„Berichte, die uns in authentische Beziehung zu großen Ereignissen bringen, werden zu Dokumenten…„ (Riefenstahl, 1940). Diese Aussage Leni Riefenstahls über das Genre des Dokumentarfilms gibt dem Betrachter ihrer Filme Aufschluss darüber, was sie selbst unter filmischer Dokumentation verstand. Vielmehr noch gibt es dem Rezipienten ihrer Werke bzw. der historischen Filmforschung eine Leseart und Interpretationshilfe vor. Es wird deutlich, dass es Riefenstahl bei der Produktion ihrer beiden wohl bekanntesten Filme „Triumph des Willens“ und „Olympia 1938 – Fest der Völker, Fest der Schönheit“ nicht nur um das chronologische Festhalten der damaligen Ereignisse ging. Der Zuschauer sollte emotional angesprochen, sowie durch eine inszenierte Dramaturgie das Geschehen selbst nachempfinden und -erleben können . Anhand dieser Intention wird deutlich, dass Riefenstahl auf die Wirkung, welche von ihren Bildern ausging, setzte. Folglich erscheint es als unlogisch, ihre Werke einzig dem Genre des Dokumentarfilms zuzuordnen. Als Regisseurin betrieb sie eine „Ästhetisierung von Politik“ und prägte dadurch sowohl das nationale, als auch das internationale Erscheinungsbild des deutschen Faschismus
[...]
Fraglich ist die Relevanz der von Riefenstahl begründeten Ästhetik in der gegenwärtigen Medienkultur. Es ist wohl kaum zu bestreiten, dass auch heute noch mediale Formate existieren, welche propagandistische Ziele verfolgen und durch ihre spezifischen Gestaltungsmerkmale manipulative Funktion aufweisen. Hierfür kann exemplarisch die Werbung mit ihrer Intention, Menschen zum Kauf angepriesener Produkte zu verleiten, gesehen werden. Die Intention solch kommerzieller Medienprodukte zielt in der Regel auf eine positive Beeinflussung der Meinungsfindung des Rezipienten in Bezug auf die dargestellte Sache.
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Demnach beschäftigt sich die nachfolgende Arbeit mit der Beantwortung der Frage, ob aktuelle Medienproduktionen - im Besonderen die Werbung - sich der faschistischen Ästhetik der Leni Riefenstahl bedienen, um das Kaufverhalten des Rezipienten positiv zu beeinflussen. Dieser Frage geht allerdings voraus, welche Merkmale die Faschistische Ästhetik ausmachen und wie sie darüber hinaus definiert werden müsste, um auf aktuelle mediale Formate angewandt werden zu können.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Kurzbiografie Leni Riefenstahl
3. Vorgehensweise der Analysearbeit
4. Triumph des Willens
4.1 Kontext und Produktionsweise des Parteitagsfilms
4.2 Inhalt, Akteure und Schauplatz des Parteitagsfilms
4.3 Deskriptive Analyse
4.4 Bedeutungsanalyse
5. Olympia 1938 - „Fest der Schönheit“
5.1 Kontext und Produktionsweise der Sportdokumentation
5.2 Inhalt, Akteure und Schauplatz der Sportdokumentation
5.3 Deskriptive Analyse
5.4 Bedeutungsanalyse
6. Faschistische Ästhetik
6.1 Definition
6.2 Ideologien
7. Zur Aktualität Faschistischer Ästhetik in der Werbung
7.1 „Anthem“ von Vangelis (Takkyu Ishino Mix) - die Hymne zur Fifa WM 2002
7.1.1 Inhalt, Akteure und Schauplatz des kommerziellen Musikvideos
7.1.2 Elemente Faschistischer Ästhetik
7.1.3 Bedeutungsanalyse
7.2 Die Pepsi-Werbung
7.2.1 Inhalt, Akteure und Schauplatz der Werbung
7.2.2 Elemente Faschistischer Ästhetik
7.2.3 Bedeutungsanalyse
8. Fazit
9. Literaturangaben
10. Anhang
10.1 Sequenzprotokoll zu „Triumph des Willens“
10.2 Sequenzprotokoll zu „Olympia 1938 - Fest der Schönheit“
10.3 Minimalistisches Sequenzprotokoll zu „Anthem“ von Vangelis
10.4 Minimalistisches Sequenzprotokoll zur Pepsi-Werbung
1. Einleitung
„ Berichte, die uns in authentische Beziehung zu großen Ereignissen bringen, werden zu Dokumenten …„ 1 (Riefenstahl, 1940). Diese Aussage Leni Riefenstahls über das Genre des Dokumentarfilms gibt dem Betrachter ihrer Filme Aufschluss darüber, was sie selbst unter filmischer Dokumentation verstand. Vielmehr noch gibt es dem Rezipienten ihrer Werke bzw. der historischen Filmforschung eine Leseart und Interpretationshilfe vor. Es wird deutlich, dass es Riefenstahl bei der Produktion ihrer beiden wohl bekanntesten Filme „Triumph des Willens“ und „Olympia 1938 - Fest der Völker, Fest der Schönheit“ nicht nur um das chronologische Festhalten der damaligen Ereignisse ging. Der Zuschauer sollte emotional angesprochen, sowie durch eine inszenierte Dramaturgie das Geschehen selbst nachempfinden und -erleben können2. Anhand dieser Intention wird deutlich, dass Riefenstahl auf die Wirkung, welche von ihren Bildern ausging, setzte. Folglich erscheint es als unlogisch, ihre Werke einzig dem Genre des Dokumentarfilms zuzuordnen. Als Regisseurin betrieb sie eine „Ästhetisierung von Politik“ und prägte dadurch sowohl das nationale, als auch das internationale Erscheinungsbild des deutschen Faschismus.3 Sie zeigte das NS-Regime in dem Licht, in welchem es selbst gesehen werden wollte. Die zentralen Ideologien des Nationalsozialismus fanden durch die Auswahl der Objekte, sowie die Inszenesetzung mit der Kamera ihre Entsprechung in der Filmgestaltung. Definiert man Propaganda als Bagatellisierung oder Beschönigung der Aufnahmerealität4 so wird deutlich, dass Riefenstahl mit ihren Filmen eben dieses Ziel verfolgte. Demnach können ihre Werke als bedeutsames Manipulationsinstrument des Regimes angesehen werden.
Fraglich ist die Relevanz der von Riefenstahl begründeten Ästhetik in der gegenwärtigen Medienkultur. Es ist wohl kaum zu bestreiten, dass auch heute noch mediale Formate existieren, welche propagandistische Ziele verfolgen und durch ihre spezifischen Gestaltungsmerkmale manipulative Funktion aufweisen. Hierfür kann exemplarisch die Werbung mit ihrer Intention, Menschen zum Kauf angepriesener Produkte zu verleiten, gesehen werden. Die Intention solch kommerzieller Medienprodukte zielt in der Regel auf eine positive Beeinflussung der Meinungsfindung des Rezipienten in Bezug auf die dargestellte Sache. Um die gewünschte Wirkung beim Käufer hervorzurufen werden, ganz im Sinne der Definition von Propaganda, die jeweiligen Produkte in Form einer wünschenswerten oder einer mit positiven Erfahrungen assoziierten, filmischen Realität inszeniert. Bezüglich audiovisueller Werbeclips kann der Ästhetischen Gestaltung dieser eine hohe Bedeutung zugemessen werden. Demnach beschäftigt sich die nachfolgende Arbeit mit der Beantwortung der Frage, ob aktuelle Medienproduktionen - im Besonderen die Werbung - sich der faschistischen Ästhetik der Leni Riefenstahl bedienen, um das Kaufverhalten des Rezipienten positiv zu beeinflussen. Dieser Frage geht allerdings voraus, welche Merkmale die Faschistische Ästhetik ausmachen und wie sie darüber hinaus definiert werden müsste, um auf aktuelle mediale Formate angewandt werden zu können. Folglich wird die Faschistische Ästhetik im ersten Teil der Arbeit zuerst anhand von Riefenstahlproduktionen differenziert untersucht und nachgewiesen, um anschließend in Form einer allgemeingültigen Definition festgehalten zu werden. In Bezug auf den Umfang der Arbeit wird dieser Teil den Schwerpunkt ausmachen, da es nachfolgend nur noch um die Übertragung der definierten Elemente Faschistischer Ästhetik auf die Gegenwart gehen wird.
