Deutschland und Norwegen verbindet eine gemeinsame kulturelle Entwicklungsgeschichte. Der gemeinsame germanische Ursprung wie auch die geografischen Lagen beider Länder sind Gründe dafür, dass es schon sehr früh Handel und Wirtschaft zwischen Deutschland und Norwegen gegeben hat. Zudem gibt es sehr große sprachliche Parallelen, die für diese Wirtschaftsbeziehungen besonders in früheren Zeiten sehr hilfreich waren und insbesondere die Entwicklung des Norwegischen stark beeinflussen konnten.
Angefangen mit der mittelalterlichen Hanse, bestehen auch heutzutage noch größere Firmenkontakte und wirtschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und Norwegen. In der globalen Welt zeigen sich diese jedoch anders als noch vor einigen hundert Jahren.
Wie wurde früher miteinander kommuniziert, wie heute? Welche Schwierigkeiten treten auf, wenn man an die sprachliche Situation und die kulturellen Unterschiede in beiden Ländern denkt? Inwieweit hilft es, dass Deutschland und Norwegen sich so ähnlich sind? Der sprachlich-kulturelle Aspekt meiner Masterarbeit soll sich unter anderem genau diesen Fragen widmen. Darüber hinaus soll ein Einblick in die gemeinsame Geschichte gegeben werden. Neben der Hansezeit spielt hierbei insbesondere der Zweite Weltkrieg eine bis heute nicht zu verachtende Rolle.
Gibt es interkulturelle Faktoren, die auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Norwegen und Deutschland einwirken? Welche Rolle spielen hierbei Stereotype? In einer eigenen Forschung habe ich mir vor allem diese beiden Fragen vorgenommen und untersucht, welchen Zusammenhang es zwischen gängigen Stereotypen und dem Gelingen von wirtschaftlichen Kontakten in der Realität gibt.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Die norwegische Sprachsituation
1.1 Die geschichtliche Entwicklung des Norwegischen
1.2 Amtssprachen und Fremdsprachen im heutigen Norwegen
2. Interkulturelle Wirtschaftskommunikation – Was ist das?
2.1 Die Sprache der Wirtschaft
2.2 Kultur und Interkulturalität
2.3 Das Unvermeidbare: Stereotype
3. Interkulturelle Beziehungen zwischen Norwegen und Deutschland
3.1 Die Wirtschaftsbeziehungen über die mittelalterliche Hanse
3.2 Das 20. Jahrhundert
3.3 Vergleich der beiden Wirtschaftskulturen zu heutigen Zeiten
4. Meine Feldforschung zur norwegisch-deutschen Wirtschaftskommunikation
4.1 Die Deutschen über die Norweger
4.1.1 Aspekte der Kommunikation auf wirtschaftlicher Ebene
4.1.2 Stereotype
4.2 Die Norweger über die Deutschen
4.2.1 Aspekte der Kommunikation auf wirtschaftlicher Ebene
4.2.2 Stereotype
4.3 Zusammenfassung
5. Schlussbemerkung
6. Literatur
7. Anhang
Einleitung
Deutschland und Norwegen verbindet eine gemeinsame kulturelle Entwicklungsgeschichte. Der gemeinsame germanische Ursprung wie auch die geografischen Lagen beider Länder sind Gründe dafür, dass es schon sehr früh Handel und Wirtschaft zwischen Deutschland und Norwegen gegeben hat. Zudem gibt es sehr große sprachliche Parallelen, die für diese Wirtschaftsbeziehungen besonders in früheren Zeiten sehr hilfreich waren und insbesondere die Entwicklung des Norwegischen stark beeinflussen konnten.
Angefangen mit der mittelalterlichen Hanse, bestehen auch heutzutage noch größere Firmenkontakte und wirtschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und Norwegen. In der globalen Welt zeigen sich diese jedoch anders als noch vor einigen hundert Jahren.
Wie wurde früher miteinander kommuniziert, wie heute? Welche Schwierigkeiten treten auf, wenn man an die sprachliche Situation und die kulturellen Unterschiede in beiden Ländern denkt? Inwieweit hilft es, dass Deutschland und Norwegen sich so ähnlich sind? Der sprachlich-kulturelle Aspekt meiner Masterarbeit soll sich unter anderem genau diesen Fragen widmen. Darüber hinaus soll ein Einblick in die gemeinsame Geschichte gegeben werden. Neben der Hansezeit spielt hierbei insbesondere der Zweite Weltkrieg eine bis heute nicht zu verachtende Rolle.
Gibt es interkulturelle Faktoren, die auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Norwegen und Deutschland einwirken? Welche Rolle spielen hierbei Stereotype? In einer eigenen Forschung habe ich mir vor allem diese beiden Fragen vorgenommen und untersucht, welchen Zusammenhang es zwischen gängigen Stereotypen und dem Gelingen von wirtschaftlichen Kontakten in der Realität gibt.
1. Die norwegische Sprachsituation
Anders als in allen anderen europäischen Ländern gibt es in Norwegen keine offizielle Standardsprache. Alle gesprochenen norwegischen Dialekte werden als gleichwertig betrachtet, und auch schriftlich gibt es zwei offizielle Varianten des Norwegischen. In diese beiden Varianten, das Bokmål und das Nynorsk, wird immer wieder versucht, die Vielzahl der Dialekte zu kategorisieren. Jedoch weisen diese teils so starke Abweichungen von der jeweiligen empfohlenen Schriftsprache auf, dass es keinen Sinn macht, sie in diese eingliedern zu wollen.
