Die Anzahl der Bevölkerung in Deutschland nimmt stetig ab. Besonders dramatisch wird sich der Bevölkerungsrückgang in den neuen Bundesländern auswirken, gerade in den ländlichen Regionen. Aber auch in den Städten zeichnet sich ein deutlicher Wandel der Bevölkerungsstruktur ab. Seit der Wendezeit gab es vor allem in den ostdeutschen Städten einen starken Trend zum Fortzug – einerseits in den wirtschaftlich besser gestellten Westen Deutschlands, andererseits in die umliegenden Gemeinden (Suburbanisierung). In beiden Fällen sind es vorwiegend jüngere, aktive, gut ausgebildete Menschen, die fortziehen. Hinzu kommt eine sehr niedrige Geburtenrate seit Ende des vergangenen Jahrtausends. Der daraus resultierende Bevölkerungsrückgang erfordert städtebaupolitische Reaktionen und eine andere Stadtplanung, als man sie noch Anfang der 1990er Jahre praktizierte.
In dieser Arbeit wird die Bevölkerungsentwicklung in den neuen Ländern exemplarisch an der mecklenburgischen Hansestadt Wismar vorgestellt. Des Weiteren werden die Auswirkungen des stattfindenden Rückgangs sowie die daraus resultierenden Reaktionen, insbesondere aus städtebaulicher Sicht, beleuchtet und zukünftige Perspektiven aufgezeigt.
Inhalt
1 Einleitung
2 Bevölkerungsentwicklung in den neuen Ländern
2.1 DDR
2.2 Bevölkerungsrückgang nach 1990
2.3 Hansestadt Wismar
2.3.1 Historie
2.3.2 Aktuelle Entwicklung
3 Auswirkungen des Bevölkerungsrückgangs auf den Städtebau und die Stadtentwicklung
3.1 Wohngebiete
3.1.1 Erwartung und tatsächliche Entwicklung
3.1.2 Städtebauförderprogramm „Stadtumbau Ost“
3.1.3 Auswirkungen auf die technische Infrastruktur
3.1.4 Auswirkungen auf die soziale Infrastruktur
3.2 Gewerbegebiete
3.3 Verkehr
3.3.1 Erschließung
3.3.2 Öffentlicher Personennahverkehr
3.4 Einzelhandel
4 Schlussbetrachtung
Literatur- und Quellenverzeichnis
1 Einleitung
Die Anzahl der Bevölkerung in Deutschland wird abnehmen. 2050 werden in Deutschland nur noch 69 Millionen Menschen leben, heute sind es 82 Millionen.1 Be- sonders dramatisch wird sich der Bevölkerungsrückgang in den neuen Bundeslän- dern auswirken und zur Entvölkerung insbesondere der ländlichen Regionen führen. Aber auch in den Städten zeichnet sich ein deutlicher Wandel der Bevölkerungsstruk- tur ab. Seit der Wendezeit gab es vor allem in den ostdeutschen Städten einen star- ken Trend zum Fortzug teils in den wirtschaftlich besser gestellten Westen Deutsch- lands, teils in die umliegenden Gemeinden (Suburbanisierung). In beiden Fällen sind es vorwiegend jüngere, aktive, gut ausgebildete Menschen, die fortziehen. Hinzu kommt eine sehr niedrige Geburtenrate seit Ende des vergangenen Jahrtausends. Der daraus resultierende Bevölkerungsrückgang erfordert städtebaupolitische Reak- tionen und eine andere Stadtplanung als man sie noch Anfang der 1990er Jahre praktizierte.
Noch Mitte 1993 ging man beispielsweise in den zuständigen Landesstellen Meck- lenburg-Vorpommerns von einer positiven Bevölkerungsentwicklung für die Hanse- stadt Wismar aus, derzufolge die Einwohnerzahl in den folgenden zehn bis fünfzehn Jahren auf 60.000 ansteigen sollte.2 Dementsprechend erfolgten die Planungen für eine Erweiterung und den Umbau der Stadt Anfang der 1990er Jahre. Aber es kam zu einer gegenteiligen Entwicklung. So hat die Hansestadt seit der Wendezeit fast 25 Prozent ihrer Einwohner verloren. Damit ist Wismar auf eine tragische Weise bei- spielhaft für die meisten Groß- und Mittelstädte in den neuen Bundesländern.
In dieser Arbeit stelle ich - exemplarisch an der mecklenburgischen Hansestadt Wis- mar - einführend die Bevölkerungsentwicklung in den neuen Ländern vor. Im Weite- ren werden die Auswirkungen des stattfindenden Rückgangs, sowie die daraus resul tierenden Reaktionen, insbesondere aus städtebaulicher Sicht, beleuchtet und zukünftige Perspektiven aufgezeigt.