Um die Fragestellungen überhaupt bearbeiten zu können, muss zunächst von der Existenz Faschistischer Ästhetik ausgegangen werden. Über deren Beschaffenheit soll eine, im Rahmen dieser Arbeit angestellte Analyse der beiden zuvor erwähnten Filme („Triumph des Willens“; „Olympia 1938 - Fest der Völker, Fest der Schönheit“) Aufschluss geben.
Da die ästhetische Gestaltung der Filme Leni Riefenstahls stark von biografischen Ereignissen beeinflusst ist, soll anfänglich in Form einer Kurzbiografie ein Überblick über ihr Leben gegeben werden. Nachdem die Vorgehensweise der Analysearbeit unter Punkt 2 detailliert erläutert wird, erfolgt anschließend die Analyse von Kurzsequenzen der Filme „Triumph des Willens“ und „Olympia 1938 - Fest der Völker, Fest der Schönheit“. Die Reihenfolge der Analysen begründet sich hierbei chronologisch. Es wurden jeweils nur Ausschnitte gewählt, weil eine Analyse über die gesamte Länge der Filme den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde. Darüber hinaus genügen die Sequenzen auf Grund ihrer qualitativen Auswahl der Intention, die Merkmale der Faschistischen Ästhetik herauszuarbeiten und zu belegen. Da für das Verständnis der Sequenzen sowohl der historische Kontext, als auch die Produktionsbedingungen relevant sind, wird der eigentlichen Analyse jeweils eine Produktions- und Kontextanalyse vorausgehen. Des Weiteren sollen Inhalt, Akteure und Schauplätze des jeweiligen Films separat vorgestellt werden. Nach dem Erstellen eines Sequenzprotokolls schließt sich eine deskriptive Analyse an, welche die spezifischen formalästhetischen Elemente beschreibt. Im Sinne einer Interpretation des zuvor beschriebenen schließen die Sequenzanalysen jeweils mit einer Bedeutungsanalyse. Zusammenfassend sollen unter Punkt 6 die aus den Analysen gewonnenen Merkmale der Faschistischen Ästhetik aufgezählt werden, wodurch es bereits zu einer Lösung der ersten Fragestellung kommt. Darüber hinaus wird hier der Versuch einer Definition angestellt. Die Beschreibung der die Ästhetik definierenden Elemente wird allerdings gesondert zu der von ihnen ausgehenden Wirkung bearbeitet werden. Der weiterführenden Intention der Arbeit folgend, das Vorkommen Faschistischer Ästhetik in aktuellen Medienproduktionen zu untersuchen, soll die Definition dieser Ästhetik nur deren spezifische Merkmale enthalten. Folglich werden die nationalsozialistischen Ideologien und deren Entsprechung durch die Kameraarbeit unter einem extra Punkt abgehandelt. Nachfolgend wird der Bezug des Themas zur Gegenwart mit Hilfe des kommerziellen Videoclips von Vangelis zur FIFA WM 2002, sowie einer aktuellen Pepsi-Werbung hergestellt, woraus sich auch die Relevanz der Arbeit begründet. An dieser Stelle soll jedoch keine differenzierte Analyse mehr erfolgen. Vielmehr wird es darum gehen, in einem ersten Arbeitsschritt die für den Rezipienten relevanten Informationen zum Werbespot zu benennen. Anschließend soll eine Lösung auf die zweite Fragestellung der Arbeit angestrebt werden, indem eventuell vorhandene Merkmale der faschistischen Ästhetik Leni Riefenstahls in dem Videoclip herausgearbeitet und in Form einer Bedeutungsanalyse auf die von ihnen ausgehende Wirkung hin untersucht werden. Die Arbeit schließt letztendlich mit einem Fazit, in welchem eine Einschätzung der Ergebnisse der Untersuchung, sowie ein aus den Ergebnissen resultierender Ausblick für die aktuelle Mediendidaktik gegeben werden.
2. Kurzbiografie Leni Riefenstahl
Leni Riefenstahl wurde am 22. 08. 1902 in Berlin geboren und auf den vollen Namen Helene Bertha Amalie Riefenstahl getauft. Nachdem sie 1918 erfolgreich ihre Schullaufbahn mit der mittleren Reife beendete, studierte sie zunächst auf Drängen ihres Vaters die Malerei. Anschließend nahm s]ie Tanzunterricht und wurde zu einer erfolgreichen Ausdruckstänzerin. Durch eine Verletzung am Knie war Leni Riefenstahl gezwungen, ihre Tanzkarriere zu beenden, woraufhin sie zur Schauspielerei wechselte. Berühmt wurde sie durch Hauptrollen in den Bergfilmen Arnold Fancks (1926 - 1931: „ Der heilige Berg“, „Sturm über dem Mount Everest“, „ Der weiße Wahn“, „Die weiße Hölle von Pitz Palü“). Während dieser Zeit lernte sie darüber hinaus alle wesentlichen Aspekte der Filmherstellung. Als „Lehrmeister“ diente ihr Arnold Fanck. 1932 hatte Leni Riefenstahl ihr erstes Regiedebüt. Der Film „Das blaue Licht“, in welchem sie Buch, Regie und Hauptrolle übernahm, wurde ein großer Erfolg. Einflüsse aus den Filmen Arnold Fancks blieben hier unverkennbar, wobei Riefenstahls Werk entgegen den realitätsnahen Aufnahmen Fancks mystischer und beinahe kunstvoll verträumt wirkte5 6 7 8.
Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus wurden Leni Riefenstahl neue Perspektiven eröffnet. Diese Zeit markiert auch den Höhepunkt ihrer Karriere als Regisseurin. Mit Hitler als Sympathisanten bekam sie viele, vor allem auch finanzielle Zugeständnisse und wurde darüber hinaus zur Reichsfilmregisseurin ernannt.
1933 erhielt Leni Riefenstahl von Hitler den Auftrag, den 5. Reichsparteitag zu dokumentieren. Ihr wurden drei professionelle Kameramänner zur Seite gestellt und das gesamte Projekt vom Reichspropagandaministerium unter der Leitung von Goebbels produziert. Trotz ihrer Unerfahrenheit in diesem Genre und dem Boykott des Filmes aus den eigenen Reihen wurde „Sieg des Glaubens“ zu einem Erfolg und Riefenstahl von Hitler und dem Regime hoch gelobt9. Im Vergleich zu dem ein Jahr später entstandenen Film über den 6. Reichsparteitag wirkte „Sieg des Glaubens“ allerdings eher wie ein Entwurf zum eigentlichen Werk. Riefenstahl selbst kritisierte immer wieder die wenige Zeit an Vorbereitung, sowie die sich aus diesem Umstand ergebene, unvollkommene Ästhetik des Films10. 1934 wurde Riefenstahl erneut mit der Aufgabe betraut, einen Film über den Reichsparteitag zu drehen. Diesmal agierte sie allerdings als alleinige Autorin und Leiterin des Projekts. Mit „Triumph des Willens“ schuf sie ein perfektes Selbstportrait des Nationalsozialismus. Für ihr Werk erhielt sie unter anderem den Deutschen Filmpreis 1934/1935, den Preis für den besten ausländischen Dokumentarfilm in Venedig 1935, sowie die Goldmedaille bei der Pariser Weltausstellung 1937.
Nach den, laut Aussagen Leni Riefenstahls eher unbeliebten Projekten der Parteitagsfilme, gelang ihr mit der Verfilmung der Olympischen Spiele von 1936 ihr persönliches Kunstwerk11. Eigens für das Olympia-Projekt kam es zur Gründung der Olympia-Film GmbH, welche wiederum über das Reichspropagandaministerium finanziert wurde. Leni Riefenstahl wurde die Gesamtverantwortung für das Vorhaben übertragen12. Von der Vorbereitung bis zur Uraufführung der beiden Olympiafilme 1938 wurden insgesamt 3 Jahre beansprucht. Diese Zeit machte sich für Leni Riefenstahl insofern bezahlt, als dass sie sowohl nationale, als auch internationale Preise für ihr Werk verliehen bekam und einen Bekanntheitsstatus über das deutsche Reich hinaus erhielt. Auf Grund politischer Ereignisse wie der Reichskristallnacht wurde ihr Film zunächst in Hollywood und Großbritannien boykottiert, nach dem Krieg aber von Amerika auf die Liste der zehn besten Filme gesetzt.
