Fichtes Reden sind ein Befreiungsaufruf an das deutsche Volk. Die Auflösung sozialer Schichten steht dabei nicht im Zentrum, er richtet sich jedoch an alle Deutschen, als Gleiche unter Gleichen. [...]
Er will dem deutschen Volk helfen, dass es sich selbst helfen kann. Erst der Zustand der Unterdrückung und Ausbeutung ruft diese Notwendigkeit hervor. Er will es bilden, dass es fähig wird, sich selbst eine gemeinsame und verbindende Kultur zu geben, ohne eine herrschende zusammenhaltende Obrigkeit zu bedürfen. Dabei spielt das beinahe existenzielle Bedürfnis der Zugehörigkeit zu anderen Menschen, zu Gesinnungsgenossen eine zentrale Rolle. Die Zeit ist gekennzeichnet durch die Hinwendung zur Nation. Die Nation bietet einen unverlierbaren Hafen bei grossen Umbrüchen oder wenn grosse Ideologien wie 1991 zusammenbrechen. Stets bleibt sie jedoch ein Konstrukt. Es hat mich interessiert ein zentrales Werk zu lesen, das am jungfräulichen Anfang des Nationalismus steht. Fichte versucht den Zusammenhalt zu fördern und gegen aussen abzugrenzen. Die Deutschen sollen sich bewusst werden, was dazu gehört und was fremd ist.
Ich möchte in den folgenden Untersuchungen Fichte als Zeitzeuge der französischen Fremdherrschaft darstellen, und daher seinen Gemütszustand, sein Denken und seine Ziele zu erfassen versuchen. Einblicke in seinen Gefühlszustand können vielleicht auch die rigorose Abgrenzung zu anderen Völkern verstehen helfen. Ich werde mich auch der Frage widmen, worin Fichtes Nationalismus gründet und wie er den Deutschen definiert. Ebenfalls beschäftigen wird mich die Frage, mit welchen Charakteristiken er die Deutschen gegen aussen abgrenzt. Dabei sprang mir sein starkes Freund-Feind-Schema und seine romantische, verklärende Sicht auf die vergangenen und gegenwärtigen Ereignisse ins Auge. Interessant finde ich auch immer wieder zu sehen, wie wichtig eine höhere Welt, die Ewigkeit oder romantisches Denken für das menschliche Bewusstsein sein kann. Abgesehen von den Kriterien der Zugehörigkeit und der Nichtzugehörigkeit, möchte ich Fichtes Begriff der Nation näher auf den Grund gehen.
Ich werde mich stark an den „Reden an die Deutsche Nation“ anlehnen, und mich nur schwach auf Sekundärliteratur stützen. Biografische Angaben zu seiner Person habe ich unterlassen, da dies den Rahmen der Arbeit gesprengt hätte und ich mich auf Fichtes Sprachnationalismus konzentrieren wollte.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1. Deutschland unter französischer Fremdherrschaft
1.1 „Deutschland“ – ein geographischer Begriff
1.2 Ernüchterung und Hinwendung zur Nation
2. Fichte zwischen Enttäuschung, Stolz und Tatendrang
3. Bildung des Gemeinschaftsgefühls – Nationalismus als Befreiungsideologie
4. Fichtes Sprachnationalismus
4.1 Was macht den Deutschen zum Deutschen ?
4.2 Frankreich – das Feindbild
4.3 Der deutsche Mythos
4.4 Die Nation als Konstrukt und Sinngebungsinstanz im Gegensatz zum Staat
Literaturverzeichnis
Vorwort
Die „Reden an die Deutsche Nation“ von Johann Gottlieb Fichte fallen in eine Zeit grosser territorialer Umbrüche, politischer, sozialer und ökonomischen Veränderungen. Das Zeitalter des Ancien Régime geht zu Ende und langsam erwachen die Nationen, unter denen auch noch so manche Brutalität in die Weltgeschichte eingehen wird.
Fichtes Reden sind ein Befreiungsaufruf an das deutsche Volk. Die Auflösung sozialer Schichten steht dabei nicht im Zentrum, er richtet sich jedoch an alle Deutschen, als Gleiche unter Gleichen. Nicht alle Menschen als vernünftige Wesen sind gleich, wie dies noch die Aufklärung verkündete, auch wenn ihnen vielleicht die gleiche Würde und den gleichen Wert nicht abzusprechen sind. Eine menschentrennende Grenze bleibt und wird noch lange die Welt beherrschen. Die Nationalität. Dieses nationalistische Bewusstsein Fichtes ist geprägt von den Erfahrungen der französischen Fremdherrschaft, einem Geltungsdrang und einem Bedürfnis nach Abgrenzung. Obwohl seine Reden aus heutiger Sicht von einem erschreckenden nationalistischen Pathos überladen sind, lassen sich für Fichte die Werte des Kosmopolitismus und der Nation vereinen.
