Diese Arbeit beschränkt sich auf die Darstellung der Kunsterziehungsphilosophie Johannes Ittens und soll keinen Versuch darstellen, das komplexe „System Itten“ mit seinem Ineinandergreifen von persönlicher Biografie, eigenem Werk, philosophisch-religiöser Reflexion, der Erforschung von Kunst (er suchte Zeit seins Lebens nach einer elementaren Gestaltungslehre) und deren Vermittlung (Kunstpädagogik) zu beleuchten; obwohl der „Anspruch auf Ganzheit“ bei Johannes Itten, so Till Neu, eine elementare Rolle spielte. Bei der Betrachtung von Ittens Kunsterziehungskonzeptionen, einem Aspekt seines vielseitigen Wirkens, wird deutlich, dass es dem ausgebildeten Künstler und Lehrer darauf ankam, den ganzen Menschen mit seinen Fähigkeiten und Eigenschaften in seine pädagogischen Überlegungen einzubeziehen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Biografische Fragmente: Ausbildung, Lehrerkarriere und Esoterik
3 Itten und die Reformpädagogik – ein erster Vergleich
4 Allgemeines zur Reformpädagogik
4.1 Die Reformpädagogik im Kontext von Lebensreform und Jugendbewegung
4.2 Strömungen und Vertreter der Reformpädagogik
5 Itten und die Reformpädagogik - Hintergründe
5.1 Ernst Schneider am Berner Lehrerseminar
5.2 Die Kunsterziehungsbewegung
5.3 „Pädagogik vom Kinde aus“ / Das Kind als Künstler
5.4 Die Arbeitsschulbewegung von Georg Kerschensteiner und die liberale Reformbewegung des 18. und 19. Jahrhunderts
6 Johannes Ittens Kunsterziehungsphilosophie
6.1 Die zentrale Rolle des Kindes bzw. des Individuums und dessen Eigenart
6.2 Abgrenzung von der Akademie
6.3 Die „Dialektik von Subjektivität und Objektivität“ – die Unterrichtsmethoden
7 Schlussbemerkungen
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Der Schweizer Johannes Itten (1888-1967) zählt nicht allein aufgrund seines Kunstschaffens zu den wichtigsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, auch war er einer der fortschrittlichsten und einflussreichsten Kunstpädagogen dieser Zeit.
Diese Arbeit beschränkt sich auf die Darstellung der Kunsterziehungsphilosophie Johannes Ittens und soll keinen Versuch darstellen, das komplexe „System Itten“[1] mit seinem Ineinandergreifen von persönlicher Biografie, eigenem Werk, philosophisch-religiöser Reflexion, der Erforschung von Kunst (er suchte Zeit seins Lebens nach einer elementaren Gestaltungslehre) und deren Vermittlung (Kunstpädagogik) zu beleuchten; obwohl der „Anspruch auf Ganzheit“[2] bei Johannes Itten, so Till Neu, eine elementare Rolle spielte. Bei der Betrachtung von Ittens Kunsterziehungskonzeptionen, einem Aspekt seines vielseitigen Wirkens, wird deutlich, dass es dem ausgebildeten Künstler und Lehrer darauf ankam, den ganzen Menschen mit seinen Fähigkeiten und Eigenschaften in seine pädagogischen Überlegungen einzubeziehen.
Nicht nur auf „Ganzheitlichkeit“ kam es Itten bei der Kunsterziehung an, auch z.B. auf den Aspekt des „Erlebens“ wurde in seinem Unterricht Wert gelegt, wie ich später in der Arbeit darstellen werde. Hier manifestiert sich die Nähe der kunstpädagogischen Überlegungen Ittens zur Reformpädagogik, einer für das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert sehr fortschrittlichen Bewegung innovativen pädagogischen Denkens.[3]
Nach Rainer K. Wick, „einem „Itten-Kenner von hohem Rang und Wissenschaftler mit vielseitigem Sach- und Kunstverstand“[4], wurde Johannes Itten, der „im zwanzigsten Jahrhundert die Künstlerausbildung und den schulischen Kunstunterricht maßgeblich beeinflusst“ hat, oft als Begründer einer „neuen Kunstpädagogik“ gefeiert.
