Mit dieser Arbeit soll ein kompakter Überblick geschaffen werden, welche
Möglichkeiten, aber auch Risiken, ein Insolvenzverfahren für landwirtschaftliche
Unternehmen bietet. Dazu wird die komplexe Problematik eines Insolvenzverfahrens
zunächst allgemein vorgestellt. Anschließend soll die Bedeutung von Insolvenzfällen in
der Landwirtschaft verdeutlicht werden. Die Verteilung nach einzelnen Bundesländern soll
Aufschluss darüber geben, ob die weitläufige Meinung, dass Insolvenzen in der Landwirtschaft
hauptsächlich in den großen Betrieben der Neuen Bundesländern vorkommen,
gerechtfertigt ist. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Rechtsformen werden
spezifische, die Landwirtschaft betreffende, Faktoren genannt und erläutert. Insolvenz ist
bei sorgfältiger Planung im Vorfeld und bei laufender Kontrolle von Plan-Daten mit Ist-
Daten meistens vermeidbar, abgesehen von äußeren Einflüssen. Neben Ursachen einer
Liquiditätsgefährdung oder von Insolvenzen werden auch Indikatoren aufgezeigt, die auf
eine drohende Insolvenz hindeuten. Abschließend werden verschiedene Sanierungsmöglichkeiten
vor und in der Insolvenz erläutert.
Die Ausführungen werden bewusst nicht in ihrer möglichen Breite und Tiefe behandelt,
um einen kompakten Überblick zu ermöglichen. Im Kapitel 2 wird zunächst die Insolvenzordnung erläutert. Es werden die formalen
Dinge eines Insolvenzverfahrens, wie z.B. die Eröffnungsvoraussetzungen oder die
Beteiligten sowie der Verlauf und die Wirkung eines solchen Verfahrens angesprochen.
Gegenstand von Kapitel 3 sind Erläuterungen zur Insolvenzsituation im Agrarbereich.
Dabei werden die vorhandenen Insolvenzfälle einzelnen Bereichen, aber auch den
Bundesländern zugeordnet. Außerdem werden spezifische Probleme einer Insolvenz in
landwirtschaftlichen Unternehmen angesprochen, wie z.B. Pachtverträge oder staatliche
Förderung im Insolvenzverfahren.
Das Kapitel 4 beschäftigt sich mit den Ursachen von Insolvenzen. Dazu ist es
erforderlich, die einzelnen Stufen einer Krise näher zu betrachten, an deren Ende die
Insolvenz eines Unternehmens stehen kann. Vertiefend wird die Liquidität betrachtet, die
unmittelbar Einfluss auf die Zahlungs(un)fähigkeit eines Betriebes hat. Des weiteren
werden Indikatoren für Schuldner und Gläubiger genannt, die auf Schwierigkeiten
hindeuten und die bei Nichtbeachtung zu einer Insolvenz führen können.
[...]
Gliederung
Verzeichnis der Übersichten
Verzeichnis der Tabellen
Verzeichnis der Abkürzungen
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Aufbau der Arbeit
2. Die Insolvenz
2.1 Das Insolvenzverfahren
2.1.1 Begriff und Zweck
2.1.2 Voraussetzung zur Eröffnung des Verfahrens
2.1.3 Maßnahmen des Insolvenzgerichtes bis zur Eröffnung
2.1.4 Entscheidung des Gerichts
2.2 Die Insolvenzmasse
2.3 Die Beteiligten im Insolvenzverfahren
2.3.1 Das Insolvenzgericht
2.3.2 Der Schuldner
2.3.3 Die Gläubiger
2.3.4 Der Insolvenzverwalter
2.4 Wirkungen der Insolvenzeröffnung
2.4.1 Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners
2.4.2 Leistungen an den Schuldner
2.4.3 Erfüllung schwebender Verträge
2.5 Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse
2.5.1 Verwaltung
2.5.2 Verwertung
2.5.3 Verteilung
2.6 Beendigung des Verfahrens
2.7 Der Insolvenzplan
2.7.1 Aufbau eines Insolvenzplanes
2.7.2 Das Insolvenzplanverfahren
2.8 Die Restschuldbefreiung
2.9 Die Eigenverwaltung
2.10 Das Verbraucherinsolvenzverfahren
3. Situation im Agrarbereich
3.1 Einordnung der Landwirtschaft
3.2 Besonderheiten für landwirtschaftliche Betriebe
3.2.1 Haftung nach der Rechtsform
3.2.2 Pachtvertrag
3.2.3 Staatliche Förderung
3.2.4 Milchreferenzmengen und Zuckerrüben-Lieferrechte
3.2.5 Altschulden
4. Von der Krise zur Insolvenz
4.1 Die Krise
4.2 Liquidität als Unternehmensziel
4.3 Kennzahlen der Liquidität
4.4 Gefährdungspotential landwirtschaftlicher Unternehmen
4.5 Ursachen einer Liquiditätsgefährdung
4.5.1 Externe Ursachen
4.5.2 Interne Ursachen
4.6 Anzeichen einer drohenden Krise
4.6.1 Indikatoren aus Schuldnersicht
4.6.2 Indikatoren aus Gläubigersicht
5. Sanierungsmöglichkeiten für landwirtschaftliche Unternehmen
5.1 Möglichkeiten in der Krise und vor der Insolvenz
5.2 Möglichkeiten in der Insolvenz
5.2.1 Sanierung
5.2.2 Übertragende Sanierung
5.2.3 Liquidation
6. Landwirtschaftliche Betriebe in Schwierigkeiten - Beispiele
6.1 Außergerichtliche Einigung
6.2 Das Insolvenzverfahren
7. Fazit
8. Zusammenfassung
Anhang
Quellenangaben
Verzeichnis der Übersichten
Übersicht 2.1: Eröffnungsgründe im Insolvenzverfahren
Übersicht 2.2: Bestandteile der Insolvenzmasse
Übersicht 2.3: Gläubigergruppen und ihre Befriedigungschancen
Übersicht 2.4: Amtswalter im Insolvenzverfahren
Übersicht 2.5: Inhalte des Insolvenzplanes
Übersicht 2.6: Besonderheiten des Insolvenzverfahrens mit Eigenverwaltung
Übersicht 2.7: Unterschiede zwischen Regelinsolvenz und Verbraucherinsolvenz
Übersicht 2.8: Vergleich der Verfahren
Übersicht 4.1: Der Weg in die Insolvenz
Übersicht 4.2: Unterschied zwischen Zeitpunkt- und Zeitraumliquidität
Übersicht 4.3: Gefährdungsstufen in Bayern
Übersicht 4.4: Gefährdungsstufen in Sachsen
Übersicht 6.1: Betriebsspiegel Futterbaubetriebe
Übersicht 6.2: Absicherung der Verbindlichkeiten
Übersicht 6.3: Liquiditätskennzahlen der Beispielbetriebe
Verzeichnis der Tabellen
Tabelle 3.1: Insolvenzen im Agrarbereich in Deutschland
Tabelle 3.2: Entscheidung nach dem Insolvenzantrag im Agrarbereich
Tabelle 3.3: Insolvenzen im Agrarbereich nach Bundesländern
Tabelle 3.4: Geltend gemachte Forderungen der Insolvenzverfahren im Agrarbereich
Tabelle 4.1: Liquiditätsstufen identischer bayerischer Haupterwerbsbetriebe im drei- jährigen Durchschnitt der Wirtschaftsjahre 1998/99 - 2000/01
Tabelle 4.2: Liquiditätsstufen identischer sächsischer Haupterwerbsbetriebe im Durch- schnitt der Wirtschaftsjahre 1997/98 - 1999/00
Verzeichnis der Abkürzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Herlitz, Kirch, Holzmann und Fairchild Dornier haben zusammen mit ca. 37.7001 anderen Unternehmen in Deutschland etwas gemeinsam - sie haben 2002 Insolvenz angemeldet. Auf den ersten Blick eine hohe Anzahl von Unternehmen. Gründe für Schlagzeilen wie „Zahl der Insolvenzen auf Rekordniveau“2 sind aber nicht nur in der wirtschaftlichen Lage in Deutschland und in der Welt zu suchen. Mit der Einführung der neuen Insolvenzordnung haben sich für finanzgefährdete Unternehmen neue Möglichkeiten ergeben, unter dem Schutz des Staates die Krise im Unternehmen zu bewältigen. So kann neben einer Liquidation bzw. Zerschlagung auch eine Sanierung der Firma erfolgreich verlaufen, z.B. im Fall des Schreibwarenherstellers Herlitz.
