prinzipiell übertragbar sei. Insbesondere wurde der Geldmenge, im Gegensatz zu Strategiekonzepten anderer Z]entralbanken, eine herausragende Rolle einge- räumt, die man fortan als die ’erste Säule’ deklarierte. Die Analyse makroökonomischer Wirtschaftsindikatoren wurde als ’zweite Säule’ implementiert.
Im Jahr 2002 gab die EZB bekannt, das bis dato bestehende Strategiekonzept zu überdenken, da von wissenschaftlicher Seite die Relevanz der monetären Analyse für die geldpolitischen Entscheidungen angezweifelt und eine stärkere Konzentration auf die wirtschaftliche Analyse gefordert wurde. Die Evaluationsergebnisse wurden in einer Pres- semitteilung im Mai 2003 vom damaligen EZB-Präsidenten Wim Duisenberg bekannt gegeben. Zwar wurde die äußerst erfolgreiche Implementierung der Zwei-Säulen-Strategie und die daraus resultierende stabile Inflationsrate seit dem Start der EZB explizit her- ausgestellt, jedoch wurde eine elementare Umstrukturierung der Zwei-Säulen Konzeption vorgenommen. Der EZB-Rat hielt grundlegend an beiden Säulen fest, jedoch wurde die monetäre Analyse nicht mehr als die erste, sondern fortan als die zweite Säule definiert.
Die EZB rechtfertigte die Neupositionierung u.a. dadurch, dass der neue Aufbau zu einer klareren Kommunikation mit der Öffentlichkeit führe. Kritiker warfen der EZB einen Mangel an Transparenz vor, da es für Marktteilnehmer nicht ersichtlich war, welche der beiden Säulen eine größere Gewichtung für Entscheidungen einnahm. Marktteilnehmern sollte durch die Neuausrichtung die Antizipierung der Leitzinsentscheidungen erleichtert und dadurch die Unsicherheit im Finanzmarkt verringert werden. Die Priorisierung der Analyse wirtschaftlicher Faktoren rechtfertigte die EZB zudem durch den nachweislich höheren Informationsgehalt [EZB, 2003]. Gerlach 2004 sieht diesen Vorgang als eine faktische Degradierung der Geldmenge und somit als ein deutliches Abrücken von der eigentlichen Strategieausrichtung. Die Abbildung A.1 (S. 41) zeigt den Aufbau der Zwei-Säulen-Strategie bestehend aus der „wirtschaftlichen Analyse“ und der „monetären Analyse“. Die grundlegende Idee der Strategie ist die Integration aller verfügbaren Informationen über das wirtschaftliche Umfeld, die in den Säulen zunächst getrennt voneinander analysiert werden. Dabei ist die wirtschaftliche Analyse insbesondere auf die Identifikation von kurz- bis mittelfristigen Risiken für die Preisstabilität ausgerichtet. Demgegenüber steht die Analyse der Geld- mengenaggregate. Langfristig kann Geldpolitik durch Änderungen der Geldmenge auf nominale Variablen wie das Preisniveau Einfluss nehmen, sodass die Analyse vorrangig auf den mittel- bis langfristigen Perspektivhorizont ausgelegt ist [von Hagen, 2004]. Die Basis für eine erfolgreiche Implementierung der Geldpolitik ist die Gegenprüfung der Analyseer- gebnisse beider Säulen. Inkonsistente Ergebnisse ergeben sich u.a. dadurch, dass Modelle zur wirtschaftlichen Analyse oftmals vergangenheitsbezogenes Datenmaterial verwenden und dieses aufgrund des heterogenen Wirtschaftsumfeldes nur bedingt geeignet ist. Zudem werden für Prognosen und Simulationen häufig Variablen wie der gleichgewichtige Realzins oder das Produktionspotential geschätzt, sodass eine Modellunsicherheit vorliegt. So kann es sein, dass die wirtschaftliche Analyse eine restriktive und die monetäre Analyse eine expansive Geldpolitik vorschlägt [Heine und Herr, 2008].
Im Folgenden werden die einzelnen Bestandteile der Strategie detaillierter betrachtet, damit die Intention des Strategiekonzepts deutlich wird und damit eine Grundlage für das Verständnis der theoretischen Ausführungen in den Kapiteln 3 und 4 gegeben ist.