Die von mir verwendeten statistischen Berechnungstabellen sind im Excel-Format unter http://www.uni-bonn.de/~fprante/staedtebaupolitik-bevoelkerungsrueckgang abrufbar.
2 Bevölkerungsentwicklung in den neuen Ländern
2.1 DDR
Bei der Bevölkerungsentwicklung sind insbesondere zwei Gesichtspunkte zu be- trachten: zum einen die Geburtenentwicklung und zum anderen Wanderungsbewe- gungen.
Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges gab es in beiden deutschen Staaten eine ähnliche, leicht steigende Geburtenentwicklung. Wie in Abbildung 1 dargestellt, hatten noch zu Beginn der 1960er Jahre sowohl die Bundesrepublik, als auch die DDR mit rund 2,5 Kindern pro Frau die höchste zusammengefasste Geburtenziffer der Nachkriegszeit verzeichnen können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Zusammengefasste Geburtenziffer 1960-1990 (Datenquelle: BpB: Geburten.)
Mit der Entwicklung der hormonellen Empfängnisverhütung Anfang der 1960er Jahre sank allerdings, wie in den meisten Industrienationen, die Geburtenzahl auch in den beiden deutschen Teilstaaten. In der DDR versuchte man besonders ab Mitte der 1970er Jahre durch sozialpolitische Maßnahmen, wie die Errichtung von Kinder- betreuungseinrichtungen, kürzere Arbeitszeiten für berufstätige Mütter sowie mate rielle Anreize, diesem negativen Trend entgegenzuwirken, was auch teilweise gelang. So verlief die Geburtenentwicklung etwas positiver als in Westdeutschland. Für eine Reproduktion der Bevölkerung war aber auch diese nicht ausreichend.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Bevölkerungsentwicklung in DDR und BRD (Datenquellen: StatBund: Bevölkerung und Fischer: DDR, S. 265.)
Wie Abbildung 2 zeigt, sank die Gesamtbevölkerung der DDR kontinuierlich, was neben der Geburtenentwicklung vor allem auf den durchweg negativen Wanderungssaldo zurückzuführen ist. Hier gab es - im Gegensatz zur Bundesrepublik - kaum Zuwanderungen aus benachbarten Ländern. Dafür allerdings eine starke Abwanderung, vor allem nach Westdeutschland.
2.2 Bevölkerungsrückgang nach 1990
Der Trend zum Rückgang der Bevölkerung setzt sich in den neuen Bundesländern auch nach der Wiedervereinigung fort. Allein in den 1990er Jahren sank die Einwohnerzahl in den neuen Ländern um 670.000, in den ersten sieben Jahren des 21. Jahrhunderts um weitere 564.000. Im gleichen Zeitraum stieg die Einwohnerzahl in den alten Bundesländern um 2,655 Millionen beziehungsweise um 341.000, seit 2004 nimmt sie allerdings auch hier ab.3
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Wanderungssalden in den Regionen Deutschlands (Quelle: Schlömer: Binnenwanderungen, S. 106.)
Grund hierfür sind zum einen die negativen Wanderungssalden, die - wie in Abbildung 3 dargestellt - die neuen Bundesländer im Bezug auf die alten Bundes- länder aufweisen. Insgesamt verlor Ostdeutschland allein im letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts cirka eine halbe Million Menschen an die alten Bundes- länder.4
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Wanderungen zwischen den neuen und den alten Bundesländern in Tausend, bezogen auf Ostdeutschland (Datenquelle: BBR: unveröffentlichte Tabelle.)
Besonders in den ersten Jahren nach der Wende verließen viele Menschen die neuen Länder (Siehe Abbildung 4). Mitte der 1990er Jahre glich sich der Wanderungssaldo zeitweise beinahe aus.
Dabei wandern vor allem junge, gut ausgebildete Menschen in die westlichen Bundesländer ab. Auch sind es mehr Frauen als Männer, die Ostdeutschland verlassen, und diese insbesondere im gebärfähigen Alter.5 Dies führt neben einem „Braindrain“ (und damit dem Entzug der Grundlage für eine positive wirtschaftliche Entwicklung) auch zu einer geringeren Zahl potentieller Geburten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Zusammengefasste Geburtenziffer (Datenquelle: StatBund: Kinderzahl.)
