Reliquien (von lat. „reliquus“, was „übrig“ bedeutet) besaßen im Mittelalter für das christliche Abendland einen hohen Stellenwert. Mit ihnen bezeichnet man Körperteile (Arme, Finger, Gebeine etc.) von Heiligen wie Missionaren, Asketen, Eremiten oder Märtyrern. Körperreliquien sind Reliquien erster Klasse, während Überbleibsel zweiter Klasse sog. „Berührungsreliquien darstellen, wie z.B. ein Mantel oder Waffen.
Diese Überreste von Heiligen waren im Mittelalter aufgrund ihrer Wunderwirkung sehr begehrt, da viele Gläubige Pilgerfahrten zu den Orten unternahmen, wo die Reliquie lagerte, um Buße für ihre Sünden zu tun und ihr Seelenheil zu stärken. Für die Besitzer einer Reliquie war dies auch mit pekuniären Vorteilen verbunden, sodass im damaligen Europa auch viele Fälschungen von Gebeinen und Fingern von Heiligen kursierten, deren Eigentümer versuchten, möglichst viel an den Pilgerströmen zu verdienen.
Diese Arbeit soll die Rezeption der Heiligen Lanze in den Augen der Historiografen des Ersten Kreuzzugs aufzeigen, die Frage nach der Echtheit der Lanze wird etwas hintenangestellt. Die Rezeption geschieht in drei Teilen. Der erste Abschnitt zeigt die Visionen, die zum Auffinden der Lanze führten. Im zweiten Teil wird über die Suche nach der Heiligen Lanze sowie deren Auffinden berichtet, ebenso über die motivierende und euphorisierende Wirkung des Fundes auf die Kreuzritter. In der dritten Passage wird der Kampf der Kreuzfahrer gegen das Belagerungsheer des Muslimen Kerbogha und deren Triumph geschildert.
Für die Kreuzzüge existiert eine Vielzahl an Quellenmaterial. Zwei Werke werden deshalb etwas präferiert behandelt und zitiert. Das erste ist die „Gesta Francorum et aliorum hierosolimitanorum“ eines unbekannten Autors. Man vermutet, dass er ein Gefolgsmann des Normannenherrschers Bohemund von Tarent gewesen ist. Wahrscheinlich war er Augenzeuge der Kampfhandlungen, was ein Indiz dafür sein könnte, dass der Chronist Kleriker war. Sein Werk beschreibt in epischer Form den gesamten Ersten Kreuzzug von 1096-99. Durch seine Nähe zu Bohemund muss man von einer pronormannischen oder zumindest einer prochristlichen Einfärbung ausgehen., wie natürlich auch bei der Gesta.
Die zweite Quelle ist die “Historia Francorum qui ceperunt Iherusalem“ des Raimund von Aguilers, des Kaplans Raimunds von Toulouse, eines der Protagonisten des Ersten Kreuzzuges. Raimund von Aguilers begleitete seinen Herren als Chronist.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Heilige Lanze von Antiochia
2.1. Die Visionen des Peter Bartholomäus
2.2. Die Suche nach der Heiligen Lanze und deren Auffindung
2.3. Der Kampf gegen Kerbogha
3. Schlussbetrachtung
4. Quellen- und Literaturverzeichnis
4.1. Quellenverzeichnis
4.2. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Reliquien (von lat. „reliquus“, was „übrig“ bedeutet) besaßen im Mittelalter für das christliche Abendland einen hohen Stellenwert. Mit ihnen bezeichnet man Körperteile (Arme, Finger, Gebeine etc.) von Heiligen wie Missionaren, Asketen, Eremiten oder Märtyrern. Körperreliquien sind Reliquien erster Klasse, während Überbleibsel zweiter Klasse sog. „Berührungsreliquien darstellen, wie z.B. ein Mantel oder Waffen.
Diese Überreste von Heiligen waren im Mittelalter aufgrund ihrer Wunderwirkung sehr begehrt, da viele Gläubige Pilgerfahrten zu den Orten unternahmen, wo die Reliquie lagerte, um Buße für ihre Sünden zu tun und ihr Seelenheil zu stärken. Für die Besitzer einer Reliquie war dies auch mit pekuniären Vorteilen verbunden, sodass im damaligen Europa auch viele Fälschungen von Gebeinen und Fingern von Heiligen kursierten, deren Eigentümer versuchten, möglichst viel an den Pilgerströmen zu verdienen.