2.2 Preisstabilität
Um das Ziel der mittelfristigen Preisstabilität zu erreichen, gab die EZB der Öffentlichkeit eine numerische Orientierungshilfe zur Bildung von Inflationserwartungen. Der EZB-Rat entschied sich 1998 für eine quantitative Definition der Preisstabilität:1
„Preisstabilität wird definiert als Anstieg des harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) für das Euro-Währungsgebiet von unter 2% gegenüber dem Vorjahr. Die Preisstabilität muss mittelfristig gewährleistet sein“.
Vordergründig sollte ein optimales Maß für die Entwicklung des Preisniveaus installiert werden, das die unterschiedlichen Inflationswerte der Mitgliedsstaaten in konsistenter Weise zusammenführt. Der HVPI besteht aus einer festgelegten Anzahl von Verbraucher- preisindizes, die nach einem harmonisierten Ansatz für die EWU aufeinander abgestimmt wurden. Der Index gewährleistet mithilfe seines breiten statistischen Datenmaterials die Generierung einer Vielzahl von Indikatoren für zukünftige Preisentwicklungen. Nach der Revision 2003 modifizierte die EZB die Definition, und gibt seither als Ziel „eine Preis- steigerungsrate von unter, aber nahe 2% “ an. Hintergedanke dieser Modifikation war die Reduzierung der Unsicherheitsindikatoren im Markt, denn der Inflationsrate ist mit dieser Definition eine natürliche untere Schranke gegeben. Zudem leistete die EZB dadurch auch einen Beitrag zur Verringerung der Volatilität der Inflationserwartungen und erhöhte so die Effektivität ihres Strategiekonzepts. Es gibt vielschichtige Argumente dafür, warum die mittelfristige Preisstabilität seit der Gründung der EWU eine derart hervorgehobene Rolle in der geldpolitischen Strategie der EZB einnimmt. Gehen die Finanzmärkte von einer mittelfristig stabilen Preisentwicklung aus, verringern sich die Risikoprämien aufgrund der stabilen Erwartungen und führen infol- gedessen zu einem niedrigeren Zinsniveau. Implizit werden dadurch die Wirtschaftsakteure bei ihrer ökonomischen Entfaltung unterstützt, und es findet eine flächenübergreifende Erhöhung des individuellen Lebensstandards statt. Für die fortwährende Weiterentwick- lung der Wirtschaft in der EWU ist dies eine Grundvoraussetzung und ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Speziell für Marktteilnehmer, die einen begrenzten Zugang zum Finanzmarkt haben, können sich Fluktuationen im Preisniveau als eine Art „Inflationssteuer “ auswirken [Easterly und Fischer, 2000]. Hinzu kommt, dass in einem Marktumfeld mit stabilen Preisen die Differenzierung von relativen Preisänderungen und Änderungen des allgemeinen Preisniveaus vereinfacht wird. Damit wird gewährleistet, dass die Marktteilnehmer den Informationsgehalt der Preisänderungen angemessen interpretieren und daher effiziente Investitions- und Konsumentscheidungen treffen.
Ein weiterer positiver Effekt stabiler Preise stellt sich für die Marktteilnehmer hin- sichtlich des nominalen und realen Zinsniveaus ein. Schwankende Inflationsraten haben zur Folge, dass sich der reale Wert nominaler Vermögensgegenstände mindert. Außerdem verlangen Privatbanken in einem unsicheren Marktumfeld eine zusätzliche Prämie für die Inflationsrisiken. Bei einem stabilen Preisniveau sinkt folglich das Niveau der realen Zinssätze und die Investitionsprojekte gewinnen an Profitabilität [ECB, 2008a, S. 36]. Desweiteren sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Marktteilnehmer ihre finanziellen Ressour- cen aus Unsicherheitsüberlegungen heraus nicht für den Kapitalmarkt freigeben, sodass dadurch die Voraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum verbessert werden.
2.3 Wirtschaftliche Analyse
Wie eingangs angesprochen, ist das Ziel der wirtschaftlichen Analyse die Identifikation der kurz- bis mittelfristigen Risiken für das Preisniveau. Der Fokus liegt insbesondere darauf, eventuelle wirtschaftliche Schocks mithilfe der Analyse von makroökonomischen Variablen frühzeitig zu identifizieren. Untersucht werden sowohl sektorale als auch länderspezifische Kosten- und Preisindikatoren, die Aufschluss über die realwirtschaftlichen Dynamiken auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten geben. Um den Prozess der realen Preisbildung zu entschlüsseln, analysiert die EZB die Erzeuger-, Vorleistungsgüter-, Investitionsgüter- und die verschiedenen Konsumentenpreise [Görgens et al., 2004, S. 187 ff.]. Prinzipiell lassen sich die von der EZB analysierten Inflationsindikatoren in drei Segmente kategorisieren.
