Nach dem weitgehend friedlichen Ende des Apartheidregimes und dem Wandel zu einem demokratischen System wurde die „Regenbogennation“ Südafrika von vielen als neuer Hoffnungsträger des „schwarzen Kontinents“ gefeiert. Während Nelson Mandelas Politik nach den ersten freien Wahlen im Jahr 1994 primär im Zeichen der Versöhnung, Nationenbildung und Demokratisierung stand, wurde schon bald deutlich, dass die Verwirklichung dieser gesellschaftlichen Ziele eine grundlegende Veränderung der sozioökonomischen Strukturen voraussetzt. Mit der enormen Kluft zwischen einer in Armut lebenden, vorwiegend schwarzen Bevölkerungsmehrheit und einer kleinen, vorherrschend weißen Oberschicht, würden sowohl eine echte Versöhnung der Rassen als auch die langfristige Demokratisierung der Gesellschaft unmöglich bleiben. Nur im Rahmen eines gerechten und nachhaltigen Entwicklungsprozesses würden auch die Errungenschaften des politischen Herrschaftswechsels und der gesellschaftlichen Öffnung dauerhaft Bestand haben.
Südafrika stand damit entwicklungspolitisch vor der zentralen Herausforderung, die stagnierende Wirtschaft wettbewerbsfähig zu machen, um Wachstum zu stimulieren und gleichzeitig einen Umverteilungsprozess einzuleiten. Grundsätzlich bedingen sich diese Entwicklungsziele, da langfristiges Wirtschaftswachstum stabile sozioökonomische Strukturen erfordert und soziale Reformen ohne einen dynamischen ökonomischen Hintergrund nicht umgesetzt werden können. Doch gerade diese Interdependenz der Ziele ist das entscheidende Problem. Keine der bisher in Südafrika implementierten Entwicklungsstrategien konnte sowohl Ökonomie als auch Gesellschaftsstruktur gleichermaßen positiv beeinflussen.
Während Südafrika in den letzten Jahren ein steigendes Wirtschaftswachstum verzeichnen konnte, nahm die Verteilungsungleichheit sogar weiter zu. Das Land am Kap ist mit einem von 0,665 (1994) auf 0,685 (2006) gestiegenen Gini-Koeffizienten bis heute ein Paradebeispiel für extrem ungleiche Verteilung von Vermögen, Einkommen und Lebenschancen. In Anbetracht dessen stellt sich weiterhin die entscheidende Frage, mit welcher Entwicklungsstrategie die interdependenten Ziele Wachstum und soziale Gerechtigkeit verwirklicht werden können.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Problemhintergrund und Themenstellung
- Politikwissenschaftliche Relevanz
- Forschungsstand und Quellenlage
- Forschungsfrage und Arbeitshypothese
- Aufbau und Vorgehensweise
- Südafrikas Entwicklungsstrategie: Die erste Dekade 1994 - 2004
- Ausgangslage und Rahmenbedingungen
- RDP (Reconstruction and Development Programme)
- GEAR (Growth, Employment and Redistribution)
- Bilanz und neue Rahmenbedingungen
- Entstehung und Konzeption einer neuen Entwicklungsstrategie
- Die Entwicklungsstrategie der Developmental States als Leitbild
- Ein Developmental State in Südafrika
- ASGISA (Accelerated and Shared Growth for South Africa)
- Einordnung und Bewertung
- Implementierung der neuen Strategie
- Voraussetzungen der Implementierung
- Externe und interne Strukturbedingungen
- Internationale Struktur
- Gesellschaftsstruktur
- Südafrikas Staat
- Politische Ebene
- Administrative Ebene
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese wissenschaftliche Arbeit untersucht die Chancen und Hindernisse der neuen südafrikanischen Entwicklungsstrategie, die sich am Modell der Developmental States orientiert. Sie analysiert die Hintergründe und Entwicklungen der ersten Dekade nach dem Ende des Apartheidregimes, bewertet die bisherige Strategie GEAR (Growth, Employment and Redistribution) und stellt die neue Entwicklungsstrategie ASGISA (Accelerated and Shared Growth for South Africa) vor.
- Entwicklungsstrategien Südafrikas nach dem Ende des Apartheidregimes
- Das Modell der Developmental States als Vorbild für Südafrika
- Die neue Entwicklungsstrategie ASGISA und ihre Ziele
- Chancen und Herausforderungen der Implementierung der neuen Entwicklungsstrategie
- Die Rolle des Staates in der Entwicklung Südafrikas
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung erläutert den Problemhintergrund und die Relevanz der Thematik, beleuchtet den Forschungsstand und stellt die Forschungsfrage sowie die Arbeitshypothese vor. Das zweite Kapitel analysiert die erste Dekade nach der politischen Wende in Südafrika (1994-2004) und beleuchtet die Herausforderungen, die im Rahmen der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik zu bewältigen waren. Das dritte Kapitel befasst sich mit der Entstehung und Konzeption einer neuen Entwicklungsstrategie und stellt das Modell der Developmental States als Leitbild vor. Es analysiert die Einordnung und Bewertung der neuen Entwicklungsstrategie ASGISA, die im Jahr 2006 verabschiedet wurde. Das vierte Kapitel untersucht die Implementierung der neuen Strategie, wobei die Voraussetzungen, die externen und internen Strukturbedingungen sowie die Rolle des Staates in der Umsetzung der Strategie beleuchtet werden. Die Arbeit schließt mit einem Fazit.
Schlüsselwörter
Entwicklungsstrategie, Developmental States, Südafrika, ASGISA, GEAR, Wachstum, soziale Gerechtigkeit, Staatsintervention, Wirtschaftspolitik, Gesellschaftspolitik, politische Wende, Apartheid, Post Washington Consensus.
- Quote paper
- Linda Wundrak (Author), 2008, Chancen und Hindernisse der neuen südafrikanischen Entwicklungsstrategie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/159882