[...] Im Unterschied zur exklusiven und direkten Demokratie der
griechischen Antike handelt es sich im Falle der Demokratien der
westlichen Industrienationen seit Beginn des zwanzigsten
Jahrhunderts um inklusive Demokratien mit liberaldemokratischem
Repräsentativsystem (vgl. Merkel 1999, 29-30). Erst im Verlauf
dieses vergangenen Jahrhunderts jedoch haben Frauen das
Wahlrecht erhalten. (In Griechenland wurde es 1953 wirksam.) Und
nach wie vor sorgen verschiedene Vorstellungen, was die
BürgerInnenrechte von AusländerInnen anbelangt, für Kontroversen.
Auch Absprachen und Führungspersönlichkeiten, die demokratische
Prozesse unterlaufen, spielen noch immer eine Rolle. Was also die historischen Daten zum antiken Griechenland
und ihre Interpretation im Vergleich zu den Demokratien unserer Zeit
deutlich machen, ist, daß Demokratie ein zu definierendes Ideal
beschreibt, dessen reale Umsetzung immer davon abweicht und
historisch einzuordnen ist. Es hängt dabei bis zu einem gewissen
Grad von subjektiver Schwerpunktsetzung ab, ob ein reales politisches System als demokratisch angesehen wird oder nicht, bzw.
ob eine Demokratie als konsolidiert betrachtet wird oder nicht.
Zur Untersuchung des Demokratisierungsprozesses in
Griechenland ab 1974 soll, nach einigen Definitionen und einer
kurzen Einordnung Griechenlands in die verschiedenen
Demokratisierungsprozesse in Südeuropa, im folgenden zunächst
die Regierungszeit der Militärjunta von 1967 bis 1974 näher
betrachtet werden, um anschließend der Frage nachgehen zu
können, wie es 1974 zu dem außergewöhnlich schnellen
Regimeübergang kam. Inwieweit man davon sprechen kann, daß
sich die Demokratie in Griechenland dann bis zum
Regierungswechsel 1981 konsolidiert hat, wird danach darzustellen
sein. Im Rahmen dieser Arbeit kann nicht auf alle Faktoren der
transition eingegangen werden. Ebenso wenig wird es möglich sein,
alle Teilregime auf den Grad ihrer Konsolidierung hin zu
untersuchen. Abgesehen davon kommt den einzelnen Faktoren und
Teilregimen sowieso eine unterschiedliche Bedeutung zu. Davon
ausgehend, daß die politischen Parteien sowohl in der Phase der
transition als auch im Konsolidierungsprozeß die wichtigsten
politischen Akteure waren (vgl. Puhle 1997, 145), wird das
Parteiensystem deshalb im Vordergrund meiner Ausführungen
stehen.
INHALT
1. Einleitung
2. Definitionen
3. Der Demokratisierungsprozess in Griechenland
3.1. Die Regierungszeit der Militärjunta: 1967-
3.2. Die Phase der transition: das zweite Halbjahr
3.3. Die Konsolidierung der Demokratie bis
4. Schluss
5. Literatur
1. Einleitung
Griechenland ist das Ursprungsland der Demokratie. Wenngleich Frauen, Metöken (länger in Athen lebende Ausländer) und Sklaven in der ab der Mitte des fünften Jahrhunderts vor Christus in Athen entstehenden Demokratie keine politischen Rechte hatten, wenngleich nur maximal zwanzig Prozent der Gesamtbevölkerung an der Volksversammlung teilhatten und demokratische Entscheidungs-prozesse von Absprachen und Führungspersönlichkeiten manipuliert wurden, kommen HistorikerInnen zu dem Schluß, daß “der Grad der Partizipation, wie er in Athen innerhalb der gegebenen Gesellschaftsstruktur (und trotz der großen räumlichen Entfernungen in Attika) erreicht war und Jahrhunderte lang erfolgreich angedauert hat, in der bisherigen Menschheitsgeschichte nie wieder verwirklicht worden ist” (Schuller 1991, 38).
Im Unterschied zur exklusiven und direkten Demokratie der griechischen Antike handelt es sich im Falle der Demokratien der westlichen Industrienationen seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts um inklusive Demokratien mit liberaldemokratischem Repräsentativsystem (vgl. Merkel 1999, 29-30). Erst im Verlauf dieses vergangenen Jahrhunderts jedoch haben Frauen das Wahlrecht erhalten. (In Griechenland wurde es 1953 wirksam.) Und nach wie vor sorgen verschiedene Vorstellungen, was die BürgerInnenrechte von AusländerInnen anbelangt, für Kontroversen. Auch Absprachen und Führungspersönlichkeiten, die demokratische Prozesse unterlaufen, spielen noch immer eine Rolle.
