Der Autor zeigt, dass hinter dem Weihnachtsrummel ein kosmisches Geheimnis schlummert, von dem der Mensch trotz aller Säkularisierung - oder gerade derentwegen - nach wie vor unendlich und unstillbar fasziniert ist, weil es von existenzieller Bedeutung für ihn ist. Der Sinn des rituellen Aufbruchs zu den Weihnachtsmärkten besteht darin, sich auf den Weg zu machen, um wieder bei sich selbst anzukommen. Erst muss der Mensch bei sich selbst ankommen, um für die große Ankunft (Advent) bereit zu sein.
Alljährlich pilgern tausende Schweizer aus den südlicher von uns gelegenen Schwyzer Kantonen nach Norden, entgegen der Zugvögel Flugrichtung, nach Stuttgart – zum Weihnachtsmarkt. Sie kommen in Heerscharen in aberdutzenden Bussen. Wenn ich Schweizer Deutsch vom Gehsteig vor meinen Fenstern höre, ist das ein untrüglicher Hinweis darauf, dass die Weihnachtszeit sich ankündigt, dass der Advent angebrochen ist; dass mit dieser ethnisch-religiösen Migration die große Ankunft nahe ist, ob meterhoch Schnee liegt oder ob die Sonne noch lacht oder beides zusammen, wie in diesem Jahr. Hört man nicht ihr etwas weniger kehlkopflautiges Deutsch als das deutsche Deutsch, so wird man ihrer Ankunft durch das besondere Grollen der mächtigen Motoren ihrer für die Bergwelt ausgerüsteten Busse gewahr. Doch in diesem Jahr ist die Freude etwas getrübt, denn das Damoklesschwert des Terrorismus hängt über deutschen Landen und der anti-westliche Fundamentalismus sucht sich, um seine gottlose Angst und Schrecken zu verbreiten, Ziele, die die westlich-christliche Zivilisation insbesondere repräsentieren. Daher mag so mancher Polizist in Zivil unter den Besuchern des Marktes sein. Hat man doch Beamte mit Maschinenpistolen im Anschlag im benachbarten Bahnhofsareal patrouillieren sehen. Die kleine Ankunft der Schweizer - und anderer Touristen aus dem Morgen- und dem Abendland bis ins ferne nordostasiatische Japan - aus all ihren Kantonen wird nur von der Hoffnung auf die alljährliche große Ankunft am 24. Dezember überstrahlt. Doch da ist eben noch jene Ungutes verheißende Ankunft, die einen Schatten auf das Licht dieser Zeit wirft, die befürchtete Ankunft des Terrorismus in unseren Breiten. Doch das vermag das alljährliche Ritual nicht über Gebühr zu beinträchtigen. Die Menschen leben ihren Rhythmus fort, was auch kommen mag. Wie bei der ersten großen Ankunft vor zweitausend Jahren hatten die Menschen ihre persönlichen Agenden und zollten dem Christkind zusammen mit seiner Mutter und seinem Pflegevater trotz ihres Ersuchens keine Aufmerksamkeit. Sie wiesen ihren eigenen Schöpfer ab. Und tun sie dies nicht bis heute? Die Bibel lehrt, dass die Ankunft der Sintflut gleichermaßen aus heiterem Himmel zuschlug und die Menschen mitten in ihrem geschäftigen Dasein überraschte und für sie, mit Ausnahme Noahs und Mensch und Vieh in der Arche, das Ende bedeutete. Die Bibel lehrt gleichermaßen, dass die erneute Ankunft Christi, ebenso unabsehbar eintritt - nur der Vater kennt den Zeitpunkt - und das Ende der Zeit und den Beginn des Ewigen besiegelt.
Advent im Sinne der Ankunft deutet auf Kommen und Gehen, auf Beginn und Ende auf Alpha und Omega hin. Und wie jeder Beginn ist sie mit Hoffnung verbunden, aber auch mit Furcht, denn außer der Ankunft des Erlösers zur Rettung von der Furcht vor einem ungewissen Ende sind alle zeitlichen Ankünfte zweischneidige Schwerter, man hofft und bangt bezüglich der Natur dessen, was ankommt. Allein Weihnachten und dessen alljährliche Erinnerung ist frei von dem Makel der Zweischneidigkeit. Es verkörpert Freiheit und Befreiung – Erlösung des Menschen pur, ohne Makel, ohne Tadel, ein Akt der Liebe, der an Ostern zum Sieg über das Ende aller Enden, den Tod und den Beginn der Beginne, des ewigen Lebens führt.