Im Norwegischen kann es keinen falschen Sprachgebrauch geben, da jede Sprachvariation ein Dialekt oder eine individuelle Sprachfärbung sein kann. Auch wenn Bokmål als Schriftsprache und als der dominante norwegische Dialekt empfohlen wird, bedeutet dies noch lange nicht, dass der größte Teil der norwegischen Bevölkerung auch vom reinen Bokmål in seiner Strukturiertheit und Regelung Gebrauch macht.
1.1. Die Geschichtliche Entwicklung des Norwegischen
Das älteste bekannte Runenalphabet stammt aus der Zeit des Urnordischen um ca. 200-800 n.Chr. Zu dieser Zeit hatte Urnordisch noch sehr viele Gemeinsamkeiten mit dem Urgermanischen. Dennoch entstanden im Nordischen die ersten typischen skandinavischen Sprachmerkmale, wie wir sie heutzutage kennen. Aus dem Urnordischen entsprang um 800 n.Chr. das Altnordische, das sich um ca. 900 n.Chr. in West- und Ost-Nordisch mit all seinen Unterkategorien teilte. Im Gegensatz zu Altschwedisch und Altdänisch war Altnorwegisch eine westnordische Sprache, so wie auch Altisländisch und Altfäröisch.
In der altskandinavischen Periode bis zum 13. Jahrhundert entwickelten sich die ostnordischen Sprachen stetig weiter, während die westnordischen nur sehr wenigen Veränderungen unterliefen. Zu dieser Zeit wurde das lateinische Alphabet im skandinavischen Sprachraum eingeführt und ersetzte das bis dahin verwendete Runenalphabet. Norwegen war im 13. Jahrhundert noch unabhängig, was sich im Jahre 1319 durch die Union mit Schweden änderte. Fortan war Norwegen fast ständig kolonisiert oder in anderer Weise abhängig, was sich auf die Sprachentwicklung wie auf die gesamte Kultur auswirkte.
Während sich in der mittelskandinavischen Periode Norwegisch gemeinsam mit dem Schwedischen entwickelte, nahm Dänisch einen immer höheren Stellenwert ein und entwickelte sich in großer Geschwindigkeit weiter. Durch die Hanse floss ein großer Teil des Mittelhochdeutschen in die skandinavischen Sprachen ein und beeinflusste sie maßgebend. Seit 1380 stand Norwegen dann in Union mit Dänemark, was dazu führte, dass die norwegische Sprache immer stärker vom Dänischen verdrängt wurde. Im Jahr 1500 verschwand Norwegisch völlig aus dem offiziellen Sprachgebrauch und wurde komplett durch das Dänische ersetzt.
In den nächsten 300 Jahren blieb Norwegisch nur einem Teil der Bevölkerung als Kommunikationssprache, bevorzugt der Landbevölkerung, die verschiedene norwegische Dialekte sprach. Die Oberschicht verständigte sich ausschließlich auf Dänisch, da das gesamte Schulwesen und alle Ämter Dänisch als Standardsprache verwendeten. Da die Landbevölkerung in Norwegen aber schon immer aber den größten Teil der Bevölkerung ausmachte, breitete sich das Norwegische wieder aus. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich Dänisch zur reinen Schriftsprache entwickelt, die nur noch von ca. 5% der Oberschicht auch gesprochen wurde. Eine stark dänisierte Form des Norwegischen dominierte den allgemeinen Sprachgebrauch.
Im Strom der norwegischen Nationalromantik entwickelte sich eine neue Zuwendung der eigenen ursprünglichen norwegischen Sprache. Allerdings stand man vor dem Problem, zwar eine vom Großteil der Bevölkerung gesprochene Sprache zu besitzen, jedoch eine Schriftsprache zu haben, die von dieser abwich und von fast niemandem mehr benutzt wurde. Ab 1878 begann man somit, die norwegische Sprache zu reformieren, was bis heute noch nicht abgeschlossen ist.
1878 wurden offiziell zwei norwegische Amtssprachen anerkannt. Landsmål, d.h. Landsprache, wurde der Oberbegriff für die vielen unterschiedlichen Dialekte, die von der Landbevölkerung gesprochen wurden. Riksmål, also Reichssprache, war die Mischsprache aus Dänisch und Norwegisch, die sich gegenseitig immer weiter beeinflussten.
Ende des 19. Jahrhunderts wurden Landsmål und Riksmål gleichgestellt. Jedoch war Riksmål die Sprache der Ämter und des Schulwesens, für die es grammatikalische und orthografische Regeln gab, während Landsmål weiterhin als „Bauernsprache“ deklassiert wurde. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts gab es auch Orthografieregeln für das immer weiter zurückgehende Landsmål. Zu dieser Zeit war man ebenfalls bemüht, die beiden offiziellen Sprachen anzugleichen. Die als Samnorsk geplante Sprache sollte von Lands- wie von Riksmål Elemente enthalten und beide Sprachen zu einer einzigen zusammenführen. Allerdings entwickelten sich die beiden Sprachen eher noch weiter auseinander, statt sich anzugleichen. 1905 löste sich Norwegen aus der dänischen Kolonialisierung. Seither ist Norwegen unabhängig.
