Im Mittelalter gehörte die Ehre zu den zentralen Themen überhaupt. Zumindest im Hinblick auf die Ritterschaft. Das Leben eines Ritters war bestimmt von Tugenden, die wir auch heute noch kennen. Dazu zählen unter anderem Maße, Treue, Mut und an oberster Stelle die Ehre. Aber was verstand man damals überhaupt unter „Ehre“? Für die gesamte Zeit des Mittelalters kann sie als ein Zusammenspiel all dessen gesehen werden, was die Stellung einer Person innerhalb der Gesellschaft ausgemacht hat. Diese wurde durch verschiedene Faktoren bestimmt und gebildet, so zum Beispiel aus dem persönlichen Besitz oder den eigenen Fähigkeiten, die man besaß. Und der Rang in der mittelalterlichen Gesellschaft war etwas existenziell Wichtiges. Er bestimmte die Möglichkeiten zur Einflussnahme oder Gestaltung in den gesellschaftlichen Ordnungen der damaligen Zeit. Es liegt daher auch auf der Hand, dass der Rang, und somit auch die Ehre, umkämpft, verteidigt und angegriffen wurde. Damit geht außerdem einher, dass der Grad der jeweiligen Ehre „in permanenten demonstrativen Akten unterstrichen wird und werden muss.“ Der Mensch, oder in unserem Falle speziell der Ritter, demonstriert die eigene Ehre und erwartet dafür auch entsprechende Anerkennung. Aus diesen Prozessen bestand folglich ein großer Teil der mittelalterlichen Öffentlichkeit. Aus diesem Verhalten folgt aber auch, dass eine Ehrverletzung massive Konsequenzen nach sich ziehen musste. In diesem Falle hätte ein Ritter in einer Fehde Selbstjustiz betrieben, um so seine verlorene Ehre wieder zu gewinnen. Dieses Bild eines um Ehre kämpfenden Ritters hat sich auch bis heute nicht verändert, es gehört „zu den bekanntesten Stereotypen aus denen die Mittelalterbilder der Moderne gebildet sind.“ Und auch wenn die Ehre ein so verletzlicher Bereich der mittelalterlichen Gesellschaft darstellt, finden sich in Quellen viele Provokationen. Wer sich darauf einließ hatte schnell an Prestige verloren. Entsprechend mussten insbesondere Ritter aufpassen, nicht unnötig in Auseinandersetzungen verwickelt zu werden. Ob es im Iwein eine andere Definition von Ehre gibt und wie er sie erringt, soll im zweiten Abschnitt erläutert werden.
„Ehre“ als Begriff des Mittelalters
Im Mittelalter gehörte die Ehre zu den zentralen Themen überhaupt. Zumindest im Hinblick auf die Ritterschaft. Das Leben eines Ritters war bestimmt von Tugenden, die wir auch heute noch kennen. Dazu zählen unter anderem Maße, Treue, Mut und an oberster Stelle die Ehre. Aber was verstand man damals überhaupt unter „Ehre“? Für die gesamte Zeit des Mittelalters kann sie als ein Zusammenspiel all dessen gesehen werden, was die Stellung einer Person innerhalb der Gesellschaft ausgemacht hat. Diese wurde durch verschiedene Faktoren bestimmt und gebildet, so zum Beispiel aus dem persönlichen Besitz oder den eigenen Fähigkeiten, die man besaß.[1]Und der Rang in der mittelalterlichen Gesellschaft war etwas existenziell Wichtiges. Er bestimmte die Möglichkeiten zur Einflussnahme oder Gestaltung in den gesellschaftlichen Ordnungen der damaligen Zeit. Es liegt daher auch auf der Hand, dass der Rang, und somit auch die Ehre, umkämpft, verteidigt und angegriffen wurde.[2]Damit geht außerdem einher, dass der Grad der jeweiligen Ehre „in permanenten demonstrativen Akten unterstrichen wird und werden muss.“[3]Der Mensch, oder in unserem Falle speziell der Ritter, demonstriert die eigene Ehre und erwartet dafür auch entsprechende Anerkennung. Aus diesen Prozessen bestand folglich ein großer Teil der mittelalterlichen Öffentlichkeit.[4]Aus diesem Verhalten folgt aber auch, dass eine Ehrverletzung massive Konsequenzen nach sich ziehen musste. In diesem Falle hätte ein Ritter in einer Fehde Selbstjustiz betrieben, um so seine verlorene Ehre wieder zu gewinnen. Dieses Bild eines um Ehre kämpfenden Ritters hat sich auch bis heute nicht verändert, es gehört „zu den bekanntesten Stereotypen aus denen die Mittelalterbilder der Moderne gebildet sind.“[5]Und auch wenn die Ehre ein so verletzlicher Bereich der mittelalterlichen Gesellschaft darstellt, finden sich in Quellen viele Provokationen. Wer sich darauf einließ hatte schnell an Prestige verloren. Entsprechend mussten insbesondere Ritter aufpassen, nicht unnötig in Auseinandersetzungen verwickelt zu werden. Ob es im Iwein eine andere Definition von Ehre gibt und wie er sie erringt, soll im zweiten Abschnitt erläutert werden.
