Weltweit nimmt im Zuge der Globalisierung die Dominanz der englischen Sprache als Verkehrssprache weiter zu. Im familiären und regionalen Umfeld behalten die übrigen Sprachen, von denen es weltweit ca. 6.700 – davon 1.200 standardisiert – gibt, ihre Bedeutung bei und wirken Identität stiftend. Internationale Organisationen müssen auf die nationale Souveränität und Kultur ihrer Mitgliedstaaten Rücksicht nehmen, wenn sie selbst besondere rechtliche Beziehungen zu den Bürgern ihrer Mitgliedstaaten begründen.
Den Sprachen der Mitgliedstaaten kommt im institutionellen System der Europäischen Union deshalb eine besondere Bedeutung zu. Sie sind für die tägliche Kommunikation der Politiker und Beamten in Europa notwendig, werfen jedoch auch erhebliche praktische Probleme bei ihrer Verwendung auf. Manche sprechen von einem babylonischen Sprachenwirrwarr in Brüssel, zu dem es aber keine Alternative zu geben scheint. Allgemein akzeptiert ist die Zugehörigkeit der Sprache zur nationalen Identität der Mitgliedstaaten, die von der Europäischen Union geachtet wird (vgl. Art. 6 Abs. 3 des EU-Vertrages, Art. 22 der Europäischen Charta der Grundrechte). Sie ermöglicht nicht nur Kommunikation, sondern ist darüber hinaus auch Kultur stiftend. Die Errichtung eines Sprachenregimes in der Gemeinschaft stellte deshalb seit ihren Anfängen in den fünfziger Jahren eine große Herausforderung für die EG/EU dar. Als Folge der Erweiterung der EU nach Osten und Süden im Jahr 2004 werden sich die Probleme bei der Verwendung der zahlreichen Sprachen in den Institutionen der EU noch weiter verschärfen.
Einleitung
Weltweit nimmt im Zuge der Globalisierung die Dominanz der englischen Sprache als Verkehrssprache weiter zu. Im familiären und regionalen Umfeld behalten die übrigen Sprachen, von denen es weltweit ca. 6.700 – davon 1.200 standardisiert – gibt,[1] ihre Bedeutung bei und wirken Identität stiftend. Internationale Organisationen müssen auf die nationale Souveränität und Kultur ihrer Mitgliedstaaten Rücksicht nehmen, wenn sie selbst besondere rechtliche Beziehungen zu den Bürgern ihrer Mitgliedstaaten begründen.
Den Sprachen der Mitgliedstaaten kommt im institutionellen System der Europäischen Union deshalb eine besondere Bedeutung zu. Sie sind für die tägliche Kommunikation der Politiker und Beamten in Europa notwendig, werfen jedoch auch erhebliche praktische Probleme bei ihrer Verwendung auf. Manche sprechen von einem babylonischen Sprachenwirrwarr in Brüssel, zu dem es aber keine Alternative zu geben scheint.[2] Allgemein akzeptiert ist die Zugehörigkeit der Sprache zur nationalen Identität der Mitgliedstaaten, die von der Europäischen Union geachtet wird (vgl. Art. 6 Abs. 3 des EU-Vertrages, Art. 22 der Europäischen Charta der Grundrechte). Sie ermöglicht nicht nur Kommunikation, sondern ist darüber hinaus auch Kultur stiftend.[3] Die Errichtung eines Sprachenregimes in der Gemeinschaft stellte deshalb seit ihren Anfängen in den fünfziger Jahren eine große Herausforderung für die EG/EU dar. Als Folge der Erweiterung der EU nach Osten und Süden im Jahr 2004 werden sich die Probleme bei der Verwendung der zahlreichen Sprachen in den Institutionen der EU noch weiter verschärfen.
