Industriestaaten wie Deutschland sind in hohem Maße von einer funktionierenden Strom- und Gasversorgung abhängig. Die Auswirkungen eines Versorgungsausfalls wären weitreichend. In Unternehmen müsste die Produktion unterbrochen werden. Durch den Ausfall der Ampeln kommt der Verkehr zum Erliegen, wodurch Aus- und Zulieferungen mit Verspätungen verbunden wären. Die Auswirkungen auf die Wertschöpfungsprozesse wären also schwerwiegend, so dass die Untersuchung der Themenstellung von großer Bedeutung ist.
Entscheidungen der Unternehmen sind immer mit Risiken verbunden, da Entscheidungen einer Unsicherheit unterliegen. Unternehmen sind mit einer großen Anzahl von Risiken konfrontiert, wobei sich Risikoarten und Risikoausmaß nach der Geschäftstätigkeit richten. Eine Bank, die Investmentgeschäfte betreibt ist anderen Risikoarten und Risikopotenzialen ausgesetzt, als ein Handwerksbetrieb.
Für jede Branche bestehen differenzierbare Arten von Risiken. Unternehmen, die in der Energieversorgung tätig sind, unterliegen verschiedenen branchenspezifischen Risiken.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung und Zielsetzung der Arbeit
2. Branchenspezifische Rahmenbedingungen, die für Energieversorger von besonderer Bedeutung sind
2.1 Energiegewinnung aus Kohle und Kernkraft
2.2 Das Gut Strom und dessen Besonderheit
2.3 Berücksichtigung und Auswirkungen des wirtschaftlichen und energiepolitischen Umfeldes
2.4 Liberalisierung der Energienetze
2.5 Auswirkungen des Unbundlings
2.6 Co2-Emissionshandel
2.7 Kapitalkosten der Energieversorger
3. Branchenspezifische Risiken, die für Energieversorger von besonderer Bedeutung sind
3.1 Risiken, die aus dem Geschäftsbetrieb und der strategischen Ausrichtung entstehen
3.2 Risiken aus rechtlichen Verfahren
3.3 Kreditrisiken
3.4 Finanzwirtschaftliche Risiken
3.5 Risiken aus der Regulierung
3.6 Risiken des Energy-Tradings
4. Wie gehen die Energieversorger mit diesen Risiken um?
4.1 Interne Revision
4.2 Value-at-Risk-Methode
4.3 Vorgaben, die aus dem Kontroll- und Transparenzgesetz entstehen
4.4 Einrichtung eines Risikokomitees nach Aktiengesetz
4.5 Anforderungen aus dem Coporate Governance Kodex
4.6 Risikomanagement im Rahmen des Energy-Tradings
5. Risikoberichterstattung im Lagebericht
6. Gibt es systemrelevante Energieversorger?
7. Spezielle Bilanzierungsfragen der Energieversorger und die Berücksichtigung der charakteristischen Risiken
7.1 Bilanzierung von Forderungen im rollierenden Verfahren
7.2 Abgrenzungsfragen und periodenübergreifende Sachverhalte, die berücksichtigt werden müssen
7.3 Bilanzielle Aspekte des Emissionshandels
7.4 Bilanzierung von Netzen
7.5 Bilanzierung von Explorationsbohrungen
7.6 Energiewirtschaftliche Rückstellungen
7.6.1 Rückstellungen für die Stilllegung und Rekultivierung von Anlagen
7.6.2 Umweltschutzrückstellungen
7.6.3 Rückstellungen im Kernenergiebereich
7.6.4 Bergbaubedingte Rückstellungen
7.6.5 Rückstellungen für Mehrerlösabschöpfung
7.6.6 Drohverlustrückstellungen
7.6.7 Rückstellungen für die Rückgabe von CO2-Emissionsrechten
7.7 Spezielle Abschreibungsmodalitäten in der Energiebranche
7.8 Haftungsrisiken für unzureichende Strom- und Gasversorgung durch außerordentliche Begebenheiten - Angabepflichten im Jahresabschluss
7.8.1 Stromversorgung
7.8.2 Gasversorgung
7.8.3 Angabe von Haftungsrisiken
8. Bestehen gesetzliche Vorgaben, die vorschreiben, welche branchenspezifischen
Risiken im Jahresabschluss berücksichtigt werden müssen?