Er will dem deutschen Volk helfen, dass es sich selbst helfen kann. Erst der Zustand der Unterdrückung und Ausbeutung ruft diese Notwendigkeit hervor. Er will es bilden, dass es fähig wird, sich selbst eine gemeinsame und verbindende Kultur zu geben, ohne eine herrschende zusammenhaltende Obrigkeit zu bedürfen. Dabei spielt das beinahe existenzielle Bedürfnis der Zugehörigkeit zu anderen Menschen, zu Gesinnungsgenossen eine zentrale Rolle. Die Zeit ist gekennzeichnet durch die Hinwendung zur Nation. Die Nation bietet einen unverlierbaren Hafen bei grossen Umbrüchen oder wenn grosse Ideologien wie 1991 zusammenbrechen. Stets bleibt sie jedoch ein Konstrukt. Es hat mich interessiert ein zentrales Werk zu lesen, das am jungfräulichen Anfang des Nationalismus steht. Fichte versucht den Zusammenhalt zu fördern und gegen aussen abzugrenzen. Die Deutschen sollen sich bewusst werden, was dazu gehört und was fremd ist.
Ich möchte in den folgenden Untersuchungen Fichte als Zeitzeuge der französischen Fremdherrschaft darstellen, und daher seinen Gemütszustand, sein Denken und seine Ziele zu erfassen versuchen. Einblicke in seinen Gefühlszustand können vielleicht auch die rigorose Abgrenzung zu anderen Völkern verstehen helfen. Ich werde mich auch der Frage widmen, worin Fichtes Nationalismus gründet und wie er den Deutschen definiert. Ebenfalls beschäftigen wird mich die Frage, mit welchen Charakteristiken er die Deutschen gegen aussen abgrenzt. Dabei sprang mir sein starkes Freund-Feind-Schema und seine romantische, verklärende Sicht auf die vergangenen und gegenwärtigen Ereignisse ins Auge. Interessant finde ich auch immer wieder zu sehen, wie wichtig eine höhere Welt, die Ewigkeit oder romantisches Denken für das menschliche Bewusstsein sein kann. Abgesehen von den Kriterien der Zugehörigkeit und der Nichtzugehörigkeit, möchte ich Fichtes Begriff der Nation näher auf den Grund gehen.
Ich werde mich stark an den „Reden an die Deutsche Nation“ anlehnen, und mich nur schwach auf Sekundärliteratur stützen. Biografische Angaben zu seiner Person habe ich unterlassen, da dies den Rahmen der Arbeit gesprengt hätte und ich mich auf Fichtes Sprachnationalismus konzentrieren wollte.
Es stellen sich viele Fragen beim Lesen der „Reden an die Deutsche Nation“. Nicht allen Fragen kann ich auf den folgenden Seiten nachgehen. Interessant wäre auch gewesen, der Frage nachzugehen, wie weite Wellen Fichtes Werk geschlagen hat und auf welche Weise und Kreise sein Einfluss auf die Deutschen sich auswirkte. Hat das deutsche Volk den schlechten Zustand wirklich der Fremdherrschaft angelastet und auf Napoleon projiziert oder war es sich anderer Einflüsse bewusst? Denn der Zerfall des Reichs und die territorialen, sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen haben ihre Wurzeln auch in deutschem Interesse und anachronistischen Zuständen. Vermochte Fichte ein alle Deutschen umfassendes Zusammengehörigkeitsgefühl entfachen und das deutsche Volk zu aktivieren?
1. Deutschland unter französischer Fremdherrschaft
1.1 „Deutschland“ – ein geographischer Begriff
Fichte hielt im Winter 1807/08 seine Reden an die Deutsche Nation in einem von französischen Truppen besetzten Berlin. Die französische Militärhegemonie war auf ihrem Höhepunkt. Napoleon hatte die Macht über die deutsche Politik an sich gerissen und bestimmte das Schicksal der deutschen Geschichte. Selten hätten alle Bereiche des Lebens so sehr im Zeichen der Machtpolitik und des Drucks von aussen gestanden, meint Nipperdey. Der Umsturz der alten Ordnung und der Weg in die Moderne ging für die Deutschen einher mit der Erfahrung der napoleonischen Fremdherrschaft in Form eines Militär-Imperiums.[1] Napoleon war der beinahe beispiellose Sieger, der die europäischen Mächte in eine beschämende Position der Unterlegenheit drängte. 1801 wurden die linksrheinischen Gebiete endgültig französisch. 1803 bzw. 1806 fand durch die Säkularisierung und Mediatisierung eine bedeutende territoriale Neuordnung Deutschlands statt, die auch die Auflösung der alten Reichstrukturen beschleunigte, wobei Frankreich der eigentliche Lenker der deutschen Dinge geworden war.[2] Mit der Gründung des Rheinbundes hatte Napoleon sein Ziel erreicht, leistungsfähige Mittelstaaten als Gegengewicht zu Preussen und Österreich zu schaffen, die als Pufferstaaten und Verbündete dienten.[3] Sang- und klanglos fiel das alte Reich nach einer tausendjährigen Geschichte auseinander und der deutsche Kaiser legte die Kaiserkrone nieder. Nachdem Napoleon am 13. November 1805 in Wien eingezogen war, brach im Oktober 1806 auch der preussische Staat zusammen. „’Deutschland’ schien einstweilen zum geographischen Begriff herabzusinken“, schreibt Nipperdey und weist auf das höchst Merkwürdige am Ende des alten Reichs hin: „Es [Das Ende] hat dieses Reich aus der Wirklichkeit in die Welt von Traum und Symbol versetzt; der Traum vom ’Reich’ hat seither in der Geschichte der Deutschen eine ungeheure Dynamik entfaltet; gerade das Unwirkliche, das unwirklich Gewordene bewegte die Wirklichkeit“.[4]