Dennoch, so Wick, hat Johannes Itten keinen „fundamentalen Neuentwurf“ hervorgebracht, sondern seine kunsterzieherischen Konzeptionen lassen sich an historisch konkreten Vorbildern und Vorläufern festmachen.[5]
In der Arbeit werde ich die reformpädagogischen Ideen in Bezug zu Ittens Kunsterziehungsphilosophie setzen und dabei seine Gestaltungslehre nur am Rande ansprechen. Dabei versuche ich mich vordergründig an folgenden Fragen zu orientieren: Inwieweit wurde Itten in seinen pädagogischen Ansichten von den Ideen der Reformpädagogik beeinflusst? Welche pädagogisch-innovativen Ideen waren das und in welcher Form tauchten sie in der Kunsterziehungsphilosophie Ittens wieder auf?
Die Arbeit gliedert sich wie folgt: 1. Die für mein Thema bedeutenden Stationen seiner Biografie, wie Ausbildung, Lehrerkarriere und spirituelle Einflüsse werden vorgestellt. 2. Anschließend folgen eine Darstellung der Reformpädagogik und eine zeitliche Einordnung. 3. Danach wird herausgestellt, welche reformpädagogischen Strömungen Johannes Ittens Kunsterziehungskonzept hauptsächlich beeinflussten. 4. Letztendlich folgt eine Darstellung der Kunstpädagogik Ittens im Hinblick auf ihre Vorbilder. 5. Schlussbemerkungen.
Ich stütze mich in meiner Arbeit auf Publikationen von Rainer K. Wick, Till Neu, Dolores Denaro, auf Schriften und Werke von Johannes Itten selbst („Mein Vorkurs am Bauhaus und später“, sein „Tagebuch“ von 1930, „Kunst der Farbe“) von denen einige in der Itten-Monografie von Willy Rotzler zusammengestellt wurden, sowie auf Überblicksdarstellungen zur Reformpädagogik, Lebensreform und Kunstschulreform.
2 Biografische Fragmente: Ausbildung, Lehrerkarriere und Esoterik
Johannes Itten wurde am 11. November 1888 in Süderen-Linden im Berner Oberland geboren. Nach seiner Schulzeit in Thun, besuchte er ab 1904 das Lehrerseminar in Hofwil bei Bern und schloss mit dem Primarlehrerpatent ab. Dort lernte er die progressiven Ideen der Reformpädagogik durch den jungen Seminardirektor Ernst Schneider kennen.[6] 1908 unterrichtete Itten bereits als Volksschullehrer in einem bernischen Dorf.[7]
Im Oktober 1909 begann er an der Ecole des Beaux-Arts in Genf Kunst zu studieren, jedoch brach er schon nach einem Semester ab. Enttäuscht von dem akademischen Lehrbetrieb der Kunstschule, der seinen pädagogischen Vorstellungen völlig entgegengesetzt war, kehrte Itten
1910 nach Bern zurück. Dort studierte er zwei Jahre lang an der Universität Bern und schloss mit einem Diplom als Sekundarlehrer ab (mit mathematisch-naturwissenschaftlichem Schwerpunkt). Unter dem Eindruck einiger Reisen durch Deutschland, Holland und Frankreich, auf denen er die Kunst der Kubisten und des Blauen Reiters kennen lernte, entschloss er sich Maler zu werden und setzte sein Studium an der Genfer Kunstschule 1912 fort.[8] Dort unterrichtete ihn ein Semester lang Eugène Gilliard, den Itten sehr schätzte,[9] da Gilliards Lehre ihm wichtige Grundlagen für seine sich entwickelnde Gestaltungslehre lieferte.