Was also die historischen Daten zum antiken Griechenland und ihre Interpretation im Vergleich zu den Demokratien unserer Zeit deutlich machen, ist, daß Demokratie ein zu definierendes Ideal beschreibt, dessen reale Umsetzung immer davon abweicht und historisch einzuordnen ist. Es hängt dabei bis zu einem gewissen Grad von subjektiver Schwerpunktsetzung ab, ob ein reales politisches System als demokratisch angesehen wird oder nicht, bzw. ob eine Demokratie als konsolidiert betrachtet wird oder nicht.
Zur Untersuchung des Demokratisierungsprozesses in Griechenland ab 1974 soll, nach einigen Definitionen und einer kurzen Einordnung Griechenlands in die verschiedenen Demokratisierungsprozesse in Südeuropa, im folgenden zunächst die Regierungszeit der Militärjunta von 1967 bis 1974 näher betrachtet werden, um anschließend der Frage nachgehen zu können, wie es 1974 zu dem außergewöhnlich schnellen Regimeübergang kam. Inwieweit man davon sprechen kann, daß sich die Demokratie in Griechenland dann bis zum Regierungswechsel 1981 konsolidiert hat, wird danach darzustellen sein. Im Rahmen dieser Arbeit kann nicht auf alle Faktoren der transition eingegangen werden. Ebenso wenig wird es möglich sein, alle Teilregime auf den Grad ihrer Konsolidierung hin zu untersuchen. Abgesehen davon kommt den einzelnen Faktoren und Teilregimen sowieso eine unterschiedliche Bedeutung zu. Davon ausgehend, daß die politischen Parteien sowohl in der Phase der transition als auch im Konsolidierungsprozeß die wichtigsten politischen Akteure waren (vgl. Puhle 1997, 145), wird das Parteiensystem deshalb im Vordergrund meiner Ausführungen stehen.
2. Definitionen
Bevor nun der Demokratisierungsprozeß in Griechenland näher betrachtet werden kann, ist es notwendig, einige Definitionen vorauszuschicken. Demokratie soll in Anlehnung an die von Robert Dahl formulierten Minimalanforderungen im wesentlichen folgende Kriterien umfassen: “gleiches Bürgerrecht mit hoher Einschlußrate, Anerkennung der klassischen Menschen- und Bürgerrechte einschließlich Assoziationsfreiheit und Garantien für freie Information, regelmäßige, wirksame, freie und kompetitive Wahlen und ausschließliche Ausübung politischer Macht durch gewählte und entsprechend verantwortliche und kontrollierbare Funktionsträger. Hinzuzufügen wäre das Kriterium der Rechtsstaatlichkeit” (Merkel/Puhle 1999, 105).
Unter transition wird der in der Regel relativ kurze politisch-institutionelle Übergang von einem autoritären Regime zur Demokratie verstanden (vgl. ebd.). Mit Konsolidierung der Demokratie ist “ein eigenständiger Prozeß (gemeint), dessen Anfänge schon mit den ersten demokratischen Wahlen beginnen und sich durchweg mit der zweiten Hälfte des Regimeübergangs überlagern” (ebd., 135). Darüber, wann die Konsolidierung der Demokratie abgeschlossen ist, gibt es unterschiedliche Ansichten. Merkel und Puhle schlagen folgende Definition von demokratischer Konsolidierung vor: “Ein demokratisches System soll dann als hinreichend konsolidiert gelten, wenn alle politisch signifikanten Gruppen die zentralen politischen Institutionen des Regimes als legitim ansehen und die Spielregeln der Demokratie befolgen, die Demokratie also sozusagen ‘the only game in town’ (Przeworski) ist.” (ebd. 135-136).
3. Der Demokratisierungsprozeß in Griechenland
Die Regimeübergänge in den südeuropäischen Ländern, in Italien ab 1943 und in Griechenland, Portugal und Spanien nach 1974, geschahen alle in relativ kurzer Zeit, wobei Griechenland mit weniger als fünf Monaten die kürzeste transition verzeichnet. Alle genannten Länder weisen eine Reihe von gemeinsamen Besonderheiten auf, die den Übergang zur Demokratie erleichterten. Dazu gehört “eine längere Geschichte gesellschaftlicher Differenzierung und eines aufgefächerten, tendenziell pluralistischen Institutionenbaus, oft parlamentarischer oder demokratischer Art” (Puhle 1996, 176). Außerdem fanden die transitions alle in einem demokratiefreundlichen internationalen Klima statt.