1.1 Problemstellung
Die Insolvenzordnung vom 05.10.1994 (BGBl. 1994, S. 2866, zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.10.2001, BGBl. 2001, S. 2710) ist am 01.01.1999 in Kraft getreten. Sie hat die bis dahin geltende Konkursordnung sowie die Vergleichsordnung in den alten Bundesländern und die Gesamtvollstreckungsordnung in den neuen Bundesländern abgelöst.3
Die Ziele des Insolvenzverfahrens sind gemäß §1 InsO4 „... die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dem redlichen Schuldner wird die Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.“ Damit wird die Sanierung eines Unternehmens der Zerschlagung bzw. der Liquidation gleichgestellt.
Die neue Insolvenzordnung hat auch für landwirtschaftliche Unternehmen eine zunehmende Bedeutung. Zahlen zur Liquiditätslage landwirtschaftlicher Unternehmen zeigen, dass z.B. in Sachsen und Bayern bis zu 50% der Betriebe in ihrer Liquidität gefährdet sind, bis zu 25% davon sogar existenzgefährdet5. Für diese Betriebe bietet die Insolvenzordnung neben der Liquidation auch ein Fortbestehen durch Sanierung oder mit dem Verbraucherinsolvenzverfahren eine Restschuldbefreiung für Kleinunternehmer an. Ein weiterer Aspekt für eine mögliche Insolvenz in den neuen Bundesländern sind die Vermögensauseinandersetzungen nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz.
1.2 Zielsetzung
Mit dieser Arbeit soll ein kompakter Überblick geschaffen werden, welche Möglichkeiten, aber auch Risiken, ein Insolvenzverfahren für landwirtschaftliche Unternehmen bietet. Dazu wird die komplexe Problematik eines Insolvenzverfahrens zunächst allgemein vorgestellt. Anschließend soll die Bedeutung von Insolvenzfällen in der Landwirtschaft verdeutlicht werden. Die Verteilung nach einzelnen Bundesländern soll Aufschluss darüber geben, ob die weitläufige Meinung, dass Insolvenzen in der Land- wirtschaft hauptsächlich in den großen Betrieben der Neuen Bundesländern vorkommen, gerechtfertigt ist. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Rechtsformen werden spezifische, die Landwirtschaft betreffende, Faktoren genannt und erläutert. Insolvenz ist bei sorgfältiger Planung im Vorfeld und bei laufender Kontrolle von Plan-Daten mit Ist- Daten meistens vermeidbar, abgesehen von äußeren Einflüssen. Neben Ursachen einer Liquiditätsgefährdung oder von Insolvenzen werden auch Indikatoren aufgezeigt, die auf eine drohende Insolvenz hindeuten. Abschließend werden verschiedene Sanierungs- möglichkeiten vor und in der Insolvenz erläutert.
Die Ausführungen werden bewusst nicht in ihrer möglichen Breite und Tiefe behandelt, um einen kompakten Überblick zu ermöglichen.
1.3 Aufbau der Arbeit
Im Kapitel 2 wird zunächst die Insolvenzordnung erläutert. Es werden die formalen Dinge eines Insolvenzverfahrens, wie z.B. die Eröffnungsvoraussetzungen oder die Beteiligten sowie der Verlauf und die Wirkung eines solchen Verfahrens angesprochen.
Gegenstand von Kapitel 3 sind Erläuterungen zur Insolvenzsituation im Agrarbereich. Dabei werden die vorhandenen Insolvenzfälle einzelnen Bereichen, aber auch den Bundesländern zugeordnet. Außerdem werden spezifische Probleme einer Insolvenz in landwirtschaftlichen Unternehmen angesprochen, wie z.B. Pachtverträge oder staatliche Förderung im Insolvenzverfahren.
Das Kapitel 4 beschäftigt sich mit den Ursachen von Insolvenzen. Dazu ist es erforderlich, die einzelnen Stufen einer Krise näher zu betrachten, an deren Ende die Insolvenz eines Unternehmens stehen kann. Vertiefend wird die Liquidität betrachtet, die unmittelbar Einfluss auf die Zahlungs(un)fähigkeit eines Betriebes hat. Des weiteren werden Indikatoren für Schuldner und Gläubiger genannt, die auf Schwierigkeiten hindeuten und die bei Nichtbeachtung zu einer Insolvenz führen können.
Mit Kapitel 5 werden verschiedene Sanierungsmöglichkeiten sowohl in der Krise und vor der Insolvenz, als auch in der Insolvenz selber, näher dargestellt. Zur Abrundung der Arbeit werden zwei landwirtschaftliche Beispielbetriebe dargestellt, die sich in einer Liquiditätskrise befinden und anhand derer die Möglichkeiten einer außergerichtlichen Lösung und die eines Insolvenzverfahrens erläutert werden. Nach einem Fazit wird die Arbeit noch einmal kurz zusammenfassend dargestellt.
2. Die Insolvenz
Unternehmen sind darauf bedacht, ihre Produkte - verkaufsfertige Endprodukte, Zwischenprodukte oder Dienstleistungen - so am Markt zu platzieren und zu verkaufen, dass sie damit Gewinne erzielen. Durch verschiedene Ursachen, wie z.B. Miss- management, unternehmerische Fehlentscheidungen, eine zu geringe Kapitaldecke oder äußere Einflüsse6 können sich aber wirtschaftliche Schwierigkeiten einstellen, die nicht nur keine Gewinne mehr ermöglichen, sondern im schlimmsten Fall zur Zahlungs- unfähigkeit des Unternehmens führen. Ausstehende Forderungen, offene Kredite oder Löhne der Mitarbeiter können nicht mehr bezahlt werden. Das Unternehmen ist insolvent.
Um den Schaden der Gläubiger7 so weit wie möglich zu begrenzen und zugleich einen „Wettlauf der Gläubiger“8 zu verhindern, wird die weitere Vorgehensweise in einem Verfahren geregelt - dem Insolvenzverfahren.
2.1 Das Insolvenzverfahren
2.1.1 Begriff und Zweck
In §1 InsO wird als Ziel des Insolvenzverfahrens die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger eines Schuldners genannt. Damit unterscheidet sich dieses Verfahren als Gesamtvollstreckung von der Einzelzwangsvollstreckung. Bei Letzterem versucht jeder Gläubiger unabhängig von anderen Gläubigern, sich aus den vorhandenen Vermögens- gegenständen zu befriedigen. Dies erfolgt nach dem Prioritätsprinzip, d.h. in der Reihenfolge des Zugriffs. Ist das vorhandene Vermögen allerdings nicht ausreichend für die Befriedigung aller Gläubiger, so werden die schnellsten von ihnen bevorzugt, indem sie voll befriedigt werden, während die nachkommenden im schlechtesten Fall leer ausgehen. Der Zugriff der einzelnen Gläubiger wird mit einer Gesamtvollstreckung ausgeschlossen. Damit wird das Insolvenzverfahren als Gesamtvollstreckung der gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger als Ziel des Verfahrens gerecht.9
Das bedeutet aber gleichzeitig, dass das vorhandene Vermögen des Schuldners nicht zur Befriedigung aller Gläubiger genügt. Gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger heißt neben gemeinsamer auch immer eine anteilige Befriedigung. Die Forderungen werden nicht voll, sondern nur zu einem bestimmten Prozentsatz erfüllt. Das wiederum ist abhängig von der Höhe des verfügbaren und verwertbaren Vermögens. Hierbei wird immer vom Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger ausgegangen - die Quote aller Insolvenzgläubiger soll gleich hoch sein.