Literatur- und Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Verpachtungsmodell (Baur/ Pritzsche/ Simon, 2006, S.119) 18
Abb. 2: Modell „Tochtergesellschaft“ (Baur/ Pritzsche/ Simon, 2006, S. 18 123)
Abb. 3: Spartentrennung (Baur/ Pritzsche/ Simon, 2006, S. 127) 19
Abb. 4: Kooperationsmodell (Baur/ Pritzsche/ Simon, 2006, S. 128) 19
Abb. 5: Risiken des Stromhandels (Burger, 1998, S. 216) 27
Abb. 6: Risikomanagement als betrieblicher Prozess (Thommen/ 28 Achleitner, 2009, S. 1093)
Abb. 7: Aufgabenspektrum der internen Revision (Freidank/ Peemöller, 2008, S. 9)
Abb. 8: Regelzonen in Deutschland (Vattenfall, Stromnetzfakten, 2008, 45 S. 9)
Abb. 9: Durchschnittsalter des Sachanlagevermögens im Bereich 62 Stromversorgung (Quelle: BDEW, www.bdew.de)
Abb. 10: Unterhaltungsaufwand für den Betrieb von Stromnetzen (Quelle: 63 BDEW, www.bdew.de)
Abb. 11 Ausfallzeiten der Stromnetze (Quelle: 64 http://www.vattenfall.de/stromnetzfakten/stromnetzfakten/das- deutsche-stromnetz.php)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Fremdkapitalkosten der Energieversorger (Geschäftsberichte 2008)
Tabelle 2: Value at Risk der Energieversorger (Quelle: Geschäftsberichte 2008 der aufgeführten Energieversorger)
Tabelle 3: Liquide Mittel der deutschen Energieversorger (Quelle: Jahresabschlüsse 2008 der angegebenen Energieversorger)
Tabelle 4: Bildung von Rückstellungen durch die Energieversorger (gem. Jahresabschlüsse 2008)
1. Einleitung und Zielsetzung der Arbeit
Industriestaaten, wie Deutschland, sind in hohem Maße von einer funktionierenden Strom- und Gasversorgung abhängig. Die Auswirkungen eines Versorgungsausfalls wären weitreichend. In Unternehmen müsste die Produktion unterbrochen werden. Durch den Ausfall der Ampeln kommt der Verkehr zum erliegen, wodurch Aus- und Zulieferungen mit Verspätungen verbunden wären. Die Auswirkungen auf die Wertschöpfungsprozesse wären also schwerwiegend, so dass die Untersuchung der Themenstellung von großer Bedeutung ist.
Entscheidungen der Unternehmen sind immer mit Risiken verbunden, da Entscheidungen einer Unsicherheit unterliegen.1 Unternehmen sind mit einer großen Anzahl von Risiken konfrontiert, wobei sich Risikoarten und Risikoausmaß nach der Geschäftstätigkeit richten. Eine Bank, die Investmentgeschäfte betreibt ist anderen Risikoarten und Risikopotenzialen ausgesetzt, als ein Handwerksbetrieb.
Für jede Branche bestehen differenzierbare Arten von Risiken. Unternehmen, die in der Energieversorgung tätig sind, unterliegen verschiedenen branchenspezifischen Risiken. Diese ergeben sich aus der Wertschöpfungskette. Die Wertschöpfungskette der Energieversorger führt entlang der folgenden Prozesse:2
- Erzeugung und Produktion
- Transport und Großhandel
- Handel
- Verteilung
- Vertrieb
Die Energieversorger machen unterschiedliche Angaben zu Produktion, Kapazitäten und Absatz. Gesetzliche Vorgaben hierfür bestehen nicht. Allerdings werden bestimmte Angaben von den Investoren gefordert, zum Beispiel um Benchmarkings3 durchzuführen und so die Investitionen beurteilen zu können. Jede Stufe der Wertschöpfung beinhaltet also verschiedene Risikoarten. Die Risikoarten werden im Verlauf dieser Thesis untersucht. Ferner soll der Einfluss dieser Risiken auf die Rechnungslegung der Energieversorger untersucht werden. Auch widmet sich diese Arbeit Fragen, die die Haftungsrisiken und die Systemrelevanz der Unternehmen in dieser Branche betreffen. Hierzu wird sich die Untersuchung auch mit dem Aufbau der Energieversorgung in Deutschland beschäftigen, dies bezogen auf die Versorgung mit Strom und Gas. Es wird auf die Versorgungssicherheit und den Netzaufbau eingegangen.