1939 nahm Riefenstahl die Arbeit als Kriegsberichterstatterin auf und arbeitete des Weiteren an diversen Filmprojekten, sowie erneut als Schauspielerin. Nach 1945 musste sie sich beständig für ihre Arbeiten und die Nähe zu Hitler während der NS - Zeit rechtfertigen. Leni Riefenstahl war bis zu ihrem Tod am 08. 09. 2003 als Dokumentarfilmerin und Fotografin tätig, wobei sie ihre Liebe zu Afrika, sowie Unterwasseraufnahmen entdeckte. Eine detaillierte Ausführung dieser Arbeiten erscheint aber im Rahmen der anzufertigenden Arbeit als wenig relevant. Dies begründet sich daraus, dass der Fokus der Analysen auf den beiden Filmen, welche sie für das nationalsozialistische Regime angefertigt hat, liegt. Folglich konnten nur Ereignisse, welche chronologisch vor den beiden Filmen „Triumph des Willens“, sowie „Olympia 1938 - Fest der Völker, Fest der Schönheit“ liegen, Einfluss auf die Ästhetik Riefenstahls verübt haben. Folgende sollen in dem sich anschließenden Absatz genauer untersucht werden.
Wie bereits erwähnt, studierte Riefenstahl sowohl die Malerei, als auch den Ausdruckstanz. Beides beeinflusste ihre Ästhetik in großem Maße. Die Malerei erscheint unverkennbar in der Wirkung ihrer Bilder und die Inszenesetzung der ausgewählten Objekte mit der Kamera. Vor allem das gekonnte Spiel mit dem Licht, die hell-dunkel-Kompositionen, sowie Symmetrie und Symbolik finden sich in ihren Dokumentationen wieder und sind prägend für ihre Ästhetik13. „Triumph des Willens“ ist genauso stark von Bewegung und Rhythmus geprägt wie der Olympiafilm. Darüber hinaus bedient sich vor allem „Olympia 1938 - Fest der Völker, Fest der Schönheit“ einer dramatischen Steigerung und Theatralik, welche gekonnt musikalisch untermalt wurde. Diese Filmästhetischen Merkmale lassen auf die Nähe Leni Riefenstahls zum Tanz schließen. Darüber hinaus kann die Arbeit mit Arnold Fanck als ein dritter, ihre Ästhetik formender Aspekt angesehen werden. Kitsch, Leidenschaft, Traum- und Märchenhaftigkeit der Bergfilme, aber auch Perfektion finden in ihrer Ästhetik eine Entsprechung14.
Eine differenzierte Bezugnahme der erwähnten formalästhetischen Elemente zu den Filmen „Triumph des Willens“ und „Olympia 1938 - Fest der Völker, Fest der Schönheit“ wird in den nachfolgenden Analysen der Filmsequenzen vorgenommen werden. Darüber hinaus werden die in diesem Abschnitt getroffenen Aussagen anhand von Beispielen belegt werden können.
Da Leni Riefenstahl zu ihrem Bekanntheitsstatus hauptsächlich durch die Rolle der NS- Regisseurin gelangte, stellt sich hier die Frage, inwiefern der Nationalsozialismus ihre Werke beeinflusste und welche Position sie zu diesem selbst einnahm. Die Meinungen unter den Kritikern und Biographen differieren bezüglich dieser Streitfrage immens und reichen von Bewunderung für die von ihr begründete Ästhetik bis hin zur Verurteilung der Werke, sowie Riefenstahl selbst als Regisseurin eindeutiger Propagandafilme15. Unstrittig sind die persönlichen Vorteile, welche sie aus ihrem intimen Verhältnis zum NS-Regime zog. So konnte sie, wie bereits erwähnt, ihre spezifischen Vorstellungen, sowie kostspieligen Projekte durch finanzielle Unterstützung von Seiten des Reiches aus überhaupt erst umsetzen. Ihre Beziehungen waren darüber hinaus hilfreich, ihrem filmischen Perfektionismus eine adäquate Entsprechung zu bieten. Sie eröffneten ihr beispielsweise die Möglichkeit, Komparsenrollen mit spanischen Statisten zu besetzen, was ihrem Film Tiefland eine authentische Hintergrundsgeschichte verschaffte. Dass die Komparsen allerdings einem Konzentrationslager entstammten und für die Arbeit am Riefenstahl-Film zwangsverpflichtet wurden, schien ihr keine gewissenhaften Probleme zu bereiten16.
Die in der Nachkriegszeit aufkommenden Diskussionen bezüglich dem Grad der Mitverantwortung und Mitschuld Leni Riefenstahls an dem „Massenwahn“ und damit verbundenem „Massenelend“ zur Zeit des Dritten Reiches brachten sie in eine Erklärungsnot, welcher sie bis zu ihrem Tod nicht entkommen konnte.17 Den aus diesem Rechtfertigungsdruck entspringenden Aussagen zufolge distanzierte sich Leni Riefenstahl vom Regime und der politischen Bedeutung ihrer Filme. Sie sah sich selbst als unpolitische Regisseurin und unwissend, was die Machenschaften des Regimes betraf. Gleiches galt folglich auch für die von ihr entworfenen Werke.18 Leni Riefenstahl ging es persönlich stets um ihre Arbeit als Künstlerin und das Schaffen einer perfekten Ästhetik, gelöst vom Gegenstand selbst. Demzufolge kann „ ihr eigener Beitrag zur nationalsozialistischen Propaganda auf die filmische Stilisierung beschr ä nkt [werde ] “19. Das Regime wiederum beeinflusste ihre Werke neben finanziellen Zuschüssen als zu inszenierendes Objekt. Die Art und Weise, mit welcher Riefenstahl es verstand, dieses in Szene zu setzen, wurden zum Merkmal ihrer Ästhetik.
3. Vorgehensweise der Analysearbeit
Wie bereits in der Einleitung erwähnt, handelt es sich aus Gründen des Umfangs der Arbeit um Sequenzanalysen. Sequenz wird hier entsprechend der Definition von Armer als „ kleinerer Baustein einer Szene “20 verstanden. Die Sequenzen wurden so ausgewählt, dass sie in Hinblick auf das Erkenntnisinteresse untersucht werden können. Dieses liegt bei allen zwei Analysen auf der ästhetischen Gestaltung des Filmmaterials und dem Versuch, anhand dessen Merkmale Faschistischer Ästhetik benennen zu können.
Laut Mikos bestimmt gerade das Wie der Inszenierung von Inhalten und Protagonisten über die emotionale Beteiligung der Rezipienten am Film21. Riefenstahl ging es nach eigenen Aussagen zufolge um die Nähe des Zuschauers zum Geschehen. Folglich soll über die Definition Faschistischer Ästhetik hinaus dargestellt werden, wie durch die Gestaltungsmittel das Verhältnis zwischen Zuschauer und Geschehen auf der Leinwand intensiviert und es dadurch zur Vermittlung bestimmter Werte und Einstellungen kommen konnte und auch heute noch kann. Es sei allerdings zu erwähnen, dass auf den Aspekt der emotionalen Beteiligung nur angeschnitten und lediglich im Rahmen der Bedeutungsanalysen des Olympiafilms, sowie der gegenwärtigen Werbeproduktionen eingegangen wird. Dies begründet sich dadurch, dass das Herausstellen der emotionalen Beteiligung nicht im eigentlichen Erkenntnisinteresse der Arbeit liegt, anhand der erwähnten Werke allerdings auffällig zum Vorschein kommt.