1913 bis 1916 studierte Itten bei Adolf Hölzel an der Stuttgarter Akademie. Er besuchte bei ihm Vorträge und Übungen zu Gemäldeanalysen und zur Kompositions-, Farb-, und Kontrastlehre. Außerdem traf er dort mit Ida Kerkovius, Oskar Schlemmer und Willi Baumeister zusammen. Zu dieser Zeit malte er erste gegenstandslose Bilder und hatte im Frühjahr 1916 seine erste Einzelausstellung in der Berliner Galerie „Der Sturm“. Bereits 1915 erteilte Itten Malunterricht an ihn von Hölzel zugewiesene Schüler.[10]
1916 ging der nun ausgebildete Lehrer und Künstler Johannes Itten auf Einladung einer seiner Schülerinnen nach Wien und gründete dort seine erste private Kunstschule, die bis 1919 bestand. In Wien hatte er Kontakte zum Künstlerkreis um Alma Mahler, beschäftigte sich mit theosophischen Schriften und Mystik und erarbeitete eine umfassende Formen- und Farbenlehre. In den Wiener Jahren reifte Itten als Künstler und als Lehrer. Als er im Oktober 1919 von Walter Gropius an das neu gegründete Weimarer Bauhaus berufen wurde, kamen ihm seine praktischen pädagogischen Erfahrungen zugute und er konnte sofort mit einem geordneten Unterricht beginnen. Walter Gropius hatte Johannes Itten ein Jahr zuvor auf Vermittlung seiner Frau Alma Mahler in Wien kennen gelernt.[11]
Johannes Itten prägte die „Bauhauspädagogik“ in entscheidendem Maße, so schreibt Rainer K. Wick. Er sieht ihn in der Rolle des „großen Anreger[s]“ und „Impulsgeber[s]“ bezüglich dieser.[12] Die Konzeption und Leitung des „Vorkurses“, als einer Art Grundlehre im Vorfeld
der künstlerisch-handwerklichen Ausbildung in den Bauhaus-Werkstätten, sowie die Etablierung dieser Grundlehre als feste Institution am Bauhaus, wurde zu Johannes Ittens großem pädagogischen Verdienst[13] und zum Aushängeschild für seine weitere Lehrerkarriere. Till Neu schreibt in seinem Buch „Von der Gestaltungslehre zu den Grundlagen der Gestaltung.“, Ittens Vorkurs bilde „den Ausgangspunkt der Gestaltungslehren“[14] und stellt ihn damit an den Anfang einer Chronologie von Gestaltungslehren. Zeitgleich mit dem Unterricht im Vorkurs leitete Itten zeitweise mehrere Werkstätten, was ihm, nach Wick, eine solche Machtfülle gab, dass er zum heimlichen Direktor avancierte. Er sei „in der Gründungsphase des Bauhauses neben Gropius die herausragende, dominierende Persönlichkeit“ gewesen.[15]
1922 bereits gab Johannes Itten die Werkstattleitung auf und am 4. Oktober des selben Jahres folgte das Kündigungsschreiben an Walter Gropius.[16] Hintergrund der frühen Abkehr Ittens vom Weimarer Bauhaus war vor allem der Grundsatzkonflikt mit Gropius über den zukünftigen Kurs der Schule, der sich 1921/22 verschärfte.[17] Seine Vorstellung vom Bauhaus beschrieb Itten rückblickend im Vergleich zu der des Bauhausdirektors so:
Meine Vorstellung von einem Bauhaus war letzten Endes die einer Hochschule der
musischen Künste mit einer neuen Erziehungsgrundlage. Gropius wollte aber durchaus
ein Programm für eine Bau-Hochschule, und er fand meine Pläne, die damals noch
etwas vage waren, zu phantastisch.[18]
In der Anfangszeit stimmten die Vorstellungen von Itten und Gropius noch überein, als man noch die neue Synthese von Kunst und Handwerk beschwor, bevor das „Handwerk“ durch die „Technik“ ersetzt wurde. In dieser ersten Phase, die noch stark von Utopie und Expressionismus geprägt war, berührten sich die Ansichten der beiden Künstler größtenteils noch, doch auf Dauer waren sie zu grundverschieden.[19] Bereits 1922 nahm Walter Gropius eine durchgreifende Kurskorrektur des Bauhauses vor, die „den Übergang zur pragmatisch-
konstruktivistischen, industrieorientierten Konsolidierungsphase markierte“[20], so Wick. Diese Korrektur bewegte Itten unter anderem zur Kündigung und zum Ausscheiden im Frühjahr 1923. Marcel Franciscono bemerkt, dass „die meisten der im Vorkurs entstandenen Studien[...]auf die formalen und technischen Probleme[...]der industriellen Produktion kaum Rücksicht nahmen“[21]. Itten wollte seinen Vorkurs eben nicht als bloße Vorstufe sehen, um die Schüler auf die zukünftige Architektur- oder Designausbildung vorzubereiten, sondern er nahm ihn als „Plattform einer integralen Erziehung zum ‚ganzen Menschen’“[22] war.
