In ambulanten und stationären Einrichtungen des Gesundheitswesens kommt es aufgrund der Arbeit mit Menschen täglich zu Situationen, die Entscheidungen verlangen, bei denen sich die Entscheidungsträger in ethischen Konfliktsituationen befinden. In dieser Arbeit wird den Personaleinsatz betreffende Entscheidungen in einem privat geführten Krankenhaus nach allgemein ethischen Prinzipien hinterfragt werden.
„Unter personalpolitischen Gesichtspunkten wird die Ethik von dem Bemühen geleistet, das „Menschengerechte“ einzubringen bzw. den Menschen zu nutzen, ihn zu fördern und zur Entfaltung zu bringen – ihm schließlich Freude und Erfüllung zu ermöglichen.“ Kann eine Krankenpflegedirektion (KD) diesen Zielen gerecht werden, wenn ihr die Organisationsstrukturen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Unternehmensziele entgegenstehen? Die KD steht im ständigen Spannungsfeld von Entscheidungsprozessen, die die Organisation, das Unternehmen, die Leistungsempfänger (Patienten), die Leistungsfinanzierer (Krankenkassen), die Leistungserbringer (Mitarbeiter) und sich selbst, d.h. die eigene Moral betreffen. Dieses organisationsethische Problemfeld ist das Aktionsfeld, in dem sich diese Arbeit bewegen wird. Als Grundlage bedient sich der Autor der Kriterien der ethischen Argumentation, bei der er eine faktische Situation (faktische Prämisse) beschreibt und über die Einführung allgemein ethischer Normen, Werte und Prinzipien (ethische Prämisse) zu einem Werturteil über diese faktische Situation (ethischer Schluss) gelangt. Dazu werden der Ethikkodex für Pflegende und die fünf Allgemeinen Ethischen Prinzipien einer Verantwortungsethik herangezogen.
Inhaltsübersicht
1. Einleitung
2. Faktische Prämisse
3. Konfliktfelder
4. Ethikkodex für Pflegende
4.1. Pflegende und ihre Mitmenschen
4.2. Pflegende und ihre Berufsausübung
4.3. Pflegende und ihre Profession
4.4. Pflegende und ihre Kollegen
4.5. Zusammenfassung – Ethikkodex für Pflegende
5. Allgemein Ethische Prinzipien einer Verantwortungsethik
5.1. Achtung vor dem Leben
5.2. Das Gute und das Richtige
5.3. Gerechtigkeit und Fairness
5.4. Wahrheit und Ehrlichkeit
5.5. Individuelle Freiheit und Selbstbestimmung (Autonomie)
5.6. Zusammenfassung – Allgemeine Prinzipien der Ethik
6. Fazit – Ethischer Schluss
7. Literaturverzeichnis
8. Internetrechercheverzeichnis
9. Telefonrecherche
10. Erklärung zur Urheberschaft
1. Einleitung
In ambulanten und stationären Einrichtungen des Gesundheitswesens kommt es aufgrund der Arbeit mit Menschen täglich zu Situationen, die Entscheidungen verlangen, bei denen sich die Entscheidungsträger in ethischen Konfliktsituationen befinden. In dieser Arbeit wird den Personaleinsatz betreffende Entscheidungen in einem privat geführten Krankenhaus nach allgemein ethischen Prinzipien hinterfragt werden.
„Unter personalpolitischen Gesichtspunkten wird die Ethik von dem Bemühen geleistet, das „Menschengerechte“ einzubringen bzw. den Menschen zu nutzen, ihn zu fördern und zur Entfaltung zu bringen – ihm schließlich Freude und Erfüllung zu ermöglichen.“[1] Kann eine Krankenpflegedirektion (KD) diesen Zielen gerecht werden, wenn ihr die Organisationsstrukturen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Unternehmensziele entgegenstehen? Die KD steht im ständigen Spannungsfeld von Entscheidungsprozessen, die die Organisation, das Unternehmen, die Leistungsempfänger (Patienten), die Leistungsfinanzierer (Krankenkassen), die Leistungserbringer (Mitarbeiter) und sich selbst, d.h. die eigene Moral betreffen. Dieses organisationsethische Problemfeld ist das Aktionsfeld, in dem sich diese Arbeit bewegen wird. Als Grundlage bedient sich der Autor der Kriterien der ethischen Argumentation, bei der er eine faktische Situation (faktische Prämisse) beschreibt und über die Einführung allgemein ethischer Normen, Werte und Prinzipien (ethische Prämisse) zu einem Werturteil über diese faktische Situation (ethischer Schluss) gelangt. Dazu werden der Ethikkodex für Pflegende und die fünf Allgemeinen Ethischen Prinzipien einer Verantwortungsethik herangezogen.