„Ehre“ im Iwein
Hier fällt die Definition des Begriffs durchaus schwerer. Vor allem auf den ersten Seiten des Werkes wird deutlich, dass es keine klare Definition für dieses Wort gibt. Vielmehr gibt es mehrere Bedeutungen. Hier einige Beispiele:
- Im Sinne von „beleidigen“ („ir sprechet alze sêre den rittern an ir êre.“, Vers 167f.)
- Als Synonym für „schmähen, verschmähen“ („… swen iuwer zunge unêret, …“, Vers 196)
- So, wie wir heute Ehre verstehen („… deiswâr, sô hâstû guot heil, gescheidestû mit êren dan.“, Vers 596f.)
- Als Begriff für Herrlichkeit („… grôz êre.“, Vers 603)
- Für jemanden, der der eigenen Ehre beraubt wurde („…êrlôser man…“, Vers 766)
- Wenn jemandem Ehre geschieht, er also der Sieger ist („… wær mir diu êre geschehen…“, Vers 789)
- Im Sinne von „würdig“ („… daz got mit êren möhte sehen…“, Vers 1021)
Sicherlich gäbe es noch mehr Möglichkeiten, diese sollen hier aber nicht weiter ausgeführt werden. Es wird aber auch mit den angegebenen Beispielen deutlich, dass Ehre nicht nur im Mittelalter von großer Bedeutung war, sondern dass dieses Motiv vor allem in einem höfischen Roman wie dem Iwein verstärkt auftritt. Der Roman thematisiert schließlich nicht die Gesellschaft an sich, sondern insbesondere die ritterliche Gesellschaft. Und für sie war Ehre die wichtigste aller Tugenden. Sie bestimmte für einen Ritter die Position innerhalb der Gesellschaft. Entsprechend war ein Ritter stets bemüht, die eigene Ehre nicht zu verlieren. Im Gegenteil, wenn möglich, sollte sie sogar noch gesteigert werden. Dieses gilt auch für den Protagonisten des Romans, Iwein. Um seine Ehre zu steigern, muss er auf Âventiure gehen, sich also im Kampf gegen andere Ritter oder sonstige Feinde behaupten. Er sucht bewusst die Bewährung im Kampf, um seine Existenz und gleichzeitig seine Würde zu bestätigen. Dennoch ist dieses Streben für einen Ritter äußerst riskant. Immerhin kann er durch einen verlorenen Kampf wieder im Rang sinken.[6]Wie Iwein Ehre erlangt und verliert, soll hier an einigen Beispielen verdeutlicht werden.
Neben der Mehrung der eigenen Ehre gibt es noch das Motiv der Rache. Der Ritter muss zur Âventiure ausreiten, um Familienmitglieder oder Freunde zu rächen. Dies ist auch der Grund für die erste Âventiure im „Iwein“. Zu Beginn des Romans befinden wir uns am Artushof zu Karidol, an dem sich die Ritter Dodines, Gawein, Segremors, Iwein, Keie und Kalogrenant zur Artusrunde treffen. Hier berichtet Kalogrenant offen von einem persönlichen Ehrverlust.[7]Dieses Verhalten war für die ritterliche Gesellschaft untypisch, denn wenn es keine Zeugen für einen solchen Verlust gab, so war offiziell auch nichts passiert. Dass Kalogrenant seine Geschichte dennoch erzählt und damit eine Ehrminderung in Kauf nimmt, lässt sich nur damit erklären, dass er zuvor bereits mehr als genug Ehre errungen haben muss und ihm dieses Erlebnis deshalb keinen großen Schaden zufügen kann. In Iwein wächst unterdessen der Wille, Kalogrenant zu rächen. Außerdem will er den Kampf aber gewinnen, um rangmäßig über Kalogrenant zu stehen. Er reitet also zur Quelle aus, an der Kalogrenant gescheitert ist und schafft es tatsächlich, den Herrn des Waldes zu besiegen. Er muss sich allerdings auf dessen Burg flüchten, wo er sich in die Witwe, Laudine, verliebt. Weil er aber ihren geliebten Mann erschlagen hat, scheint die Situation ausweglos zu sein, denn Laudine wünscht sich nichts mehr, als den Mörder ihres Mannes ebenso zu töten. Erst durch die List Lunetes gewinnt Iwein zwangsläufig das Herz Laudines. Lunete berichtet ihrer Herrin davon, dass Artus die Quelle heimsuchen wird und sie deshalb einen Mann an ihrer Seite braucht, der sie schützen kann. In ihren Augen kann diese Position nur derjenige einnehmen, der es geschafft hat, ihren Mann zu töten. In diesem Fall ist das Iwein. Es bleibt ihr also keine andere Wahl, nach dem Schock geht sie das Bündnis widerwillig ein.
[...]
[1] Schreiner, Klaus/Schwerhoff, Gerd (Hrsg.): VerletzteEhre. Ehrkonflikte in Gesellschaften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit.S. 63. Köln, 1995
[2] Ebd.
[3] Ebd., S. 64
[4] Ebd.
[5] Ebd., S. 66
[6] Fischer, Hubertus:Ehre, Hof und Abenteuer in Hartmanns „Iwein“. Vorarbeiten zu einer historischen Poetik des höfischen Epos. S. 22,München, 1983
[7] Von Aue, Hartmann:Iwein. Text und Übersetzung. Vers 92-95. Berlin, 2001
- Citation du texte
- Lisa Nohl (Auteur), 2008, Ehre in Hartmanns „Iwein“ im Vergleich zum Ehrbegriff des Mittelalters, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/159984