Im Jahr 1929 erfolgte die Umbenennung der beiden Amtssprachen in Bokmål und Nynorsk. Aus Riksmål wurde Bokmål, die Sprache der Bücher. Landsmål wurde zu Nynorsk, dem Neunorwegischen. 1938 versuchte man erneut, die beiden Sprachen zu reformieren und einander anzugleichen. Diese radikalen Reformen wurden jedoch nicht angenommen, sondern eher als wahlfrei angesehen. Der Versuch, das Femininum des Nynorsk zu entfernen und in den gemeinschaftlichen Kasus Utrum zu ändern, der in Bokmål vorherrscht, führte dazu, dass noch heute in Nynorsk etwa 1000 Worte existieren, bei denen es frei steht, ob man sie ins Femininum oder ins Utrum setzt. Während des Zweiten Weltkrieges nahm der nynorsksprechende Bevölkerungsteil wieder stark zu, was aber nach Ende des Krieges genauso schnell wieder abflachte. Durch die fortschreitende Urbanisierung setzte sich Bokmål immer weiter durch und verdrängte Nynorsk immer weiter in die ländlichen Bereiche.
In den 1960er Jahren gab es noch einen bislang letzten Versuch, das Samnorsk aufzubauen, der aber erneut scheiterte. Seit den 1990er Jahren sind alle Sprachvarianten des Norwegischen akzeptiert und werden grob gegliedert, um sie den beiden offiziellen Sprachen einzuordnen. Der Großteil der Bevölkerung, insbesondere in Städten und Ballungszentren, spricht Bokmål mit seinen vielen verschiedenen dialektalen Varianten, während ein kleiner Teil der besonders westlichen Landregionen Nynorsk mit all seinen Facetten spricht.
1.2. Amtssprachen und Fremdsprachen im heutigen Norwegen
Im heutigen Norwegen existieren, wie oben bereits erwähnt, die beiden Amtssprachen Bokmål und Nynorsk. Die Beherrschung beider Sprachen wird von jedem Norweger erwartet, denn in den Schulen werden beide Sprachen unterrichtet. So muss jeder norwegische Schüler fähig sein, die grundlegenden Regeln der jeweils nicht aktiv verwendeten Sprache dennoch weitestgehend anwenden zu können.
Obwohl Nynorsk einen geringeren Sprecheranteil hat als Bokmål, wird darauf geachtet, beide Sprachen gleichwertig zu verwenden. So findet man auf Briefmarken den Landesnamen auf Nynorsk, und in Fernsehen und Rundfunk gibt es eigene Sendeformate nur für Nynorsk. An erster Stelle wird allerdings immer Bokmål aufgeführt, so z.B. auf norwegischen Websites oder Infobroschüren. Norwegischkurse für nicht-norwegische Muttersprachler erfolgen zudem auch stets in Bokmål. Jeder nicht-norwegische Muttersprachler lernt somit zuerst Bokmål als Standardsprache, bekommt aber für gewöhnlich den Ratschlag, sich seine gewünschte Sprachvariation selbst suchen zu müssen.
Neben den dialektalen Unterschieden existieren jedoch auch innerhalb der zwei großen Sprachklassifikationen Unterschiede, die zu kleineren Verständnisschwierigkeiten führen können. Allein das norwegische Zahlensystem unterliegt der völligen Wahlfreiheit des jeweiligen Sprechers. Die geläufigste Variante ist die Stellung der Zahlen wie wir es im Deutschen kennen, sprich zwei-und-dreißig statt dreißig-zwei. Diese zweite Variante gibt es im Norwegischen allerdings zusätzlich auch. Am wenigsten geläufig, aber dennoch zulässig, ist ebenfalls das dänische Zahlensystem, das in ganz eigenen Zahleneinheiten mit Dritteln, Halben und n-fachen Werten rechnet.
Auch bei der Orthografie gibt es zwar Regeln, was Bokmål und Nynorsk betrifft, doch dialektale Abweichungen sind ebenfalls erlaubt. Das zeigt sich besonders beim norwegischen Wort für „Sprache“, das man språk in Bokmål, sprog in Nynorsk schreibt, aber bei dem auch die Schreibweisen sprak und sprok akzeptierte Dialektformen sind. Die Mischung einzelner dem Bokmål angehörigen Vokabeln in Nynorsk oder andersherum ist ebenfalls erlaubt und verhält sich völlig anders als zum Beispiel die Handhabung zwischen britischem und amerikanischem Englisch, bei dem in keinem Fall, außer in der Umgangssprache, gemischt werden darf.
Dieser komplizierten Situation bei der Verwendung des Norwegischen kommt zusätzlich die Situation der Fremdsprachen hinzu. Es wird sicher wenig überraschen, dass diese ähnlich individuell und verworren ist wie die der norwegischen Sprache. Gemeinhin lässt sich behaupten, dass Fremdsprachen in Norwegen einen eher geringen Stellenwert haben. Die erste Fremdsprache, die an norwegischen Schulen unterrichtet wird, ist in den meisten Fällen Englisch. An einigen Schulen wird jedoch auch Deutsch als erste Fremdsprache angeboten. Dies ist besonders in Regionen der Fall, in denen bevorzugt Nynorsk gesprochen wird. Durch die Unterschiede zwischen Nynorsk und Bokmål lässt sich eine gering größere Ähnlichkeit zwischen Nynorsk und Deutsch feststellen als zwischen Bokmål und Deutsch. Bis zu den 1950er Jahren war in Gesamtnorwegen Deutsch an allen Schulen die erste Fremdsprache. Mittlerweile büßt Deutsch seinen Stellenwert ein. „Nach 30 Jahren mit einer Schulpolitik, die für die Sprachfächer ziemlich unglücklich gewesen ist, haben die Schüler ein obligatorisches Sprachfach neben der Muttersprache […] Deutsch wird als ein anstrengendes und anspruchsvolles Fach empfunden, das zu schwierig für die meisten Schüler ist.“[1] Zwar leidet Deutsch unter seinem schlechten Image und ist in der Tat nicht gerade eine der am einfachsten zu erlernenden Sprachen, doch sollte „für einige Länder in Nordeuropa, die zur gleichen Sprachfamilie gehören, dies nicht unbedingt gelten.“[2]
Ein großer Makel in der Fremdsprachenpolitik Norwegens ist darüber hinaus, dass man in seiner gesamten Schullaufbahn nur verpflichtet ist, eine einzige Fremdsprache zu erlernen. „Weder an der Grundschule noch an der weiterführenden Schule muss man eine zweite Fremdsprache lernen.“[3] Somit ist es kaum möglich, statistisch festzuhalten, welche Sprache die beliebteste zweite Fremdsprache der Norweger ist. Seit 1997 gibt es jedoch ein Konzept, um dem Fremdsprachenmangel in Norwegen vorzubeugen. „1997 ist (…) ein neuer Lehrplan in Kraft getreten, kurz: der L97. Dieser Lehrplan schreibt Deutsch oder Französisch als zweite Fremdsprache als nahezu obligatorisch vor. (…) Auch die Gesamtzahl der Unterrichtsstunden, die der zweiten Fremdsprache gewidmet sind, ist mit der Einführung der L97 gestiegen.“[4] Allerdings ist der neue Lehrplan nur vereinzelt berücksichtigt worden, und an vielen Schulen gibt es weiterhin nur die Möglichkeit, eine einzige Fremdsprache zu lernen.