A. National- und Minderheitssprachen in Europa
Die bisherigen 15 Mitgliedstaaten der EU besitzen insgesamt 13 offizielle Landessprachen. Hierzu zählen zunächst die dänische, deutsche, englische, finnische, französische, griechische, irische (gälische), italienische, niederländische, portugiesische, schwedische und spanische Sprache. Im Jahr 1984 wurde in Luxemburg außerdem das Letzebuergesch neben Französisch und Deutsch zur Amtssprache erhoben. Infolge des Beitritts von 10 Neumitgliedern am 1. Mai 2004 hat sich diese Zahl um neun Sprachen (einschließlich der maltesischen Sprache[4]) auf immerhin 22 Nationalsprachen erhöht. Die auf Zypern gesprochene griechische Sprache ist bereits als Landessprache von Griechenland in der EU vertreten. Hiermit erschöpfen sich aber bei weitem nicht die von den Völkern der EU gesprochenen Sprachen.
Von den 370 Millionen Bürgern der „alten“ EU mit 15 Mitgliedstaaten sprechen fast 50 Millionen eine andere Sprache als die offizielle Amtssprache des betreffenden Landes. Neben den Amtssprachen der EU sind dies insgesamt gut 40 Sprachen, die über Generationen hinweg traditionell benutzt werden und die auch heute noch im täglichen Leben Verwendung finden. Hierzu gehört beispielsweise die kornische Sprache, die vor allem in Cornwall/England täglich von 1.000 Menschen gesprochen wird, wobei 2.000 weitere in der Lage sind, sie zu verwenden. Im Zuge der Osterweiterung ist die Zahl solcher Minderheitensprachen auf ca. 60 angestiegen.
Diese Sprachen werden von der EU sowie von dem jeweiligen Mitgliedstaat als so genannte „Minderheitssprachen“ bezeichnet. Infolge der Osterweiterung hat sich die Bedeutung der Minderheitssprachen verstärkt, da sowohl die jetzt beigetretenen Länder als auch potenzielle künftige Beitrittskandidaten stark geprägte ethnische Minderheiten haben, die eine andere Sprache als die Hauptsprache des Landes sprechen. In Lettland mit insgesamt 2,4 Millionen Menschen sprechen zum Beispiel neben Lettisch immerhin 30 % der Bürger Russisch und etwa 5 % der Einwohner Weißrussisch[5] ; in der Slowakei werden unter anderem Karpatisch, Romanisch Vlax und Rusyn gesprochen.
Einige Minderheitssprachen werden sogar häufiger gesprochen als offizielle Landessprachen anderer EU-Mitgliedstaaten. So sprechen in Spanien, Südfrankreich und der Stadt Alghero auf Sardinien fast 10,8 Millionen Menschen Katalanisch, während im Vergleich hierzu die Landessprache Ungarns von nur 10,5 Millionen und die der Tschechischen Republik lediglich von 10,3 Millionen gesprochen werden.
Diese Sprachen, die nicht Hauptsprachen eines EU-Mitgliedstaates sind, werden in der Sprachenregelung der EU als wenig benutzte Sprachen bezeichnet. Eine Definition von Regional- oder Minderheitssprachen befindet sich in der Europäischen Charta für Regional- und Minderheitssprachen von 1992, die vom Europarat entwickelt wurde. Der Europarat hat 40 solcher Sprachen anerkannt und in der Charta gefordert, deren Gebrauch in Bildung, Justiz, Verwaltung und Medien zu ermöglichen.[6]
Auf Initiative des Europäischen Parlaments, das eine Reihe von Entschließungen zu diesem Thema angenommen hat, unternimmt die EU Maßnahmen zur Förderung und zum Schutz der Regional- und Minderheitensprachen Europas. Zunächst findet eine finanzielle Unterstützung des Europäischen Büros für Sprachminderheiten und des Informationsnetzes Mercator statt. Außerdem gewährt die EU Unterstützungen für praktische Initiativen zum Schutz und zur Förderung von Regional- und Minderheitensprachen, vor allem im Unterrichtswesen. Die Grundrechte-Charta[7] der EU bleibt jedoch ebenso wie der Entwurf des Verfassungsvertrages[8] unter dem Niveau, das der Europarat mit seinen Konventionen zum Schutz der Minderheitssprachen (Charta der Regional- und Minderheitensprachen und Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten) vorgegeben hat. Besondere Rechte für Minderheitssprachen sehen diese EU-Dokumente nämlich nicht vor.