Diese Arbeit soll die Rezeption der Heiligen Lanze in den Augen der Historiografen des Ersten Kreuzzugs aufzeigen, die Frage nach der Echtheit der Lanze wird etwas hintenangestellt. Die Rezeption geschieht in drei Teilen. Der erste Abschnitt zeigt die Visionen, die zum Auffinden der Lanze führten. Im zweiten Teil wird über die Suche nach der Heiligen Lanze sowie deren Auffinden berichtet, ebenso über die motivierende und euphorisierende Wirkung des Fundes auf die Kreuzritter. In der dritten Passage wird der Kampf der Kreuzfahrer gegen das Belagerungsheer des Muslimen Kerbogha und deren Triumph geschildert.
Für die Kreuzzüge existiert eine Vielzahl an Quellenmaterial. Zwei Werke werden deshalb etwas präferiert behandelt und zitiert. Das erste ist die „Gesta Francorum et aliorum hierosolimitanorum“[1] eines unbekannten Autors. Man vermutet, dass er ein Gefolgsmann des Normannenherrschers Bohemund von Tarent gewesen ist.[2] Wahrscheinlich war er Augenzeuge der Kampfhandlungen, was ein Indiz dafür sein könnte, dass der Chronist Kleriker war. Sein Werk beschreibt in epischer Form den gesamten Ersten Kreuzzug von 1096-99. Durch seine Nähe zu Bohemund muss man von einer pronormannischen oder zumindest einer prochristlichen Einfärbung ausgehen., wie natürlich auch bei der Gesta.
Die zweite Quelle ist die “Historia Francorum qui ceperunt Iherusalem“[3] des Raimund von Aguilers, des Kaplans Raimunds von Toulouse, eines der Protagonisten des Ersten Kreuzzuges.[4] Raimund von Aguilers begleitete seinen Herren als Chronist.
Weiterhin werden, wenngleich in etwas geringerem Umfang, andere christliche sowie muslimische Quellen verwendet.[5]
2. Die Heilige Lanze von Antiochia
2.1. Die Visionen des Peter Bartholomäus
Auch nachdem die Kreuzfahrer Antiochia am 2. Juni 1098 eingenommen hatten, war die Lage prekär: einerseits herrschten noch immer Hunger und Siechtum unter den Kämpfern, andererseits belagerten nun ihrerseits die Muslime unter ihrem Führer Kerbogha, dem Atabeg von Mosul, die Stadt. Zudem war die Moral der Kreuzritter am Boden, viele von ihnen desertierten, indem sie über die Mauer flüchteten. In dieser verzweifelten Lage erhielten zwei Mitglieder des Kreuzfahrerheeres durch Visionen göttliche Nachrichten und Unterstützung.
Dem Priester Stephan von Valence erscheint in der Kirche der Hl. Maria Jesus, Petrus und Maria selbst, die die sexuellen Ausschweifungen der Kreuzfahrer beklagen. Sofern die Kreuzritter wieder Gott huldigen und die fleischlichen Gelüste einstellen, werde Gott ihnen binnen 5 Tagen ein Zeichen geben.[6]
Die zweite, weitaus folgenreichere Vision hatte Peter Bartholomäus, ein armer Bauer aus der Provence.[7] Er war laut seinen Kameraden eine etwas zwielichtige Gestalt, der sich nur für die gröberen Freuden des Lebens hätte begeistern können. Ihm erscheint vor der Einnahme Antiochias der Apostel Andreas, der als Mann mit weißem Haar und Bart und einem freundlichen Gesicht beschrieben wird. Er führt ihn in die Kirche des heiligen Peter, welche damals von den Muslimen als Moschee genutzt wurde, und zeigt ihm die Stelle rechts des Altars, an der die Heilige Lanze vergraben ist.[8] Weiterhin sagt er ihm ebenso wie Stephan, dass Gott „innerhalb von fünf Tagen“[9] den Kreuzfahrern ein Zeichen seines Wohlwollens senden wird.[10] Diese Lanze gilt als wichtige Reliquie, da Jesus mit ihr in Berührung kam. Ein römischer Soldat namens Longinus soll Christus, während er am kreuze hing, damit durchbohrt haben, sodass auch dessen Blut die Lanze benetzt haben soll.
Danach erschien Andreas Peter noch öfter, hauptsächlich um ihn zu mahnen, dass er seinen Herren die Lanze bringen soll.[11] Dieser fürchtete nämlich, aufgrund seiner niederen sozialen Herkunft kein Gehör und auch keinen Glauben bei ihnen zu finden.[12] Nach den meisten Quellen kann man sagen, dass der Bischof Adhémar von Le Puy die Existenz einer Lanze abstritt, der Graf Raimund von Toulouse die Vision aber glaubte.[13] Letzterer und Bohemund von Tarent sahen in dieser Vision die Chance, die Moral der Kreuzfahrer wieder zu stärken und somit einen letzten Ausweg aus dem Dilemma von muslimischer Belagerung und Hungersnot zu finden. Dass sie wirklich an die Vision und damit an die Echtheit der Lanze glaubten, ist eher unwahrscheinlich. Adhémars Misstrauen lag wohl daran, dass er schon in Konstantinopel die Heilige Lanze gesehen zu haben glaubte und dementsprechend die antiochenische Version als nicht authentisch ansah.[14]
[...]
