„Die Novelle ist die strengste und geschlossenste Form der Prosadichtung, die Schwester des Dramas; und es kommt nur auf den Autor an, darin das Höchste der Poesie zu leisten“ (Martini, 437), sagte einst Theodor Storm (1817-1888) und hinterließ uns in dieser Überzeugung ein umfassendes novellistisches Werk, in inhaltlich und stilistisch vielfältigen Ausführungen. Heimatlich-bekannte Landschaftsbeschreibungen treffen mitunter auf idyllisch-lyrische Elemente und märchenhaft-sagenumwobene Bilder. Die hier zu untersuchende Novelle Auf der Universität (1862) gehört Storms mittlerer Schaffensperiode an und ist daher noch von seinem „jugendliche[n] Lyrismus“ (Martini, 437) geprägt (wie er etwa in Immensee (1852) zu finden ist), steht dabei aber auch schon ganz im Zeichen des „idyllisch-resignativen“ (Metzler, 595) Poetischen Realismus. Lenore Beauregard, die Tochter eines Schneiders, strebt nach sozialem Aufstieg, welcher ihr jedoch, aufgrund des unverrückbaren Ständebewusstseins der gehobenen Gesellschaft, verwehrt bleibt. Sie scheitert an der sie umgebenden Außenwelt, welche sie nicht zu beeinflussen vermag und entschließt sich letztendlich für den Freitod. Ähnlich ergeht es dem Erzähler Phillip. Er gehört der hohen Gesellschaft an, flüchtet sich indes gern in die Einsamkeit der Natur, doch selbst dort kann er sich von den Fäden seines Milieus nicht lösen. Beide Protagonisten wollen jeweils aus ihrem sozialen Umfeld ausbrechen und beide müssen erkennen, dass dieses Vorhaben langfristig gesehen nicht möglich ist. Aufgrund der Milieudarstellungen des Erzählers einerseits und der Beschreibungen ursprünglicher Naturbilder andererseits, entsteht ein dialektales Spiel von 'innergesellschaftlicher' und 'außergesellschaftlicher' Welt. Es stellt sich die Frage, welchem Ort sich der Mensch, der selbst ständig zwischen seinem Natur- und seinem Kulturwesen schwankt, zugehörig fühlt.
Natur- und Landschaftsbeschreibungen spielen in Storms Novellen eine oft vordergründige Rolle. Die Natur dient dabei nicht nur als Handlungsrahmen und Begegnungsort. In Auf der Universität ist die Darstellung der Landschaft eng verknüpft mit den inneren, seelischen Geschehnissen der Protagonisten. Der Begriff 'Natur' erhält durch seine Vieldeutigkeit und Bedeutungsoffenheit innerhalb der Novelle eine Schlüsselfunktion, welche anhand von Zitaten aus dem Werk und unter Berücksichtigung von Literatur, die sich explizit mit dem Roman beschäftigt, offen gelegt und untersucht werden soll.
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- Conny Dohse (Author), 2010, Die Natur als Gegenbild von gesellschaftlichen Konformismus und Sittenkodex in Theodor Storms Novelle "Auf der Universität", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/163836
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