Das erste Segment der Analyse konzentriert sich auf die kurzfristigen Konjunktu- rindikatoren, die Aufschluss über die Grunddynamik der Wirtschaft geben. Darunter fällt insbesondere die Produktionslücke, d.h. die Differenz des gegenwärtigen und des natürlichen Produktionsniveaus. Die Produktionslücke hat sich empirisch als besonders effektiv für die Prognose der Preisentwicklung in eher geschlossenen Volkswirtschaften erwiesen und ist somit auch für den Euroraum geeignet [Gerberding et al., 2004].2 Außer- dem werden Veränderungen auf der volkswirtschaftlichen Angebots- und Nachfrageseite beobachtet. Aggregiert und ausgewertet werden dabei beispielsweise für die Angebotsseite die Entwicklung der Kosten sowie der Auslastungsgrad der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital. Zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage werden die Höhe der
Investitionsausgaben sowie die Entwicklung des privaten Konsums analysiert. Um die Wirkungsmechanismen der Geldpolitik auf die Realwirtschaft explizit zu modellieren, sind „strukturelle“ Modelle wie beispielsweise das „Area-Wide Model“ von Fagan et al.2001 entwickelt worden. In diesen Modellen werden empirische Daten und Schätzungen über makroökonomische Variablen eingepflegt, um die kausalen Zusammenhänge geldpoliti- scher Impulse, wirtschaftlicher Schocks und Reaktionen der Realwirtschaft zu erschließen. Fortlaufend werden die Strukturmodelle weiterentwickelt und um neue Dimensionen erwei- tert. Das Ziel der EZB ist es, die Auswirkung geldpolitischer Impulse auf möglichst viele makroökonomische Variablen vor der eigentlichen Realisierung simulieren zu können.
Das zweite Segment analysiert die Inflationsindikatoren auf dem Finanzmarkt. Insbe- sondere werden die Entwicklung der nominalen Zinsstrukturkurve sowie die nominalen Renditen ausgewählter indexierter Finanzprodukte wie etwa Staatsanleihen, Aktien oder Derivate beobachtet. Alle diese Produkte enthalten bei der Bildung ihrer Preise eine Kom- ponente, die von den Erwartungen über zukünftige Inflationsentwicklungen determiniert wird. Von hohem informativen Gehalt kann die Entwicklung der Aktienpreise sein, da sie einen Teil des Privatvermögens der Haushalte darstellen und damit als ein konjunktureller Frühwarnindikator für Veränderungen auf der Nachfrageseite dienen können.
Um alle Informationskanäle auszunutzen, führt die EZB im dritten Segment Verbraucher- und Branchenumfragen durch. Dabei werden Umfragen von professionellen Pro- gnostikern durchgeführt, die Aufschluss über die Erwartungen des Privatsektors über die Entwicklung des HVPI für verschiedenartige Zeithorizonte geben sollen. Überdies publiziert ein Expertenstab der EZB, unterstützt durch die einzelnen Nationalbanken, auch eigene Prognosen über die Dynamik von BIP-Wachstum und HVPI [ECB, 2001, S. 13ff.]. Diese vierteljährig unabhängig vom EZB-Rat erstellten Prognosen sollen in der Öffentlichkeit jedoch als „Projektionen“ verstanden werden, denn diese sind in hohem Maße mit Unsicherheit behaftet und werden daher auch, wie in Tabelle B.1 dargestellt (vgl. S. 47), in Bandbreiten angegeben. Die Tabelle zeigt die Projektionsergebnisse zum
Zeitpunkt der jeweiligen Veröffentlichungen. Die große Variabilität der Bandbreiten kann als Negativpunkt und daher als geringe Aussagekraft aufgefasst werden, jedoch sind sie für die Marktteilnehmer ein wichtiger Anhaltspunkt für die Bildung von Erwartungswerten. Auf der Basis ökonometrischer Modelle gehen Experten von der Annahme aus, dass kurz- fristig Zinsen und Wechselkurse konstant sind und es somit zumindest kurzfristig nicht zu geldpolitischen Interventionen kommt. Dies soll verhindern, dass die Marktteilnehmer denken, von den Projektionen auf die zukünftige Zinspolitik der Zentralbank schließen zu können.