Das Insolvenzverfahren ist kein Verfahren, in dem ein Unwerturteil über einen Schuldner gefällt wird. Vielmehr ist es ein rein vermögensorientiertes Verfahren zur Durchsetzung der materiell-rechtlichen Haftungsordnung.
2.1.2 Voraussetzung zur Eröffnung des Verfahrens
Zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gibt es zwei Arten von Voraussetzungen - die formellen und die materiellen Voraussetzungen.10
- Formelle Voraussetzungen
Ein Insolvenzverfahren wird nur auf Antrag eines Berechtigten eröffnet (§13 InsO). Das Verfahren wird nicht von Amts wegen eröffnet. Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner. Der Antrag eines Schuldners ist immer zulässig. Ist er eine juristische Person (AG, GmbH) oder eine Personengesellschaft (OHG, KG, GbR), dann ist jedes Mitglied des Vertretungsorgans (Vorstandsmitglied, Geschäftsführer bzw. die persönlich haftenden Gesellschafter) antragsberechtigt (§15 InsO). Der Antrag eines Gläubigers ist nur zulässig, wenn drei Voraussetzungen vorliegen (§14 InsO):
- er muss seine Forderung glaubhaft machen
- er muss den Eröffnungsgrund glaubhaft machen
- er muss ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Verfahrens haben Zur Glaubhaftmachung des Gläubigers genügt eine Behauptung, dass er eine Forderung gegen den Schuldner hat zusammen mit Beweismitteln, wie z.B. Urkunden oder Bescheinigungen.
- Materielle Voraussetzungen
Die Eröffnung eines Verfahrens setzt einen Eröffnungsgrund voraus (§16 InsO). Als Eröffnungsgründe gelten Zahlungsunfähigkeit (§17 InsO), drohende Zahlungsunfähigkeit (§18 InsO) und Überschuldung (§19 InsO) (vgl. Übersicht 2.1).
a) Zahlungsunfähigkeit
Das ist der allgemeine Eröffnungsgrund eines Insolvenzverfahrens, der bei natürlichen Personen, Personengesellschaften und juristischen Personen zum Tragen kommt. Nach §17 Abs. 2 InsO ist ein Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. In der Regel wird auch bei Einstellung der Zahlungen seitens des Schuldners Zahlungsunfähigkeit angenommen.11 Dabei spielt die zukünftige geschäftliche Entwicklung des Schuldners keine Rolle, d.h. es handelt sich um eine Zeitpunkt-Illiquidät.
Zur Feststellung von Zahlungsunfähigkeit werden in der Literatur verschiedene Methoden genannt. Nach Kirchhof12 werden die verfügbaren und innerhalb von zwei bis drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung gesetzt zu den am Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Bruch 0,9 nicht überschreitet. Bei Uhlenbruck13 liegt Zahlungsunfähigkeit vor, wenn die vorhandenen Liquiditätslücken nicht innerhalb von einem Monat ausgeglichen werden können.
b) drohende Zahlungsunfähigkeit
Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (§18 Abs. 2 InsO). Die Prognose wird anhand eines Liquiditätsplanes überprüft. Dieser Grund kann nur in einem vom Schuldner gestellten Antrag angegeben werden. Dadurch wird verhindert, dass Gläubiger den Schuldner schon im Vorfeld einer Insolvenz mit einem Antrag unter Druck setzen können.14 Weiterhin gilt bei diesem Grund, dass bei Personengesellschaften und juristischen Personen alle Mitglieder des Vertretungsorgans den Antrag stellen oder der Antragssteller zumindest vertretungsberechtigt ist.15
Dem Schuldner wird so gleichzeitig die Möglichkeit eingeräumt, das Sanierungsverfahren gemäß §§217 ff. InsO zu nutzen. Er bekommt die Chance, unter dem Schutz des Insolvenzverfahrens Sanierungsmaßnahmen für sein Untenehmen zu suchen.16
c) Überschuldung
Bei juristischen Personen und bei Personengesellschaften, in der keine natürliche Person persönlich haftet (z.B. GmbH & Co. KG), ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren. Überschuldung liegt nach §19 Abs. 2 InsO vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Für die Feststellung, ob Überschuldung vorliegt, wird eine Überschuldungsbilanz17 aufgestellt. In ihr werden an Stelle von Buchwerten der Jahresbilanz wirkliche Werte verwendet. Die Buchwerte genügen nicht, weil z.B. eine auf null € abgeschriebene Maschine noch einige € wert sein kann oder ein zum damaligen Kaufpreis angesetztes Grundstück kann stark an Wert verloren haben.18 Für die wirklichen Werte werden Fortführungswerte eingestellt, wenn eine
Fortführung des Unternehmens beabsichtigt und wirtschaftlich sinnvoll ist. Wird das Unternehmen nicht fortgeführt, werden Liquidationswerte19 eingestellt. Führt die zweistufige Überschuldungsprüfung zu einem negativen Ergebnis, so ist der Insolvenzgrund Überschuldung gegeben.20 Der Antrag kann vom Schuldner oder Gläubiger gestellt werden.
Übersicht 2.1: Eröffnungsgründe im Insolvenzverfahren
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: nach Zimmermann, 2001, S. 10
Neben den erläuterten Eröffnungsgründen ist für eine Verfahrenseröffnung auch entscheidend, ob genug kostendeckende Masse vorhanden ist. Das bedeutet, es muss mindestens soviel Geld vorhanden sein, dass die Verfahrenskosten gedeckt sind (§26 InsO). Zu den Verfahrenskosten (§54 InsO) zählen die Gerichtskosten, die Kosten für den vorläufigen Insolvenzverwalter sowie den Insolvenzverwalter und die Mitglieder des Gläubigerausschusses. Diese Kosten belaufen sich schon bei kleineren Insolvenzen auf etwa 1500 €.21 Die sonstigen Verbindlichkeiten müssen nicht abgedeckt sein.
Ein Insolvenzverfahren wird nicht im öffentlichen Interesse, sondern im Interesse der Gläubiger durchgeführt. Hierdurch kann es für Gläubiger durchaus sinnvoll sein, einen Vorschuss auf die Verfahrenskosten zu leisten, wenn das Verfahren sonst mangels Masse abgewiesen wird. Damit wird verhindert, dass es zu einem Wettlauf der Gläubiger im Zuge einer Einzelzwangsvollstreckung kommt.22 Außerdem ist er sinnvoll, wenn z.B. die Insolvenzmasse durch Insolvenzanfechtung aufgestockt wird oder wenn angefangene, aber noch fertigzustellende Produkte verkauft werden oder wenn realistische Sanierungschancen für das Unternehmen bestehen.23 In diesen Fällen bekommt der Gläubiger sein Geld vielleicht später und eventuell auch nicht alles, aber das ist immer noch mehr, als wenn er bei Abweisung des Antrages gar kein Geld bekommt. Der Vorschuss kann vom Gläubiger bei ausreichender Masse später zurückgefordert werden.
2.1.3 Maßnahmen des Insolvenzgerichtes bis zur Eröffnung
Zwischen dem Eingang des Eröffnungsantrages und der Entscheidung über die Eröffnung kann ein längerer Zeitraum liegen, da die Überprüfung der Eröffnungsvoraussetzungen einige Zeit in Anspruch nimmt.