Aus dem Erkenntnisinteresse begründet sich folgender Aufbau der Analysen:
Zunächst soll eine kurze und prägnante Hintergrundsinformation zum Entstehungsprozess des jeweiligen Filmes gegeben werden, anhand welcher die Signifikanz des Filmes im historischen Kontext ersichtlich wird. Wie bereits mehrfach erwähnt liegt der Analyseschwerpunkt auf der Ästhetischen Gestaltung der einzelnen Sequenzen. Da durch die zu untersuchenden Darstellungsmittel sowohl Inhalte als auch Akteure ästhetisch gestaltet werden, soll des Verständnisses und der Vollständigkeit wegen ein Überblick über die Handlung, die Figuren, sowie über den Plot des Dokumentierten gegeben werden. An diese die Studie einleitenden Elemente schließt sich die eigentliche Analyse an. Um selbige übersichtlich zu gestalten wird in Anlehnung an Faulstich, welcher dieses als „ Pflichtaufgabe “ ansieht22, ein Sequenz-Protokoll verfasst. Dieses gliedert sich in folgende Spalten: Nummer der Einstellung, Zeitangaben zu den einzelnen Einstellungen, sowie Angaben zur Handlung bzw. dem Bildinhalt. Einstellung ist in dieser Analysearbeit entsprechend dem filmsprachlichen Vokabular als „ kleinste bedeutungstragende filmische Einheit, die mit einem Schnitt oder einer Blende beginnt und
endet “23 definiert. Im Hinblick auf das Erkenntnisinteresse wurde das Protokoll im Vorfeld um Angaben zur Einstellungsgröße, Kameraperspektive und -bewegung, Lichtgestaltung, Tongestaltung sowie, in der Analyse des Olympiafilms, um Montage/Schnitt erweitert. Die wesentlichen Elemente und Ergebnisse werden anschließend noch einmal in Form eines Fließtextes deskriptiv zusammengefasst. Zur Erleichterung dieses Arbeitsschrittes, ebenso wie zur Sicherung des Verständnisses auf Seiten des Rezipienten wird das Sequenzprotokoll ausführlicher verfasst werden, als dies ursprünglich in der Literatur vorgesehen ist. Im Anschluss an die deskriptive Analyse findet die Auswertung der analysierten Daten statt, wobei sie in Bezug auf ihren Bedeutungsgehalt und das Erkenntnisinteresse interpretiert werden.
Die vorgestellte Vorgehensweise gilt für die Analysen von „Triumph des Willens“ und „Olympia 1938 - Fest der Völker, Fest der Schönheit“.
4. Triumph des Willens
4.1 Kontext und Produktionsweise des Parteitagsfilms
Leni Riefenstahl wurde 1934 von Adolf Hitler mit der Aufgabe betraut, den 6. Nürnberger Reichsparteitag der NSDAP vom 04. bis 10. September 1934 zu dokumentieren. Als Produzent kann die Partei selbst betrachtet werden24. Riefenstahl wurde ein ansehnliches finanzielles Etat (ca. RM 300 00025 ) zugesichert, sowie ein beträchtliches Team zur Verfügung gestellt. Insgesamt arbeitete sie mit rund 120 Technikern, 25 Kameramännern und Assistenten, darunter auch die beiden renommierten Kameramänner Walter Ruttmann und Sepp Allgeier26. Riefenstahl war als Regisseurin des Parteitagsfilms auch an den Vorbereitungen des eigentlichen Reichsparteitages beteiligt und hatte die Freiheit, ihre Wünsche und Forderungen in Bezug auf den Film in die Vorbereitungen mit einzubringen. Dazu zählten beispielsweise die vorherige Positionierung der Kameras und der für diese eigens angefertigten, mobilen Fahrgestelle, sowie Podeste27. Die durch die bewegbaren Träger ermöglichten Fahraufnahmen bedeuteten eine Neuerung für den Dokumentarfilm, welcher bis dahin von statischen Aufnahmen geprägt war28. Es wird davon ausgegangen, dass Leni Riefenstahl insgesamt fünf Monate mit den Vorbereitungen zu „Triumph des Willens“ verbrachte29.
Riefenstahl arbeitete erneut sechs Monate an der Auswertung ihres Filmmaterials, wobei einige der Szenen nachgedreht wurden30. Tatsachen wie diese bestärken den oftmals angebrachten Vorwurf, der Film sei mehr als die Dokumentation des politischen Ereignisses, sondern die geschönigte Inszenierung des Regimes, mit welcher bewusst manipulative Ziele verfolgt wurden31. Der Reichsparteitag sollte für die Gesamtbevölkerung zugänglich sein und bei dieser Begeisterung hervorrufen. Diese Aussage kann zum einen anhand des Aufwandes der Presse gestärkt werden, mit welchem diese „Triumph des Willens“ vor seiner Uraufführung publizierte. Zum anderen wurde Leni Riefenstahls Werk ohne Beiprogramm gezeigt, es wurde auf einen Mindesteintrittspreis verzichtet und der Film galt darüber hinaus als verpflichtend an allen Schulen32.
4.2 Inhalt, Akteure und Schauplatz des Parteitagsfilms
Übergeordnetes Thema von „Triumph des Willens“ ist der Reichsparteitag in Nürnberg vom 04. bis 10. September 1934, wobei auf Grund der Länge des Ereignisses Erzählzeit und Erzählte Zeit nicht deckungsgleich sein können. Der Film dauert in seiner vollen Länge knapp zwei Stunden und untergliedert die einzelnen Veranstaltungstage jeweils durch nächtliche Veranstaltungen33. Entsprechend dem Parteitagsprogramm dokumentiert der Film die Eröffnungsveranstaltung, Appelle des Freiwilligen Arbeitsdienstes, der Politischen Leiter, der Hitlerjugend, sowie der SA und SS, als auch den Schlusskongress34.
In „Triumph des Willens“ lassen sich drei Akteure ausmachen, welche in Führer, Volk und Partei untergliedert werden können, wobei die Partei sämtliche Repräsentanten des Regimes zusammenfasst35. Voneinander unterscheiden lassen sich die Darsteller hauptsächlich anhand ihrer Kleidung. Die Partei erscheint stets uniformiert, wohingegen Vertreter des Volkes als Zivilisten auszumachen sind. Der Führer ist dem Zuschauer als Einzelperson Adolf Hitler erkenntlich36.
Als Schauplätze werden Straße, Halle und Feld ersichtlich, welche den jeweiligen Akteuren zugeordnet werden können37. Das Volk tritt lediglich auf der Straße in Erscheinung, die Partei und Hitler tauchen im Gegensatz dazu an allen drei Schauplätzen auf38.
Die nachfolgend zu analysierende Sequenz ist dem Appell der Hitlerjugend entnommen. Der in seiner Gesamtzeit zehn Minuten dauernde Ausschnitt entstammt der im Internet publizierten Seite Youtube.com. Die Analyse beschränkt sich hierbei auf eine Sequenz von zwei Minuten und dreizehn Sekunden. Diese beginnt innerhalb der gesamten Szene nach drei Minuten und siebenunddreißig Sekunden Laufzeit und endet nach fünf Minuten und neunundvierzig Sekunden. Die Kurzsequenz wurde auf Grund ihrer Aussagekraft in Bezug auf das Erkenntnisinteresse ausgewählt. Sie verdeutlicht in ihrer Intensität das Verhältnis zwischen Führer und Masse, sowie diverse nationalsozialistische Ideologien, welche in der sich anschließenden Interpretation noch spezifischer herausgearbeitet werden.
