Dieser Aufsatz schließt sich thematisch an den Aufsatz „Pädagogische Ansätze in der Postakutbehandlung“ (Schlieckau 2009) an. Hier wird nun der Focus auf die Beschreibung der idealtypischen Zusammenarbeit zweier zentraler Arbeitsbereiche der Suchtfachklinik gelegt: der Psychotherapie und des Pflege- und Erziehungsdienstes.
Diese Beschreibung eines Best practice-Beispiels der Basistherapie ist keine Utopie. Sondern das Modell wurde mit Erziehern in der klinischen Praxis real entwickelt und wird erfolgreich gelebt. Es hat sich am Beispiel der Dietrich Bonhoeffer Klinik in Ahlhorn/Niedersachsen über Jahrzehnte gezeigt, dass entgegen der Annahme von Körner (1980), Psychoanalyse und Pädagogik seien unvereinbar, in der Tat eine gute Zusammenarbeit von Psychotherapie und Pädagogik zum Wohle des jugendlichen Patienten möglich ist. Der Beitrag der Erziehung zur Suchtrehabilitation wird im Verhältnis zum Beitrag der Psychotherapie von Suchtfachleuten oft geringer bewertet, aber gleichwohl anerkannt. Dabei leisten die Erzieher in der Dietrich Bonhoeffer Klinik eine umfängliche Beziehungsarbeit und Beratung der Patienten im sog. Realraum der Klinik und unterstützen so ganz wesentlich die Arbeit ihrer psychotherapeutischen Kollegen im jeweiligen Stationsteam. Der Pädagogische Dienst der Klinik kann nicht nur auf ein Erfahrungswissen aus über 30 Jahren stationäre Rehabilitation zurückgreifen, sondern u. a. auch auf die Ergebnisse aus der beinahe 100-jährigen Entwicklung der Psychoanalytischen Pädagogik, die sich ursprünglich von Sigmund Freund herleitet.
Pädagogische Ansätze sind heute im Rahmen einer multimodalen Therapie in stationären Behandlungskonzepten für Kinder und Jugendliche mit substanzbezogenen Störungen fachlich anerkannt. Eine Synthese von Psychoanalyse und Pädagogik ist möglich. Die psycho-analytische Pädagogik muss heute ein eigenständiges, nichtärztliches, aber gleichwohl psychoanalytisches Selbstverständnis als eigene Identitätsbildung entwickeln, den Diskurs mit benachbarten Fachdisziplinen suchen und sich um eine Evaluation und stärkere Evidenzbasierung ihrer Beiträge bemühen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Voraussetzungen der Zusammenarbeit der Psychotherapie und des Erziehungsdienstes
- 2.1. Zum Selbstverständnis der psychoanalytischen Pädagogik und zum Selbstverständnis der psychoanalytischen Psychotherapie
- 2.2. Das nicht eingelöste Postulat der „Erziehung der Erzieher“
- 3. Behandlungsaspekte
- 3.1. Grundkonzepte der psychoanalytischen Technik: Übertragung, Gegenübertragung, Widerstand und ihre Bedeutung für die Arbeit des pädagogisch-therapeutischen Teams
- 3.2. Das psychotherapeutische Setting: Gruppen- und Einzelpsychotherapie
- 3.3. Das pädagogische Setting: Gruppen-Milieutherapie, Einzel-Milieutherapie und Rekreationstherapie als Basistherapie
- 3.4. Szenisches Verstehen als hermeneutisches Verfahren in der pädagogischen Diagnostik
- 3.5. Erziehungsmittel und Erziehungsziele
- 3.6. Einstellungsänderung durch Kommunikation
- 4. Integration von Psychotherapie und Pädagogik im klinischen Setting
- 4.1. Überschneidungen, Verflechtungen, Gemeinsamkeiten und Differenzen von psychotherapeutischer und pädagogischer Praxis
- 4.2. Evaluation der erzieherischen Arbeit
- 5. Zusammenfassung und Diskussion
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Aufsatz beschreibt die ideale Zusammenarbeit zwischen Psychotherapie und Erziehungsdienst in der stationären Behandlung Jugendlicher mit substanzbezogenen und komorbiden Störungen. Er analysiert die Schnittmenge beider Arbeitsbereiche und zeigt anhand eines Praxisbeispiels, wie eine erfolgreiche Integration beider Disziplinen zum Wohle der Patienten aussehen kann. Der Fokus liegt auf der Bedeutung der psychoanalytischen Pädagogik im Kontext der Suchtrehabilitation.
