Nach dem Völkermord in Ruanda von 1994, welcher dem Ruandaexperten Gérard Prunier zufolge mehr als 800.000 Menschen das Leben gekostet hat, ist Nicolas Sarkozy der erste französische Präsident, der Ruanda wieder einen offiziellen Besuch abstattet. Im Zuge dessen gesteht er erstmals „schwere Einschätzungsfehler“ sowie „politische Fehler“ Frankreichs ein. Kurz nach dem Aufenthalt Sarkozys in der ruandischen Hauptstadt Kigali berichtet die französische Zeitung Le Monde, die Witwe des ehemaligen ruandischen Präsidenten Juvénal Habyarimana sei in Paris vorläufig festgenommen worden. Sie wird verdächtigt, den Völkermord mit koordiniert und geplant zu haben. Agathe Habyarimana soll sich jedoch schon seit dem 9. April 1994 in der französischen Hauptstadt aufgehalten haben.
Als nicht eindeutig erklärbar erweist sich Frankreichs Interesse und (militärisches) Engagement in Ruanda. Denn Ruanda verfügt, im Gegensatz zur benachbarten Demokratischen Republik Kongo, über keine bedeutenden Ressourcen.
Aus diesem Grund soll der Frage nachgegangen werden, welche Bedeutung Ruanda für Frankreich hat und warum Paris das Regime des ehemaligen Präsidenten Habyarimana aktiv unterstützte. Darüber hinaus soll untersucht werden, ob es sich bei der französischen Militäroperation Noroît, sowie der Post-Genozid-Intervention Turquoise um, wie offiziell kommuniziert wurde, Operationen humanitären Charakters handelte, oder ob vielmehr nationale Interessensfestigung dominierte. Desweiteren zielt die vorliegende Arbeit darauf ab, die gegen Frankreich erhobenen Vorwürfe zu überprüfen.
Die deutsche und belgische Kolonialzeit und die damit verbundene (pseudo-)ethnische Differenzierung werden kurz skizziert, um die historisch sowie soziokulturell entstandenen Rivalitäten zwischen Tutsi und Hutu beleuchten zu können.
Der zweite Teil der Arbeit untersucht anfangs die Beziehung zwischen Frankreich und dem 1962 unabhängig gewordenen Ruanda, insbesondere die französischen Interessen an dem rohstoffarmen Land. Anschließend sollen die Operationen Noroît und Turquoise analysiert werden, wobei der Fokus auf letzterer liegen soll.
Der abschließende Teil der Arbeit beinhaltet den Vergleich zweier Objekte: Zum einen soll der Vorwurf der politischen, zum anderen der militärischen Unterstützung der ruandischen Regierung durch Frankreich beleuchtet werden. Die Wahl dieser Objekte lässt sich mit deren Wichtigkeit und der Schwere des Vorwurfs begründen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Personenverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Einführung und Problemdefinition
1.2 Fragestellung, Aufbau und Ziel der Arbeit
2. Vom Kolonialruanda zum Völkermord
2.1 Le piège ethnique: Die europäische Kolonialzeit
2.2 Das explosive Jahrhundert: Eskalation der ethnischen Spannungen
2.3 Demokratisierungsansätze und das Friedensabkommen von Arusha
3. Frankreich und Ruanda: eine zufällige ‚Freundschaft‘?
3.1 Geostrategische und geopolitische Interessen
3.2 Wirtschaftliche Bindungen
3.3 Zwischen persönlichen Beziehungen und Vetternwirtschaft
4. Frankreichs militärische Interventionen: Nächstenliebe oder geopolitisches Kalkül?
4.1 Die Operation Noroît: eine reine Schutzmaßnahme für europäische Staatsbürger?
4.2 Die Operation Turquoise: humanitäre oder politische Intervention?
5. Frankreich und Ruanda: eine Zwischenbilanz
6. Analyse der ruandischen Vorwürfe zur Beteiligung Frankreichs am Völkermord
6.1 Politische Unterstützung und gezielte Evakuierung
6.2 Kontinuierliche Kriegsbeteiligung
6.2.1 Die Beteiligung der Nachrichtendienste
6.2.2 Strategische und taktische Unterstützungsmaßnahmen
7. Die Schuldfrage: Französische Republik oder unkontrollierbare Akteure?
7.1 Zusammenfassung
7.2 Konklusion
Literaturverzeichnis
Anhang 1: Zeittafel zu den Beziehungen zwischen Frankreich und Ruanda
Anhang 2: Karte Ruandas und angrenzender Länder
Anhang 3: Geostrategische Lage Ruandas
Anhang 4: Karte der Frankophonie und des Commonwealth of Nations
Anhang 5: Auszug aus der Resolution 929 (1994) des Sicherheitsrates der VN
Anhang 6: Auszug aus ‚Les dossiers noirs de la politique africaine de la France’
- Arbeit zitieren
- Jean A. Charar (Autor:in), 2010, Völkermord in Ruanda. La Grande Nation zwischen "Gendarme d’Afrique" und Interessensfestigung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/160950
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