Ein wachsendes Interesse besteht derzeit am Spanischen. Dies wird von Sprachinteressierten vor allem damit begründet, dass die Grammatik einfach sei und viele Norweger in Spanien Urlaub machten. Doch rein ökonomisch besteht kein größerer Bedarf an Spanisch für die norwegische Wirtschaft. Russisch ist nur in Nordnorwegen eine Alternative, da im Grenzgebiet verschiedene Wirtschaftskontakte existieren. Ein großes Interesse an der russischen Sprache findet sich aber eher nicht, da auch diese als zu aufwändig zu lernen für die Norweger erscheint.
Die individuellen Unterschiede mögen schwanken. Während es an manchen Universitäten überhaupt keine Sprachfächer mehr gibt, werden insbesondere in Oslo noch viele Sprachen angeboten. Auch in verschiedenen Fachbranchen, wie z.B. dem Tourismus, besteht weiterhin Bedarf an Fremdsprachen. Trotzdem bleibt das allgemeine Fremdsprachenniveau in Norwegen auch aufgrund des starken Mangels an qualifiziertem Fachpersonal eher niedrig. Nach der Pensionierung von Sprachlehrern wurden viele Jahre lang keine neuen Lehrkräfte mehr an ihrer Stelle eingesetzt. Deutschlehrer wurden entlassen, mit der Begründung, es gebe nicht genug Bewerber für das Fach Deutsch. Auch gibt es kaum ausgebildete Lehrkräfte, sondern meist nur unqualifizierte Privatpersonen aus anderen Fachbereichen, die Sprachkurse zu speziellen Themenbereichen geben. Es gibt kaum Nachwuchs im sprachlichen Lehrbereich. Dies ist besonders deshalb erschreckend, weil eine gewisse Nachfrage besonders für die deutsche Sprache nachweislich existiert. „Eine Stichprobe beim Arbeitsamt hat im Februar 2001 ergeben, dass das Tagesangebot für Deutsch hoch ist: Es gab im Durchschnitt 220 Stellen, bei denen Deutschkenntnisse in irgendeiner Form explizit nachgefragt waren.“[5] Dadurch wird deutlich, dass es große Diskrepanzen zwischen Angebot und Nachfrage im fremdsprachlichen Bereich gibt. Ob diesem Problem in Zukunft nachgegangen wird, ist allerdings fraglich.
2. Interkulturelle Wirtschaftskommunikation – Was ist das?
Wenn wir von interkultureller Wirtschaftskommunikation sprechen, sind dies bereits zwei Begriffe, die in ihrer Bedeutung erst einmal definiert werden müssen. Zwar scheint die Bedeutung nahezuliegen, doch bei genauerer Betrachtung ist das Wort „interkulturell“ nicht wirklich so eindeutig wie es vielleicht auf den ersten Blick erscheint. Die mehrschichtigen Bedeutungsfeinheiten des Stammbegriffs „Kultur“ und der Zusammenhang zwischen Kultur und Interkulturalität werden erst bei näherer Betrachtung deutlich. Über den Inhalt, der zum Begriff „interkulturell“ zusammengefasst wird, gibt es unterschiedliche Definitionen. Besonders vielfältig wird es, wenn berücksichtigt wird, dass es in manchen Sprachen, wie auch dem Norwegischen, nicht nur ein Wort gibt, das dem deutschen „interkulturell“ entspricht.
Wirtschafskommunikation impliziert darüber hinaus, dass es eine besondere Sprache der Wirtschaft zu geben scheint, die nicht identisch ist mit der Sprache, die in anderen Kommunikationssituationen verwendet wird. Doch was ist damit wirklich gemeint? Um was es sich bei Wirtschaftssprache handelt und worin sich diese von anderen Sprachen und Sprachklassifizierungen unterscheidet, soll im nächsten Kapitel genauer betrachtet werden.