- Zusammenarbeit zwischen Psychotherapie und Erziehungsdienst
- Psychoanalytische Pädagogik in der Suchtbehandlung
- Integration verschiedener Therapiemethoden
- Evaluation erzieherischer Arbeit
- Selbstverständnis und Rolle des Erziehers in der Suchtklinik
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung stellt die Thematik der Zusammenarbeit zwischen Psychotherapie und Erziehungsdienst in der stationären Behandlung Jugendlicher mit Suchtproblemen vor. Sie hebt die Seltenheit der Forschung zu diesem Thema hervor und betont den Praxisbezug des Aufsatzes, der auf den Erfahrungen des Autors in einer Suchtklinik basiert. Der Autor benennt die Fokussierung auf den Beitrag des Erziehers und nicht des Pflegepersonals, um den Stellenwert der psychoanalytischen Pädagogik zu unterstreichen und diese nicht als minderwertig zur Pflegewissenschaft darzustellen. Kritisch hinterfragt der Autor die Aussage von Körner (1980), dass Psychoanalyse und Pädagogik unvereinbar sind, und betont den Bedarf an einer stärkeren akademischen Anerkennung und Evaluation pädagogischer Beiträge in der Suchtrehabilitation.
2. Voraussetzungen der Zusammenarbeit der Psychotherapie und des Erziehungsdienstes: Dieses Kapitel untersucht die Grundlagen einer erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Psychotherapie und Erziehungsdienst. Es beleuchtet die jeweiligen Selbstverständnisse der psychoanalytischen Pädagogik und der psychoanalytischen Psychotherapie und analysiert das "unerfüllte Postulat der Erziehung der Erzieher". Es werden die unterschiedlichen Perspektiven, Methoden und Settings beider Arbeitsbereiche herausgearbeitet, um die notwendigen Voraussetzungen für eine produktive Interaktion zu definieren. Hier wird der Grundstein für das Verständnis der komplementären Rollen gelegt.
3. Behandlungsaspekte: Dieses Kapitel befasst sich detailliert mit den verschiedenen Aspekten der Behandlung im pädagogisch-therapeutischen Team. Es erklärt zentrale psychoanalytische Konzepte wie Übertragung, Gegenübertragung und Widerstand und deren Bedeutung für die Teamarbeit. Die Kapitel beschreiben sowohl das psychotherapeutische Setting (Gruppen- und Einzelpsychotherapie) als auch das pädagogische Setting (Gruppen-Milieutherapie, Einzel-Milieutherapie und Rekreationstherapie). Darüber hinaus wird das „szenische Verstehen“ als hermeneutisches Verfahren in der pädagogischen Diagnostik erläutert und die Bedeutung von Erziehungsmitteln, -zielen und Einstellungsänderung durch Kommunikation im Kontext der Suchtbehandlung dargelegt.
4. Integration von Psychotherapie und Pädagogik im klinischen Setting: Dieses Kapitel widmet sich der praktischen Integration von Psychotherapie und Pädagogik in der Klinik. Es untersucht Überschneidungen, Verflechtungen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Praxisfelder und beleuchtet die Bedeutung der Evaluation erzieherischer Arbeit. Es wird deutlich, wie die Arbeit von Psychotherapeuten und Erziehern sich gegenseitig ergänzt und verstärkt, um eine ganzheitliche Behandlung zu ermöglichen.
Schlüsselwörter
Psychoanalytische Pädagogik, Psychoanalytische Psychotherapie, Suchtrehabilitation, Jugendliche, Substanzbezogene Störungen, Komorbide Störungen, Stationäre Behandlung, Pädagogisch-therapeutisches Team, Zusammenarbeit, Erziehungsdienst, Milieutherapie, Übertragung, Gegenübertragung, Widerstand, Evaluation.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Zusammenarbeit von Psychotherapie und Erziehungsdienst in der Suchtrehabilitation Jugendlicher
Was ist der Hauptfokus dieses Textes?