Das Gericht hat die Möglichkeit, vorläufige Sicherungsmaßnahmen zu treffen, um Manipulationen an der Haftungsmasse (z.B. dass der Schuldner neue Verbindlichkeiten eingeht, welche die Lage weiter verschlimmern) entgegenzutreten (§21 InsO). Zu diesen Maßnahmen zählen u.a.:24
- Schließung des Geschäftsbetriebes (Kontensperre, Postsperre)
- Erlass eines allgemeinen Veräußerungsverbots gegen den Schuldner (wird öffentlich bekanntgemacht und im Handelsregister sowie im Grundbuch eingetragen)
- Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts (Verfügung des Schuldners nur wirksam mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters)
- Untersagung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung für bewegliche Gegenstände (Verbot der Versteigerung; für unbewegliches Vermögen auf Antrag des vorläufigen Verwalters)
- Zwangsweise Vorführung und Verhaftung des Schuldners
In der Praxis wird vom Gericht ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, der i.d.R. später der endgültige Insolvenzverwalter wird und vom Gericht beaufsichtigt wird. Der vorläufige Insolvenzverwalter unterscheidet sich vom endgültigen dadurch, dass es für ihn um die Sicherung und nicht die Verwertung des Vermögens geht, bis über den Antrag entschieden wurde. In Kombination mit einem allgemeinen Verfügungsverbot des Schuldners (kann durch das Gericht auferlegt werden und wird es meistens auch) hat der vorläufige Insolvenzverwalter folgende Aufgaben und Befugnisse, für die er allen Beteiligten haftet:25
- Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners
- Sicherung des Vermögens (z.B. Verhinderung des Verderbs - in Notfällen Verkauf verderblicher Ware - und von Diebstahl)
- Weiterbetreiben des Unternehmens bis zur Entscheidung über den Antrag
- Prüfung, ob kostendeckende Masse und Sanierungschancen vorhanden sind
- Aufnahme anhängiger (unterbrochener) Prozesse
Auch das Gericht ermittelt in der Zeit bis zur Entscheidung. Wird der Antrag vom Schuldner gestellt, dann kann es weitere Auskünfte (Vermögensaufstellungen, Schuldenverzeichnisse, usw.) von ihm einholen. Stellt ein Gläubiger den Antrag, wird vom Gericht überprüft, ob dieser antragsberechtigt ist. Falls er es nicht ist, wird der Antrag abgelehnt. Ist er antragsberechtigt, dann wird der Schuldner gehört und dessen Aussage überprüft. Des weiteren prüft das Gericht, ob genügend kostendeckende Masse für das Verfahren vorhanden ist.
2.1.4 Entscheidung des Gerichts
Nach der Überprüfung der Eröffnungsvoraussetzungen erlässt der Richter einen Beschluss mit folgenden Möglichkeiten:26
1. Zurückweisung des Antrages
Es fehlen die formellen und/oder materiellen Voraussetzungen.
2. Abweisung mangels Masse (§26 InsO)
Gemäß §26 InsO wird der Schuldner daraufhin in ein Schuldnerverzeichnis eingetragen. Wenn es sich bei dem Schuldner um juristische Personen oder Personengesellschaften handelt, werden diese aufgelöst. Die Mitteilung darüber ergeht an das Handelsregister. Etwa 75% aller Verfahren werden auf Grund fehlender Masse abgelehnt.
3. Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Dies erfolgt per Beschluss (§27 InsO), welcher im Bundesanzeiger veröffentlicht wird. Im Beschluss wird vom Gericht ein Insolvenzverwalter (mit Name und Anschrift) ernannt sowie Name und Adresse des Schuldners bekanntgegeben. Auch die genaue Stunde der Eröffnung des Verfahrens ist im Beschluss enthalten (z.B. 10.25 Uhr). Die Gläubiger werden aufgefordert, ihre Forderungen innerhalb einer bestimmten Frist (zwischen zwei Wochen und drei Monaten) beim Insolvenzverwalter anzumelden, sowie ihre Sicherungsrechte an beweglichen Sachen mitzuteilen (§28 InsO). Personen, die Verbindlichkeiten gegenüber dem Schuldner haben, werden aufgefordert, diese nicht mehr an den Schuldner, sondern an den Verwalter zu leisten.27
2.2 Die Insolvenzmasse
Als Insolvenzmasse wird nach §35 InsO das gesamte Vermögen des Schuldners bezeichnet, welches ihm im Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Diese Masse wird auch als Ist-Masse bezeichnet.
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird die Insolvenzmasse des Schuldners getrennt in Vermögen, das dem Insolvenzverwalter für die Verwertung unterliegt - der Soll-Masse - und in sonstiges Vermögen des Schuldners.28 Unter sonstiges Vermögen fällt Vermögen, das auszusondern ist (gehört Dritten, z.B. Mietwagen) und insolvenzfreies Vermögen. In Übersicht 2.2 ist eine Zusammenstellung verschiedener Vermögensarten und deren Zuteilung, was zur Insolvenzmasse zählt und was nicht hierunter fällt, dargestellt. Zur Insolvenzmasse gehört daher vollstreckbares Vermögen, welches der Zwangsvollstreckung unterliegt. Nicht zur Insolvenzmasse zählen hiernach nichtpfändbare Gegenstände und Rechte. Den Gläubigern wird so keine größere Haftungsmasse beschafft, als ihnen bei Einzelzwangsvollstreckung zustünde. Gleichzeitig wird dem Schuldner als natürliche Person somit auch das Existenzminimum gesichert.29
Übersicht 2.2: Bestandteile der Insolvenzmasse
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: nach Zimmermann, 2001, S. 18 ff. und Bork, 1998, S. 58 ff.
2.3 Die Beteiligten im Insolvenzverfahren
2.3.1 Das Insolvenzgericht
Nicht jedes Gericht hat eine Insolvenzabteilung. Sachlich zuständig für ein Insolvenzverfahren ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Landgericht seinen Sitz hat (§2 InsO). Daneben gibt es auch die örtliche Zuständigkeit eines Amtsgerichts. Diese richtet sich nach dem allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners bzw. dem Mittelpunkt seiner wirtschaftlichen Tätigkeit (§3 InsO).
Die Aufgabe des Gerichts besteht vor allem darin, einen „prozeduralen Rahmen“30 für die Verwertung des Vermögens zu schaffen. Das bedeutet, das Gericht ist zuständig für
das Eröffnungsverfahren, welches mit dem Eröffnungsbeschluss endet (vgl. Kapitel 2.1.4). Die Verwertung selber ist Aufgabe des Insolvenzverwalters. Dem Gericht obliegt lediglich die Aufsicht über den Verwalter. Weitere Aufgaben des Gerichts sind die Einsetzung des Gläubigerausschusses, die Leitung der Gläubigerversammlung und die Beendigung des Verfahrens. Gibt es einen Insolvenzplan, ist das Gericht an der Aufstellung und der Überwachung beteiligt.31
2.3.2 Der Schuldner
Schuldner in einem Insolvenzverfahren kann nach §11 InsO
- jede natürliche Person (neben Kaufleuten auch Kinder, Geisteskranke, Betreute und Ausländer),
- jede juristische Person (z.B. GmbH, AG, Genossenschaft),
- der rechtsfähige Verein,
- Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (z.B. OHG, KG, GbR, Partenreederei, Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung) und
- das Nachlass- und Gesamtgut (Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft oder von Ehegatten gemeinschaftlich verwaltetes Gesamtgut) sein. Dagegen können der Staat und die Länder nicht insolvenzfähig sein, da sie sich durch Inflation, Steuererhöhung oder Besoldungskürzung buchhalterisch immer zahlungsfähig halten können.32
Der Schuldner oder der organschaftliche Vertreter hat laut §97 Abs.1 InsO die Pflicht, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuss und der Gläubigerversammlung Auskunft zu erteilen über das Verfahren betreffende Verhältnisse. Dabei hat er auch Straftaten zu offenbaren. Diese Aussage darf aber ohne seine Zustimmung nicht in einem späteren Verfahren verwendet werden.
Des weiteren hat der Schuldner oder der organschaftliche Vertreter nach §97 Abs. 2 InsO eine aktive Mitwirkungspflicht, welche allerdings nicht zwingend ist, d.h. er ist nicht verpflichtet, für den Insolvenzverwalter zu arbeiten. Die Ausgestaltung der Mitwirkung kann variabel sein und ist u.a. abhängig, ob der Schuldner den Antrag selber gestellt hat, um sein Unternehmen sanieren zu können. Bei beantragter Eigenverwaltung fallen die Mitwirkungspflichten umfassender aus, z.B. Erstellung eines Masseplans, eines Gläubigerverzeichnisses oder der Vermögensübersicht.