Dieser Punkt, der Erziehung zum „ganzen Menschen“, wurde sicherlich auch aus Ittens philosophisch-religiösen Positionen gespeist, welche mit bestimmten Praktiken verbundenen waren, die er am Bauhaus durchzusetzen gedachte. Eine Tatsachte, die gewiss mitbestimmend war für den Konflikt zwischen ihm und Gropius.[23] Itten war Anhänger des „Mazdaznan-Glaubens“, einer von Otoman Zar-Adusht Hanish um 1900 in Chicago gegründeten religiösen Lehre, „eine[r] weltweite[n] Bewegung, die die dualistische Glaubenslehre Zarathustras mit modernen Lehren der körperlichen und seelischen Hygiene zu verbinden sucht“[24]. Weiterhin bejaht diese synkretistische Lehre die „Ganzheit“ des Menschen, indem sie auf „der dreifachen Menschennatur des materiellen, spirituellen und intellektuellen Typs“ aufbaut, so Dolores Denaro, und „die Erreichung des höchsten Ziels durch die Vereinigung der drei Temperamente“[25] sieht.
Mit dem Mazdaznan-Glauben war Itten schon zur Studienzeit in Bern in Kontakt gekommen.[26] Später durch Georg Muche, mit dem er 1916 in der Galerie „Der Sturm“ ausstellte, wurde er zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit der Lehre angeregt und beteiligte sich ab 1920 verstärkt an der Mazdaznan-Bewegung. Zusammen mit Muche verkündete er auch am Bauhaus die Weisheiten der Lehre und führte zur „körperlichen und seelische Hygiene“ eine vegetarische Küche mit Fasten und Diäten, sowie Atem- und Meditationsübungen ein.[27] Aufgrund dieses Engagements für ein spirituelles Leben an der
Kunsthochschule, kam es zu Spottgesängen wie etwa „Itten, Muche, Mazdaznan“ unter einem Teil der Bauhäusler.[28] Itten und seine Ansichten und Methoden polarisierten in Weimar so sehr, dass man von „Itten-Gegnern“ und „Itten-Anhängern“ sprechen kann.[29] Diejenigen, die eine Gegenposition zu der „emotionalen Lebenshaltung“[30] Ittens einnahmen und eher von Gropius rationalen Ideen begeistert waren, die auf einer Ausrichtung der Schule hin zum Industriedesign basierten, fanden Zuflucht bei Theo van Doesburg, der den Einfluss der niederländischen De Stijl-Künstlergruppe und ihrer Theorien am Weimarer Bauhaus bewirkte.[31]
Um sich die nächste Zeit ganz dem Studium der Mazdaznan-Lehre zu widmen, zog Itten 1923 nach Herrliberg an den Zürichsee. In der dort angesiedelten „Internationalen Mazdaznan-Tempel-Gemeinschaft“ lebte und wirkte er bis 1926. Er gründete seine „Ontos-Werkstätten“ für Handweberei und Teppichknüpferei und unterrichtete in der angegliederten Kunstschule Naturstudium, Komposition, Form- und Farbenlehre und Grafik. Überdies leitete er in Herrliberg einen Verlag und gab Mazdaznan-Literatur heraus.[32] Wie Willy Rotzler berichtet, reiste Itten „durch Deutschland[...]bis nach Prag, Amsterdam und Paris.“[33], um die Inhalte der religiösen Lehre und seine kunstpädagogischen Methoden zu verbreiten. Weiterhin schildert Rotzler, dass verschiedene Zeichenkurse und Analysevorträge den Auftakt zur Gründung seiner privaten Kunstschule in Berlin bildeten.[34]
1926 gab Johannes Itten vorerst Kurse in den Räumen der Berliner Galerie „Der Sturm“ und sein Erfolg bestärkte sein Vorhaben, eine eigene Kunstschule zu eröffnen. Ab September 1926 nannte er sein Kursangebot bereits „Moderne Kunstschule“. Nach etlichen Umzügen bekam seine Schule letztendlich am 1.12.1929 ihren Sitz in einem Neubau in der Konstanzer Strasse 14 in Berlin-Wilmersdorf. Sie hieß ab diesem Zeitpunkt „Itten-Schule“, bildete Maler, Grafiker, Fotografen und Architekten aus und rekrutierte ihren Lehrkörper teilweise aus ehemaligen Bauhäuslern.[35] In der Itten-Schule konnte der Künstler-Lehrer Itten „seine Vorstellungen eines umfassenden, ganzheitlich konzipierten Kunstunterrichtes, der an
Konzeptionen seines Vorkurses am Bauhaus anknüpfte, realisieren“[36], so schreibt Rainer K. Wick. 1930 verfasst Itten sein großes „Tagebuch“, welches, wie der Name schon verrät, kein klassisches Lehrbuch der Kunst darstellt, sondern eher danach fragt, was an Kunst lehrbar ist. Es stelle ein „Protokoll des aktuellen Unterrichts und eine Bilanz künstlerischer und pädagogischer Bemühungen aus 15 Jahren“[37] dar, so schreibt Peter Schmitt im Vorwort zur Studienausgabe des Tagebuchs.