2.1. Die Sprache der Wirtschaft
Eine Sprache besteht aus vielen linguistischen Einzelteilen. Sie hat Vokabeln und Grammatik, besteht ferner aus lexikalischen und grammatikalischen Bereichen wie Morphologie und Syntax, aus Semantik und aus ihrem kommunikativen Gebrauch. Schnell wird auffallen, dass bei einer bestimmten Fachsprache keine eigene Fachsprachenmorphologie oder Fachssprachensyntax existiert. Eine Fachsprache unterscheidet sich somit nur auf lexikalischer Ebene von der jeweiligen Landessprache. Ihre Eigenart ist „die besondere Semantik von an sich bekannten Wörtern sowie die besondere Lexik eines spezifischen Fachgebiets“.[6]
Da der grammatikalische Bereich der Hauptsprache somit von der Fachsprache unberührt bleibt, stellt sich die Frage, wie man Fachsprache überhaupt als solche analysieren kann. Hierzu wird die Fachsprache „horizontal inhaltlich in ‚Fächer’ und vertikal sprachlich“[7] in verschiedene Sprachstile eingeteilt. Alleine durch die inhaltliche Einteilung in unterschiedliche Fächer fällt es jedoch schwer, eine bestimmte Fachsprache gänzlich von anderen Fachsprachen aus anderen Bereichen abzutrennen. In vielen Situationen finden sich Interessensverflechtungen, von denen unterschiedliche Fachsprachen angesprochen werden. So gehen insbesondere wirtschaftliche Interessen meist einher mit juristischen und anderen fachlichen Inhaltsfaktoren. Kvam führt das Beispiel eines Kaufvertrags einer Bohrmaschine an: Er beinhaltet technische Daten über die Maschine, wirtschaftliche Konditionen wie beispielsweise die Kosten des Werkzeugs sowie die juristischen Verpflichtungen und Vertragsbedingungen der beiden Kaufparteien. Innerhalb des Vertrages finden sich somit gleich drei thematisch unterschiedliche Fachsprachen, die zu einem Schriftstück zusammengefügt wurden.
Gibt es folglich einen Unterschied zwischen reiner Fachsprache und Fachkommunikation? Auch hier gibt es ein Modell: Die Interaktion von theoretischer Sprache und praktischer Kommunikation lässt die Annahme zu, dass Sprache gebunden ist an ihren situativen Gebrauch in unterschiedlichen sozialen wie geschäftlichen Handlungsbereichen. Sprache ist „als wichtigstes Medium menschlicher Kommunikation (…) als Phänomen nur in Kommunikationssituationen zu finden.“[8] Eine Analyse von Fachsprachen kann deshalb nur über die Betrachtung von authentischer Kommunikation erfolgen, da durch diese die jeweilige Fachsprache erst ihren Verwendungszweck erhält. Fachsprache ist kein theoretisches Modell, sondern eine lebendige Kommunikationssituation mit Verflechtungen anderer Fachsprachen und der grammatikalischen und lexikalischen Basis ihrer vorausgehenden Hauptsprache.
2.2. Kultur und Interkulturalität
Das Wort Kultur stammt aus dem Lateinischen und leitet sich ab von „colere“, was auf der einen Seite „pflegen“ und „bebauen“ bedeutet, auf der anderen jedoch auch „anbeten“ und „verehren“. Schon die doppelte Bedeutungsvarianz des lateinischen Ursprungswortes lässt die Entwicklung des Begriffs bis hin zum heutigen Verständnis von Kultur erkennen: Kultur ist im Gegensatz zur Natur eine erbaute Welt, die künstlich geschaffen wurde. Sie steht über der unge“pflegten“ wilden Natur und wird als höchstes Gut verehrt und angebetet. Dieses Sinnbild lässt sich auf alles transferieren, das heutzutage unter den Begriff „Kultur“ fällt. Man spricht von Kultur im Sinne von Künsten wie Malerei, Musik oder Schauspiel, die als höchstes geistiges Gut einer Nation oder Gesellschaft angesehen werden. Auf der anderen Seite wird aber auch über eine Badezimmerkultur oder eine Punkkultur gesprochen. Der Unterschied in der Verwendung des Kulturbegriffs fällt gleich ins Auge. Der Begriff Kultur hat in den letzten Jahrzehnten eine viel weitere Bedeutungsspanne erhalten, als er noch vor beispielsweise 100 Jahren hatte.
Bezogen auf das menschliche Miteinander unterliegt der Begriff Kultur einer Vielzahl an Definitionen. Einig ist man sich darin, dass Menschen sich und andere in Gruppen einteilen. Der Soziologe Walter Lipmann bezeichnet die Gruppe, der ein Individuum angehört, als sogenannte „in-group“, während alle anderen Gruppen als sogenannte „out-groups“ bezeichnet werden.[9] Schon als Kind beginnt der Mensch, seine Umwelt in Gruppen einzuteilen und diese unweigerlich auch zu bewerten. Was genau aber macht den Zusammenhalt einer Gruppe bzw. einer Kultur aus? Der Soziologe Michael Thomas definiert eine Kultur als „die Summe der Werte und Ordnungsvorstellungen, die eine bestimmte Gruppe für sich als verbindlich festgelegt hat und die das Denken, Fühlen und Handeln [dieser Gruppe] bestimmen.“[10] Somit ist Kultur, mit den Worten des Kulturforschers Geert Hofstede ausgedrückt, „die kollektive Programmierung des Geistes, die die Mitglieder einer Gruppe oder Kategorie von Menschen von einer anderen unterscheidet“[11].