Schließlich hat sich der Schuldner nach §97 Abs. 3 InsO auf Anordnung des Gerichts jederzeit für seine Auskunfts- und Mitwirkungspflicht zur Verfügung zu stellen. Das gilt auch, wenn er sich außerhalb seines Wohnortes aufhält. Zudem hat er sämtliche Handlungen zu unterlassen, die der Erfüllung seiner Pflichten entgegenstehen, z.B. Vernichtung von Unterlagen oder Verheimlichung von Vermögensgegenständen.33
2.3.3 Die Gläubiger
Bei einem Insolvenzverfahren sind nach InsO verschiedene Gläubigergruppen zu unterscheiden, die alle Forderungen gegen den Schuldner erheben:34,35,36
- Aussonderungsberechtigte Gläubiger (§47 InsO)
- Absonderungsberechtigte Gläubiger (§§49 - 52 InsO)
- Massegläubiger (§§53 - 55 InsO)
- Insolvenzgläubiger (§38 InsO)
- Nachrangige Insolvenzgläubiger (§39 InsO).
a) Aussonderungsberechtigte Gläubiger
Gläubiger, die hierunter fallen, können ein dingliches oder persönliches Recht geltend machen, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört. Dieser Gegenstand gehört zu ihrem Vermögen und haftet daher nicht den Insolvenzgläubigern. Die Gläubiger können die Herausgabe (Aussonderung) des Gegenstandes aus der Masse verlangen. Sie sind keine Insolvenzgläubiger. Beispiele hierfür sind Lieferungen unter Eigentumsvorbehalt, Vermietung, Leasing oder Pacht.
b) Absonderungsberechtigte Gläubiger
Hierzu zählen alle Gläubiger, die ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus einem bestimmten Massegegenstand haben, d.h. für deren Forderung Sicherheiten bestellt worden sind. Diese Gläubiger können nicht die Herausgabe des Gegenstandes verlangen, sondern nur, dass der Gegenstand separat (abgesondert) verwertet und der Erlös vorrangig zur Befriedigung der gesicherten Ansprüche verwendet wird. Das Recht auf vorzugsweise Befriedigung muss schon vor der Insolvenzeröffnung entstanden sein. Die wichtigsten Rechte sind die Hypothek, die Grundschuld, das Pfandrecht und die Sicherungsübereignung. Absonderungsberechtigte Gläubiger sind i.d.R. auch Insolvenzgläubiger, da der Schuldner ihnen auch persönlich haftet und die Forderungen in voller Höhe am Verfahren teilnehmen.
c) Massegläubiger
Die Ansprüche der Massegläubiger entstehen erst nach der Verfahrenseröffnung und werden auch durch diese veranlasst. Sie sind vorweg aus der Masse voll zu befriedigen. Reicht die Masse dafür nicht aus, darf das Insolvenzverfahren nicht eröffnet werden. Neben den Verfahrenskosten (§54 InsO und vgl. Kapitel 2.1.2) gehören auch Auslagen auf Grund von Handlungen des Verwalters bzw. auf Grund zu erfüllender Verträge (Dauerschuldverhältnisse) dazu. Außerdem zählen die Kosten für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse, Sozialplanansprüche von Arbeitnehmern sowie Verbindlichkeiten aus Gewährung von Unterhalt an den Schuldner dazu.
d) Insolvenzgläubiger
Alle persönlichen Gläubiger (z.B. Lieferanten, Fiskus, Rechtsanwalt,
Steuerberater), die zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben, sind Insolvenzgläubiger. Sie müssen ihre Forderungen zur Tabelle anmelden, um ihre Quote zu erhalten. Die Insolvenzgläubiger werden gemeinschaftlich und gleichmäßig (gleicher Prozentsatz) aus der Masse befriedigt. Die Forderungen müssen Geldforderungen und erzwingbar sein. Meldet ein Insolvenzgläubiger seine Forderung nicht an, dann kann er diese erst nach dem Insolvenzverfahren wieder geltend machen - sie verfällt nicht.
e) Nachrangige Insolvenzgläubiger
Diese Gläubiger kommen bei der Verteilung nur zum Zuge, wenn nach Befriedigung aller Insolvenzgläubiger noch Geld vorhanden ist. Das bedeutet praktisch, dass sie nichts bekommen, denn würden sie etwas bekommen, hätte der Schuldner mehr Vermögen als Schulden und dann hätte es kein Verfahren geben dürfen. Forderungen wie z.B. seit Verfahrenseröffnung angefallene Zinsen, kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen oder Forderungen, wo Nachrang vereinbart wurde (z.B. LPG-Altschulden landwirtschaftlicher Unternehmen bei Rangrücktrittsvereinbarung37 ), zählen hierzu.
In Übersicht 2.3 sind die einzelnen Gläubigergruppen mit ihren jeweiligen Befriedigungschancen noch einmal zusammengefasst.
Übersicht 2.3: Gläubigergruppen und ihre Befriedigungschancen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: nach Zimmermann, 2001, S. 30
Neben den verschiedenen Gläubigergruppen gibt es auch noch zwei Gläubigerorganisationen - die Gläubigerversammlung (§§74 - 79 InsO) und den Gläubigerausschuss (§§67 - 73 InsO).38
Die Gläubigerversammlung ist ein notwendiges Organ eines Insolvenzverfahrens.39 Sie wird vom Insolvenzgericht einberufen und hat folgende Aufgaben:40
- die Auswahl des Verwalters durch das Gericht zu überprüfen und zu bestätigen oder ggf. Neuwahl eines anderen Verwalters
- Festlegen der Grundlinien des Verfahrens
- Bestätigung des Gläubigerausschusses
- Beschluss über die Reichweite der Berichts- und Rechnungslegungspflicht des Verwalters ihr gegenüber sowie Abnahme des Berichts des Verwalters
- Entscheidung, ob das Unternehmen stillgelegt oder fortgeführt wird
- Beauftragen des Verwalters, einen Insolvenzplan auszuarbeiten
An der Versammlung können alle absonderungsberechtigten Gläubiger, alle Insolvenz- gläubiger, der Insolvenzverwalter und der Schuldner teilnehmen. Die Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst, welche sich nicht nach der Kopfzahl, sondern nach den vertretenen Forderungen der Gläubiger richtet. Die wichtigsten Gläubigerversammlungen sind:41
- der Berichtstermin (Beschluss über Fortgang des Verfahrens und konkrete Verwertungsform)
- der Prüfungstermin (Erörterung der angemeldeten Forderungen der Insolvenz- gläubiger)
- der Schlusstermin (Diskussion über Schlussrechnung des Verwalters)
- der Erörterungs- und Abstimmungstermin (Entscheidung der Gläubiger über Annahme eines Insolvenzplanes)
Der Gläubigerausschuss ist ein fakultatives Organ des Insolvenzverfahrens.42 Er unterstützt und überwacht den Verwalter. Außerdem ist er an der Genehmigung besonders wichtiger Geschäfte (z.B. Verkauf des Unternehmens) beteiligt. Die Entscheidungen im Ausschuss werden mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen getroffen. Im Ausschuss wirken neben den absonderungsberechtigten Gläubigern auch die Insolvenzgläubiger und Vertreter von Arbeitnehmern (wenn nicht unerhebliche Forderungen bestehen). Vom Insolvenzgericht wird vor der ersten Gläubigerversammlung ein vorläufiger Ausschuss bestellt. Danach kann nur die Versammlung weitere Mitglieder in den Ausschuss berufen. Dabei kann auch außenstehender Sachverstand eingebracht werden, welcher als Vertreter der Gläubiger auftritt, aber selber kein Gläubiger ist.43
2.3.4 Der Insolvenzverwalter
Zentrale Figur in einem Insolvenzverfahren ist der Insolvenzverwalter. Er zählt zu den Personen, die Amtswalterstellungen nach der Insolvenzordnung haben. Eine Auflistung weiterer Personen, die Amtswalter sein können, zeigt Übersicht 2.4.
