Das Gedicht wurde 1964 geschrieben und mit drei anderen Gedichte in einem Gedichtzyklus
(Enzensbergers "Kursbuch" (Nr. 15)) im November 1968 veröffentlicht. Bachmann platzierte das
Gedicht ganz am Ende, mit der Begründung: "weil damit alles gesagt ist».
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Das Gedicht entstand nach zwei kurzen Pragreisen der Autorin im Jahre 1964 und ihrer
Shakespeare-Lektüre « The Winter's Tale ».
Außerdem war Bachmann ein Jahr vorher nach einer fünfjährigen Beziehung vom Schriftsteller
Max Frisch verlassen worden. Diese Trennung war ein entscheidender Wendepunkt in ihrem Leben
und im Gedicht wird darauf angespielt, ohne jedoch detailliert darauf einzugehen.
1. Enstehungsgeschichte des Gedichtes
Das Gedicht wurde 1964 geschrieben und mit drei anderen Gedichte in einem Gedichtzyklus (Enzensbergers „Kursbuch“ (Nr. 15)) im November 1968 veröffentlicht. Bachmann platzierte das Gedicht ganz am Ende, mit der Begründung: « weil damit alles gesagt ist ».[1]
Das Gedicht entstand nach zwei kurzen Pragreisen der Autorin im Jahre 1964 und ihrer Shakespeare-Lektüre « The Winter's Tale ».
Außerdem war Bachmann ein Jahr vorher nach einer fünfjährigen Beziehung vom Schriftsteller Max Frisch verlassen worden. Diese Trennung war ein entscheidender Wendepunkt in ihrem Leben und im Gedicht wird darauf angespielt, ohne jedoch detailliert darauf einzugehen.[2]
2. Das geographische Böhmen
Böhmen ist eine der historischen Landschaften Mittteleuropas und beträgt ungefähr zwei Drittel des Tschechischen Reiches. Böhmen grenzt an drei Länder (Deutschland, Ungarn und Polen) und ist somit ein Binnenland. Böhmen liegt also, geographisch gesehen, definitiv nicht am Meer. Viele Künstler, wie zum Beispiel Franz Kafka und Rainer Maria Rilke stammten aus dieser Region, in der die tschechische, die jüdische aber auch die deutsche Kultur aufeinander stoßen.[3]
Wenn man heute an Böhmen denkt, denkt man direkt an das französiche Wort « Bohème », das an ein freies Leben, an Kunst, an Reisen und an Vagabunde erinnert.
3. Das poetische Böhmen
Warum aber nun Böhmen am Meer? Verschiedene Interpretationen sind möglich.
Eine erste, sehr historische Analyse deutet auf die Tatsache an, dass Böhmen sich unter der Herrschaft mehrerer Könige, in kurzen historischen Momenten wirklich bis auf wenige Kilometer den Meeresküsten genähert hat. Im XIV. Jahrhundert, unter Karl dem IV, grenzte Böhmen zum Beispiel fast an die Pommersche Ostseeküste.[4]
Eine weitere Möglichkeit wäre in geographischer Hinsicht, dass Böhmen tatsächlich an der historischen Region „Mähren“ grenzt und dass es sich somit um ein Wortspiel handelt könnte.
Eine weitaus plausiblere Interpretation, zu der wir persönlich tendieren, ist die folgende:
Böhmen am Meer wird „ gerne als Projektionsfläche eines utopischen Idealzustandes verwendet “.[5] Das bekannteste Beispiel ist wohl Shakespeare's 'Bohemia' in 'The Winter's Tale'. Shakespeare erträumte das Land Böhmen am Meer und wurde deshalb von vielen als ungebildet bezeichnet. Im folgenden Zitat erklärt Ingeborg Bachmann ihre Verbindung zu Shakespeare:
„ Man hat mich gefragt […] ob ich ein Gedicht schreiben könnte [...] für das Shakespeare-Jahr in Stratford-on-Avon. Ich habe geschrieben: Nein, das kann ich nicht. Dann ist mir etwas aufgefallen, nur ein einziger Satz von Shakespeare und einem seiner allergescheitesten Zeitgenossen, Johnson, der ihm vorgeworfen hat, er sei ungebildet, ein schlechter Dichter, er wisse nicht einmal, dass Böhmen nicht am Meer liegt. Wie ich nach Prag gekommen bin, habe ich gewusst, doch Shakespeare hat recht: Böhmen liegt am Meer. “[6]
4. Versuch einer Interpretation
4.1 Die Metrik
Es handelt sich um einen sechsfüßigen jambischen Vers mit einer Zensur in der Mitte[7], mit einem binären Versrhytmus[8]. 17 Verse sind Alexandriner und in 14 Versen ändert der Satz mit der Zeile. In den Versen 13-20 wird der Text in drei Stufen gegliedert , sodass der Alexandriner durchgebrochen wird. Das Durchbrechen der Form wird auch auf der thematischen Ebene wichtig.[9] Peter Horst Neumann kommentierte das Benutzen der Alexandriner folgendermaßen: Diese Versform „ ist dem Gedicht als ein Prinzip der Ordnung eingeschrieben, doch im Durchbrechen dieser Norm schwingt die Sprache ins Freie. Diese Gleichzeitigkeit von Bändigung und Befreiung auf der metrischen Ebene wird beim Lesen zu einem wesentlichen Element der sinnlichen Erfahrung. Auf der Ebene der Botschaft entspricht ihr die Gleichzeitigkeit von Zugrundegehn und Unverlorensein.“[10]
Des Weiteren erinnert der allgemeine Tonfall des Gedichtes an den romanischen Ton eines Märchen: “Etwas wird aus der Todesstarre befreit, es ist dies greifbar in dem Märchenton der Sprache, die sich belebt und im Heimatlosen eine Heimat der Phantasie schafft. “[11]
[...]
[1] Kurt Basch, Sammlung Metzler, Realien zur Literatur, Band 242; Ingeborg Bachmann
[2] http://www.xlibris.de/Autoren/Bachmann/Werke/B%C3%B6hmen+liegt+am+Meer?page=0%2C1
[3] http://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%B6hmenn, besucht am 23. April 2010
[4] http://www.milenaoda.com/ger/clanky/Essay30/Freitag-Bohmen-liegt-an-Meeren,-Shakespeare,-Wintermarchen-/
[5] http://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%B6hmenn, besucht am 23. April 2010
[6] Kurt Basch, Sammlung Metzler, Realien zur Literatur, Band 242; Ingeborg Bachmann, Seite 133
[7] http://literatur-community.de/gedichte/1361-ingeborg-bachmann-b%C3%B6hmen-liegt-am-meer/
[8] Text und Kritik, Zeitschrift für Literatur, Ingeborg Bachmann, fünfte Auflage, Herausgeber Heinz Ludwig Arnold, 1995 , Seite 45
[9] http://literatur-community.de/gedichte/1361-ingeborg-bachmann-b%C3%B6hmen-liegt-am-meer/
[10] Kurt Basch, Sammlung Metzler, Realien zur Literatur, Band 242; Ingeborg Bachmann, Seite 132
[11] Peter Beiken, Ingeborg Bachmann, Beck'sche Reihe , Autorenbücher, Verlag C.H Beck München, 1992 , Seite 154
- Quote paper
- Anne-Christine Funke (Author), 2009, Ingeborg Bachmann "Böhmen liegt am Meer" - Versuch einer Interpretation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/159515
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