Die Branche der Energieversorger war in den letzten Jahren vielen einschneidenden Veränderungen ausgesetzt. Die Liberalisierung der Stromnetze, die Entwicklung von Technologien im Bereich der erneuerbaren Energien und die entsprechenden Regelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sind nur zwei Themenkreise, die eine Herausforderung an die Energieversorger darstellen. Auch diese Herausforderungen sind mit speziellen Risiken verbunden.
Um einen Bezug zur Praxis herzustellen, wird fortlaufend untersucht und dargestellt, auf welche Weise die 5 großen Energieversorger mit den dargestellten Vorgaben umgehen. Die 5 größten Energieversorger nach Umsatz in Deutschland sind:4
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Alle in dieser Betrachtung dargestellten Energieversorger sind als Aktiengesellschaft (AG) firmiert. Die Aktien E.ON AG und die RWE AG sind im Aktienindex „DAX“ notiert, so dass sich eine Kapitalmarktorientierung eindeutig feststellen lässt. Die Aktien des Energieversorgers EnBW AG werden im regulierten Markt in Frankfurt am Main und in Stuttgart gehandelt und sind im Aktienindex „CDAX Versorger“ vertreten. Die Kapitalmarktorientierung ist also auch hier gegeben. Die Vattenfall Europe AG ist eine Tochtergesellschaft der schwedischen Vattenfall AB. Nach einem Squeeze-Out- Verfahren5 im Jahr 2008 sind keine Aktien an den Börsen zu erwerben. Der Eigentümer der Vattenfall AB ist zu 100 Prozent der schwedische Staat. Die Vattenfall AB als Muttergesellschaft bedient sich zur Finanzierung an der Platzierung von Anleihen, so dass auch hier die Kapitalmarktorientierung dargestellt werden kann. Die Aktien der EWE AG sind nicht an der Börse notiert, die Aktienanteile sind nicht in Streubesitz, so dass sich die Kapitalmarktorientierung aus der Emission zweier Eurobond-Anleihen6 ableitet. Die Anleihen werden im Prime Standard und im Freiverkehr an Regionalbörsen gehandelt.
Nach § 315 a Abs. 1 HGB sind also alle hier aufgeführten Energieversorger zur Aufstellung eines Konzernabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards verpflichtet. Dies ist ein wichtiger Aspekt für diese Untersuchung. Unabhängig von dieser Darlegung wären aber auch Energieversorger zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet, die nicht kapitalmarktorientiert aufgestellt sind. Die Rechtsgrundlage hieraus ergibt sich aus § 10 Abs. 1 EnWG, welcher besagt, dass die Energieversorger „ungeachtet ihrer Eigentumsverhältnisse und ihrer Rechtsform einen Jahresabschluss nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften des Handelsgesetzbuchs aufzustellen, prüfen zu lassen und offen zu legen“ haben.
Um weitere Parameter der Untersuchung festzulegen wird nun zunächst definiert, was Energieversorgungsunternehmen eigentlich sind. Nach Energiewirtschaftsgesetz sind „natürliche oder juristische Personen, die Energie an andere liefern, ein Energieversorgungsnetz betreiben oder an einem Energieversorgungsnetz als Eigentümer Verfügungsbefugnis besitzen.“7 Alle hier aufgeführten Energieversorger sind vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen. Vertikal integrierte Unternehmen sind Wirtschaftseinheiten, die mehrere Wertschöpfungsprozesse abdecken. Nach § 3 Nr. 38 EnWG sind vertikal integrierte Energieversorger Unternehmen, die im Elektrizitäts- oder Gasbereich agieren und dort mehrere Funktionen wahrnehmen.8 Dies können im Gasbereich zum Beispiel Unternehmen sein, die sowohl die Speicherung, die Verteilung als auch den Vertrieb von Gas betreiben. Betreibt also ein Versorger ein Kernkraftwerk, ein Stromnetz und vertreibt er den Strom, so handelt es sich um vertikal integriertes Unternehmen.