Der Insolvenzverwalter wird vom Gericht vorläufig ernannt und in der Gläubigerversammlung bestätigt. Es muss sich um eine natürliche (z.B. keine Wirtschaftsprüfer GmbH) und unabhängige Person handeln. Meist ist es ein Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer. Ein Insolvenzverwalter kann auf Antrag der Gläubigerversammlung, des Ausschusses oder von Amts wegen wieder entlassen werden. Die Kontrolle erfolgt durch das Gericht und den Gläubigerausschuss. Zu den Aufgaben des Verwalters zählen neben in Besitznahme und Verwaltung der Masse auch deren Verwertung und die Verteilung des Erlöses. Außerdem nimmt er die Forderungen der Gläubiger entgegen. Bei Abschluss des Verfahrens hat er der Gläubigerversammlung eine Schlussrechnung zu machen. Der Insolvenzverwalter haftet allen Beteiligten auf Schadensersatz bei schuldhafter Verletzung insolvenzspezifischer Verpflichtungen (z.B. unsachgemäße Verwahrung von zur Masse gehörenden Gegenständen, keine ausreichende Versicherung der Masse, Nichtabgabe einer Steuererklärung). Er haftet auch für selbst eingestelltes Personal. Seine Vergütung und die Auslagen werden aus der Masse entrichtet (= Massegläubiger).44
Übersicht 2.4: Amtswalter im Insolvenzverfahren
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Zimmermann, 2001, S. 25
2.4 Wirkungen der Insolvenzeröffnung
2.4.1 Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners
Die wichtigste Wirkung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist die Beschlagnahme des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens des Schuldners. Dieser verliert die Befugnis, dieses Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen - das Recht geht auf den Insolvenzverwalter über. Der Schuldner bleibt aber Eigentümer dieses Vermögens und behält auch die Geschäftsfähigkeit sowie die Kaufmannseigenschaft. Weitere Auswirkungen einer Eröffnung sind die in Kapitel 2.3.2 bereits erwähnten Auskunfts-, Mitwirkungs- und Bereithaltungspflichten.
Neue Verpflichtungen seitens des Schuldners sind möglich, wofür aber nicht die Insolvenzmasse haftet, sondern das insolvenzfreie Vermögen, welches i.d.R. aber unpfändbar ist. Nach der Eröffnung getroffene Verfügungen des Schuldners (z.B. Abtretung von Forderungen, Übereignung von Sachen oder Schulderlass) über in der Insolvenzmasse befindliche Gegenstände sind unwirksam (§81 Abs. 1 InsO). Der Insolvenzverwalter kann diese Sachen wieder zur Masse ziehen (z.B. den Erwerber auf Herausgabe verklagen). Der gute Glaube des Erwerbers wird bei beweglichen Sachen nicht geschützt. Bei Grundstücken oder Grundstücksrechten kommt es darauf an, ob der Insolvenzvermerk bei Erwerb bereits im Grundbuch eingetragen war. Nach §32 InsO ist die Verfahrenseröffnung im Grundbuch einzutragen.45,46
2.4.2 Leistungen an den Schuldner
Der Schuldner ist nicht mehr berechtigt, Leistungen anzunehmen, die in die Insolvenzmasse gehören. Daher werden diejenigen, die Verpflichtungen gegenüber dem Schuldner haben, schon im Eröffnungsbeschluss aufgefordert, an den Verwalter zu leisten und nicht mehr an den Schuldner. Wird nach der Eröffnung an den Schuldner gezahlt, dann hat der Leistende an den Insolvenzverwalter noch einmal zu zahlen, wenn die Zahlung nicht in die Insolvenzmasse geflossen ist. Wusste der Drittschuldner zu diesem Zeitpunkt nichts von der Insolvenzeröffnung (§82 InsO), was durch Überprüfung der Zustellung des Eröffnungsbeschlusses an ihn nachvollzogen werden kann, dann befreit es ihn ausnahmsweise. Andererseits kann er die Leistung nur aus dem freien Vermögen des Schuldners zurückverlangen.47,48
2.4.3 Erfüllung schwebender Verträge
Mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gibt es nach §103 InsO drei Möglichkeiten, wie sich das auf bestehende Vertragsverhältnisse auswirkt:49
- die Vertragsverhältnisse können erlöschen
- sie können bestehen bleiben
- der Insolvenzverwalter hat ein Wahlrecht
Zur Erlöschung von Vertragsverhältnissen kommt es bei Aufträgen (§115 InsO) und Geschäftsbesorgungsverträgen (§116 InsO), die der Schuldner erteilt hat und die sich auf zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen beziehen. Hierzu zählen z.B. Verträge mit Rechtsanwälten, Spediteuren oder der Girovertrag mit der Bank.50 Auch eine vom Schuldner erteilte Vollmacht (§117 InsO), die sich auf Vermögen in der Masse bezieht, erlischt mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.51
Dagegen bleiben im Grundbuch eingetragene Vormerkungen bestehen. Der so gegen den Schuldner gesicherte Anspruch ist aus der Insolvenzmasse voll zu befriedigen.52 Auch Miet- und Pachtverhältnisse über unbeweglichen Sachen bleiben zu den bisherigen Bedingungen bestehen. Ist der Schuldner Vermieter oder Verpächter, so ist der Verwalter an den Vertrag gebunden. Der Miet- oder Pachtzins wird der Insolvenzmasse zugeführt und auch die Kündigungsfristen bleiben unberührt. Wenn der Schuldner Mieter oder Pächter ist, kann der Verwalter mit der gesetzlichen Frist kündigen, auch wenn es im Vertrag anders geregelt war (§109 InsO). Der Vermieter oder Verpächter hat dieses besondere Kündigungsrecht nicht. Die Miet- oder Pachtzinsen sind in diesem Fall Masse- verbindlichkeiten.53
Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters ist bei Miet- und Pachtverträgen bei beweglichen Sachen gegeben. Der Verwalter ist in seiner Entscheidung frei. Ist der Schuldner Mieter oder Pächter, so hat der Vermieter oder Verpächter kein Kündigungsrecht wegen Insolvenz (§112 InsO). Dadurch wird erreicht, dass diese Sache zur vorläufigen Fortführung des Unternehmens zur Verfügung steht.54 Ist der Schuldner Vermieter oder Verpächter und soll der Vertrag weitergeführt werden, dann fließen die Miet- oder Pachtzinsen der Insolvenzmasse zu. Auch bei gegenseitigen Verträgen, die im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung von beiden Seiten noch nicht voll erfüllt wurden, hat der Verwalter ein Wahlrecht. Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab, kann der Vertragspartner Schadensersatz (z.B. für entgangenen Gewinn oder für bereits erbrachte Leistungen) fordern. Diese Forderung sind einfache Insolvenzforderungen und werden mit der Quote bedient. Entscheidet sich der Verwalter für die Vertragsdurchführung, dann müssen beide Seiten ihre Leistungen erbringen. Der Partner ist dann Massegläubiger und somit vor den Insolvenzgläubigern zu befriedigen.55
Der Verwalter wird sich immer für die Lösung entscheiden, die für die Masse günstiger ist, d.h. die Entscheidung geht meist zu Lasten des Vertragspartners.56
2.5 Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse
2.5.1 Verwaltung
Nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hat der Verwalter das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen in Besitz zu nehmen (§148 InsO) und zu inventarisieren (§151 InsO). Weiterhin muss er eine Vermögensübersicht (Aktivvermögen und Schulden) nach §153 InsO und ein Gläubigerverzeichnis nach §152 InsO erstellen. Er nimmt die Aufgaben eines Unternehmensleiters sowohl in steuerlicher als auch in handelsrechtlicher Hinsicht wahr.57 Dabei hat der Schuldner ihn mit den bereits erwähnten Auskunfts-, Mitwirkungs- und Bereithaltungspflichten zu unterstützen. Auslagen, die aus den Verwaltungshandlungen entstehen, sind Masseverbindlichkeiten.58
2.5.2 Verwertung
Die Verwertung (d.h. die Veräußerung) der Masse ist notwendig, da der Ausgleich an die Insolvenzgläubiger nur als Geldzahlung erfolgen darf (§187 Abs. 2 InsO). Das ist Aufgabe des Insolvenzverwalters, wobei er grundsätzlich freien Ermessensspielraum bei der Art der Verwertung (z.B. Versteigerung, freihändiger Verkauf) hat. Allerdings sind die Beschlüsse der Gläubigerversammlung im Berichtstermin zu berücksichtigen (Weiterführung des Unternehmens oder Liquidation).