Ab 1932 übernahm Itten zusätzlich die Leitung der neu gegründeten „Höheren Fachschule für Textile Flächenkunst“ in Krefeld und unterrichtete wechselweise acht Tage in Berlin und Krefeld.[38] 1934, ein Jahr nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, musste Johannes Itten seine Berliner Schule schließen, da ihm als Schweizer verboten wurde weiterhin an zwei Schulen zu lehren. 1937, als er sich trotz des Drucks der nationalsozialistischen Behörden weigerte, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, wurde seine Direktorenstelle durch die Stadt Krefeld gekündigt und die Schließung der Schule veranlasst. 1938 emigrierte er nach Holland und gab dort Form- und Farbkurse am Amsterdamer Stedelijk Museum. Am Ende des Jahres wurde Itten in Zürich zum Direktor der Kunstgewerbeschule und des Kunstgewerbemuseums gewählt, wo er bis 1954 tätig war. 1940 gestaltete er das Lehrprogramm der Vorbereitungsklassen der Kunstgewerbeschule im Sinne des Vorkurses um. Überdies leitete er 1943 bis 1960 die Textilfachschule Zürich und baute 1949 bis 1956 das „Museum Rietberg für außereuropäische Kunst“ auf, welches er zudem leitete. 1958 beteiligte er sich am „Kongress der Internationalen Vereinigung der Kunsterziehung“ in Basel. 1961 erschien dann seine Farbenlehre in dem Buch „Kunst der Farbe“ und 1963 die Publikation „Mein Vorkurs am Bauhaus“, welche seine Gestaltungslehre darstellt.
Johannes Itten starb am 25. März 1967 in Zürich.
3 Itten und die Reformpädagogik – ein erster Vergleich
Johannes Itten schrieb 1930 in „Pädagogische Fragmente einer Formenlehre. Aus dem Unterricht der Itten-Schule“ über seine pädagogischen Absichten:
Von Anfang an war mein Unterricht auf kein besonders fixiertes Ziel eingestellt.
Der Mensch selbst als ein aufzubauendes, entwicklungsfähiges Wesen schien mir
Aufgabe meiner pädagogischen Bemühungen. Sinnesentwicklung, Steigerung der
Denkfähigkeit und des seelischen Erlebens, Lockerung und Durchbildung der
körperlichen Organe und Funktionen sind die Mittel und Wege für den erzieherisch
verantwortungsbewußten Lehrer.[39]
Dieses Zitat Ittens deutet darauf hin, dass sich der Künstler-Lehrer hinsichtlich seiner pädagogischen Ziele, Maximen und Methoden an zeitgenössischen neuen Pädagogikauffassungen orientiert haben muss, deren Reformmotive seine Erziehungsziele ganz offensichtlich berührten. Nach Jürgen Oelkers gab es während des gesamten 19. Jh. Bemühungen der pädagogischen Reform, wobei der Begriff „Reformpädagogik“ sich auf die Zeit der Jahrhundertwende bezieht, wobei letztere endlich auch mit der autoritären Schule des 19. Jh. brach.[40] Zum Vergleich mit dem Zitat Ittens sind hier die Motive der Reformbemühungen des 19.Jh. und der späteren Reformpädagogik ganz allgemein aufgelistet (nach Oelkers gab es hier eine „Kontinuität der Reformmotive“):
Ganzheit und Vollkommenheit aller Kräfte und Anlagen des Kindes, Arbeit und Kunst
als neue Mittel der schulischen Bildung, Harmonie von Körper und Geist, Anschauung
als Grundlage der Methode, Schule als Schulgemeinde und Lebensform. [...]die pädagogische
Stilisierung des Kindes, seiner Kreativität und der Magie des Spiels[...]die „Pädagogik vom
Kinde aus“[41]
[...]
