1 DAS RÄTSEL
1.1 Begriff
Das Rätsel zählt zu den vorliterarischen Formen, „die in den weiteren Umkreis der Literatur gehören, die aber in wesentlichen Punkten der gängigen Vorstellung von Literatur nicht entsprechen.“ Meistens werden sie anonym herausgegeben, in verschiedenen Varianten und überwiegend mündlich überliefert. (...)
1.4 Das Rätsel bei den Sangspruchdichtern
Da es sich bei den zu analysierenden Texten um Sangsprüche handelt, beschäftige ich mich nun mit der Funktion des Rätsels bei dieser Gattung.
Im dreizehnten Jahrhundert, aus dem beide Texte stammen, gab es noch keinen genauen Begriff des Rätsels. Deswegen ist es häufig nicht einfach, zwischen Sprüchen zu unterscheiden, die sich einer Anspielung bedienen, und denen, die ein Rätsel sind.
Die Sangspruchrätsel richteten sich an gebildetes Publikum, was man durch „die Verwendung ausdrucksseitiger Verschlüsselungen (Anagramm), [den] Rückgriff auf typisches Bildungsgut (Kalendarisches, Meteorologisches), die Verarbeitung von Themen aus der klösterlichen lateinischen Rätseltradition und die Benutzung anspruchsvoller Strophenformen zeigen [kann]“ .
Die Beliebtheit der Sangsprüche zu dieser Zeit kann man auf verschiedene Gründe zurückführen. Erstens war diese Gattung für die Belehrung von Vorteil, die man durch das Rätsel auflockern konnte. Zweitens „(liebte) der späthöfische Rezipient (…) an der Lyrik seiner Zeit den intellektuellen und ästhetischen Reiz verschlüs-selter Kunst“ . Beim Marner kann man allerdings die Verwendung des Rätsels auch um der Polemik willen verfolgen .
(...)
2 DER MARNER
2.1 Text und Übersetzung
Ich spür ein wunder dur die lant
Ich bemerke ein Wunderwesen überall im Land.
In gelwer grüener varwe schîn,
In gelb-grünem Farbenglanz,
ez hât fuoz, ougen noch die hant,
es hat weder Fuß, Augen noch die Hand,
und wil doch bî den liuten sîn,
und will dennoch bei den Leuten sein,
beide armen unde rîchen.
sowohl bei den Armen als auch bei den Reichen.
(...)
2.2 Analyse
Das Wunderwesen, das es in dem Lied zu erraten gilt und das im Stollen 1 gene-rell charakterisiert wird, kann kein Mensch sein. Denn es erscheint einerseits im gelb-grünen Glanz, andererseits hat es weder „fuoz, ougen noch die hant“ (Z. 3). Dennoch strebt es danach, unter den Menschen zu sein. Das Wunderbare dieses Wesens sind auch seine Kräfte. Denn es vermag es, Menschen ohne ein Instrument („âne bant“, Z. 6) zu verbinden, es kann sich
Inhaltsverzeichnis
- Das Rätsel
- Begriff
- Kategorien und Verfahren des Rätsels
- Die Textfunktion
- Das Rätsel bei den Sangspruchdichtern
- Der Marner
- Text und Übersetzung
- Analyse
- Der Tannhäuser
- Text und Übersetzung
- Analyse
- Der Vergleich
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Analyse der Rätselsangsprüche „Ich spür ein wunder dur die lant“ vom Marner und „Ez slouc ein wip ir man ze tode“ vom Tannhäuser. Ziel ist es, die Besonderheiten der Rätsel in diesen beiden Texten aufzudecken und die Funktion des Rätsels bei den Sangspruchdichtern des 13. Jahrhunderts zu beleuchten.
- Definition und Eigenschaften des Rätsels
- Verschlüsselungsverfahren und Textfunktion
- Die Rolle des Rätsels in der Sangspruchdichtung
- Analyse der Rätsellieder von Marner und Tannhäuser
- Vergleich der beiden Texte
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beschäftigt sich mit dem Begriff und den Merkmalen des Rätsels als vorliterarischer Form. Es werden die Kategorien und Verfahren des Rätsels sowie seine Textfunktion erläutert. Das Kapitel beleuchtet auch die Besonderheiten des Rätsels in der Sangspruchdichtung des 13. Jahrhunderts.
Das zweite Kapitel analysiert das Rätsellied „Ich spür ein wunder dur die lant“ vom Marner. Es umfasst eine genaue Betrachtung des Textes und der darin verwendeten sprachlichen Mittel.
Das dritte Kapitel behandelt das Rätsellied „Ez slouc ein wip ir man ze tode“ vom Tannhäuser. Es folgt der gleichen Methodik wie das vorherige Kapitel und analysiert den Text detailliert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen Rätsel, Sangspruchdichtung, Textfunktion, Verschlüsselung, Analyse, Vergleich und den Dichtern Marner und Tannhäuser. Es werden außerdem die Themen des mittelalterlichen Bildungsguts, der klösterlichen lateinischen Rätseltradition und der Verwendung des Rätsels für Polemik behandelt.
- Quote paper
- Paula Svoboda (Author), 2010, Der Marner - Analyse der Rätselsangsprüche ,Ich spür ein wunder dur die lant‘ und ,Ez slouc ein wip ir man ze tode‘ mit kurzem Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/160575