In allen südeuropäischen Ländern gingen der Demokratie “lediglich” autoritäre Regime voraus und nicht totalitäre, wie zum größten Teil in Osteuropa. Außerdem war keines dieser Regime von der militärischen Hierarchie dominiert gewesen und, mit Ausnahme von Spanien, gab es vergleichsweise wenige territoriale Konfliktlinien. Als konsolidierungsförderlich wird auch angesehen, daß in keinem der südeuropäischen Länder ein reines präsidentielles System eingerichtet wurde.
Wenn die einzelnen transitions auch sehr unterschiedlich verlaufen sind, so haben die genannten Faktoren doch in allen Fällen dazu beigetragen, daß die Demokratien schnell, d.h. durchweg nach sieben oder acht Jahren, als hinreichend konsolidiert betrachtet werden können (vgl. ebd., 176-177). Die Besonderheiten der transition zu und Konsolidierung von Demokratie in Griechenland sollen nun im folgenden beleuchtet werden.
3.1. Die Regierungszeit der Militärjunta: 1967-1974
Das Parteiensystem der Nachkriegszeit war gegenzeichnet gewesen von Klientelismus, Antikommunismus und einem alles durchdringenden Staat. In den sechziger Jahren kam es zu einem Prozeß sozialer und politischer Mobilisierung in der Gesellschaft. Die Centre Union, insbesondere ihr linker Flügel unter Führung von Andreas Papandreou, war die Repräsentantin dieser neu mobilisierten und radikalisierten Kräfte. Sie entwickelte sich zur einzigen politischen Partei, die für Demokratie und soziale und politische Reformen einstand.
Nachdem die parlamentarische Rechte unter Constantine Karamanlis von 1952 bis 1963 ununterbrochen regiert hatte und auch danach noch eine zentrale Rolle in der griechischen Politik spielte, bestand nun die Aussicht, daß die vom linken Flügel unter Papandreou dominierte Centre Union die für Mai 1967 angesetzten Wahlen gewinnen würde. Dieser Wahlsieg wurde jedoch durch den Militärputsch vom April 1967 verhindert. “The 1946-67 system had failed to pass the crucial test of any democracy: it could not survive changes of power” (Lyrintzis 1984, 103).
Die griechische Militärjunta hatte von Anfang an eine sehr dünne Basis, da die konservative Koalition des anti-kommunistischen Blocks nach dem Putsch zerbrach. Dieser Block hatte aus Militär, Königshof und der parlamentarischen Rechten bestanden und war die Grundlage der Dominanz der giechischen Rechten in der Nachkriegszeit gewesen. Mit dem Putsch versuchte das Militär einerseits, politische und soziale Veränderungen zu verhindern, für die Papandreou stand, andererseits beabsichtigte es aber auch, seine Vormachtstellung gegenüber den vormaligen Partnern zu behaupten, von denen es sich nun distanzierte. Da der Putsch nur vom nicht-hierarchischen Teil des Militärs durchgeführt wurde und ohne aktive Unterstützung von Marine und Luftwaffe stattfand, repräsentierte die Junta nur einen Teil des Militärs. Die Opposition des Königshofes wurde im gescheiterten Gegenputsch im Dezember 1967 deutlich, in dessen Folge die Spaltung des Militärs noch verschärft wurde. Die Mehrheit der royalistisch gesinnten Marine und ein Großteil der Luftwaffe standen damit den Armee-Offizieren der Junta entgegen. Auch die parlamentarische Rechte versagte der Militärregierung ihre Unterstützung. (vgl. Diamandouros 1991, 145 und Linz/Stepan 1996, 130)
Darüber hinaus fand der griechische Militärputsch in einem internationalen Klima großer Skepsis gegenüber autoritären Regimen statt. In Europa, neben den USA die Region mit dem größten politischen, ökonomischen und kulturellen Einfluß auf Griechenland, hatten autoritäre Regierungsstrukturen seit dem Faschismus keinen guten Ruf mehr und die Demokratie hatte eine weitreichende Akzeptanz gefunden. (vgl. Diamandouros 1991, 146)
Der Versuch der Obristen, ihre Macht politisch durch eine Ideologie des übersteigerten Nationalismus und Anti-Kommunismus sowie den Aufbau von Massenorganisationen nach faschistischen Vorbildern zu legitimieren, scheiterte. 1973 sahen sie sich schließlich veranlaßt, ihrer Herrschaft mit einer Verfassungsreform eine formale Legitimationsgrundlage zu verschaffen. Mit der Verfassungsreform vom Juli 1973 sollte eine “präsidiale parlamentarische Demokratie” eingeführt werden. Dem Präsidenten der Republik wurde dabei aber eine solche Machtfülle eingeräumt, daß keine wirkliche Demokratisierung hätte stattfinden können. (vgl. Kohler 1981, 138-140)
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- Ramona Lenz (Autor), 2000, Von der Diktatur zur Demokratie: Griechenland (1967-1981), Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16274
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