2. Branchenspezifische Rahmenbedingungen, die für Energieversorger von besonderer Bedeutung sind.
Die Branche der Energieversorgungsunternehmen unterliegt speziellen Anforderungen und Gegebenheiten. Aus den hier dargestellten branchenspezifischen Themen entstehen Risiken auf die das Risikomanagement der Energieversorger eingehen muss. Des Weiteren haben die branchenspezifischen Rahmenbedingungen Einfluss auf die Rechnungslegung, insbesondere auf die Risikoberichterstattung.
2.1 Energiegewinnung aus Kohle und Kernkraft
Die Energiegewinnung aus Kohle ist fortlaufend der Kritik aus Öffentlichkeit und Politik ausgesetzt.9 Dies zieht Probleme bei dem Neubau von Kohlekraftwerken nach sich. Zahlreiche Neubauprojekte wurden durch den öffentlichen Widerstand zurückgezogen. Auch der Betrieb von Kernkraftanlagen wird immer wieder intensiv in Politik und Öffentlichkeit diskutiert, insbesondere in Bezug auf die Entsorgung der Brennelemente und die Sicherheit der Kraftwerke. Der Betrieb von Kernkraftwerken wird in der Rechnungslegung der Betreiber zum Beispiel durch spezielle Rückstellungen berücksichtigt.10 Auf weitere interessante Aspekte der Kerntechnik wird im entsprechenden Kapitel eingegangen.
2.2 Das Gut Strom und dessen Besonderheit
Die Elektrizität unterliegt besonderen technischen Gegebenheiten. Zum einen lässt sich Strom nicht speichern und zum anderen ist Elektrizität ein Gut, welches an Leitungen gebunden ist. Hieraus ergeben sich spezielle Anforderungen an die Energieversorger. So ist die Netzsicherheit also von großer Bedeutung, da andere Transportwege für Strom wegfallen.
Das Gut Elektrizität kann über verschiedene Kraftwerkstypen erzeugt werden:
• Kohlekraftwerke
• Kernkraftwerke
• Gasturbinenkraftwerke
• Gas- und Dampfkraftwerke
• Wasserkraftwerke
• Windkraftanlagen
• Photovoltaikanlagen
• Brennstoffzellen
Die Kraftwerkstypen sind hinsichtlich der Elektrizitätserzeugung vor allen Dingen nach Kapitalintensität, Brennstoffkosten und Effektivität durch die Energieversorger risikotechnisch zu beurteilen. Die Beurteilung der Kraftwerkstypen hat Einfluss auf planungstechnische Aspekte. So sollte die Grundversorgung mit Elektrizität über die günstigste Variante sichergestellt werden. Versorgungsspitzen können wiederum aber auch über teure, aber weniger kapitalintensive Kraftwerkstypen gedeckt werden.
2.3 Berücksichtigung und Auswirkungen des wirtschaftlichen und energiepolitischen Umfeldes
Die Bundestagswahl im September 2009 hat das politische Umfeld der Energieversorger verbessert. CDU und FDP stehen für eine Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke und die Verschiebung des Atomausstiegs.11 Die Wahl hat zu einem sprunghaften Anstieg der Aktien der Energieversorger geführt,12 weil über die veranschlagten Laufzeiten hinweg Gewinne mit Hilfe der Kernkraft erzielt werden können. Dies zeigt die Abhängigkeit der Energiebranche vom politischen Umfeld. Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zeigt ebenso die Notwendigkeit zur Berücksichtigung politischer Rahmenbedingungen für das Risikomanagement.13
Die wichtigsten energiepolitischen Themen, mit denen sich die Energieversorger auseinandersetzen müssen, betreffen unter anderem die europäischen Klimaschutzziele. So soll das Ziel realisiert werden, den Anteil der erneuerbaren Energien zu erhöhen. Hierzu gehört auch die Steigerung der Energieeffizienz der Kraftwerke, um die Umwelt zu schützen. Diese Thematiken haben Einfluss auf die Geschäftspolitik der Unternehmen. So gründete die RWE AG eine eigene Tochtergesellschaft, um die Aktivitäten im Bereich erneuerbare Energien besser bündeln zu können. Die EWE AG gründete ein eigenes Forschungszentrum, um die Position im Bereich der erneuerbaren Energien zu verbessern. Auch intensivieren die Energieversorger ihre Bemühungen im Offshore-Windgeschäft.