2.4 Monetäre Analyse
Aufgrund des anerkannten mittel- bis langfristigen empirischen Zusammenhangs von Geld und Inflation wurde der monetären Säule zum Start der EZB eine hervorgehobene Rolle in der Geldpolitik eingeräumt. Die EZB [1999, S. 52] erklärte sich damals wie folgt: „ Um die der Geldmenge zugewiesene herausragende Rolle zu unterstreichen, hat der EZB Rat einen quantitativen Referenzwert für das Geldmengenwachstum als eine Säule der gesamten stabilitätsorientierten Strategie bekannt gegeben.“ Um die Konstituierung der monetären Analyse zu rechtfertigen, argumentierte die EZB im Sinne von Friedman1957, dass Änderungen des Preislevels mittel- bis langfristig ein monetäres Phänomen seien: “Inflation is always and everywhere a monetary phenomenon.“
Aus diesem Grund wurde der Beobachtung der Geldmengenaggregate ein großes Infor- mationspotential zugeschrieben. Jedoch wurde auch darauf hingewiesen, dass kurzfristig auch andere Faktoren Veränderungen des Preisniveaus induzieren können. Beispielsweise kann ein rasches Geldmengenwachstum auf Präferenzänderungen in der Geldnachfrage zurückgeführt werden. Veränderungen in den Opportunitätskosten der Geldhaltung können zu einem veränderten Konsumentenverhalten führen. Ziel für die monetären Analyse ist daher die Identifikation respektive Filterung derjenigen Faktoren, die auf signifikante Risiken für die mittelfristige Preisstabilität hindeuten. Von elementarer Bedeutung für die Auswertung ist dabei die Unterscheidung von temporären Phänomen beziehungsweise die Identifikation von langfristigen Änderungen in der Geldnachfrage [Berger et al., 2008].
Die EZB wählte aufgrund zahlreicher empirischer Befunde das Geldmengenaggregat M3 als maßgebliche monetäre Informationsquelle, da M3 eine stabile Geldnachfragebeziehung sowie Vorlaufeigenschaften für die künftige Preisentwicklung aufweist [EZB, 2003].3 Die Geldmenge M1 wurde hingegen nicht gewählt, da das Aggregat bei Zinsänderungen eine zu hohe Volatilität aufweist. Hingegen umfasst M3 auch marktfähige Finanzinstrumente, die zinsbedingte Schwankungen besser kompensieren und damit vorzuziehen sind [Görgens et al., 2004, S. 267]. Generell führt die EZB die monetäre Analyse aus zwei verschiedenen Blickwinkeln durch. Zum einen werden aus der disaggregierten Perspektive die Kreditaggregate sowie die Liquiditätsbedingungen untersucht. Zum anderen wird aus der Makroperspektive der Referenzwert für das nominale M3-Geldmengenwachstum analysiert. Der Referenzwert wird aus der Quantitätsgleichung hergeleitet, die eine kausale Abhängigkeit des Preisniveaus von der Geldmenge propagiert. Die Gleichung beschreibt den kurzfristigen Zusammenhang von Geldmengenwachstum, Inflation, realem BIP-Wachstum und der Veränderung der Umlaufgeschwindigkeit,
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Neben der Definition der Preisstabilität ging man im Dezember 1998 von einem Pro- duktionspotential von 2% bis 2,5% aus und einem Trend in der Umlaufgeschwindigkeit von M3 in Höhe von 0,5% bis 1%. Bei der Zugrundelegung dieser Annahmen legte der EZB-Rat daher den Referenzwert für das Geldmengenwachstum auf 4,5% fest, der einen „natürlichen, festen und verlässlichen nominalen Anker für eine auf die Sicherung der Preisstabilität ausgerichteten Geldpolitik darstellt “ [EZB, 1999, S. 52]. Eigentlich sollten die Annahmen für die mittelfristige Entwicklung der Umlaufgeschwindigkeit von M3 sowie des Produktionstrends im jährlichen Turnus an aktuelle Entwicklungen angepasst werden. Im Mai 2003 entschloss sich der EZB-Rat jedoch, an diesem Wert für eine unbegrenzte Zeitperiode festzuhalten (s.o.). Die Abbildung A.2 (S. 42) zeigt die dauerhaften Abweichungen der M3-Wachstumsrate vom Referenzwert und lässt Platz für Zweifel an der Einbindung monetärer Informationen im Entscheidungsprozess. Interessanterweise besteht überdies eine Korrelation zur Entwicklung des EURIBOR und dient als Argument zur nachhaltigen Beobachtung der Geldmenge.