Der Text beschreibt die ideale Zusammenarbeit zwischen Psychotherapie und Erziehungsdienst in der stationären Behandlung Jugendlicher mit substanzbezogenen und komorbiden Störungen. Er analysiert die Schnittmenge beider Arbeitsbereiche und zeigt anhand eines Praxisbeispiels, wie eine erfolgreiche Integration beider Disziplinen zum Wohle der Patienten aussehen kann. Besonderes Augenmerk liegt auf der Bedeutung der psychoanalytischen Pädagogik im Kontext der Suchtrehabilitation.
Welche Kapitel umfasst der Text und worum geht es in jedem Kapitel?
Der Text gliedert sich in fünf Kapitel:
- Kapitel 1 (Einleitung): Stellt die Thematik vor, betont den Praxisbezug und die Seltenheit der Forschung zu diesem Thema, und hinterfragt kritisch die Aussage von Körner (1980) über die Unvereinbarkeit von Psychoanalyse und Pädagogik.
- Kapitel 2 (Voraussetzungen der Zusammenarbeit): Untersucht die Grundlagen einer erfolgreichen Zusammenarbeit, beleuchtet die Selbstverständnisse der psychoanalytischen Pädagogik und Psychotherapie und analysiert das "unerfüllte Postulat der Erziehung der Erzieher".
- Kapitel 3 (Behandlungsaspekte): Erklärt zentrale psychoanalytische Konzepte (Übertragung, Gegenübertragung, Widerstand) und ihre Bedeutung für die Teamarbeit. Beschreibt psychotherapeutische und pädagogische Settings (Gruppen- und Einzeltherapien, Milieutherapie) und das „szenische Verstehen“ als hermeneutisches Verfahren.
- Kapitel 4 (Integration im klinischen Setting): Widmet sich der praktischen Integration, untersucht Überschneidungen und Unterschiede beider Praxisfelder und betont die Bedeutung der Evaluation erzieherischer Arbeit.
- Kapitel 5 (Zusammenfassung und Diskussion): Fasst die Ergebnisse zusammen und diskutiert die Implikationen.
Welche Schlüsselkonzepte werden im Text behandelt?
Schlüsselkonzepte sind psychoanalytische Pädagogik, psychoanalytische Psychotherapie, Suchtrehabilitation, substanzbezogene und komorbide Störungen, stationäre Behandlung, pädagogisch-therapeutisches Team, Zusammenarbeit, Erziehungsdienst, Milieutherapie, Übertragung, Gegenübertragung, Widerstand und Evaluation.
Welche Zielsetzung verfolgt der Text?
Der Text zielt darauf ab, die Zusammenarbeit zwischen Psychotherapie und Erziehungsdienst in der Suchtrehabilitation Jugendlicher zu beschreiben und zu analysieren. Er möchte die Bedeutung der psychoanalytischen Pädagogik hervorheben und Wege zu einer erfolgreichen Integration beider Disziplinen aufzeigen.
Welche Methoden werden in der beschriebenen Zusammenarbeit verwendet?
Der Text beschreibt verschiedene Methoden, darunter Gruppen- und Einzelpsychotherapie, Gruppen- und Einzel-Milieutherapie, Rekreationstherapie und das „szenische Verstehen“ als hermeneutisches Verfahren in der pädagogischen Diagnostik. Die Bedeutung von Erziehungsmitteln, -zielen und Einstellungsänderung durch Kommunikation wird ebenfalls hervorgehoben.
Für wen ist dieser Text relevant?
Dieser Text ist relevant für Fachkräfte im Bereich der Suchtrehabilitation, insbesondere Psychotherapeuten, Erzieher, Pädagogen und alle, die an der interdisziplinären Behandlung Jugendlicher mit Suchtproblemen beteiligt sind. Er ist auch für die akademische Forschung im Bereich der Suchttherapie und psychoanalytischen Pädagogik von Interesse.
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- Diplom-Pädagoge Jürgen Schlieckau (Autor), 2011, Die Behandlung im pädagogisch-therapeutischen Team, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/164673