Ferner werden Privatpersonen und Unternehmen zur Auseinandersetzung mit dieser Thematik angeregt. Dies geschieht beispielsweise über Förderungen und Subventionen im Bereich Wohneigentum. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) legt verschiedene Kreditprogramme auf, mit welchen vergünstigte Kreditmittel zum Neubau und zur Renovierung beschafft werden können. So soll beispielsweise eine klimafreundliche Sanierung gefördert werden.14
Entwicklungen an den Finanzmärkten und die allgemeine Entwicklung der Wirtschaft wirken sich auf die Geschäftspolitik und die Risiken der Energieversorger aus. Dementsprechend müssen sich die Energieversorger auf eventuelle Nachfrageschwankungen, besonders durch Großkunden aus der Industrie, einstellen. Auch auf steigende Finanzierungskosten müssen sich die Unternehmen einstellen können. Durch ein verschlechtertes Rating, der Rating-Agenturen oder im Rahmen eines Ratings nach Basel II, kann der zu zahlende Zinssatz erheblich steigen.15
In der Politik wird immer wieder über die Energiegewinnung aus Kohlekraftwerken diskutiert. Hierbei wird meist die Effektivität und die Umweltbelastung der Kohlekraftwerke beanstandet. Die meisten der deutschen Energieversorger betreiben Kohlekraftwerke. Kohle gehört zur Gruppe der festen Energieträger. Die Kohle für die Kraftwerke kann über zwei verschiedene Abbauarten gewonnen werden:
- Tagebau
- Untertagebau
Der Kohleabbau über Tagebaus birgt Risiken im rechtlichen Bereich. Ist ein gewisses Gelände als Tagebau zugelassen worden, müssen alle Anwohner entsprechend umgesiedelt werden. Durch die rechtliche Problematik, die durch diesen planungsrechtlichen Vorgang entsteht, kann sich die Umsiedlung sehr lange hinziehen. Es entstehen dadurch hohe Prozesskosten und erhebliche Kosten durch den hohen Arbeitsaufwand. Nach vollständigem Abbau des Kohlevorkommens müssen die Abbauflächen rekultiviert werden. Dies geschieht in der Praxis meist durch Flutung der Tagebauflächen. Die Kosten für die Rekultivierung werden in Rückstellungen eingestellt. Auf weitere Aspekte zu dieser Thematik wird in Kapitel 7.6.1 noch ausführlich eingegangen.
Der Abbau von Kohle Untertage erfolgt über die Erschließung der Kohlevorkommen über Stollen oder Schächte und dem anschließenden Abbau über den Kammerbau oder den Strebbau. Der Abbau Untertage birgt ein hohes Sicherheits- und Gesundheitsrisiko für die Mitarbeiter. Die Unterscheidung Tagebau oder Untertagebau spielt im Hinblick auf die Kostenstruktur der Energieversorger eine beträchtliche Rolle. Der Kohleabbau aus einem Tagebau ist kapitalintensiver, dafür sind die variablen Kosten aber geringer, als der Abbau Untertage.16 Der Anteil der Tagebaus in Deutschland liegt bei 65 Prozent.17
2.4 Liberalisierung der Energienetze
Die Liberalisierung der Energienetze sieht vor, dass der Netzbetrieb von den anderen Wertschöpfungsprozessen abgegrenzt wird. Die Abgrenzung bezeichnet man auch als „Unbundling“. Mit der Liberalisierung soll Dritten der Netzzugang ermöglicht werden, wobei Nutzungsentgelte von der entsprechenden Regulierungsbehörde, der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation und Post, genehmigt werden müssen.