[1] Wick „Itten und die Reformpädagogik“ in Denaro „Johannes Itten. Wege zur Kunst.“, 232
[2] Neu „ Von der Gestaltungslehre zu den Grundlagen der Gestaltung.“, 24.
[3] Vgl. Bast, 5.
[4] Ziegenspeck in Rainer K. Wick „ Johannes Itten. Kunstpädagogik als Erlebnispädagogik?“, 7.
[5] Vgl. Wick „Itten und die Reformpädagogik“ in Denaro „Johannes Itten. Wege zur Kunst“, 232; alle Zitate von
ebenda.
[6] Vgl. Neu, 24; Denaro, 330; Wick „Bauhaus.Kunstschule der Moderne“, 115.
[7] Vgl. Itten „ Gestaltungs- und Formenlehre. Mein Vorkurs am Bauhaus und später.“, 5.
[8] Vgl. Neu, 24; Denaro, 330; Wick „Bauhaus...“, 93.
[9] Vgl. Brief Ittens an Gilliard in Willy Rotzler (Hrsg.) „Johannes Itten. Werke und Schriften.“, 45 / 397.
[10] Vgl. Neu, 24; Denaro, 330 und 333.
[11] Vgl. Denaro, 333; Wick „Bauhaus...“, 92 und 96; Schmitt in Itten „Johannes Itten. Elemente der Bildenden
Kunst. Studienausgabe des Tagebuchs.“, 7.
[12] Wick „Bauhaus...“, 11ff.
[13] Vgl. ebenda, 92.
[14] Neu, 25.
[15] Wick „Bauhaus...“,92.
[16] Vgl. Denaro, 331.
[17] Vgl. Peter Hahn„Kampf der Geister. Itten und Gropius am frühen Bauhaus.“ in Denaro, 270f.
[18] Itten „ Grundlagen der Kunsterziehung. 1950“ in Rotzler, 253f.
[19] Vgl. Wick „Bauhaus...“, 122.
[20] Ebenda, 122.
[21] Franciscono zit. n. Wick “Bauhaus…”, 121.
[22] Wick „Bauhaus...“, 120.
[23] Vgl. Wick „Bauhaus...“, 120; Hahn „Kampf der Geister. Itten und Gropius am frühen Bauhaus.“ in Denaro,
270.
[24] Anmerkung 62 zur Seite 25: Itten „Aus meinem Leben. Jugend- und Studienjahre.“ in Rotzler , 394.
[25] Denaro „Johannes Ittens Methoden der Kunstvermittlung. Wege zur Kunst.“ in Denaro, 15.
[26] Vgl. Itten „Aus meinem Leben. Jugend- und Studienjahre.“ in Rotzler, 25.
[27] Vgl. Itten „Aus meinem Leben. Jugend- und Studienjahre.“ in Rotzler, 28; Anmerkung zu Mazdaznan Seite
228: Itten „Mazdaznan. Um 1926.“ in Rotzler, 411; Denaro, 15f.
[28] Vgl. Hahn „Kampf der Geister. Itten und Gropius am frühen Bauhaus.“ in Denaro, 270.
[29] Vgl. Wick „Bauhaus...“, 120; Rotzler,8.
[30] Rotzler, 8.
[31] Vgl. Hahn, 270.
[32] Vgl. Denaro, 331und 333.
[33] Rotzler, 8.
[34] Vgl. ebenda, 8.
[35] Vgl. Denaro, 20ff. und 333.
[36] Wick „Johannes Itten. Kunstpädagogik als Erlebnispädagogik?“, 21.
[37] Schmitt in Itten „Elemente der Bildenden Kunst. Studienausgabe des Tagebuchs.“, 8.
[38] Vgl. Denaro, 331.
[39] Itten „Pädagogische Fragmente einer Formenlehre. 1930. Aus dem Unterricht der Itten-Schule.“ in Rotzler, 232.
[40] Vgl. Oelkers „Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte.“, 56.
[41] Ebenda, 59.
- Quote paper
- Anne Nennstiel (Author), 2006, Johannes Ittens Kunsterziehungsphilosophie im Vergleich zur Reformpädagogik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/159130
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.