B. Rechtliche Grundlage des EU-Sprachenregimes
I. Allgemeines
Art. 22 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert die Achtung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt als einer der Grundsätze der EU. Aufgrund der besonderen Bedeutung der Sprache für die Identität ihrer Mitgliedstaaten gehen Art. 53 EUV, Art. 314 EGV sowie die EWG-Verordnung Nr. 1 zur Regelung der Sprachenfrage vom 15. April 1958[9] vom Grundsatz der Gleichberechtigung der Landessprachen aus. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass zwischen der Gemeinschaft/Union und den Bürgern der Mitgliedstaaten vielfältige unmittelbare Beziehungen bestehen,[10] im Gegensatz zum staatlich-diplomatischen Verkehr in den klassischen internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen (UNO) und der Welthandelsorganisation (WTO), die bei ihrer Arbeit deshalb mit wesentlich weniger Amtssprachen auskommen können: Die UNO beschränkt sich beispielsweise auf Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Russisch und Spanisch; die WTO arbeitet sogar nur mit Englisch, Französisch und Spanisch. Weil zahlreiche Rechtsakte der EG aber für die Bürger unmittelbar gelten (z.B. die Verordnungen), muss für sie das Recht in einer ihnen verständlichen Sprache abgefasst sein.
[...]
[1] Fishman, The New Linguistic Order, in: Foreign Policy, Winter 1998/99, S. 26 (32).
[2] Vgl. den Titel des Beitrags von Frohn, Babylon liegt in Brüssel: Das europäische Sprachengewirr, in: Europäische Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerrecht 2001, Heft 7, Die erste Seite.
[3] Möllers, Die Rolle des Rechts in der europäischen Integration, Tübingen 1999, S. 77.
[4] „Malti“ ist neben dem Englischen offizielle Amtssprache Maltas. Es hat seine grammatikalischen Wurzeln im Arabischen, das Vokabular kommt dagegen vorwiegend aus dem Italienischen. Anders als Irland hat Malta auf die Verwendung der zweiten Nationalsprache als EU-Amtssprache aber nicht verzichtet; vgl. Wägenbaur, Die Erweiterung der Union zwischen Sprachenvielfalt und Sprachlosigkeit, in: Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2003, Heft 23, Gastkommentar.
[5] Ausführlich hierzu Dobson, Ethnic Discrimination in Latvia, in: O’Reilly (ed.), Language, Ethnicity and the State, Vol. 2: Minority Languages in Eastern Europe post 1989, Palgrave 2001, Chap. 7.
[6] Phillipson, Linguistic Imperialism, Oxford 1992, S. 19.
[7] Art. 22: „Die Union achtet die Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen.“
[8] Art. I-3 Abs. 3: „Die Union wahrt den Reichtum ihrer kulturellen und sprachlichen Vielfalt und sorgt für den Schutz und die Entwicklung des kulturellen Erbes Europas.“
[9] Amtsblatt der Gemeinschaft 1958, S. 353 ff., jeweils geändert infolge der Beitritte.
[10] Vgl. Berteloot, Recht auf Sprache in Europa. Die Sprachen des Europäischen Rechts und die Rechte der Unionsbürger, in: Schulze/Ajani (Hrsg.), Gemeinsame Prinzipien des Europäischen Privatrechts/Common Principles of European Private Law, Baden-Baden 2003, S. 357 ff.
- Citar trabajo
- Dr. Gerald G. Sander (Autor), 2003, Die Verwendung der Sprachen in der EU - rechtliche Grundlagen und praktische Anforderungen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16153
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