Der EZB-Rat betonte von Beginn an, dass der Referenzwert nicht als Verpflichtungserklärung für geldpolitische Interventionen interpretiert werden soll [ECB, 1999]. Zinsen sollen nicht in einer “mechanistischen“ Art und Weise angepasst werden, um das Geld- mengenwachstum auf den Referenzwert zurückzuführen, denn Abweichungen auf der disaggregierten Ebene könnten auch auf Portfolioverschiebungen zurückgeführt werden.
Viele bezweifeln jedoch, dass die monetäre Säule eine gewichtige Position im geldpolitischen Entscheidungsprozess des EZB-Rats einnimmt, denn eine eindeutige Erläuterung für die operative Funktion des Referenzwertes wurde nie von der EZB veröffentlicht [Bini-Smaghi und Gros, 2000, S. 159]. Aus Sicht von de Haan et al.2005 hätte unter der Vorgabe des Referenzwertes die Beobachtung des M3-Geldmengenwachstums seit 2000 eigentlich andere Zinsentscheidungen nach sich ziehen müssen, insbesondere in Zeiten extrem hoher Wachstumsraten wäre eine restriktivere Geldpolitik besser gewesen.
Kapitel 3 Die wirtschaftliche Analyse im NK-Modell
3.1 Einführung in die Neu-Keynesianische Literatur
Das vorherige Kapitel hat die Funktionsweise der Zwei-Säulen-Strategie beschrieben. Dem Ziel der Bewahrung der mittelfristigen Preisstabilität kann die Zentralbank durch die Ana- lyse der makroökonomischen Variablen auf der einen und der monetären Variablen auf der anderen Seite nachgehen. Dank des diversifizierten Informationspools, der aus der hybriden Form der zwei Säulen hervorgeht, ist die Zentralbank in der Lage, ihre geldpolitischen Interventionen optimal durchzuführen. Berger et al. [2008, S.12] kritisieren jedoch, dass die Entscheidungen der EZB-Geldpolitik rein auf der Auswertung der wirtschaftlichen Analyse basieren und, dass der Geldmenge in den Modellen und den Entscheidungen keine ausreichende Beachtung geschenkt wird. Woodford 2008 hingegen sieht keine Notwendigkeit zur stärkeren Einbeziehung, trotz einer Vielzahl von prominenten Kritikern, die die Adäquanz der EZB-Leitzinsentscheidungen unmittelbar vor- und während der gegenwärtigen Finanzund Wirtschaftskrise anzweifeln.
Im folgenden Kapitel wird das derzeitige Standardmodell zur Bewertung der Geldpolitik vorgestellt. Das Neu-Keynesianische Modell umfasst im Gegensatz zu älteren makroökonomischen Modellen wie dem von Hicks 1937 eine grundlegende Mikrofundierung und die
Einbindung von rationalen Erwartungen. Im Zuge der weitbeachteten „Real-Business-CycleTheory“ durch Kydland und Prescott 1982 entwickelten sich die DSGE-Modelle stetig
weiter und sind mittlerweile für die Zentralbanken unerlässlich. Die analytische Beschreibung der Modellökonomie in den folgenden Abschnitten stützt sich im wesentlichen auf die Literatur von Galí 2008 und Walsh 2003. Die Protagonisten des Modells sind Haushalte KAPITEL 3. DIE WIRTSCHAFTLICHE ANALYSE IM NK-MODELL 11
und Unternehmen, die versuchen, ihre Nutzenfunktionen für Konsum und Freizeit bzw. ihre Gewinne intertemporal zu maximieren. Von besonderem Interesse für die Geldpolitik ist vor allem die Analyse der Preisdynamiken, d.h. wann und wodurch sich Preise für Güter und Serviceleistungen anpassen und wie dadurch die Inflationsrate verändert wird.
Die Haushalte bestimmen im Modell u.a. die Güternachfrage, das Arbeitsangebot und die Geldnachfrage. Die Unternehmen sind insbesondere für die Arbeitsnachfrage, das Güterangebot und die Preisfestsetzung in der Ökonomie verantwortlich. Zusammen bilden diese Komponenten ein möglichst genaues Bild der realen konjunkturellen Dynamik, welches die Beurteilung und Simulation von geldpolitischen Maßnahmen ermöglicht. Im Gegensatz zu klassischen Modellen spielt Geld im NK-Modell jedoch keine direkte Rolle zur Inflationsbestimmung [Galí und Gertler, 2007]. Da die Zentralbank nur durch Zinsänderungen Einfluss auf das Produktionsniveau und keine Kontrolle über Geldmengenaggregate hat, wird die Inflationsrate unabhängig vom Geldangebot bestimmt.
