Die verschiedenen Ansichten darüber, wie sich Gesellschaft erschließt, gehen weit auseinander. Sind es die Zeichen oder die Institutionen, die soziale Realität begründen? Ist es eine Dynamik oder Statik, die Gesellschaft überhaupt möglich macht? Um diese Frage etwas zu erleuchten, wird eine Aussage Arnold Gehlens, die sich für zweites ausspricht, also die Institutionen, herangezogen, um diese mit Hilfe großer Soziologen unserer Zeit und der Vergangenheit zu widerlegen.
Die verschiedenen Ansichten darüber, wie sich Gesellschaft erschließt, gehen weit auseinander. Sind es die Zeichen oder die Institutionen, die soziale Realität begründen? Ist es eine Dynamik oder Statik, die Gesellschaft überhaupt möglich macht? Um diese Frage etwas zu erleuchten, wird eine Aussage Arnold Gehlens, die sich für zweites ausspricht, also die Institutionen, herangezogen, um diese mit Hilfe großer Soziologen unserer Zeit und der Vergangenheit zu widerlegen.
Arnold Gehlen spricht in seiner Aussage von Umwegen, die der Mensch machen müsste, um sich und seinesgleichen zu erhalten, sprich um Gesellschaft zu ermöglichen. Diese Umwege seien die Institutionen. Somit setzt er die Institutionen als wichtigstes Kriterium von Gesellschaft fest. Er geht des Weiteren davon aus, dass diese Institutionen nicht selbstständig geschaffen wurden, sondern, dass sie etwas Künstliches sind, das durch den Menschen entsteht. So sei es auch der Mensch selbst bzw. die vom ihn geschaffenen Institutionen, die ihn zu Grunde richten und nicht die Natur. Daraus ergibt sich zugleich auch ein Unterschied zu den Tieren, welche vollkommen der Natur ausgesetzt seien.
Der zentrale Punkt ist aber, dass er die Institutionen für sehr mächtig hält. Er geht sogar soweit zu behaupten, die Institutionen könnten ihren Schöpfer, also den Menschen, überleben. Die Menschen würden dies mehr oder weniger erkennen, aber machtlos erliegen.
Mit diesen Annahmen beschreibt Arnold Gehlen zwar die soziale Realität und die Institutionen als von Menschen hervorgebrachte Konstrukte, also als künstlich, bezeichnet sie aber gleichzeitig auch als sich verselbstständigend und den Menschen überdauernd. Er unterschlägt in seiner Annahme einen wichtigen Aspekt, nämlich jenen, dass sich diese Institutionen nicht vollkommen vom Menschen, ihrem Schöpfer, abkoppeln können und immer von Individuen abhängig sein werden. Denn die vom Menschen geschaffenen Institutionen müssen von diesem weiter getragen und permanent legitimiert werden, um bestehen zu können. Somit ist die Stabilität der Institutionen durch die Instabilität der Gesellschaft geprägt. Als Beispiel sei die Heirat genannt, die doch zumindest im Kulturkreis des Okzidents im letzten Jahrhundert an Bedeutung verloren hat. Genau hier ist die Tatsache zu erkennen, dass der Mensch ausschlaggebend für die Bedeutung und somit für den Fortbestand der Institutionen ist.
Zudem wird in diesen Annahmen das Denkgerüst des Arnold Gehlen sichtbar. Nach Arnold Gehlen sei für den Menschen nichts wichtiger als Stabilität. Dies schlussfolgert er aus seiner Annahme, dass der Mensch ein Mängelwesen sei. Tiere könnten sich auf ihre Instinkte verlassen und automatisch reagieren. Dies fehle beim reizüberfluteten Menschen. Um dieser Überlastung entgegenzukommen schaffe der Mensch sich Kultur, eine Kultur mit Institutionen wie zum Beispiel der Ehe, der Marktwirtschaft, des Glaubens und des Staates. Diese Institutionen, mit ihren festgelegten Normen und Werten, würden den Menschen entlasten, indem sie ihm Entscheidungen abnehmen. Gesellschaften seien am überlebensfähigsten, wenn sie die Institutionen nicht mehr hinterfragen würden.
Was dies in letzter Konsequenz bedeuten würde, soll im weiteren Textverlauf verdeutlicht werden. Zunächst soll ein Blick auf die Ansichten einiger seiner Fachkollegen geworfen werden.
Viele seiner Kollegen orientieren sich an anderen Prämissen. So auch Armin Nassehi, der die soziale Realität zwar auch als eine künstliche bezeichnet, also eine nicht selbstverständliche, als eine Realität, die auf Einbildungskraft beruht. Allerdings erschließt sich bei Nassehi Soziale Realität nicht über Institutionen, die sich womöglich noch verselbstständigen, sondern über Zeichen. Diese Zeichen, seien nach Nassehi nicht selbstverständlich, sondern ebenfalls künstlich hervorgebracht.
Dieser Ansatz der Zeichen ist auch bei Umberto Eco zu finden. Er schreibt, dass wir Zeichen verwenden würden, um einen Inhalt auszudrücken, sprich um zu kommunizieren. Gleichzeitig seien die Zeichen nicht universell, sondern ganz im Gegenteil in jedem Sprach- und Kulturkreis unterschiedlich. Er spricht von einer Art sozialen Praxis der Zeichen, die wir nutzen, um uns innerhalb der Gesellschaft zu verständigen. Des weiteren charakterisiert er diese zugleich als kulturabhängig, womit er auf unterschiedliche Kontexte bei der Deutung von Zeichen verweist. Dies kann neben der Gestik, der Mimik auch Bauwerke o.Ä. betreffen, welche in bestimmten Kulturen ganz bestimmte Reaktionen hervorrufen. Um dies zu verdeutlichen und zu verbildlichen soll das Victory-Zeichen herangezogen werden. Die Geste (bei der der Zeige- und Mittelfinger zu einem „V“ ausgestreckt werden, der Ringfinger und der kleine Finger eingezogen bleiben und der Daumen über die beiden Finger gelegt wird) hat international sehr unterschiedliche Bedeutungen. Während Sie in einigen Ländern für Victory, also Frieden steht (z.B. Deutschland) kommt die Geste in anderen Kulturkreisen, zum Beispiel Australien, dem deutschen Zeigen des Mittelfingers gleich. Aber zum Beispiel auch Denkmäler können ganz unterschiedliche Bedeutungen für Menschen verschiedener Kulturkreise haben. Ein Denkmal, das nach einem gewonnenen Krieg von der Siegermacht aufgestellt wird, hat für die Menschen der geschlagenen Seite wohl eine ganz andere Bedeutung, als für die Siegermacht. Unbeteiligte werden noch einmal ganz anders zu den Denkmälern stehen. Diese banalen Beispiele zeigen auf einfache Weise, wie unterschiedlich die Wahrnehmung von Zeichen sein kann.
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- Citation du texte
- Friedrich Baubrass (Auteur), 2010, Soziale Realität via Institutionen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/158708