4.3 Deskriptive Analyse
Die erste Einstellung der zu analysierenden Sequenz zeigt Hitler in Großaufnahme und aus der Untersicht. Allerdings ist dieser noch nicht in Aktion zu sehen, sondern tritt als stiller Beobachter des Geschehens in Szene. Der Blick des Zuschauers wird in der nächsten Einstellung auf einen, der Veranstaltung folgenden Jungen aus den Reihen der Hitlerjugend gerichtet. Markant ist hier zum einen, dass er in dieselbe Richtung wie Hitler in der vorangegangenen Einstellung blickt. Zum anderen tritt die Kamerabewegung in Einstellung E 2 auffallend in Erscheinung. Der Kameraschwenk dieser Einstellung dauert gerade solange an, bis der zweite Arier identisch, was sowohl Lichteinfall, als auch die Positionierung innerhalb der Kadrage betrifft, im Bild erscheint. Alle drei Einstellungen stehen in grafischer Beziehung zueinander, wobei der Lichteinfall in E 1 dem in E 2 gerade entgegengesetzt ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
E1 E2 E3
Grafische Beziehungen zwischen den Einstellungen E 1 und E 2
Hitlers Auftritt als handelnder Akteur und Mittelpunkt der Versammlung manifestiert sich erst mit den Einstellungen E 5 bzw. E 7 (letztere markiert den Beginn seiner Rede). Dennoch ist seine Rolle als Hauptakteur, auch in den vorangehenden Einstellungen, dem Zuschauer durchgehend präsent. Obwohl er in Einstellung E 3 nicht selbst im Bild erscheint, verhilft ihm die namentliche Ankündigung seiner Person durch den Offizier zu Omnipräsenz. Dadurch wird innerhalb des Kontinuitätssystems durch die Dimension der Tonebene auch ein logischer Zusammenhang zur nachfolgenden Einstellung geschaffen. Die ankündigende Armbewegung des Offiziers scheint in den Hitlergruss und Jubel des Volkes überzugehen und innerhalb des Handlungsstranges ist dem Rezipienten eindeutig ersichtlich, dass der Jubel Hitler gilt. In den nachfolgenden Einstellungen genießt er diesen und blickt über das Volk. Hierbei wird die Nazi-Symbolik, charakterisiert sowohl durch das Hakenkreuz, als auch das Eiserne Kreuz, markant in den Mittelpunkt der Kadrage gerückt (und nicht das Gesicht des Protagonisten).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
E 5
Hakenkreuz und Eisernes Kreuz als Symbolik des Nationalsozialistischen Regimes
Die nachfolgenden Einstellungen bedienen sich einem konstanten Wechsel zwischen der Person Hitler, aufgenommen in Untersicht und Naheinstellung, mit dem Volk/der Hitlerjugend bzw. Individuen aus diesen Reihen. Das Volk/die Hitlerjugend wird hierbei beständig in Obersicht gefilmt, Einzelpersonen im Gegensatz dazu häufig in Normal- oder leichter Untersicht. Innerhalb dieses Montagerhythmus wird Hitler zum Mittelpunkt der Szenerie. Die Kamera gibt seine Wahrnehmung wieder, indem sie seinem Blick zu folgen scheint. Das Volk verschwimmt unter diesem durch Panoramaeinstellungen bzw. Aufnahmen aus der Totalen zu einer unübersichtlichen Masse, in welcher sich keine Individuen mehr ausmachen lassen. Einstellung E 12 zeigt die bisweilen unwillkürlich angeordneten Massen in symmetrisch geordneter Formation. Die Bedeutungslosigkeit des Einzelnen erreicht hier ihren Höhepunkt, was auf der Tonebene durch die Aussage Hitlers, die Jungen seien nur ein „Ausschnitt“, gestärkt wird. Trotz dass die Formation nicht anhand spezifischer Merkmale der Hitlerjugend zugeordnet werden kann, geschieht diese Assoziation auf Grund des logischen Zusammenhangs zu den vorangegangenen Einstellungen. Die Starrheit der Menschenmasse aus Einstellung E 12 wird in der letzten Einstellung der gewählten Sequenz wieder aufgelöst und in wellenartige Bewegungen übersetzt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
E 12 E 24
Divergenz zwischen Starrheit und Bewegung
Wie bereits erwähnt wird Hitler mittels der Schnittfolge und Kameraperspektive zum Gestaltungsmittelpunkt der Handlung stilisiert. Bezüglich der Inszenierung seiner Person durch die Kamera treten bei der Analyse diverse Dinge augenscheinlich hervor. Hierzu gehört die Verschiebung seines Standpunktes mittels Kamerafahrten und -schwenks innerhalb der Sequenz. Hitler befindet sich zu Beginn dieser im Dunkeln des Tribünendaches. Durch die ihn umrundende Kreisfahrt in Einstellung E 19 tritt er aus dem Schatten des Tribünendaches hervor und wird gegen den Himmel aufgenommen. Die gesamte Komposition des Bildes wirkt durch den freien Raum, welcher in Hitlers Blickfeld (links im Bild) liegt, sehr viel offener als die Vorangehenden. Dadurch, dass sich in dieser Einstellung neben der Positionierung Hitlers im Raum auch die Einstellungsgröße verändert, scheint dieser an Größe und Macht zu gewinnen. Auf die spezifische Bedeutung dieser Einstellung wird in dem sich anschließenden Abschnitt der Bedeutungsanalyse differenzierter eingegangen werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
E 19: Entwicklungen der Positionierung Hitlers im Raum
Hitler wird in Einstellung E 23 erneut von der Kamera umkreist. Allerdings ändert sich hier seine Position zur Kamera lediglich insofern, als dass er zu Beginn der Einstellung mit dem linken Arm, auf welchem die Nazi-Symbolik haftet, zur Kamera steht und am Ende dieser mit dem rechten. Während der Kamerafahrt befindet sich Hitler innerhalb eines durch Mikrofone markierten Kreises. Ein in der zu analysierenden Sequenz häufig verwendetes Montageprinzip ist das Schuss- Gegenschuss-Verfahren. Dessen Verwendung lässt sich besonders eindrucksvoll in den Einstellungen E 15 bis E 18 exemplarisch herausarbeiten. Innerhalb dieses Handlungsstranges werden Aufnahmen von Hitler und drei verschiedenen Jungen gezeigt. Die einzelnen Einstellungen werden dabei mittels eines harten Schnittes aneinandergereiht. Durch die einander jeweils entgegengesetzten Blickrichtungen (E 15: Blick gerade aus, leicht nach unten geneigt; E 16: Blick gerade aus, minimal nach oben geneigt; E 17: Blick gerade aus, minimal nach links; Kopf nach links geneigt; E 18: Blick leicht nach rechts; Kopf nach rechts gedreht) gelingt es, die Individuen zueinander in Beziehung zu setzen. Sie scheinen in virtuellem Blickkontakt sowohl miteinander, als auch zu Hitler zu stehen und offenbaren einen Gesichtsausdruck der freudigen Verehrung. Stolz und Vorfreude, welche sich ebenfalls in den Gesichtern der Jungen spiegeln, erhalten durch die Worte Hitlers „… in euch all das aufnehmt, was wir mehr einst uns von Deutschland erhoffen!“ an Sinn und inhaltlicher Entsprechung. Dadurch, dass Hitler nicht wie die Jungen in Großaufnahme, sondern in Naheinstellung und extremer Untersicht aufgenommen ist, werden zuvor erwähnte Aspekte der Verehrung erneut gestärkt. Hitler scheint über den Jungen zu stehen und überblickt als dominierender Führer die gesamte Szenerie.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
E 15 E 16 E 17 E 18
Beispiel für das Schuss-Gegenschuss-Verfahren
4.4 Bedeutungsanalyse
Dieser Abschnitt widmet sich dem Versuch, den in der deskriptiven Analyse herausgearbeiteten Prinzipien eine Bedeutung zuzuschreiben und sich somit dem übergeordneten Ziel - der Definition Faschistischer Ästhetik - anzunähern. Darüber hinaus soll festgestellt werden, inwiefern gewisse Ideologien des Nationalsozialismus in der zu analysierenden Sequenz ihre Entsprechung durch die Kameraarbeit und Montage finden.
Als erster Schritt wird hierzu die Rolle und Inszenierung Hitlers untersucht werden. Im Anschluss daran richtet sich der Blick auf die in der Sequenz enthaltene Symbolik und deren Funktion. Zum Abschluss dieses Analyseteils sollen Volk, sowie Hitlerjugend genauer betrachtet werden. Hier wird es auch darum gehen, deren Verhältnis zu Hitler herauszuarbeiten und auf eventuelle Gegensätzlichkeit hinzuweisen.
Wie bereits in der deskriptiven Analyse erwähnt wurde, so wird Hitler beständig in Untersicht gezeigt, welche teilweise bis ins Extreme hin gehend ausgereizt wird (vgl. hierzu E 13; E 19; E 21; E 24). Durch diese Darstellungsform scheint Hitler nicht nur an Größe und Macht den Massen überlegen zu sein. Vielmehr als das erweckt diese Überhöhung den Anschein religiöser Mystifizierung Hitlers. Er tritt als Erlöser der Massen in Erscheinung, die nationalsozialistischen Symbole wie Hakenkreuz und Eisernes Kreuz werden zum christlichen Symbol, der Nationalsozialismus selbst zum Ersatz kirchlicher Tradition und Glauben. Diese Gottähnlichkeit, mit welcher Hitler in Szene gesetzt wird, erreicht in E 19 ihren Höhepunkt. Durch die Kameraarbeit dieser Einstellung scheint er wie von selbst aus dem Schatten des Tribünendachs ins Licht zu fahren und christusähnlich über der Menge zu schweben.