Drei zentrale Annahmen charakterisieren im Wesentlichen das Modell. Erstens wird von monopolistischem Wettbewerb nach Dixit und Stiglitz 1977 ausgegangen, d.h. die Unternehmen sind nur auf ihren lokalen Produktionsmärkten aktiv und üben daher eine begrenzte Monopolmacht aus. Mit dieser Annahme ist es möglich, eine große Anzahl an Un- ternehmen zu betrachten und somit die Preisfestsetzung sowie die Intensität der Friktionen explizit zu modellieren. Zweitens gibt es im Modell nominale Rigiditäten („Sticky Prices“) nach Ball und Romer 1990, d.h. die Unternehmen können nach Calvo 1983 die Preise für Güter und Serviceleistungen nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit anpassen. Die Theorie geht auf Fischer 1977 zurück, mit dem Unterschied, dass die Preisanpassung nicht mehr zeitabhängig, sondern stochastisch und somit mathematisch einfacher darstellbar ist [Clarida et al., 1999, S. 1666]. Verzögerungen im Preisanpassungprozess führt für Haushalte zu Wohlfahrtsverlusten, da sich auch die Anpassung der Reallöhne verlangsamt. Für die Geldpolitik bedeutet dies, dass durch exogen hervorgerufene Veränderungen Preise sich nur sehr langsam anpassen und Änderungen des Nominalzinses oder Verschiebungen der Geldmenge den realen Geldbestand beeinflussen können. Zumindest kurzfristig kann die Geldpolitik daher theoretisch Einfluss auf die Güternachfrage sowie auf das Arbeitsangebot ausüben. Drittens wird von der kurzfristigen Nichtneutralität der Geldpolitik ausgegangen. Da sich Preise nicht proportional zu Änderungen der Geldmenge verhalten, können geldpolitische Impulse den Realzins und somit das Konsum- und Investitionsniveau verändern. Kommt es zu einer Verschiebung in der Gesamtnachfrage nach Produktionsgütern, reagieren Unternehmen mit einer Anpassung des Produktionsniveaus und dies führt ergo zu direkten Bewegungen auf dem Beschäftigungsmarkt.
3.2 Das Modell
3.2.1 Haushalte
Wie bereits einleitend erwähnt, zeichnet sich das NK-Modell durch monopolistischen Wettbewerb aus. Die Haushalte bestimmen durch ihre Konsumentscheidungen die Nachfrage und beeinflussen somit automatisch das Preisverhalten der Unternehmen. Anders als im klassischen K-Modell wird angenommen, dass es eine unendliche Anzahl von Unternehmen gibt, die unendlich viele differenzierte Güter produzieren. Aufgrund der differenzierten Konsumbündel müssen die Haushalte sowohl die Menge der insgesamt benötigten Kon- sumgüter als auch die Quantität für jedes einzelne Gut optimieren. Da jeder Haushalt zumindest etwas von jedem Gut konsumiert, haben ihre Entscheidungen direkten Einfluss auf die Unternehmen. Im Folgenden wird daher zunächst die optimale Allokation von Konsum und Arbeit eines repräsentativen Haushaltes für eine unendliche Zeitperiode mit Hilfe einer Nutzenfunktion maximiert:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Periodennutzen U(Ct,Nt) ist annahmegemäß stetig und zweimal differenzierbar, sodass der Grenznutzen im Konsum steigt und der Grenznutzen der Arbeit fällt.1 Die Variable Ct stellt ein Kontinuum von Konsumgütern dar, das sich aus einer Menge von unterschiedlichen Gütern zusammensetzt. Per Annahme wird die Menge an Konsumgütern als ein Konsumindex definiert
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dabei wird mit i das jeweilige Gut und mit ϵ die Substitutionselastizität der Güter ausge- drückt. Der Periodennutzen wird für t=0, 1, 2 ... unter der Periodenbudgetbeschränkung folgender Form maximiert
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
wobei Nt die Arbeitsstunden, Wt den Nominallohn, Tt als eine Pauschalpreiskomponente des Einkommens und Bt den Wert für eine risikolose, einperiodige Anleihe aus dem Unternehmenssektor zum Preis Qt definiert. Um die Entstehung eines Schneeballsystems in der Modellökonomie auszuschließen, wird angenommen, dass eine Solvabilitätsbedingung der Form [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] gilt. Damit wird insbesondere verhindert, dass die Haushalte neue Konsumausgaben fortlaufend mit der Aufnahme neuer Mittel finanzieren.
