Erinnert wird an die Jahre des ersten US-Hochkommissars in Deutschland 1949-1952 in Frankfurt und Bonn.
Am Anfang stand der dekorative Weihnachtsbaum, den Frankfurts Oberbürgermeister Walter Kolb 1949 ins adventliche IG-Farben-Gebäude schaffen ließ. Hausherr John J. McCloy zeigte sich gerührt über so viel Aufmerksamkeit auf Seiten der Besetzten und sparte seinerseits nicht mit Komplimenten. Rauchende Trümmer habe er vorgefunden, als er 1945 - damals noch stellvertretender Verteidigungsminister - mit General Pattons Armee die Stadt zum ersten Mal besuchte. Nur viereinhalb Jahre später konnte er nur staunen über die allgegenwärtigen Wiederaufbauanstrengungen in der Mainmetropole.
Dass die Hauptstadtwürde des provisorischen Weststaates am 3. November 1949 trotzdem fürs erste an das konkurrierende Bonn gefallen war, hatte der amerikanische Prokonsul nicht verhindern können. Zwar übte McCloy als Hochkommissar, zusammen mit seinem britischen und französischen Kollegen, die politische Aufsicht der Siegermächte über die bis 1955 noch nicht souveräne Bundesrepublik aus. Doch waren die alliierten Vorbehaltsrechte mehr außen- und wirtschaftspolitischer Natur. Die praktischen Entscheidungen über Aufbau und Verteilung der Verfassungsorgane waren Sache der Deutschen. Persönlich blieb McCloy gegenüber dem Konzept einer rheinischen Hauptstadt skeptisch; zum britischen Besatzungschef Brian Robertson bemerkte er einmal, ”wenn die Deutschen es schaffen würden, in Bonn ihre gesamte Regierungsmaschinerie unterzubringen, würden sie ein Wunder bewerkstelligen”.
Zumindest das Hauptquartier der einflussreichsten Besatzungsmacht verblieb in Frankfurt. Gleich nach seiner Ankunft im Sommer 1949 hatte sich der Pragmatiker McCloy gegen das bedrohte Berlin und für die Mainmetropole entschieden. Am 14. August wurde die US-Zentrale nach Frankfurt am Main verlegt. Hierhin wurde in den Folgemonaten ein Großteil des Personals versetzt. Innerhalb eines Vierteljahres entstand in unmittelbarer Nähe des IG-Farben-Hochhauses ein Komplex von 420 Wohnungen. Nach diesem anfänglichen Kraftakt wollte McCloy auch weiterhin den Schwerpunkt der eigenen Kontrollbürokratie am Main halten, in seiner rheinischen Dependance nur die engsten Mitarbeiter um sich haben, eine einigermaßen naive Vorstellung, die auf der Grundannahme basierte, der Arbeitschwerpunkt des US-Kommissars sei die Verwaltung seiner Zone, ergänzt lediglich durch wöchentliche oder noch seltenere Spitzentreffen in der Hauptstadtregion.
In der Praxis bedeutete diese Fehleinschätzung, dass McCloy, während am Rhein der Politikbetrieb anlief, im Bonner Raum für geraume Zeit nur über seinen Anteil am gemeinsamen Amtssitz der Alliierten Hohen Kommission auf dem Petersberg und das ehemalige US-Verbindungsbüro beim Parlamentarischen Rat verfügte. Erst am 28. September 1949 begann man damit, Schloss Deichmanns Aue in Bad Godesberg zu einem modernen Bürogebäude umzubauen. Aus dem geplanten Einzug im Dezember 1949 wurde nichts; McCloy konnte seinen exquisiten Dienstsitz am Rhein schließlich erst im Mai 1950 beziehen.
Die eigentliche Heimat des amerikanischen Hochkommissars blieb folglich, entsprechend der gewollten Ausrichtung auf Frankfurt, noch für geraume Zeit Bad Homburg. Im Sommer 1949 hatte McCloy als Residenz von seinem Vorgänger General Clay ”Haus Hohenbuchen” übernommen, eine 1937/38 durch den Industriellen Werner Reimers errichtete zweistöckige Villa mit 14 Zimmern. Für den Hochkommissar war das Domizil die perfekte Verbindung von modernem Wohnkomfort mit der Ruhe eines weitläufigen Anwesens. "Die Lage war spektakulär, und das Haus gab mir Gelegenheit, mich vom Stress des Arbeitstages zu erholen", erinnerte er sich noch im hohen Alter an sein geliebtes "Haus im Walde". ”Draußen, vor den Fenstern des McCloyschen Hauses, hörte ich den Schritt der hin und her gehenden Wachen”, erinnert sich Eugen Gerstenmaier nach einem Besuch an die akribische Sicherung des Komplexes durch Militärpolizei und Marinesoldaten, und nur zu bald fühlte er sich ”von dem glückhaften Gefühl durchdrungen ... , dass Deutschland endlich einmal auf der richtigen Seite stehe”.
Solange die amerikanische Kommission glaubte, den Bonner Politikbetrieb von Frankfurt aus überwachen zu können, blieb ihre personelle Präsenz am Rhein bescheiden. Ende Februar 1950 residierte nur der stellvertretende Hochkommissar mit seinen Mitarbeitern in Bad Godesberg. McCloys eigenes Sekretariat umfasste weniger als 40 Leute. Die ca. 40 leitenden Mitarbeiter, die jede Woche von Frankfurt nach Bonn fuhren, blieben im Durchschnitt weniger als einen Tag. Der Hochkommissar selbst z.B. bewältigte vormittags eine Kommissionssitzung mit Adenauer auf dem Petersberg, ein ausgiebiges Mittagessen mit dem französischen Kollegen auf Schloss Ernich und anschließend ein weiteres langes Treffen des Alliierten Rates auf dem Petersberg. Er brach morgens um 6.45 Uhr in Bad Homburg auf und ließ sich nach 20 Uhr dorthin zurückchauffieren. Drängten nach langen Gesprächen in Bad Homburg Termine in Bonn, wählte McCloy den eigenen Triebwagenzug (aus Beständen der NS-Prominenz übernommen); so konnte man unterwegs frühstücken und die durch die Nachtruhe unterbrochenen Verhandlungen fortsetzen.
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- Dr. Helmut Vogt (Author), 2010, Pendler zwischen Main und Rhein, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/161099