[1] Anonymus, Gesta Francorum et aliorum hierosolimitanorum, übersetzt als: The Deeds of the Franks and the other Pilgrims to Jerusalem, ed. Rosalind Hill, Oxford 1962. (im Folgenden zitiert als “Gesta Francorum”).
[2] Jörg Dendl, Wallfahrt in Waffen. Der Erste Kreuzzug ins Heilige Land 1095-1099, 2. Aufl., München 2000, S.14 (im Folgenden zitiert als „Dendl, Wallfahrt“).
[3] Raimund von Aguilers, Historia Francorum qui ceperunt Iherusalem, in: Recueil des Historiens des Croisades, Historiens Occidentaux, Tome 3, Paris 1866 (im Folgenden zitiert als „RHC 3 Raimund“).
[4] Dendl, Wallfahrt, S.15.
[5] Anna Comnena, The Alexiad, ed. Elizabeth A. Dawes, London 1928 (im Folgenden zitiert als “Alexiad”); Fulcher von Chartres, Historia Iherosolymitana Gesta Francorum Peregrinantium, in: Recueil des Historiens des Croisades, Historiens Occidentaux, Tome 3, Paris 1866 (im Folgenden zitiert als "RHC 3 Fulcher“); Wilhelm von Tyrus, Historia rerum in partibus transmarinis gestarum, übersetzt von Manfred Hiebl: http://www.manfredhiebl.de/Wilhelm-von-Tyrus/wilhelm-von-tyrus.htm (Stand 16.3.09, 11:18 h) (im Folgenden zitiert als “Historia”); Ibn al-Athiri, Chronicon quod perfectissimum inscribitur, ed. C. J. Tornberg, 14 Bde., Leiden 1851-76 (im Folgenden zitiert als „al-Athiri“), in: Francesco Gabrieli, Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht, Zürich 1973.
[6] Gesta Francorum, Buch IX, Kap. 24, S.57-59; Raimund von Aguilers, Historia Francorum qui ceperunt Iherusalem, übersetzt in: The First Crusade: Accounts of Eyewitnesses and Participants, ed. August C. Krey, Princeton 1921, Kap.8, S.179f. (im Folgenden zitiert als “ Historia Francorum”). Die Alexiade berichtet hierüber nichts, Wilhelm von Tyrus nur sehr vage.
[7] Gesta Francorum, Buch IX, Kap. 25, S.59f.; Historia Francorum, Kap.8, S.176-179 (die detaillierteste Erzählung); Fulcher von Chartres, Historia Iherosolymitana Gesta Francorum Peregrinantium, Buch I, Kap.XVIII, übersetzt von Manfred Hiebl: http://www.manfredhiebl.de/Fulcher-von-Chartres/fulcher-von-chartres.htm (Stand 16.3.09, 11 h) (im Folgenden zitiert als „Iherosolymitana“) (Peter wird nicht namentlich erwähnt); Historia, Buch VI, Kap. 14.
[8] Der genaue Fundort wird bei Anna Komnena erwähnt, sie bezeichnet die Lanze als „Nagel“: Alexiad, Book 11, Kap.6, S.284f.
[9] Gesta Francorum, Buch IX, Kap.25, S.60: „ et infra quinque dies...“
[10] Gesta Francorum, Buch IX, Kap.25, S.60.
[11] Gesta Francorum, Buch IX, Kap.25, S.59f.; Historia Francorum, Kap.8, S.176. In der Gesta werden zwei Erscheinungen Andreas´ genannt, Raimund von Aguilers zählt vier, Wilhelm von Tyrus spricht von drei oder vier Erscheinungen.
[12] Historia Francorum, Kap.8, S.177f.; Historia, Buch VI, Kap. 14.
[13] Iherosolymitana, Buch I, Kap. XVIII; Historia Francorum, Kap.8, S.179. In der Gesta wird berichtet, dass zunächst ein Kollektivzweifel vorherrschte, der aber schwand, als Peter berichtete, dass der Besitzer der Heiligen Lanze „niemals vom Feind bezwungen werden kann“: Gesta Francorum, Buch IX, Kap.25, S.60: „ ...numquam in hoste superabitur.“
[14] Dendl, Wallfahrt, S.160.
- Quote paper
- Fabian Fuchs (Author), 2009, Der Fund der Heiligen Lanze bei der Belagerung Antiochias 1098, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/160041
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