Nach § 1 Abs. 1 des EnWG soll das Energiewirtschaftsgesetz eine preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Verbraucher mit Energie sicherstellen. Diese Ziele, insbesondere das Ziel, einen wettbewerbsorientierten Markt zu etablieren, soll durch die Liberalisierung der Netze voran gebracht werden. Der Grundstein hierfür wurde auf europäischer Ebene gelegt. Die EU-Richtlinie 96/92/EG mündete in eine Neuauflegung des Energiewirtschaftsgesetzes, wodurch im Jahre 1998 in die Gebietsmonopole der Energieversorger abgeschafft wurden. Auch die EU-Richtlinien 98/30/EG, 2003/54/EG und 2003/55/EG wurden durch Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes in nationales Recht transformiert, um den Wettbewerb auf dem Markt der Energieversorger anzutreiben. Des Weiteren wurde der regulierte Zugang zu den Versorgungsnetzen festgelegt, um den Wettbewerb sicherzustellen. Die Weiterführung der Liberalisierung hat bewirkt, dass Abweichungen der Liefermengen nicht mehr zu Lasten der Lieferanten abgerechnet werden. Dies ist auf neue Regelungen der Liefermengenbilanzierung zurückzuführen. Die Liefermengen werden hiernach nicht mehr stündlich sondern täglich bilanziert.18 So soll Energielieferanten ein leichterer und kostengünstigerer Netzzugang ermöglicht werden.
Allerdings könnte durch die Liberalisierung der Netze durch den entstehenden Kostendruck gegenüber den Mitbewerbern ein Investitionsaufschub erfolgen.19 Der Investitionsaufschub würde im Hinblick auf die Nutzungsdauern der Netze zu Problemen in Bezug auf die Versorgungssicherheit führen.20 Weiterhin ist mit einer Kostenreduzierung im Bereich der Wartungen zu rechnen. Hieraus ergibt sich, dass Fehler nicht erkannt werden könnten und somit ggf. große Schäden entstehen.
2.5 Auswirkungen des Unbundlings
Durch die Liberalisierung der Netze ist das Thema „Unbundling“ für Energieversorgungsunternehmen von großer Bedeutung. Unter Unbundling versteht man die Verpflichtung von vertikal integrierten Energieversorgern zur Entflechtung ihrer Geschäftsbereiche. Die Energieversorger sind gem. § 7 EnWG dazu verpflichtet, ihre Netzaktivitäten von den anderen Wertschöpfungsprozessen zu trennen. Der Netzbetrieb und die übrigen Sparten der Energieversorger müssen in rechtlich getrennte Gesellschaften gegliedert werden. In Bereich der Rechnungslegung ist § 10 Abs. 3 EnWG zu berücksichtigen. Diese Regelung betrifft die Kontoführung der unterschiedlichen Geschäftsbereiche, welche nun getrennt geführt werden müssen. Im organisatorischen Bereich bestehen verschiedene Optionen zur Umsetzung.
Um diese Optionen zu veranschaulichen folgen Beispiele für mögliche organisatorische Umsetzungsmöglichkeiten:
1. Netzgesellschaft verpachtet an Energieversorger:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Verpachtungsmodell (Baur/ Pritzsche/ Simon, 2006, S. 119)
2. Gründung einer Tochtergesellschaft, in die der Netzbetrieb übergleitet wird:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Modell „Tochtergesellschaft“ (Baur/ Pritzsche/ Simon, 2006, S. 123)
3. Ausgliederung über eine Holding-Struktur:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Spartentrennung (Baur/ Pritzsche/ Simon, 2006, S. 127)
4. Kooperation von zwei Energieversorgern:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Kooperationsmodell (Baur/ Pritzsche/ Simon, 2006, S. 128)
Im Bereich des buchhalterischen Unbundlings ist es wichtig, die Konten für den Netzbetrieb getrennt von den übrigen Konten des Energieversorgers zu führen. Die Einhaltung dieser Vorgabe wird in der Abschlussprüfung des Jahresabschlusses gem. § 10 Abs. 4 EnWG kontrolliert. Die korrekte Zuordnung der Konten auf den jeweiligen Unternehmensbereich wird ebenfalls geprüft und im Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers verzeichnet. Die Umsetzung des rechtlichen Unbundlings macht Änderungen im Hinblick auf die Unternehmensorganisation notwendig. Für die erforderliche Ausgliederung des Netzbetriebs bestehen unter anderem die oben aufgeführten Optionen.