Besonderheiten bei der Verwertung sind bei Beschluss eines Insolvenzplanes, bei der Eigenverwaltung oder im Verbraucherinsolvenzverfahren zu beachten.59 Die Verwertung von unbeweglichen Gegenständen, an denen ein Absonderungsrecht besteht (z.B. Grundschuld oder Hypothek), kann auch vom Gläubiger betrieben werden (§49 InsO). So kann dieser im Rahmen einer Zwangsversteigerung den Gegenstand verwerten. Bei der Verwertung beweglicher Sachen mit Absonderungsrecht (z.B. Maschine im Besitz des Schuldners, Sicherungseigentum bei der Bank) ist zu unterscheiden, in wessen Besitz sich diese bei Verfahrenseröffnung befinden. Im Besitz des Insolvenzverwalters befindliche Sachen darf dieser selbst verwerten. Der Gläubiger bekommt seinen Anspruch aus dem erzielten Reinerlös. Wenn der Gläubiger die Gegenstände im Besitz hat, dann darf er sie selbst verwerten.60
2.5.3 Verteilung
Nach der Verwertung der Insolvenzmasse kommt es zur Verteilung des Erlöses entweder nach §187 ff. InsO oder nach einem vereinbarten Insolvenzplan. Zuständig ist der Verwalter, der vor jeder Verteilung ein Verteilungsverzeichnis aufzustellen hat (§188 InsO). Gibt es Einwände gegen diese Liste, so hat das Insolvenzgericht zu entscheiden. Vom Gericht ist auch die Schlussverteilung genehmigen zu lassen. Dafür beruft es die Gläubigerversammlung zum Schlusstermin ein.
Bei der Verteilung sind drei Arten zu unterscheiden:61
- die Abschlagsverteilung
- die Schlussverteilung und
- die Nachtragsverteilung
Die Abschlagsverteilungen erfolgen im Laufe des Insolvenzverfahrens, sobald Masse verwertet wurde, frühestens jedoch nach dem Prüfungstermin der Gläubigerversammlung. Für absonderungsberechtigte Gläubiger wird ein auf die Ausfallforderung entfallender Anteil zurückbehalten, wenn diese glaubhaft gemacht wurden.62 Auch der auf bestrittene Forderungen entfallende Anteil wird einbehalten, wenn für diese eine Klage nachgewiesen wurde.
Nach der abschließenden Verwertung der Insolvenzmasse kommt es zur Schlussverteilung an die Insolvenzgläubiger. Wenn die absonderungsberechtigten Ausfallforderungen nachgewiesen werden, können sie befriedigt werden. Andernfalls wird der zurückbehaltene Betrag verteilt. Ist über bestrittene Forderungen noch nicht entschieden worden, dann wird der Betrag hinterlegt.
Eine Nachtragsverteilung hat zu erfolgen, wenn nach der Schlussverteilung weitere Masse verfügbar wird, z.B. durch eine abgewiesene bestrittene Forderung oder bisher verborgenes Vermögen des Schuldners.
Bei der Verteilung werden alle Insolvenzgläubiger gleich behandelt. Sie bekommen einen Prozentsatz des ihnen zustehenden Betrages (die Quote) ausbezahlt. Zwischen Insolvenzgläubigern und nachrangigen Insolvenzgläubigern gibt es eine Rangfolge, in der die nachrangigen Gläubiger zuletzt befriedigt werden.63
2.6 Beendigung des Verfahrens
Das Insolvenzverfahren wird durch einen Beschluss des Insolvenzgerichtes beendet. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten:64
1. Aufhebung des Insolvenzverfahrens
2. Einstellung des Insolvenzverfahrens
Zur Aufhebung des Verfahrens kommt es nach §200 InsO, wenn die Schlussverteilung vollzogen ist oder wenn nach §258 InsO ein Insolvenzplan rechtskräftig bestätigt wurde.
Die vorzeitige Beendigung des Verfahrens durch Einstellung erfolgt, wenn
- keine kostendeckende Masse mehr vorhanden ist (§207 InsO),
- Masseunzulänglichkeit vorliegt (Deckung der Verfahrenskosten, aber nicht der sonstigen Masseverbindlichkeiten) (§208 InsO),
- der Eröffnungsgrund wegfällt (d.h. der Schuldner ist wieder zahlungsfähig und droht auch nicht zahlungsunfähig zu werden und bei juristischen Personen liegt keine Überschuldung vor) und der Schuldner es beantragt (§212 InsO) sowie
- bei Zustimmung aller Gläubiger (§213 InsO).
Die Beendigung des Verfahrens hat zur Folge, dass der Schuldner wieder die volle Verfügungsgewalt über sein nicht verwertetes Vermögen zurückerhält. Die Ämter des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses enden. Vermerke im Grundbuchamt bzw. in den Registern (z.B. Handelsregister) werden gelöscht und der Beschluss wird veröffentlicht.65 Gläubiger, die noch nicht befriedigt wurden, haben ein freies Nachforderungsrecht, d.h. sie können ihre Forderungen unbeschränkt gegen den Schuldner geltend machen. Hiervon gibt es Ausnahmen, wenn für den Schuldner Restschuldbefreiung in Aussicht gestellt wurde oder in einem Insolvenzplan etwas anderes vereinbart worden ist.66
2.7 Der Insolvenzplan
Ziel eines Insolvenzverfahrens ist die größtmögliche Gläubigerbefriedigung. Der Insol- venzplan bietet für die Beteiligten einen Rahmen, eine vom Gesetz abweichende Art der Abwicklung in einem Insolvenzverfahren zu finden (§217 InsO). Dieser Rahmen wird im §1 InsO als gleichwertiges Instrument zur Verwirklichung der Gläubigerbefriedigung genannt.67 Der ebenfalls in diesem Paragrafen angesprochene Aspekt der Unternehmens- sanierung in Verbindung mit einem Insolvenzplan ist aber nicht Hauptziel eines solchen Plans. Gleichwertig zu diesem Ziel sind die Liquidation und die übertragene Sanierung68 eines Unternehmens. Daher sind je nach Verfahrensziel ein Sanierungs-, Liquidationsoder Übertragungsplan zu unterscheiden, in dem jeweils die Strategie geregelt ist, wie die Insolvenz in optimaler Weise bewältigt werden soll.69
2.7.1 Aufbau eines Insolvenzplanes
Ein Insolvenzplan gliedert sich in fünf Teile (vgl. Übersicht 2.5):70 a) Darstellender Teil (§220 Abs. 1 InsO) Im ersten Teil des Plans werden die Krisenursachen genannt, sowie Maßnahmen beschrieben, die nach der Eröffnung des Verfahrens getroffen worden sind bzw. noch getroffen werden sollen (z.B. ob Betriebsteile stillgelegt wurden oder ob es Entlassungen gegeben hat oder geplant sind; vom Insolvenzverwalter aufge- nommene Darlehen und Sozialplanforderungen, da diese Masseforderungen sind).
b) Bewertender Teil (§220 Abs. 2 InsO)
Dieser Teil des Plans beinhaltet die Bewertungen, d.h. die Angaben zu den Grundlagen und den Auswirkungen des Plans, die für die Entscheidung der Gläubiger wichtig sind. Hierzu zählen die Angabe, wo das Geld für die Verteilung herkommen soll (Sanierung, übertragende Sanierung oder Liquidation) und die Darstellung der Befriedigung der Gläubiger ohne Insolvenzplan.