Eine Kultur hat also ein Wertesystem und eine eigene Ordnung, die Prinzipien beinhalten, denen die jeweilige Kultur folgt und die sie als richtig ansehen. Derartige Prinzipien nennen sich Kulturstandards. Sie sind die Bausteine der Kultur, an denen sich Mitglieder der Kultur orientieren und deren gemeinsame Ausübung ihnen Anerkennung innerhalb der Gruppe bescheren. Auch Kulturstandards lassen sich in grobe und feine Elemente einteilen. Grobe Kulturstandards sind zwischen unterschiedlichen Kulturen besonders gut vergleichbar. So lassen sich Kulturen beispielsweise schon darin unterscheiden, welches Verhältnis die Zeit in ihrer jeweiligen Kultur spielt, welche Bedeutung das Individuum im Vergleich zum Kollektiv der Gruppe innehat, welche Rolle Alter und Geschlecht spielen, wie Autoritäten verteilt sind und welche Rolle Vorschriften und Regeln für die Mitglieder der Kultur spielen. Diese Leitfragen lassen jede Kultur schnell in bestimmte Klassifizierungen einteilen. So kann man beispielsweise bei der Frage nach der Rolle des Individuums unterscheiden, ob eine Kultur eine sogenannte „Ich-Kultur“ oder eine sogenannte „Wir-Kultur“ ist. „Ich-Kulturen“ haben die Gemeinsamkeit, dass das Individuum stärker im Vordergrund steht, während bei „Wir-Kulturen“ die Familie oder die Gesamtheit der Mitglieder der Kultur einen wichtigeren Platz einnimmt als die Bedürfnisse und Belange der Einzelperson. Im Vergleich mit derart groben Kulturstandards können größere Gemeinsamkeiten oder Differenzen von einer Kultur zu einer anderen festgestellt werden. Neben den groben gibt es aber auch die feinen Kulturstandards, die so individuell sein können, dass sie im bestimmten Fall nur einer einzigen Kultur zugeschrieben werden können. Diese feinen Kulturstandards sind oft das, was man in der Umgangssprache als typisch für eine Kultur bezeichnet. „Typisch deutsche“ Kulturstandards wären beispielsweise die hohe Sachorientierung, die Regel- und Ordnungstreue oder die starke Trennung von verschiedenen Lebens- und Persönlichkeitsbereichen. Diese Kulturstandards werden in der deutschen Kultur als selbstverständlich, also „typisch“ hingenommen, während sie in anderen Kulturen auf Verwunderung stoßen, da ebendiese Prinzipien in der anderen Kultur keine größere Rolle spielen.
Ein weiterer Faktor, der wichtig ist bei der Definition des Kulturbegriffs, ist der Faktor der Subkulturen. Was oben als „typisch deutsch“ bezeichnet wurde, mag zwar bei einem Großteil der Deutschen als selbstverständlich und normal erscheinen, was es als so prägnant für die deutsche Kultur hat werden lassen, aber für einen anderen Teil der deutschen Bevölkerung mögen diese Kulturstandards trotzdem keine größere Bedeutung haben, was diesen Teil der Mitglieder der deutschen Kultur zu einer sogenannten Subkultur macht. Eine Kultur ist nämlich niemals völlig homogen, sondern unterliegt Überschneidungen zu anderen Kulturen und beinhaltet eigene kleine Gruppierungen, die die Subkulturen der jeweiligen Kultur darstellen. Die dominante Kultur ist diejenige, deren Mitglieder die Normen und Werte der jeweiligen Kultur aufstellen und aufrechthalten. Die Subkulturen orientieren sich zwar im weitesten Sinne auch an den kulturspezifischen Eigenarten, haben auch zusätzlich eigene Normen und Werte, die teilweise mit den gängigen Kulturstandards einhergehen, teilweise aber auch sehr konträr zu ihnen sein können. Die unterschiedlichsten Faktoren können dazu beitragen, eine Subkultur entstehen zu lassen. So können biologische Faktoren wie sexuelle Gesinnung oder Alter Subkulturen herauskristallisieren lassen, aber auch gesellschaftliche Wertauffassungen und Interessen dazu beitragen, dass sich weitere Subkulturen von der dominanten Hauptkultur abspalten. Subkulturen werden innerhalb der dominanten Kultur toleriert, da die Hauptkultur ohne ihre Subkulturen auch nicht existieren könnte. Hier wird die Vielschichtigkeit des Begriffs Kultur besonders klar: Zwar gibt es eine große Kultur mit all ihren Mitgliedern, doch auch diese bilden eigene Kulturen und lassen sich in immer weitere Gruppen einteilen. So entstehen im heutigen Sprachgebrauch Bezeichnungen wie Punkkultur oder auch Punkszene: Die Szene ist der Kreis der jeweiligen Subkultur, die Bestandteil ist der großen Hauptkultur. Jede Kultur ist heterogen und wird von anderen Kulturen und Subkulturen beeinflusst, so wie auch sie selbst diese beeinflusst.
Bezeichnen wir den Umgang von Mitgliedern einer Kultur untereinander als intrakulturell, also innerhalb einer Kultur kommunizierend, so bedarf es einer Definition des Begriffs interkulturell. Voraussetzung scheint zu sein, dass Menschen aus mindestens zwei unterschiedlichen Kulturen die Absicht hegen, miteinander zu kommunizieren. Um die Kommunikation überhaupt beginnen zu können, ist es erforderlich, ein Mindestmaß an interkultureller Kompetenz vorweisen zu können. Auch hier gibt es verschiedene Definitionsmodelle. Michael Thomas spricht von der „Fähigkeit, kulturelle Bedingungen und Einflussfaktoren (…) im Sinne einer wechselseitigen Anpassung [zu nutzen]“[12] Dies beinhaltet die Bewusstmachung, dass die fremde Kultur nicht gleich der eigenen ist und es aufgrund dessen zu unterschiedlichen Verhaltensformen und Kommunikationsstilen kommen kann, die man nicht als Hindernis wahrnehmen darf, sondern die man im Kommunikationsprozess verarbeiten sollte. Die norwegischen Soziologen Øyvind Dahl und Kjell Habert nennen es „das Vermögen, angemessen und passend in einer beliebigen Situation mit Menschen kommunizieren zu können, die andere kulturelle Voraussetzungen besitzen“[13].