Die Ausgaben für den Konsumgüterindex Ct werden unter der Nebenbedingung der [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Budgetbeschränkung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Bedingung erster Ordnung für Ct(i) führt zur Definition des Preisindexes Pt,
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Parameter λ kann als Schattenpreis interpretiert werden, d.h. er gibt an, wie sich der Konsumindex ändern würde, wenn dem Haushalt mehr Budget zur Verfügung stünde. Neben dem Preisindex lässt sich auch die Konsumnachfrage für Ct(i) definieren:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Gleichung illustriert die Intuition für monopolistischen Wettbewerb, denn die Haushalte konsumieren immer zumindest etwas von jedem Gut. Zudem wird deutlich, dass die Anpassung der Nachfrage in Reaktion auf Preisänderungen von der Substitutionselastizität der Nachfrage ϵ abhängig ist. Aus der Budgetbeschränkung folgt die Optimalitätsbedingung für den Preis einer einperiodigen, risikolosen Anleihe:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Reallohn für die Haushalte ergibt sich aus der Grenzrate der Substitution von Arbeit
und Konsum:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Setzt man die Gleichungen 3.8 und 3.7 in die Nutzenfunktion ein, so folgen die Optimalitätsbedingungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Mit Hilfe einer Log-Linearisierung der Gleichungen 3.9 und 3.10 kann die Optimalitätsbedingung für das Arbeitsangebot sowie für die dynamische, zinsabhängige Euler-Gleichung für den Konsum definiert werden:2
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Gleichung impliziert, dass eine Erhöhung des Realzinsniveaus einen Konsumumlagerungseffekt von der Gegenwart in die Zukunft auslöst. Die Geldnachfrage der Haushalte wird durch den Zusammenhang der Logarithmen von Geldmenge und Preisniveau beschrieben, wobei [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] die Teilelastizität des Zinses charakterisiert:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.2.2 Unternehmen
Annahmegemäß gibt es in der Ökonomie eine große Anzahl von Unternehmen, die sich auf einem Kontinuum i ∈ [0, 1] befinden und die alle ein differenziertes Gut produzieren. Die der Produktion zugrundeliegende Technologie At ist für alle Unternehmen die gleiche. Die Produktionsfunktion nimmt folgende Form an:
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Aufgrund der Tatsache, dass die Unternehmen sehr klein sind und nur sehr limitierte Markt- macht besitzen, nehmen sie Pt und Ct als gegeben an. Daher sind sie in ihrer Produktion nur abhängig von der isoelastischen Nachfrage der Haushalte aus Gleichung 3.6. Um die Preissetzungsdynamik in der Ökonomie explizit zu modellieren, bedarf es eines natürlichen Indexes für die nominalen Rigiditäten. Nach Calvo 1983 dürfen die Unternehmen daher ihre Preise in jeder beliebigen Periode t nur mit einer Wahrscheinlichkeit 0 < 1 − θ < 1 anpassen. Der Anteil θ gibt zum einen die Wahrscheinlichkeit an, mit der Unternehmen ihre Preise unverändert lassen müssen und stellt zum anderen ein Maß für die nominalen Rigiditäten dar.
Mit Hilfe der Definition des dynamischen, aggregierten Preislevels und des [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] lässt sich die Inflationsrate für den stationären Zustand definieren3
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Änderungen der Inflationsrate werden bis hierher durch den Anpassungsprozess der Produktpreise hervorgerufen, da die optimierten Preise immer vom Durchschnittspreis in der Ökonomie abweichen.