c) Gestaltender Teil (§221 InsO)
Beteiligte im Sinne eines Insolvenzplanes sind der Schuldner, die abson- derungsberechtigten Gläubiger und die Insolvenzgläubiger. Aussonderungs- berechtigte Gläubiger und Massegläubiger sind von einem Insolvenzplan nicht betroffen - ihre Forderungen werden erfüllt. Mit einem Insolvenzplan kann in die Forderungen der Insolvenzgläubiger mit Kürzungen und in die Sicherheiten der absonderungsberechtigten Gläubiger eingegriffen werden.71 Der gestaltende Teil des Plans regelt die Änderung der Rechtsstellung der Beteiligten. Inhaltlich sind die Beteiligten an keine Vorgaben gebunden, nur sollte alles angegeben werden. So können Eingriffe in die Absonderungsrechte festgehalten werden, z.B. eine Kürzung dieser Rechte oder eine Stundung der gesicherten Forderungen (§223 Abs.2 InsO). Hier ist zu beachten, dass ein Gläubiger, der durch einen Plan schlechter gestellt wird, diesen verhindern kann (§251 InsO). Absonderungs- berechtigte Gläubiger können Eingriffe in ihre Rechte akzeptieren, wenn ihnen z.B. Ersatzsicherheiten angeboten werden oder wenn sie bei Fortführung des Unternehmens in gleicher Höhe befriedigt werden können, wie bei einer Verwertung des Sicherungsgutes.72
Für Insolvenzgläubiger können im Plan Forderungskürzungen oder -stundungen angegeben werden. Auch ein Zinserlass oder die Umwandlung einer Forderung in eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung sind Möglichkeiten, in die Rechte von diesen Gläubigern einzugreifen. Weiterhin sind auch hier sonstige Regelungen und die Art des Ausgleichs für den Eingriff zu erwähnen (§224 InsO). In Bezug auf den Schuldner kann der Plan eine Überwachung vorsehen. Ist nichts weiter geregelt, kann nach §227 InsO davon ausgegangen werden, dass der Schuldner von seinen restlichen Verbindlichkeiten befreit ist, wenn er den Gläubigern in einer bestimmten Zeit eine bestimmte Quote bezahlt.
d) Gruppenbildung
Der §222 InsO sieht eine Bildung von Gruppen vor, wenn Gläubiger mit unterschiedlichen Rechtsstellungen vom Plan betroffen sind, z.B. Gruppe der absonderungsberechtigten Gläubiger, Gruppe der Insolvenzgläubiger oder Gruppe der Arbeitnehmer (wenn diese in erheblichem Maße als Insolvenzgläubiger beteiligt sind).
e) Anlagen zur Dokumentation der einzelnen Teile
- Vermögensstatusunterlagen (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung)
- Gläubiger- und Schuldnerlisten
- Sanierungskonzepte, Ertragsberechnungen
- Unternehmensbewertungen und Prognosen
- Gutachten zum bewertenden Teil (Bewertung von Grundstücken und Vermögen)
- Bewertungen durch Unternehmensberater und Wirtschaftsprüfer
- Alternativrechenmodelle (Gegenüberstellung möglicher Verwertungsmo- delle)
- Analyse der Insolvenzursachen
Übersicht 2.5: Inhalte des Insolvenzplanes
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: nach aid „Insolvenzrecht und Landwirtschaft“, 2001, S. 29
[...]
1 www.creditreform.de/angebot/analysen/0029/01.php
2 Süddeutsche Zeitung vom 11.11.2002
3 Zimmermann, 2001, S.1
4 Gerhardt, 1999 - alle Paragrafen der InsO aus „Insolvenzgesetze“
5 Jahresbericht LBA 2001, S.21 und LfL „Hinweise und Besonderheiten zu Insolvenzverfahren nach dem neuen Insolvenzrecht in landwirtschaftlichen Unternehmen“, 1999, S. 5
6 Jeske und Barbier, 2000, S. 460
7 Gläubiger = Anspruchsinhaber; diejenigen, die eine Leistung vom Schuldner verlangen können
8 Bork, 1998, S. 1
9 Bork, 1998, S. 1 ff.
10 Zimmermann, 2001, S. 5
11 aid „Insolvenzrecht und Landwirtschaft“, 2001, S. 20
12 LfL „Hinweise und Besonderheiten zu Insolvenzverfahren nach dem neuen Insolvenzrecht in landwirtschaftlichen Unternehmen“, 1999, S. 29
13 LfL „Hinweise und Besonderheiten zu Insolvenzverfahren nach dem neuen Insolvenzrecht in landwirtschaftlichen Unternehmen“, 1999, S. 29
14 Bork, 1998, S. 44
15 Zimmermann, 2001, S. 11
16 LfL „Hinweise und Besonderheiten zu Insolvenzverfahren nach dem neuen Insolvenzrecht in landwirtschaftlichen Unternehmen“, 1999, S. 30
17 Bork, 1998, S. 45
18 Zimmermann, 2001, S. 11
19 Liquidationswerte = bei Einzelveräußerung im Zuge der Zerschlagung zu erzielende Werte
20 LfL „Hinweise und Besonderheiten zu Insolvenzverfahren nach dem neuen Insolvenzrecht in landwirtschaftlichen Unternehmen“, 1999, S. 30
21 Zimmermann, 2001, S. 12
22 Bork, 1998, S. 48
23 Bork, 1998, S. 48
24 Zimmermann, 2001, S. 12
25 Zimmermann, 2001, S. 13
26 Zimmermann, 2001, S. 16
27 aid „Insolvenzrecht und Landwirtschaft“, 2001, S. 25
28 Zimmermann, 2001, S. 18
29 Bork, 1998, S. 62
30 Bork, 1998, S. 19
31 Bork, 1998, S. 20
32 Zimmermann, 2001, S. 9
33 Uhlenbruck, 1998, S. 97 ff.
34 Bork, 1998, S. 31 ff.
35 Zimmermann, 2001, S. 30 ff.
36 aid „Insolvenzrecht und Landwirtschaft“, 2001, S. 14 ff.
37 LfL „Hinweise und Besonderheiten zu Insolvenzverfahren nach dem neuen Insolvenzrecht in landwirtschaftlichen Unternehmen“, 1999, S. 22
38 Bork, 1998, S. 35
39 Zimmermann, 2001, S. 36
40 aid „Insolvenzrecht und Landwirtschaft“, 2001, S. 16
41 Bork, 1998, S. 35
42 Zimmermann, 2001, S. 36
43 Bork, 1998, S. 37
44 Zimmermann, 2001, S. 25 ff.
45 Zimmermann, 2001, S. 62 ff.
46 Bork, 1998, S. 58 ff.
47 Zimmermann, 2001, S. 70
48 Bork, 1998, S. 71, 72
49 Bork, 1998, S. 76
50 Zimmermann, 2001, S. 85
51 Uhlenbruck, 1998, S. 79
52 Uhlenbruck, 1998, S. 85
53 Bork, 1998, S. 83
54 Bork, 1998, S. 83
55 Bork, 1998, S. 77
56 Uhlenbruck, 1998, S. 80
57 LfL „Hinweise und Besonderheiten zu Insolvenzverfahren nach dem neuen Insolvenzrecht in landwirtschaftlichen Unternehmen“, 1999, S. 33
58 Zimmermann, 2001, S. 104
59 Zimmermann, 2001, S. 104, 105
60 Zimmermann, 2001, S. 105 ff.
61 Bork, 1998, S. 145 ff.
62 Uhlenbruck, 1998, S. 54
63 Bork, 1998, S. 147
64 Zimmermann, 2001, S. 117 ff.
65 Bork, 1998, S. 149
66 Zimmermann, 2001, S. 118
67 Bork, 1998, S. 153
68 Übertragung der Vermögenswerte des Schuldners auf einen neuen Rechtsträger und Weiterführung des Unternehmens
69 Uhlenbruck, 1998, S. 102
70 LfL „Hinweise und Besonderheiten zu Insolvenzverfahren nach dem neuen Insolvenzrecht in landwirtschaftlichen Unternehmen“, 1999, S. 42 ff.
71 LfL „Hinweise und Besonderheiten zu Insolvenzverfahren nach dem neuen Insolvenzrecht in landwirtschaftlichen Unternehmen“, 1999, S. 40
72 Bork, 1998, S. 158
- Arbeit zitieren
- Michael Hartmann (Autor:in), 2003, Die Insolvenz - Chance oder Risiko für landwirtschaftliche Unternehmen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16232
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