Anders als im Deutschen existieren im Norwegischen gleich zwei Begriffe ähnlichen Charakters: interkulturell und tverrkulturell. Während das norwegische „interkulturell“ im weitesten Sinne der deutschen Bezeichnung entspricht, ist „tverrkulturell“ vergleichbar mit dem englischen „crosscultural“. Es geht viel eher um die Unterschiede bei der Kommunikation zweier sehr unterschiedlicher Kulturen. Der Kulturforscher Ernst Apeltauer bezeichnet als solches jedoch schon interkulturelle Kommunikation. Er schreibt: „Die Verständigung zwischen zwei (…) Personen aus deutlich verschiedenen Gruppen wird als interkulturelle Kommunikation bezeichnet.“[14] Im Sinne der norwegischen Begriffsdefinitionen würde dies dem Begriff „tverrkulturell“ entsprechen, während die oben aufgeführten Definitionen dem Begriff „interkulturell“ am nächsten kommen. „Tverkulturell kommunikasjon ist also das Studium, das die Unterschiede in der Kommunikation zwischen kulturell ungleichen Personen beschreibt.“[15] Inwieweit kulturelle Ungleichheit zwischen verschiedenen Kulturen besteht, ist darüber hinaus auch ein Fragenpunkt. Derart ähnliche Kulturen wie die deutsche und die norwegische würden laut Apeltauers Definition nicht in den Bereich der interkulturellen Kommunikation fallen, da sie nicht verschieden genug sind.
Interkulturelle Kompetenz ist folglich unabdingbar, wenn Menschen aus verschiedenen Kulturen miteinander kommunizieren. Entscheidend ist neben der Bewusstmachung der kulturellen Unterschiede auch der Perspektivenwechsel. Man muss sich im Klaren darüber sein, dass Kulturstandards der eigenen Kultur in der anderen Kultur nicht verstanden werden oder anders aufgefasst werden können. Dies betrifft neben der kommunikativen Ebene auch die körpersprachliche Ebene mit ihren kulturspezifischen Gesten und Verhaltensformen. Was in der einen Kultur eine Grußgeste darstellt, kann in der anderen Kultur als symbolische Beleidigung angesehen werden. Besonders im Bereich der Wirtschaftskommunikation ist interkulturelle Kompetenz von großer Bedeutung. Hinter dem Hauptanliegen, ein Geschäft abzuschließen, ist die interkulturelle Kommunikation das Medium, sein Ziel zu erreichen. Würde ein Geschäft nicht zustande kommen, weil die interkulturelle Kommunikation entweder sprachlich oder auch körpersprachlich nicht harmonieren konnte, wäre dies in der globalen Welt fatal für einen international agierenden Betrieb, da Unmengen an Geld und Arbeit hinter dem Annäherungsversuch an den ausländischen Partner gesteckt haben können. Interkulturelle Faux-pas werden sich sicherlich niemals gänzlich aus der Welt schaffen lassen, doch mit einem hohen Maß an interkultureller Kompetenz sollte es möglich sein, sie auf ein Mindestmaß reduzieren zu können, um möglichst ohne größere Hindernisse mit dem Mitglied einer anderen Kultur kommunizieren zu können.
2.3. Das Unvermeidbare: Stereotype
Wie oben bereits erwähnt, ist es ein natürlicher Prozess, die Welt in Gruppen einzuteilen. Schon Kinder tun dies, und es liegt in der Natur der Dinge, dass diese Einteilung nicht wertfrei geschieht. Für gewöhnlich werden alle Gruppen, denen man sich selbst zuordnen kann, positiv bewerten, und alle out-goups negativ. Nur selten ist es andersherum der Fall. Bedingt durch diesen biologisch-kognitiven Prozess haben sich Stereotype ausgebaut und wurden teils über Generationen weitergegeben. „Almost like a biological fact“[16] nennt Lippmann die Auffassung derer, die Stereotype behandeln, als seien sie erwiesene Tatsachen. Er folgert: „For the most part we do not first see and then define, we define first and then see.”[17] Somit sind für gewöhnlich erst Stereotype im Kopf eines Menschen, bevor er die Gruppe, über die er gerade denkt, selbst zu erkunden beginnt.
Der Begriff Stereotyp wird häufig falsch verstanden und als negatives Vorurteil missdeutet. Dabei handelt es sich um eine wertfreie Bezeichnung für das, was Menschen von anderen Menschen und Kulturen denken, egal ob diese Gedanken positiv, negativ oder ebenfalls neutral sein mögen. Und auch der Ursprung eines Stereotyps ist den wenigsten Menschen bewusst. Stereotype lassen sich grob in drei Kategorien einteilen: geografisch begründete, historisch begründete oder kausal begründete Stereotype:
’Norwegens Natur ist hinreißend schön, dementsprechend ist die Arbeitsmoral und wirtschaftliche Einstellung der Norweger’, sinnierte ein Deutscher, der seit Jahren im Lande lebt. Es gebe in Norwegen Wichtigeres im Leben als Arbeit.“[18]
Bei geografisch begründeten Stereotypen liegt das Verhalten vor, dass durch „von der Natur vorgezeichneten Bedingungen Rückschlüsse auf die Eigentümlichkeiten der Bewohner“[19] gezogen werden. Messbare Fakten wie Klima, Wirtschaftlichkeit des Bodens, Industriedichte oder die weltgeografische Lage des Landes oder der Region werden folglich auf die Menschen, die in der jeweiligen Gegend ansässig sind, und deren Kultur projiziert. Oft ist nur ein geografischer Faktor ausreichend, um ein ganzes Land oder eine ganze Kultur darüber zu bewerten. Im Beispielzitat sieht man diesen Zusammenhang deutlich: Die Schönheit der norwegischen Natur wird in Bezug zur Mentalität der Menschen gebracht, und das wird wiederum in den wirtschaftlichen Kontext gebracht. Da die Natur einen Großteil der Landesfläche Norwegens ausmacht, wird davon ausgegangen, dass auch der Großteil der Lebenseinstellung der Menschen durch die Natur bestimmt wird. Arbeit und Wirtschaftlichkeit ist demnach nicht natürlich und nimmt somit nur einen geringeren Anteil im Leben der Norweger ein, so wie auch Städte und Industrie einen viel kleineren Teil der Landesfläche ausmachen als die Natur.