Neben der aufgezeigten numerischen Verringerung der Bevölkerung wirkt sich die gleichzeitige Verschiebung der Altersstruktur besonders negativ aus. Der Altenquo- tient (Anzahl der Personen über 65 Jahren) im Bundesgebiet liegt heute bei cirka einem Drittel. Bis zum Jahre 2050 ist eine Verdoppelung zu erwarten. Diese Veränderung der Altersstruktur wird sich in den neuen Bundesländern beson- ders bemerkbar machen. Der in Abbildung 5 dargestellte extreme Geburtenrückgang der frühen 1990er Jahre wird sich langfristig stark auswirken. Bereits heute zeigen sich Auswirkungen durch besonders geringe Bevölkerungszahlen in bestimmten Jahrgängen. Dazu gibt es neben der Abwanderung vorrangig junger Menschen einen überdurchschnittlich hohen Zuzug älterer Generationen. Während der Ost-West Wanderungssaldo der unter 30-Jährigen in den Jahren zwischen 1990 und 2007 755.000 beträgt, gab es bei den über 65-Jährigen sogar ein kleines Plus von 1.600 Menschen.6
2.3 Hansestadt Wismar
Die Hansestadt Wismar ist eine von sechs kreisfreien Städten in Mecklenburg- Vorpommern. Sie liegt an der südlichsten Ostseebucht, zentral zwischen den Hanse- städten Lübeck und Rostock, sowie der Landeshauptstadt Schwerin und ist umgeben vom Landkreis Nordwestmecklenburg. Verkehrstechnisch ist sie über die Ostseeau- tobahn A 20 an das Autobahnnetz angebunden, Eisenbahnstrecken führen in Rich- tung Rostock und über Schwerin nach Berlin. Der Seehafen Wismar war der zweit- größte Hafen der DDR.
Die größten Arbeitgeber sind der Schiffbau (Wadan-Werft) und holzverarbeitende Betriebe. Daneben gibt es unter anderem Unternehmen aus Medizin- und Solartechnik. Das Technologiezentrum und die traditionsreiche Hochschule bieten Innovation und Entwicklungspotential.
Einer der wesentlichsten Wirtschaftsfaktoren ist der Tourismus. Mit ihrer mittelalterlichen Altstadt ist die Stadt Wismar zusammen mit der Hansestadt Stralsund im Jahr 2002 in das UNESCO - Weltkulturerbe aufgenommen worden.
2.3.1 Historie
Ein erster deutlicher Bevölkerungszuwachs in Wismar ging mit der Aufrüstung in Vorbereitung des zweiten Weltkrieges einher. Neben der Errichtung einer Kaserne an der Lübschen Burg, wurden die Dornier-Nord Flugzeugwerke im Norden der Stadt und die Waggonfabrik am Rand der Altstadt ausgebaut. So entstanden in den 1930er Jahren neue Wohngebiete mit ein- bis zweigeschossigen Wohnhäusern. Zwischen 1940 und 1945 wurden bei Luftangriffen auf die Industrieanlagen auch Bereiche der mittelalterlichen Altstadt zerstört. Nach Ende des Krieges übergab man die zunächst britisch besetzte Stadt am 30. Juni 1945 an die sowjetischen Truppen. Insbesondere auch durch die Flüchtlingsströme aus dem Osten hatte die Stadt Wismar Ende des Jahres 1945 über 47.000 Einwohner.
[...]
1 Prognose unter Annahme eines Zuwanderungssaldos von 100.000 Menschen pro Jahr. (Quelle: Statistisches Bundesamt: Bevölkerungsvorausberechnung, http://www.destatis.de/jetspeed/portal/ cms/Sites/destatis/Internet/DE/Navigation/Statistiken/Bevoelkerung/VorausberechnungBevoelkerung/ VorausberechnungBevoelkerung.psml, zuletzt abgerufen am 14.03.2009.)
2 Vgl.: Schreiben des Dezernats für Regionalplanung des Amtes für Raumordnung und Landesplanung Mecklenburg-Vorpommern: Überschlägige Ermittlung des Bauflächenbedarfs an Wohnbauland für die Stadt Wismar, Schwerin, 26.08.1993, S. 3.
3 Eigene Berechnungen auf Grundlage von Statistisches Bundesamt: Bevölkerung nach Gebietsstand, http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/Zeitreihen/La ngeReihen/Bevoelkerung/Content75/lrbev03a, zuletzt abgerufen am 22.03.2009.
4 Eigene Berechnungen auf Grundlage von Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung: Abwanderung Ost, unveröffentlichte Tabelle.
5 Siehe: Nikolaus Werz: Abwanderung aus den neuen Bundesländern von 1989 bis 2000, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 39-40/2001, S.23-31, S. 25.
6 Eigene Berechnungen auf Grundlage von BBR: Abwanderung Ost.
- Arbeit zitieren
- Fabian Prante (Autor:in), 2009, Anforderungen an die Städtebaupolitik aufgrund des Bevölkerungsrückgangs in den neuen Ländern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/163689
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