1.2 Ernüchterung und Hinwendung zur Nation
Die französische Fremdherrschaft brachte durchdringende Veränderungen und Neuordnungen mit sich. Doch der Revolutionierung der europäischen Verhältnisse standen die deutschen Intellektuellen zunehmend skeptischer bis ablehnender gegenüber. Die französische Hegemonie brachte nicht nur aufklärerische Reformen mit sich. Die Politik der napoleonischen Militärdiktatur liess hinter dem Schleier der Revolutionsidealen vielfach die Staatsräson durchblicken. Die deutsche Wirtschaft litt unter der „Kontinentalsperre“ und dem „Kontinentalsystem“, das mit schikanösen Zollbestimmungen die französische Wirtschaft begünstigte, Not und Teuerung auslöste. Die Militär- und Steuerpolitik schuf ein System von Ausbeutung und Unterdrückung, das eine steigende Erbitterung gegen die französische Herrschaft auslöste. Auch in den linksrheinischen Gebieten verlor das neue Herrschaftssystem trotz allen Freiheiten und grossen Reformen nie den Charakter der Fremdherrschaft.[5]
Die hochgesteckten Hoffnungen der Aufklärung wurden enttäuscht und Ernüchterung kehrte bereits in den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts ein. Es war das Erwachen einer Zeit, welche sich durch die Lust am Irrationalem und Mystischen charakterisiert. Fichte steht stellvertretend für eine Generation, die in jungen Jahren all ihre Erwartungen in die französische Revolution steckte, sich aber während der französischen Hegemonie zunehmend von ihr und dem Erbe der Aufklärung abwendet, um sich neuen Werten wie der Nation hinzugeben. Die Idee der Nation spendete Hoffnung und gab Halt in einer stürmischen Zeit. In seinem Frühwerk „Beitrag zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die französische Revolution“ versuchte Fichte noch mit seinem unbändigen Temperament die öffentliche Meinung für die Französische Revolution zurückzugewinnen. Nicht mehr die Werte der Revolution sind ihm in seinen „Reden an die deutsche Nation“ ein primäres Anliegen, sondern die romantische Idee einer Nation, die Bildung eines deutschen Gemeinschaftsgefühls beruhend auf Sittlichkeit und die Befreiung von der Fremdherrschaft. Die drückende Last der Fremdherrschaft begünstigte solche romantischen Ideen, dieser Meinung ist auch Nipperdey. „Das Imperium blieb Fremdherrschaft und Unterdrückung und provozierte den Widerstand der entstehenden Nationen...“[6]
2. Fichte zwischen Enttäuschung, Stolz und Tatendrang
In den „Reden zur deutschen Nation“ drückt Fichte seine Enttäuschung über den Niedergang Deutschlands aus. In seiner ersten Rede spricht er mehrmals vom Elend und Übel, das die gegenwärtige Zeit präge. Die französische Fremdherrschaft empfindet er als einen untragbaren Zustand. Er bedauert, dass die gegenwärtige Zeit ihre Selbständigkeit verloren habe und ihr durch äussere Gewalt fremde Zwecke aufgedrängt würden.[7] Fichte beteuert, dass er den Schmerz über den erlittenen Verlust kenne. Trotz dieser vernichtenden Meinung über den Zustand seiner Zeit, in der die Zeit des deutschen Volks aufgehört habe zu existieren, ist Fichte nicht völlig verzweifelt und resigniert. Er ist voller Hoffnung und spricht bereits von der Morgenröte einer neuen Welt. „Auch die Morgenröte der neuen Welt ist schon angebrochen, und vergoldet schon die Spitzen der Berge, und bildet vor den Tag, der da kommen soll.“[8] Der Zweck dieser Reden, wie er selbst sagt, ist Hoffnung auf eine bessere Zeit und Mut zum Aufbruch zu verbreiten, „sie sollen Freude verkündigen in die tiefe Trauer, über die Stunde der grössten Bedrängnis leicht und sanft hinüberzuleiten.“[9] Fichte zweifelt nicht am Geringsten daran, dass es einen Ausweg aus diesem Zustand gibt, und er glaubt auch zu wissen wie der „gesunkenen Nation“ geholfen werden kann.
[...]
[1] Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866, S.11
[2] Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866, S.12
[3] Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongress, S.79
[4] Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866, S.14
[5] Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866, S.17f.
[6] Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866, S.17
[7] Fichte, Reden an die Deutsche Nation, S.11f
[8] Richte, Reden an die Deutsche Nation, S.26
[9] Fichte, Reden an die Deutsche Nation, S.26
- Citation du texte
- Edgar Hegner (Auteur), 2003, Fichtes Reden an die Deutsche Nation - Anfänge des Nationalismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16397
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