Neben dem symbolischen Ersatz des Hakenkreuzes für christliche Werte fungiert es über diese Bedeutung hinaus auch als politisches Symbol für Deutschland. Dadurch, dass es auf Hitlers Uniform haftet und folglich durch bzw. einheitlich mit ihm in den Mittelpunkt der Kadrage gerückt wird, kann eine Gleichsetzung Hitlers mit Deutschland assoziiert werden. Hitler ist Deutschland, das Volk hingegen schwört ihm Treue und Ergebenheit. Dies wird besonders in der Gesamtheit der Einstellungen E 2 bis E 8, sowie erneut in den Einstellungen E 18 bis E 22 ersichtlich. In den Einstellungen E 2 bis E 8 spricht der Offizier davon, dass das Volk treu sein müsse und stellt darüber hinaus Adolf Hitler als den „Führer der Deutschen Jugend“ vor. Bilder des Volkes und dessen zustimmende „Heil“ - Rufe (E 4; E 6; E 8) werden nachfolgend mit dem Bild Hitlers/dem Hakenkreuz auf dessen Arm (E 5; E 7) kombiniert. Hitler steht dem Volk als Einzelperson und Führer, als Symbol für Deutschland gegenüber. In E 19 und E 21 erfährt das durch die nationalsozialistische Symbolik repräsentierte Deutschland an politischen Inhalten und Bestimmungen. Hitler fordert „ ein Volk“, ebenso wie „ ein Reich“. Er spricht von einer zukünftigen Annullierung von Klassen und Ständen, ferner von „Gehorsam“, in welchem sich die Hitlerjugend üben solle. Den Rahmen erwähnter Einstellungen bilden im Gegensatz zu den Einstellungen E 2 bis E 8 nicht Aufnahmen des gesamten Volkes, sondern die Jungen der Hitlerjugend. Selbige symbolisieren mit Ihrer Stärke und jugendlichen Kraft die Zukunft des Deutschen Reiches. Hinter diesem Interpretationsansatz verbirgt sich auch die Ideologie des rassistischen Antisemitismus. Die Jungen, welche häufig in eindrucksvoller Großaufnahme gefilmt werden (vgl. E 2, E 16, E 17, E 18) entsprechen optisch dem Bild des deutschen Idealbürgers. Blond, groß, kräftig und gesund seien an dieser Stelle nur einige Schlagwörter zur Definition des Arierbildes. Menschen anderer Kulturen, Alten, Kranken oder Frauen wird in der zu analysierenden Sequenz keine Bedeutung zuteil.
Neben dem „Jugendkult“ der Stärke und Schönheit wird anhand der Aufnahmen der Hitlerjugend bzw. einzelner Vertreter dieser des Weiteren die Nichtigkeit des Individuums deutlich. Die Jungen gleichen sich in ihrem äußeren Auftreten immens. Zur Veranschaulichung der erwähnten These muss erneut Einstellung 2 herangezogen werden. Der Fokus liegt hier auf der Kameraarbeit der Einstellung, welche bereits unter Punkt 4.4 differenzierter bearbeitet wurde. Der in diesem Abschnitt getroffenen Intention genügt es allerdings, erneut zu verdeutlichen, dass die beiden Jungen durch die Kamera innerhalb der Bildbegrenzung identisch in Szene gesetzt werden. Durch die Ähnlichkeit sowohl bezüglich ihres Aussehens, als auch der Positionierung innerhalb der Bildbegrenzung scheinen sie zu einem großen Ganzen zu verschwimmen. Es lassen sich kaum noch merkliche Unterschiede ausmachen, welche auf zwei Individuen hinweisen. Das Einheits- bzw. Gleichheitsprinzip wird durch feierliche Totalen, welche den Einzelnen in einem Block von Menschen untergehen lassen, auf filmischer Ebene zusätzlich gestärkt. Einstellung 12 markiert den Höhepunkt der Nivellierung, da diese nicht nur mittels der Kameraarbeit, sondern auch auf der Tonebene zum Ausdruck kommt (s. hierzu die deskriptive Analyse). Die in dieser Einstellung inszenierte Symmetrie und geometrisch geordnete Formation der Massen wirkt wie eine menschliche Kriegsmaschinerie. Exemplarisch kann diese Einstellung als Symbol für den im dritten Reich vorherrschenden Militarismus gesehen werden. Allerdings demonstriert E 12 auch die eingeschränkte Bewegungsfreiheit des Einzelnen. Er reiht sich ein, ist Teil der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft (s. hierzu auch E 14, E 20). Besonders eindrucksvoll gestaltet sich das für den Rezipienten inszenierte Gemeinschaftsgefühl in den Aufnahmen des jubelnden Volkes (vgl. E 4, E 6, E 8, E 24), welche Begeisterung und Zustimmung für Hitler und das Regime ausdrücken.
Das nationalsozialistische Gedankengut, welches ein Reich, ein Volk und einen Führer als wünschenswerte Staats- und Regierungsform zum Ziel hatte, findet über die bereits erwähnte Symbolik und Tongestaltung hinaus auch durch die Montagetechnik in „Triumph des Willens“ seine filmische Entsprechung. Hitler, zumeist in frontaler Nahaufnahme gezeigt, steht den Massen als Einzelperson gegenüber. Einstellungen des Volkes und der formatierten Hitlerjugend werden mit denen des Führers abwechselnd kombiniert. Es existieren nur diese zwei Ebenen: auf der einen Seite dominiert Hitler als das Zentrum jeglicher Handlung, auf der anderen Seite befindet sich das Volk, welches ihm nachzueifern bemüht ist und Bewunderung ausdrückt. Sowohl die Größe Hitlers, als auch die Einordnung des Volkes in dieses System werden ebenfalls anhand wechselnder Kameraperspektiven ersichtlich. Hitler wird fast ausschließlich in der Untersicht gefilmt, das Volk hingegen aus der Vogelperspektive, wodurch abermals dessen Bedeutungslosigkeit zum Vorschein kommt.
5. Olympia 1938 - „Fest der Völker“, „Fest der Schönheit“
5.1 Kontext und Produktionsweise der Sportdokumentation
Der Olympiafilm unterscheidet sich schon auf Grund der Objektauswahl stark von dem zuvor analysierten Parteitagsfilm. Folglich waren auch dessen Intention und Kontext ein anderer. Galt „Triumph des Willens“ der Inszenierung und Schönigung des Nationalsozialistischen Regimes und verfolgte dementsprechend einen eindeutigen politischen Sinn, so gestaltet sich die Sinnzuschreibung der Sportdokumentation in Bezug auf den Nutzen für das deutsche Reich als wesentlich komplizierter. Diese Schwierigkeit ergibt sich auch aus der Tatsache, dass das Deutschland der 30er Jahre der restlichen Welt feindlich gegenüberstand und sich in der Ausgrenzung gewisser Bevölkerungsschichten, sowie Kulturkreisen übte. Graham, C.C stellt in seinem Werk „Leni Riefenstahl and Olympia“ den Versuch an, die Olympischen Spiele und demnach auch den sie dokumentierenden Film auf die propagandistischen Ziele des Dritten Reiches hin auszulegen, folglich deren politischen Sinn zu hinterfragen:
One can see that the Olympic Games fit these propaganda aims perfectly; they did this in three ways: 1) The germans could impress the world with the efficiency and size of the Games. They would be the best organized, most extensive and greatest Olympic Games the world had ever seen. 2) The Germans could also impress the world by the accomplishments of their atheletes [...] 3) The National Socialists could show that they were full of good will toward the whole world and wished only to be friends. 39
Anhand dieser Aussage wird deutlich, dass auch die Olympischen Spiele propagandistische Ziele verfolgten, welche allerdings, im Gegensatz zu den Nürnberger Parteitagen, auf internationales Interesse von Seiten des Regimes hin ausgelegt waren. Sowohl die Spiele, als auch der Film, wollten das neue, starke Deutschland frei von antisemitischen Einstellungen und friedliebend gegenüber der restlichen Welt präsentieren. Dadurch wird auch verständlich, weshalb sich das Propagandaministerium nicht öffentlich an den Arbeiten zum Olympiafilm beteiligte, sondern eine „Tarngesellschaft“ - die Olympiade Film GmbH - gründete, welche wiederum die finanziellen Mittel für die Produktion des Werkes, als auch Riefenstahls Gehalt zur Verfügung stellte40. Demnach war Riefenstahl offiziell allein verantwortlich für die Produktion des Olympiafilmes, wodurch diesem, zumindest oberflächlich gesehen, auch keine ideologische Funktion nachgesagt werden konnte. Sie arbeitete mit einem enormen zeitlichen, ebenso wie technischen Aufwand an dem Film. Bereits 1935 begann sie mit den Vorbereitungen und besuchte ab 1936 diverse Sportveranstaltungen, um neue Aufnahmetechniken zu erproben41. Das eigentliche Sportereignis wurde um zuvor gefilmte Werkaufnahmen von heroischen Athleten an der Ostsee bereichert. Ebenfalls wurden einzelne Sequenzen und Einstellungen, wie beispielsweise das Rudern, außerhalb des Wettkampfes gedreht und nachträglich in das Gesamtwerk geschnitten. Riefenstahl arbeitete erneut mit bekannten Kameramännern (Walter Frentz, Hans Ertl etc.) zusammen und verfügte über ein großes Repertoire an Mitarbeitern. Sowohl die Vorbereitungen, als auch die eigentlichen Dreharbeiten des Olympiafilms stießen auf großes Interesse von Seiten der Presse aus und es entstanden etliche Berichterstattungen über ihre filmische Arbeit.