2. Faktische Prämisse
In dem privat geführten Krankenhaus herrscht seit längerer Zeit auf einigen Stationen ein Mangel an pflegerischem Fachpersonal. Grund dafür sind die erhöhten Ausfallzeiten durch Krankheit und Urlaub. Um dieses Defizit zu kompensieren, setzte die KD Krankenpflegeschüler, die im selben Haus ausgebildet werden, von anderen Stationen, auf denen die Besetzung mit pflegerischem Fachpersonal über die Mindestbesetzung hinausging, auf den Stationen ein, auf denen die Mindestbesetzung an Personal nicht erreicht wurde. In dieser Zeit war es nicht selten, dass für 30 Patienten eine pflegerische Fachkraft und zwei Krankenpflegeschüler im Frühdienst zuständig waren. Die Mindestbesetzung für diese peripheren Stationen im Frühdienst sind drei examinierte Krankenpflegekräfte und eine Stationshilfe je Station. Krankenpflegeschüler waren bisher immer zusätzliche Arbeitskräfte. Der Einsatz des Personals auf den Stationen wird von den Stationsleitungen geplant. Aufgrund der beschriebenen Situation traten die Stationsleitungen der betroffenen Stationen mit Fachkräftemangel an die KD heran, mit der Bitte, Abhilfe zu schaffen. Die KD übernahm die Koordinierung der Einsatzplanung. Einen Überblick verschaffte sie sich, indem sie sich die Dienstpläne aller Stationen per EDV ansah.
Der Einsatzplan der Krankenpflegeschüler wird in der Regel von der im Krankenhaus ansässigen Krankenpflegeschule koordiniert. Die KD hatte die Krankenpflegeschule über die Umsetzung der Schüler informiert und sich im Nachhinein die Zustimmung der Krankenpflegeschule eingeholt.
Aufgrund dieser Situation ergibt sich folgende ethische Fragestellung:
- Ist es ethisch zu vertreten, Krankenpflegeschüler anstelle von pflegerischem Fachpersonal einzusetzen?
3. Konfliktfelder
Anhand der beschriebenen faktischen Situation lässt sich das ethische Konfliktfeld erkennen, in dem die KD agiert. „Interpersonelle Konflikte entstehen zwischen verschiedenen Personen, Gruppen oder Organisationseinheiten.“[2] Teilnehmer des interpersonellen Konfliktes sind die KD als Vertreter der Unternehmensleitung, die Stationsmitarbeiter, die Krankenpflegeschüler, die Krankenpflegeschule und nicht zuletzt die Patienten, auch wenn sie nicht explizit genannt wurden, so sind sie doch der Grund, solch eine Einrichtung zu führen.
Anhand des nachfolgenden Schaubildes soll verdeutlicht werden, in welcher Komplexität die KD in Beziehung mit den anderen Konfliktteilnehmern und damit im Zentrum des Spannungsfeldes steht. Gleichzeitig werden Probleme, die die Konflikte unterstreichen, dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Konfliktfeld der Krankenpflegedirektion
Natürlich stehen alle dargestellten Konfliktteilnehmer auch untereinander in Beziehung. Diese Beziehungen ethisch zu hinterfragen ist nicht die Aufgabe dieser Arbeit. Die Entscheidungen, die die KD trifft, haben ihre Grundlage in der Unternehmensethik, aber auch in der eigenen Sittlichkeit und Moralvorstellung. Zudem hat der Ethikkodex für Pflegende Einfluss auf die Entscheidungen der KD.
4. Der Ethikkodex für Pflegende
1953 wurde erstmalig ein internationaler Ethikkodex für Pflegende vom Weltbund der Krankenschwestern und Krankenpfleger (International Council of Nurses (ICN)) angenommen. Dieser wurde mehrmals überarbeitet und ist seit dem Jahr 2000 in seiner jetzigen Fassung[3].
Pflegende haben demnach vier grundlegende Aufgaben:
- Gesundheit fördern
- Krankheit verhüten
- Gesundheit wieder herstellen
- Leiden lindern
Die KD und das Unternehmen, welches sich der Versorgung von Menschen verschrieben hat, ist diesen Grundelementen verpflichtet. Untrennbar von Pflege ist die Achtung der Menschenrechte, indem auch das Recht auf Leben eingeschlossen ist, die Achtung auf Würde und die respektvolle Behandlung des Patienten. Die Pflege wird ohne Rücksicht auf das Alter, Behinderung oder Krankheit, das Geschlecht, den Glauben, die Hautfarbe, die Kultur, die Nationalität, die politische Einstellung, die Rasse oder den sozialen Status ausgeübt. Dabei sollen vier Grundelemente das ethische Verhalten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Pflege bestimmen:
- Pflegende und ihre Mitmenschen
- Pflegende und ihre Berufsausübung
- Pflegende und die Profession
- Pflegende und ihre Kollegen
Um herauszufinden inwieweit die vier Grundelemente des Ethikkodexes die Entscheidung berühren, Krankenpflegeschüler anstelle von pflegerischem Fachpersonal einzusetzen, ist es notwendig, diese weiter zu hinterfragen.