2.6 Co2-Emissionshandel
Der Co2-Emissionshandel entstand aus verschiedenen EU-Klimaschutzbeschlüssen und dem Kyoto-Protokoll21 und ist somit ein Instrument der Umweltpolitik. Anlagenbetreiber bekommen ein gewisses Kontingent an Emissionsrechten im Rahmen eines nationalen Allokationsplanes vom Staat zugeteilt. Produziert ein Anlagenbetreiber mehr Co2, als ihm zugedacht wurde, muss er entweder den Co2-Ausstoß senken oder Emissionsrechte nachkaufen. Wird weniger Co2 produziert, kann der Anlagenbetreiber seine Co2-Emissionsrechte am Markt verkaufen. Energieversorger, die ihren Strom größtenteils über Braun- oder Steinkohlekraftwerke erzeugen, sind besonders dem Risiko aus dem Co2-Emissionshandel ausgesetzt. Gemäß EU-Richtlinie 2003/87/EG22 fällt ab 2013 die kostenfreie Zuteilung von Co2-Zertifikaten weg. Hierdurch ergeben sich höhere Co2-Kosten für die Energieversorger. Am Handel von Emissionsrechten nehmen Energieversorger und Banken, speziell deren Investmentsparten, teil. Der Handel ist geprägt von hoher Volatilität, also sehr großen Preisschwankungen.23
2.7 Kapitalkosten der Energieversorger
Die meisten Energieversorger machen in ihren Geschäftsberichten Angaben zu ihren Kapitalkosten. Unterschiede bestehen lediglich im Detaillierungsgrad der Angaben. Speziell interessiert hier die Belastung durch Fremdkapitalkosten, da Schwankungen ein Risiko für die Unternehmen darstellen. So bewegen sich die Finanzierungskosten eines neuen Steinkohlekraftwerks bei ca. 300 Mio. €.24 Es ist also zu erkennen, dass ein Anstieg der Fremdkapitalkosten negativ auf den Überschuss eines Investitionsprojektes wirken würde. Außerdem belastet ein Anstieg der Fremdkapitalkosten das Jahresergebnis. Bleibt man bei den o.a. Kosten und nimmt an, dass die Kreditzinsen von 4,7 % auf 5,2 % steigen, so würden die Fremdkapitalkosten von 14,1 Mio. € auf 15,6 Mio. € ansteigen. Die Zinsbelastung würde also um 1,5 Mio. € steigen. Eine Offenlegungspflicht für Kapitalgesellschaften besteht nicht. Allerdings besteht in Bezug auf die Generalnorm nach § 264 Abs. 2 HGB die Pflicht für Kapitalgesellschaften ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage über die Rechnungslegung zu vermitteln.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Fremdkapitalkosten der Energieversorger (Geschäftsberichte 2008)
Die EWE AG und Vattenfall machen keine Angaben zu ihren Fremdkapitalkosten.
Der potenzielle Anstieg der Fremdkapitalkosten ist ein Risiko in der Finanzierung und muss in der Investitionsplanung berücksichtigt werden.
Über die Angabe von Kapitalkosten stellen die Energieversorger auch das Risiko dar, welches durch ihre Kapitalmarktorientierung entsteht. So sind steigende Kapitalkosten
[...]
1 Nach DRS 5.9 ist Risiko die Möglichkeit, dass sich die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens zukünftig negativ entwickelt.
2 Vgl. E.ON AG, Unternehmensbericht 2008, Teil I/II, S. 9
3 Das Benchmarking vergleicht die Leistungen von Unternehmen. Hiermit können Produkte und Prozesse der Unternehmen aneinander gemessen werden.