Nachdem die sportlichen Ereignisse vorbei waren, zog sich Riefenstahl für zwei Jahre zurück und arbeitete an der Materialsichtung und dem Schnitt ihres Filmes. Insgesamt hatte sie über 400 km Film zu sichten, zu archivieren, zu montieren und zu schneiden. Diese Phase unterbrach sie nur gelegentlich, um an Nachaufnahmen, sowie Ton- und Musiksynchronisationen zu arbeiten. An Hitlers Geburtstag - dem 20. April 1938 - fand die Uraufführung von „Olympia 1938 Fest der Völker, Fest der Schönheit“ im Ufa-Palast in Berlin statt42.
Wie bereits „Triumph des Willens“, so zeugt auch die Dokumentation der Olympiade von 1936 von etlichen technischen und filmästhetischen Neuerungen. Hierzu gehören unter anderem der Einsatz des 600er Teleskops, Schienen für die Kameras, sowie Unterwasserkameras, die Umkehr von Aufnahmen im Schnitt und viele mehr.
Insgesamt beliefen sich die Produktionskosten für den Film auf 2.831.355,41 RM. Diese relativ hohen Investitionen machten sich jedoch bezahlt, stellt man ihnen den Reingewinn von 91.123,20 RM, sowie die internationalen Erfolge des Filmprojekts gegenüber43.
5.2 Inhalt, Akteure und Schauplatz der Sportdokumentation
Inhalt der gesamten Dokumentation stellt das sportliche Großereignis der Olympischen Spiele vom 01. bis zum 16. August 1936 in Berlin. Hierzu wurden Athleten sämtlicher Nationen geladen, die innerhalb der fünfzehn Tage zu Wettkämpfen in unterschiedlichen sportlichen Disziplinen antraten.
Wie auch bei „Triumph des Willens“ können Erzählzeit und erzählte Zeit aufgrund von Differenz zwischen der Dauer des sportlichen Ereignisses und der des Filmes nicht deckungsgleich sein. Riefenstahl gelang es, die während den Olympischen Spielen angefertigten Aufnahmen im Schnitt auf eine Länge von dreieinhalb Stunden zu kürzen. Die Dokumentation besteht hierbei aus zwei Teilen: dem „Fest der Völker“ (Teil 1) und dem „Fest der Schönheit“ (Teil 2). Beide Teile werden von einem Prolog eingeleitet, wobei der des ersten Teils im antiken Athen beginnt. Die Athleten üben sich hier in verschiedenen, altertümlichen Disziplinen, welche durch Überblendungen in die Moderne geholt werden. Der Weg des Fackelträgers, ausgehend von Athen, quer durch Europa bis in das gegenwärtige Berliner Olympiastadion markiert letztendlich den Übergang aus der Antike in das Berlin von 1936. An diesen Prolog und die Eröffnungsfeier der Spiele schließen sich Aufnahmen der Leichtathletik-Wettkämpfe an44. Im zweiten Teil liegt der Schwerpunkt hingegen auf den Mannschaftssportarten. Auch dieser wird von einem Prolog eingeleitet, welcher Aufnahmen vom Olympischen Dorf und dem Morgentraining zeigt. Die wohl bekanntesten Szenen des zweiten Teils entstammen jedoch der Schlusssequenz, in welcher das Turmspringen der Männer, sowie die Abschlussfeier und der von Albert Speer inszenierte Lichtdom ästhetisch in Szene gesetzt werden45. Die nachfolgende Analysearbeit beschäftigt sich mit dem eben erwähnten Turmspringen der Männer.
Sowohl Schauplätze, als auch Akteure lassen sich im Gegensatz zu „Triumph des Willens“ nicht in drei eindeutige Gruppen untergliedern, da der Film ein Sportereignis dokumentiert, welches sich zum einen auf unterschiedliche Sportstätten verteilt. Zum anderen stehen zwar die Teilnehmer der verschiedenen Nationen im Mittelpunkt des Ereignisses, es werden aber auch Aufnahmen vom Publikum und der Partei/dem Führer mit in die Dokumentation geschnitten. Die nationale Zuordnung, sowie Verbindung zwischen Sportler und Zuschauer gelingt auf der Tonebene durch typische Anfeuerungsrufe in den jeweiligen Sprachen. Hitler, erneut als Einzelperson, wird hier zumeist mit deutschen Sportlern zusammengebracht. Sowohl bei der Festlegung der Schauplätze, als auch der der Akteure erscheint es als relevant darauf hinzuweisen, dass sich der Film zu Beginn in zwei zeitlich voneinander getrennte Zonen gliedert, die allerdings innerhalb der Narration ineinander übergehen. Wie bereits erwähnt stehen auf der einen Seite das antike Athen und dessen Athleten, auf der anderen die gegenwärtigen Spiele und deren Wettkämpfer.
Die zu analysierende Sequenz zeigt das Turmspringen der Männer und gehört folglich zum zweiten Teil des Olympiafilms „Fest der Schönheit“.
Die in ihrer Gesamtzeit vier Minuten und fünfundvierzig Sekunden dauernde Szene entstammt der im Internet publizierten Seite youtube.com. Um die darin vorhandene Dramaturgie anschaulich darstellen zu können, wird der zu analysierende Ausschnitt um 4 Einzeleinstellungen, sowie einer Kurzsequenz von 20 Sekunden ergänzt werden. Diese Einstellungen liegen zeitlich vor der für die Analyse gewählten Sequenz. Diese beginnt nach zwei Minuten und fünfzig Sekunden Laufzeit und endet nach vier Minuten und vierzehn Sekunden. Folglich hat sie eine Dauer von einer Minute und vierundsechzig Sekunden.
5.3 Deskriptive Analyse
Wie bereits unter Punkt 5.2 erwähnt wurde, zeugt der Handlungsstrang der gewählten Szene des Turmspringens der Männer von einer, sich im Verlauf des Wettkampfes steigernden Dramaturgie. Um den Spannungsbogen von Beginn bis zu seinem finalen Höhepunkt anschaulich darstellen zu können, wurde die Analyse der Sequenz um drei Einzeleinstellungen, sowie eine Kurzsequenz ergänzt.
Die Szene wird mit einer Totalen eingeleitet, wodurch dem Zuschauer der Handlungsraum der Akteure eröffnet wird (B1). Im Vordergrund dieser ersten Einstellung steht noch nicht so sehr der Turmspringer, als vielmehr der Sprungturm und das ihn Umgebende. Unterstütz wird die expositionale Stimmung der ersten Aufnahme durch die natürlichen Lichtverhältnisse und darüber hinaus durch die Musik. Die verwendete Komposition Herbert Windts befindet sich während dieser ersten Einstellung ebenfalls noch in der Exposition und steht folglich im Einklang mit der Bildkomposition.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
B 1
Exposition des Turmspringens der Männer
An die Vorstellung des Schauplatzes schließt die Einführung der Protagonisten an. Hierzu zählen in erster Linie die Athleten selbst. Sie werden mit ihren nationalen Anhängern in Verbindung gebracht, indem Nahaufnahmen dieser direkt nach dem Sprung in die Handlung geschnitten werden. Dementsprechend gestalten sich auch die gewählten Einstellungen B2 und B3. Wurde der Handlungsraum des Geschehens durch eine Totale vorgestellt, so verhält es sich bei den Akteuren gerade gegensätzlich. Durch die gewählte Einstellungsgröße der Nahaufnahme sind deren Gesichter eindeutig zu erkennen und darüber hinaus ihre nationale Zugehörigkeit auszumachen. Folglich werden in der gesamten Szene nur Sportler gezeigt, bei welchen diese Zuordnung der Herkunft gelingen kann, was allerdings zusätzlich dadurch gesichert wird, dass die Nationalflagge des jeweiligen Springers im Bild zu sehen ist. Der Unterschied zwischen Turmspringer als handelndem Akteur und dessen Anhänger als stillem, unbewegten Zuschauer wird neben deren Verhalten dieser Rolle folgend auch durch die Kameraarbeit entsprochen: Die Athleten und deren Küren werden von einer bewegten Kamera festgehalten, wohingegen die Zuschauer von einer statischen Kamera gefilmt werden. Darüber hinaus sind die Athleten in Untersicht aufgenommen, wobei zu erwähnen wäre, dass sich die Perspektive auf Grund der Kameraarbeit während des Sprungs ändert. Die Zuschauer sind lediglich in Normalsicht zu sehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
B2 B3
Vorstellung eines japanischen Athleten Vorstellung einer japanischen Zuschauerin Nach den Nahaufnahmen, welche wie bereits erwähnt der Einführung der Protagonisten gelten, folgt ein Rücksprung der Kamera über die Halbnahe hin zur Halbtotalen Einstellung. Letztere manifestiert sich im Anschluss an die gewählte Kurzsequenz als vorherrschende Einstellungsgröße. Neben der Einstellungsgröße stimmt auch die Kameraperspektive dieser Sequenz mit allen sich daran anschließenden überein (eine Ausnahme bilden hier lediglich E1 E6 und E7). Die Athleten werden nachfolgend ausschließlich aus der Untersicht gezeigt (wie auch bei B2 kann sich je nach Ausführlichkeit, mit welcher der Sprung gezeigt wird, die Kameraperspektive entsprechend der Kameraarbeit ändern [Untersicht➔ Normalsicht➔ Aufsicht]). Über eine mögliche Bedeutung bezüglich der Wahl der Einstellungsgröße, als auch der Perspektive soll im nachfolgenden Analyseteil gesprochen werden.