[...]
[1] Andreassen, Svein-Magnus (2008): „Deutschunterricht für Schüler an Berufsschulen? Das Beispiel Hotell- og Næringsmiddelfag“, Tromsø, Universität Tromsø. Seite 1
[2] Greimel, Johannes (2000): Deutsch in Nordeuropa aus der Sicht des Goethe-Instituts. In: Zickfeldt, August Wilhelm (2001) (Hrsg.): Deutsch in Norwegen – neue Beiträge zwischen Germanistik, Lehrerausbildung und Schule. Seite 173-181, hier S. 181
[3] Andreassen, Svein-Magnus (2008): „Deutschunterricht für Schüler an Berufsschulen? Das Beispiel Hotell- og Næringsmiddelfag“, Tromsø, Universität Tromsø. Seite 2
[4] Letnes, Ole (2000 ): Welchem Zweck sollte die Übersetzungsdisziplin in der DaF-Lehrerausbildung dienen? In: Zickfeldt, August Wilhelm (2001) (Hrsg.): Deutsch in Norwegen – neue Beiträge zwischen Germanistik, Lehrerausbildung und Schule. Seite 107-119, hier S. 107
[5] Kvam, Sigmund (2002): Wirtschaftsdeutsch in Norwegen – Eine Bestandsaufnahme. Halden, Universität in Østfold. Seite 5
[6] Kvam, Sigmund (2000): Fachsprache der Wirtschaft am Beispiel von Verträgen. In: Zickfeldt, August Wilhelm (2001) (Hrsg.): Deutsch in Norwegen – neue Beiträge zwischen Germanistik, Lehrerausbildung und Schule. Seite 89-108, hier S.89
[7] ebd, S. 89f
[8] ebd, S. 90
[9] Lipmann, Walter (1922), zitiert nach: Husemann, Harald (1990): Stereotypen in der Landeskunde – Mit ihnen leben, wenn wir sie nicht widerlegen können, in: Neusprachliche Mitteilungen aus Wissenschaft und Praxis, Band 2 (1990). S. 89-98, hier Seite 90
[10] Thomas, Michael (2003), zitiert nach: Husemann, Harald (1990): Stereotypen in der Landeskunde – Mit ihnen leben, wenn wir sie nicht widerlegen können, in: Neusprachliche Mitteilungen aus Wissenschaft und Praxis, Band 2 (1990). S. 89-98, hier Seite 93
[11] Hofstede, Geert (1991), zitiert nach: Aske, Stian (2005): Interkulturelle Wirtschaftskommunikation Norwegen-Deutschland – Eine Pilotstudie. Bergen, Universität Bergen, Seite 13
[12] Thomas, Michael (2003), zitiert nach: Husemann, Harald (1990): Stereotypen in der Landeskunde – Mit ihnen leben, wenn wir sie nicht widerlegen können, in: Neusprachliche Mitteilungen aus Wissenschaft und Praxis, Band 2 (1990). S. 89-98, hier Seite 93
[13] Dahl, Øyvind/Habert, Kjell (2001, zitiert nach: Aske, Stian (2005): Interkulturelle Wirtschaftskommunikation Norwegen-Deutschland – Eine Pilotstudie. Bergen, Universität Bergen. Seite 22
[14] Apeltauer, Ernst: Zur Bedeutung der Körpersprache für die interkulturelle Kommunikation. In: Knapp-Potthoff, Annelie/Liedtke, Martina (Hrsg.) (1997): Aspekte interkultureller Kommunikationsfähigkeit. München, Iudicum-Verlag. Seite 17-37, hier S.17
[15] Aske, Stian (2005): Interkulturelle Wirtschaftskommunikation Norwegen-Deutschland – Eine Pilotstudie. Bergen, Universität Bergen. Seite 22
[16] Lipmann, Walter (1922): zitiert nach: Husemann, Harald: Stereotypen in der Landeskunde – Mit ihnen leben, wenn wir sie nicht widerlegen können, in: Neusprachliche Mitteilungen aus Wissenschaft und Praxis, Band 2 (1990).S. 89-98, hier Seite 90
[17] Zitiert nach: ebd, Seite 89
[18] Zitiert nach: Aske, Stian (2005): Interkulturelle Wirtschaftskommunikation Norwegen-Deutschland. Eine Pilotstudio. Bergen, Universität Bergen. S. 59
[19] Keller, Gottfried (1969): Die Funktion von Stereotypen beim Erkenntnisprozess im kulturkundlichen Unterricht – dargestellt an einer Strukturanalyse von Schülerurteilen, in: Die neueren Sprachen, Band 5, Seite 6
- Citation du texte
- BA Jenny Schulz (Auteur), 2010, Interkulturelle Wirtschaftskommunikation zwischen Deutschland und Norwegen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/160664
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