4.1. Pflegende und ihre Mitmenschen
Der ICN beschreibt zu diesem Grundelement des Ethikkodexes, dass die grundlegende berufliche Verantwortung der Pflegenden dem pflegebedürftigen Menschen gilt. Dabei sollen die Pflegenden ein Umfeld fördern, „in dem die Menschenrechte, die Wertvorstellungen, die Sitten und Gewohnheiten sowie der Glaube des Einzelnen, der Familie und der sozialen Gemeinschaft respektiert werden.“[4] Auf die KD bezogen bedeutet es, dass sie die grundlegende Verantwortung ihren Mitarbeitern gegenüber hat. Sie hat eine Fürsorgepflicht und die Fachaufsicht.
Es stellen sich dem Autor an dieser Stelle folgende Fragen:
- Ist es von der KD ethisch vertretbar, anstelle von pflegerischem Fachpersonal Personal einzusetzen, welches sich in der Ausbildung befindet?
- Befinden sich Krankenpflegeschüler in der Position, die pflegerische Versorgung und Behandlung zu gewährleisten und können sie ihr Tun dem Pflegebedürftigen gegenüber ausreichend begründen?
- Können Krankenpflegeschüler Maßnahmen zugunsten der sozialen Bedürfnisse der Bevölkerung alleinverantwortlich veranlassen?
Die Inhalte der Fragen, bestimmen die ethische Verantwortung der Pflegenden ihren Mitmenschen gegenüber und sind deshalb elementar.
4.2. Pflegende und die Berufsausübung
Der ICN legt unter diesem Grundelement fest, dass die Pflegenden verantwortlich und rechenschaftspflichtig für die Ausübung der Pflege sind und sich kontinuierlich an Fortbildungsmaßnahmen zu beteiligen haben, um die fachliche Kompetenz zu erhalten und zu steigern. Die Pflegenden haben weiterhin auf ihre Gesundheit zu achten, um die Fähigkeit der Berufausübung nicht zu beeinträchtigen. Aufgrund der hohen Ausfallzeiten auf den einzelnen Stationen, hat die KD die Pflicht, nach den Ursachen zu „forschen“, denn sie hat, wie schon an anderer Stelle beschrieben, einerseits eine Fürsorgepflicht ihren Mitarbeitern gegenüber und andererseits bedeuten hohe Krankenstände enorme Mehrkosten für das Unternehmen. Ursachen für häufige Fehlzeiten sind unter anderem hoher Leistungsdruck, eine unbefriedigende Arbeitssituation, häufige Konflikte innerhalb des Pflegeteams sowie mit anderen Berufsgruppen, zu oftmaliges „Springer-Dasein“ und das Führungsverhalten des Vorgesetzten.[5]
Der ICN legt weiter fest, dass die Pflegenden während ihres beruflichen Handelns auf ihr persönliches Verhalten achten sollen, welches dem Ansehen der eigenen Profession dient und das Vertrauen der Bevölkerung stärken soll. Ohne eine Wertung über die Qualität der Pflege von Krankenpflegeschüler abgeben zu wollen, ist die Außenwirkung eines Krankenhauses, in dem Pflegebedürftige fast ausschließlich von Krankenpflegeschüler grundgepflegt werden, mit großer Wahrscheinlichkeit geringer, als wenn die Pflege von Fachpersonal durchgeführt wird. Der Pflegebedürftige könnte die Pflege von Krankenpflegeschülern ohne Aufsicht und Anleitung von Fachpersonal als zu geringe Wertschätzung und Achtung vor seinem Leiden und vor seiner Person empfinden.
Dies ist die subjektive Einschätzung des Autors, wäre er in der Rolle des Patienten.
[...]
[1] Jung, H.: Personalwirtschaft, 5. Auflage, Oldenbourg Verlag, München/Wien, 2003, S. 26
[2] ebenda, S. 456
[3] vgl.: http://www.dbfk.de/bv/ICNethikkodex.htm
[4] ebenda
[5] vgl. Neges, G.; Neges, R.: Kompaktwissen Management. Alles, was Führungskräfte wissen müssen. Mit vielen Fallbeispielen und Checklisten, 2. Auflage, Wirtschaftsverlag Ueberreuter, Wien, 1999, S. 260
- Arbeit zitieren
- Ricco Freyberg (Autor:in), 2003, Die Krankenpflegedirektion im organisationsethischen Problemfeld am Beispiel des Personaleinsatzes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16398
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