Die gewählte Kurzsequenz umfasst drei Einzeleinstellungen und markiert den Übergang von der Konzentration der Kamera auf die einzelnen Turmspringer hin zur Bedeutung der Sprünge für den Wettkampf. Folglich trägt sie wesentlich zur Steigerung und dem Vorankommen der Filmaufnahmen bei. Zwar sind in den Einstellungen KsE1 bis KsE3 die Individuen noch deutlich zu erkennen, die Kamera rückt aber immer weiter von ihnen fort. Diese Entwicklung wird besonders daran deutlich, dass das Gesicht des Springers der ersten Einstellung der Kurzsequenz noch eindeutig zu erkennen ist und in einem statischen Kameramoment festgehalten wird. Im Vergleich dazu ist der Athlet aus KsE3 nur noch von hinten zu sehen. Der Schwerpunkt der Aufnahmen liegt folglich nicht mehr so sehr auf den Gesichtern der Athleten, als viel mehr auf deren Körpern. Auf die detailliertere Bedeutung dessen wird im nachfolgenden Abschnitt noch gesondert eingegangen werden. Des Weiteren gilt es zu erwähnen, dass die Zeit, in welcher die Kamera statisch auf den Turmspringern verweilt, in der Entwicklung der Kurzsequenz im Detail und in der Szene im Allgemeinen zunehmend abnimmt. So weißt KsE3 keinen statischen Moment mehr auf, was die These des Vorankommens des Filmes, sowie die zunehmende Bedeutung der Sprünge stützt. Auffallend erscheint auch die Lichtgestaltung der Kurzsequenz. Die Körper scheinen, trotz dass sie im Gegenlicht aufgenommen sind, von vorne zusätzlich ausgeleuchtet zu sein. Auch die Wahl der Lichteinstellung wird im interpretativen Teil der Arbeit differenzierter analysiert werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
KsE1 KsE2 KsE3
Entwicklung von der Bedeutung des Individuums hin zur Konzentration auf den Wettkampf Die Einzeleinstellung B4 wurde zusätzlich der zu analysierenden Kurzsequenz hinzugefügt, da anhand dieser der Kunstwert des Turmspringens deutlich zu erkennen ist und sie ihn darüber hinaus einleitet. Das ästhetisch-künstlerische Können Leni Riefenstahls zeigt sich zwar bereits in den zuvor bearbeiteten Einstellungen und ist auch in den nachfolgenden als Handschrift der Regisseurin weiterhin erkennbar. Jedoch ist sowohl die Intention, als auch die Montagetechnik in den vorangehenden eine andere. B4 wirkt mit den Worten der deutschen Analysesprache wie der Übergang von der Einleitung, in welcher die Einführung der Schauplätze und Protagonisten, sowie der Thematik selbst im Vordergrund steht, zum Hauptteil der Dokumentation. Dieser Übergang lässt sich anhand unterschiedlicher Aspekte darstellen, welche nachfolgend aufgeführt werden sollen. Zunächst sei zu erwähnen, dass während der Einstellung ein durch Musik und Montagetechnik gestalteter Schnitt zustande kommt. Dieser scheinbare Schnitt, welcher die Veränderung bzw. den Übergang innerhalb des filmischen Kontinuitätssystems definiert, befindet sich zwischen Anlauf und eigentlichem Sprung des Athleten. So ist Ersterer in Echtzeit geschnitten, die Ausführung der Kür hingegen in Zeitlupe. Durch die Musik erfährt der visuell sichtbare Schnitt an auditiver Unterstützung: In dem Moment, als der Sportler zum Sprung ansetzt und die Zeitlupe beginnt, ist auf der Tonebene eine kurze Pause zu hören, nach welcher sich die bisweilen sehr lebhafte Musik ebenfalls verlangsamt. Solche Einstellungen in Zeitlupe finden nach B4 immer häufiger an Verwendung für die filmische Gestaltung und werden um weitere Trickmontagen, auf welche im Laufe der deskriptiven Analyse noch detaillierter eingegangen wird, ergänzt. Es sei erneut darauf hinzuweisen, dass sich der Unterschied zu vorangegangenen Einstellungen in der künstlerischen Gestaltung des Filmmaterials manifestiert.
[...]
1 Loiperdinger, M.: Rituale der Mobilmachung, S. 52
2 Ebd., S. 52
3 Donner, W.: Propaganda und Film im „Dritten Reich“, S. 84 f.
4 Rother, R.: Leni Riefenstahl, S. 72
5 Donner, W.: Propaganda und Film im „Dritten Reich“, S. 81
6 Rother, R.: Leni Riefenstahl, S. 253 - S. 261
7 http://de.wikipedia.org/wiki/Leni_Riefenstahl
8 Rother, R.: Leni Riefenstahl, S. 44
9 Ebd., S. 57
10 Ebd., S. 54
11 Rother, R.: Leni Riefenstahl, S. 87f.
12 Ebd., S. 91
13 Donner, W.: Propaganda und Film im „Dritten Reich“, S. 81 6
14 Ebd., S.81
15 Rother, R. : Leni Riefenstahl, S. 175 ff.
16 Ebd., S. 184
17 Rother, R.: Leni Riefenstahl, S. 185
18 Ebd., S. 178 f.
19 Ebd., S. 135
20 Mikos, L.L Film- und Fernsehanalyse, S. 84
21 Ebd., S. 48f.
22 Mikos, L.: Film- und Fernsehanalyse, S.: 89
23 Steinmetz, R.: Filme sehen lernen. Grundlagen der Filmästhetik, S. 20
24 Loiperdinger, M.: Rituale der Mobilmachung, S. 45
25 Ebd., S. 45
26 Donner, W.: Propaganda und Film im Dritten Reich, S. 83
27 Ebd., S. 83
28 Film: Die Macht der Bilder
29 Rother, R.: Leni Riefenstahl, S. 69
30 Donner, W.: Propaganda und Film im Dritten Reich, S. 83
31 Ebd., S. 83
32 Loiperdinger, M.: Rituale der Mobilmachung, S. 46 - 50
33 Ebd., S. 61
34 Ebd., S. 62
35 Ebd., S. 64 f.
36 Ebd., S. 64 f.
37 Ebd., S. 64
38 Ebd., Tabelle S. 66/67
39 Graham, C, C: Leni Riefenstahl and Olympia, S. 4 f.
40 Rother, R.: Leni Riefenstahl, S. 92
41 Ebd.: S. 90
42 Ebd.: S. 90
43 Rother, R.: Leni Riefenstahl, S. 92
44 http://helmut-schmidt-online.de/Riefenstahl-Homepage/film-Olympia.htm
45 http://helmut-schmidt-online.de/Riefenstahl-Homepage/film-Olympia.htm 18
- Citar trabajo
- Franziska Schumm (Autor), 2007, Faschistische Ästhetik bei Leni Riefenstahl, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/159205
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