4 Umsatzzahlen wurden aus den Jahresabschlüssen 2008 entnommen.
5 Durch ein Squeeze-Out werden Minderheitsaktionäre aus einer AG ausgeschlossen. Geregelt ist dies in § 327a - § 327f AktG. Das Squeeze-Out-Verfahren in diesem Fall wurde nach Eintragung ins Handelsregister am 21.04.2008 wirksam.
6 Eurobonds sind Anleihen, die am Eurokapitalmarkt platziert und gehandelt werden.
7 Definition gem. § 3 Nr. 18 EnWG
8 Artikel 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. EU Nr. L 24
9 An dieser Stelle sei als Beispiel der Streit um das geplante Steinkohlekraftwerk in Datteln angeführt. Umweltschützer versuchen in diesem Fall den Bau durch verschiedene rechtliche Schritte zu blockieren. Vgl. hierzu Aktenzeichen: 10 D 121/07.NE, OVG Münster
10 Vgl. hierzu Kapitel 7.6.3
11 Vgl. Grundsatzpapier der FDP „Deutschlandprogramm 2009“ (Beschluss des 60. Bundesparteitages vom 17. Mai 2009), S. 57
12 Vgl. hierzu zum Beispiel http://www.focus.de/finanzen/boerse/aktien/boerse-handel-in-schwarz- gelb_aid_439859.html
13 Vgl. hierzu zum Beispiel http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,601263,00.html
14 Vgl. hierzu die KfW-Programme, http://www.kfw- mittelstandsbank.de/DE_Home/Kredite/Umweltschutz_im_Unternehmen/index.jsp
15 Vgl. Beispiel aus Reichling/ Bietke/ Henne, Praxishandbuch Risikomanagement und Rating (2007), S. 185
16 Vgl. Erdmann/ Zweifel, Energieökonomik (2007), S. 253
17 Vgl. Erdmann/ Zweifel, Energieökonomik (2007), S. 253
18 Vgl. Bundesnetzagentur: Pressemitteilung „Neue Marktregeln für die Bilanzierung im Gasbereich“, 29.05.2008
19 Vgl. Wehser, Langfristige Maßnahmen der Investitionsvorsorge im liberalisierten Strommarkt am Beispiel der USA (2004), S. 15; S. 65
20 So kann es durch die mangelnde Investitionsbereitschaft zu folgenschweren Stromausfällen kommen. In den USA startete die Liberalisierung bereits in den 90er Jahren. Fortan kam es zu starken Störungen der Stromversorgung (Chicago, 30.06.1999 und 12.08.1999). Auch in Neuseeland kam es schon zu schwerwiegenden Stromausfällen (Auckland 20.02.1998). Hier wurde bereits früh die Liberalisierung der Stromnetze eingeleitet.
21 Das Kyoto-Protokoll ist ein Zusatzprotokoll zur Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen und ist benannt nach dem Ort der Konferenz. Erstmals wurden auf dieser Konferenz von 38 Industrieländern verbindliche Ziele für die Reduzierung des CO2-Ausstoßes festgelegt.
22 Emissionshandels-Richtlinie, konsolidierte Fassung des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 18.06.2009
23 Vgl. Erdmann/ Zweifel, Energieökonomik (2008), S.360
24 Als Beispiel sei hier ein Steinkohlekraftwerk der EnBW AG angeführt, vgl. Jahresabschluss 2008 der EnBW AG, S. 6. Grundsätzlich ist natürlich zu beachten, dass die Investitionskosten für ein Kohlekraftwerk von den technischen Eigenschaften des Kraftwerks und den aktuellen Rohstoffpreisen abhängen.
25 Tax-Shield ist der steuerliche Vorteil, der durch die Fremdfinanzierung entsteht. Der Tax-Shield steigert den Wert des Unternehmens.
- Quote paper
- Stephan Roßkamp (Author), 2010, Die Rechnungslegung von Energieversorgern. Umgang und Berichterstattung bei branchenspezifischen Risiken, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/160516
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