Kein Wunder, dass die Menschen auf Adventsmärkten, die in ihrem Lichterglanz den Abglanz der Makellosigkeit der Unbeflecktheit und Reinheit der Kindheit und die höchste Form von Freiheit – der Erlösung – verkörpern, diese kostbarsten Werte suchen. Alle Reinheit des Herzens der Kindheit und das Werk der Erlösung, die menschliches Sorgen und Bangen in der Zeitlichkeit beenden, konvergieren in der Ankunft dessen, der das fleischgewordene Wort ist und dem alle Macht über alle Welten vom Vater gegeben ist. Die Allmacht in der Armut einer Krippe im Stall in der Gestalt menschlicher Hilflosigkeit verschafft dem Menschen einen konkreten, nachvollziehbaren Zugang zum Geheimnis der Geheimnisse, zum Schöpfer selbst und der Schöpferkraft, die dem Menschen sonst unnahbar und unerreichbar verhüllt blieben. Einfachheit und geistige Armut - selig die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich - sind die Pforten zur Erkenntnis der höchsten Wahrheit, der Gotteserkenntnis. Das Absolute scheut menschlichen Pomp und Gepränge. So war es bei der ersten Ankunft und so war es bei der Ankunft in Jerusalem. Die Allmacht kleidet sich in Armut und Ohnmacht. So besiegt sie beispielhaft menschlichen Hochmut und Habgier und weist den Weg und verleiht den Schlüssel zur Gotterkenntnis. Alle wahren Gottsucher werden daher auch den Weg der Armut, Enthaltsamkeit und des Gehorsams – der Armut im Geiste – suchen, um die Allmacht zu erkennen. Die Ohnmacht und die Allmacht sind offenbar interdependent. Akzeptiert man die erstere, so kann man auch der letzteren teilhaftig werden. Zu groß ist die Größe der Allmacht, als dass sie von einem vollen Gefäß empfangen und umfasst werden könnte.
Der Kommerz steht dem kosmischen Geheimnis daher im Weg. Das Chris-Biz (Christmas Business), das Weihnachtsgeschäft, füllt das Gefäß des Menschen so sehr, dass es keine Krippe verkörpern kann, in der die Größe der Allmacht Platz hätte. Damit der Allmächtige geboren werde, muss das Gefäß makellos sein, empfänglich für das Geheimnis, das den Klugen und Weisen verborgen bleibt.
Es ist daher klug, sich gleich den Weisen aus dem Morgenland oder auch den Schweizern auf den Weg zu machen, alles hinter sich zu lassen und zum alleinigen Gefäß für die Ankunft der Größe Gottes zu werden. Es ist eine innere Reise der Befreiung, an deren Ende, bzw. Ankunft, gleichermaßen die Ankunft des Christkindes im Herzen ermöglicht wird. Die Geist, Körper und Seele reinigende und läuternde Reise führt in beiden Gestalten zur Ankunft, zur physischen am symbolischen rituellen Ort des Weihnachtsmarktes, die gleichzeitig die Vorbereitung der Ankunft des Christkinds im Herzen des ankommenden Reisenden ermöglicht. Die physische und geistige Reise sind die beiden Aspekte der Geburt – der Ankunft, des Advents im eigenen Leben.
Der kommerzielle Aspekt, die Überlagerung des kosmischen Geheimnisses durch die kommerziellen Umtriebe des Menschen sind schlicht Bestandteil jener weisgesagten Tatsache, dass die Menschen trinken, feiern, heiraten und ihren persönlichen Agenden nachgehen, wenn die großen kosmischen Ankünfte sich vollziehen. So war es zu Noahs Zeiten, so war es in Bethlehem und so ist es heute und ebenso ist es für die Wiederkunft, die finale Ankunft, prophezeit.
Die Überlagerung des kosmischen Geheimnisses durch den Kommerz, die Geschäfte des Menschen, erfordern eine alljährliche Bereitmachung und Vorbereitung des Tempels des Menschen, damit der Erlöser Einzug halten und uns von den Geschäftigkeiten und der Mühsal des menschlichen Lebens erlösen kann, damit wir durch seine Geburt selbst eine Widergeburt erfahren können.
Der Vollzug des kosmischen Geheimnisses erfordert eine Bereitmachung des Menschen, eine innere Vorbereitung, das Polieren des menschlichen Geistes, sodass die Wahrheit reflektiert werden kann. Es ist erforderlich ihm entgegenzugehen.
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- Citation du texte
- D.E.A./UNIV. PARIS I Gebhard Deissler (Auteur), 2010, Weihnachtskultur - Adventsrummel und göttliches Geheimnis, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/163032
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