Um die zukünftige Entwicklung der Inflation über mehrere Perioden hinweg zu modellie- ren, müssen diejenigen Faktoren aufgedeckt und analysiert werden, die für die Preisentschei- dungen der Unternehmen verantwortlich sind. Die Optimierung des Produktpreises P∗t int durch die Unternehmen führt dazu, dass der abdiskontierte Marktwert ihrer gegenwärtigen und zukünftigen Gewinne maximiert wird. Insbesondere beachten die Unternehmen bei ihren Preisentscheidungen, welche Auswirkungen die aktuellen Preisänderungen auf die zukünftig zu erwartenden Gewinne haben. Für eine unendliche Zeitperiode maximieren die Unternehmen daher gegeben p∗t dieSummederzuerwartendenGewinne
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dabei wird mit Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]) der stochastische Diskontfaktor für die nominalen Erträge und mit Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] die Kostenfunktion der Unternehmen festgelegt. Die Gleichung 3.17 legt das Produktionsniveau der Unternehmen in Periode t + k fest, die ihre Preise zuletzt in Periode t neu optimiert haben. Die Bedingung erster Ordnung des Maximierungsproblems führt zu folgendem Gleichungssystem
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ein wichtiger Faktor für die Entscheidung einer Preisanpassung sind die (nominalen)
Grenzkosten der Unternehmen. Diese werden in der Gleichung für den Fall einer Preisoptimierung in Periode [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] gekennzeichnet. Der Markup, den die
Unternehmen wählen, hängt von der Substitutionselastizität ab und wird durch [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] ausgedrückt. Falls keine Starrheiten vorliegen und die Unternehmen in jeder Periode ihre
Preise anpassen können, ergibt sich der optimale Preis automatisch durch [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]
Um die optimale Preisfestsetzung der Unternehmen im stationären Zustand zu modellieren, wird eine Linearisierung der Gleichung 3.18 vorgenommen.4 Es ergibt sich folgender Ausdruck für den Preis [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] :
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Unternehmen entscheiden sich demnach für einen Preis, der dem Bruttogewinn zuzüglich des gewichteten Durchschnittswerts der gegenwärtigen und zukünftig zu erwartenden nominalen Grenzkosten entspricht. Außerdem zeigt die Gleichung, dass die Gewichtung zu- künftig erwarteter Grenzkosten abhängig ist vom Diskontfaktor und der Wahrscheinlichkeit, dass die Preise für die jeweilige Periode auch tatsächlich richtig gewählt wurden.
3.2.3 Gleichgewicht
Annahmegemäß kommt es in der Ökonomie zu einer vollständigen Markträumung auf dem Gütermarkt, [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Das Produktionsniveau lässt sich
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
ausdrücken, sodass [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] für alle t gilt. Diese Annahme kombiniert mit der Euler-Gleichung 3.12 der Haushalte führt zur Gleichgewichtsbedingung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Inflationsgleichung 3.15 und die Gleichung für die Beschreibung von Preisbewegungen
3.19 führen zu einem dynamischen Ausdruck für die Inflation
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Parameter λ ist als [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] definiert.5 Daraus resultiert ein demnach in Periode t ein Absinken der Inflation je größer der Wert für die Preisstarrheit θ ist, in α und zudem je größer die Preiselastizität der Nachfrage ϵ ist. Die Inflation kann zudem als die diskontierte Summe der gegenwärtigen und zukünftigen Abweichungen der realen
Grenzkosten vom ihrem stationären Wert ausgedrückt werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
1 Wim Duisenberg auf der Pressekonferenz der EZB am 13.10.1998 in Frankfurt/Main.
2 Auf diese Tatsache wird insbesondere auch in der theoretischen Analyse im Abschnitt 4.2 eingegangen.
3 Das Geldmengenaggregat M3 umfasst den Bargeldumlauf, Sichteinlagen von Nicht-Banken, Einlagen mit vereinbarter Laufzeit bis zu zwei Jahren und Einlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist bis zu drei Monaten, Anteile an Geldmarktfonds, Repoverbindlichkeiten (Titel, die zwischen der Bundesbank und den Geschäftsbanken gehandelt werden und nicht zu den Spareinlagen zu zählen sind), Geldmarktpapieren und Bankschuldverschreibungen mit einer Laufzeit bis zu zwei Jahren.
1 Dies impliziert [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]
2 Der natürliche Logarithmus des Reallohns wird in der Form log Wt≡ wt ausgedrückt. Der kurzfristige Nominalzins ist definiert als der Logarithmus des Bruttoertrags einer einperioden Anleihe it ≡ −log Qt, πt+1 ≡ Pt+1 − Pt als die Inflationsrate zwischen t und t + 1 und die Diskontrate des Haushalts als ρ≡−logβ.
3 Vergleiche die detailierte Herleitung im mathematischen Anhang C.1.1 ab S. 53.
4 Vgl. ausführliche Herleitung der Approximation im mathematischen Anhang C.1.2 ab Seite 55.
5 [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]
- Arbeit zitieren
- Friedrich Droste (Autor:in), 2009, Die Zwei-Säulen-Strategie der Europäischen Zentralbank, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/164824
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