In dieser Arbeit wird die Schnittstelle der Themen Schulsozialarbeit und Hochbegabung untersucht. Das Forschungsinteresse gilt im Speziellen der Beantwortung zweier zentraler Fragestellungen: Können hochbegabte Schüler von schulsozialarbeiterischer Unterstützung im Schulalltag profitieren und wenn ja, in welcher Weise? Unterscheidet sich die Schulsozialarbeit mit hochbegabten Schüler/innen wesentlich von der mit „normal“ begabten Schüler/innen und wenn ja, inwiefern?
In einem ersten Schritt werden die theoretischen Grundlagen der Begrifflichkeiten Schulsozialarbeit und Hochbegabung dargelegt. Darauf folgen erste eigene theoretische Überlegungen bezüglich beider Fragestellungen, deren Ergebnisse durch die anschließende Zusammenfassung und Analyse eines Experteninterviews mit einer pädagogischen Fachkraft in weiten Teilen bestätigt und geringfügig erweitert werden. Auf der Grundlage dieser Resultate werden schließlich Konsequenzen für die Schulsozialarbeit aufgezeigt und handlungsleitende Empfehlungen ausgearbeitet.
Es wird deutlich, inwiefern hochbegabte Schüler/innen von Schulsozialarbeit profitieren können und dass dabei Informations-, Aufklärungs- und Beratungsarbeit, sowie präventive Projektarbeit eine wichtige Rolle spielen.
Bei der Erforschung der zweiten Fragestellung kommen die gleichen Methoden (Literaturrecherche und Experteninterview) zum Einsatz, mit dem Ergebnis, dass sich die Schulsozialarbeit mit hochbegabten Schüler/innen zwar „neue“ Herausforderungen birgt, sich aber nicht grundlegend von der mit „normal“ Begabten unterscheidet. Auch dieser Erkenntnis folgt die Ableitung handlungsleitender Empfehlungen.
Die Arbeit zeigt mögliche Perspektiven und Ideen auf, die das Arbeitsfeld der Schulsozialarbeit erweitern könnten.
Inhaltsverzeichnis
0. EINLEITUNG
1. SCHULSOZIALARBEIT
1.1. Definitionen
1.2. Modelle der Schulsozialarbeit
1.2.1. Distanzmodell
1.2.2. Subordinationsmodell (additiv)
1.2.3. Kooperationsmodell (additiv)
1.2.4. Integrationsmodell
1.3 Grundsätze und Handlungsprinzipien der Schulsozialarbeit
1.3.1 Grundsätze
1.3.2 Handlungsprinzipien
1.4 Zielgruppen der Schulsozialarbeit
1.5 Auftrag und Zielsetzungen der Schulsozialarbeit
1.6 Methoden und praktische Anwendung der Schulsozialarbeit
1.6.1 Methoden der Schulsozialarbeit
1.6.2 Praktische Anwendung der Schulsozialarbeit
1.7 Aufgabenfelder der Schulsozialarbeit
1.7.1 Kinder- und Jugendarbeit am Ort / im Umfeld der Schule (nach § 11 KJHG)
1.7.2 Schulbezogene Jugendsozialarbeit (nach § 13 KJHG)
1.7.3 Jugendberufshilfe und Berufsvorbereitung (nach § 13 KJHG)
2. HOCHBEGABUNG
2.1 Definitionen
2.2 Modelle
2.2.1 Das Drei Ringe Modell der Hochbegabung (Renzulli 1993)
2.2.2 Das triadische Interpendenzmodell (Mönks et al 1992)
2.3 Intelligenz
Trotz der soeben eingeführten Unterscheidung dient die Intelligenz als wichtiger Indikator bei der Diagnose einer Hochbegabung
2.4 Diagnose von Hochbegabung
2.4.1 Objektive Ansätze: Testbeispiel HAWIK III
2.4.2 subjektive Ansätze
2.5 Probleme Hochbegabter im schulischen Kontext
2.5.1 Unterforderung
2.5.2 Underachievement
2.5.3 Mangelnde Lern- und Arbeitstechniken
2.5.4 Perfektionismus
2.5.5 Soziale Isolation
2.5.6 Konflikte mit Lehrern
2.5.7 Psychische und psychosomatische Probleme
2.6 Risikogruppen
2.7 Förderungsmöglichkeiten hochbegabter Schüler im schulorganisatorischen Bereich und im Unterricht
2.7.1 Enrichment
2.7.2 Akzeleration
2.7.3 Grouping
2.7.4 Differenzierung
3. ERSTE VERMUTUNGEN BEZÜGLICH DER NOTWENDIGKEIT UND DER BESONDERHEITEN DER SCHULSOZIALARBEIT MIT HOCHBEGABTEN
3.1 Vermutungen über den Nutzen von Schulsozialarbeit für hochbegabte Schüler
3.1.1 Beratung, Information und Aufklärung der direkt „Betroffenen“ und des sozialen Umfelds
3.1.2 Präventive Projektarbeit mit hochbegabten Schülern
3.2 Muss die Schulsozialarbeit neu erfunden werden?
4. DIE METHODE - EXPERTENINTERVIEW
4.1 Begriffsklärung: Experte
4.2 Interviewform - Leitfadeninterview
4.3 Vorteile der Methode
4.4 Grenzen der Methode
5. DAS EXPERTENINTERVIEW MIT FRAU S.
5.1 Vorbereitungen und Leitfaden
5.1.1 Vorbereitungen
5.1.2 Leitfaden
5.2 Zusammenfassung des Experteninterviews
5.2.1 Vorstellung der eigenen Person
5.2.2 Vorstellung der Schule
5.2.3 Modellklassen
5.2.4 Arbeitsalltag und zentrale Aufgabenbereiche von Frau S.
5.2.5 Probleme Hochbegabter im schulischen Kontext und Lösungsmöglichkeiten
5.2.4 Sonstige mögliche Beiträge der Schulsozialarbeit zu einer adäquaten Förderung Hochbegabter
5.2.5 Wesentliche Unterschiede zwischen „normaler“ Schulsozialarbeit und der mit Hochbegabten
5.2.6 Besondere Anforderungen an den Schulsozialarbeiter
5.2.7 Persönliche Einschätzung der Bedeutung und Notwendigkeit von Schulsozialarbeit mit Hochbegabten
5.3 Analyse des Experteninterviews
6. KONSEQUENZEN UND HANDLUNGSLEITENDE EMPFEHLUNGEN FÜR DIE SCHULSOZIALARBEIT
7. RESÜMEE
8. ANHANG
Anhang 1: Transkript des Experteninterviews mit Frau S
9. QUELLENVERZEICHNIS
Abstract
In dieser Arbeit wird die Schnittstelle der Themen Schulsozialarbeit und Hochbegabung untersucht. Das Forschungsinteresse gilt im Speziellen der Beantwortung zweier zentraler Fragestellungen:
1. Können hochbegabte Schüler von schulsozialarbeiterischer Unterstützung im Schulalltag profitieren und wenn ja, in welcher Weise?
2. Unterscheidet sich die Schulsozialarbeit mit hochbegabten Schüler/innen we- sentlich von der mit „normal“ begabten Schüler/innen und wenn ja, inwiefern? In einem ersten Schritt werden die theoretischen Grundlagen der Begrifflichkeiten Schulsozialarbeit und Hochbegabung dargelegt. Darauf folgen erste eigene theoreti-sche Überlegungen bezüglich beider Fragestellungen, deren Ergebnisse durch die anschließende Zusammenfassung und Analyse eines Experteninterviews mit einer pädagogischen Fachkraft in weiten Teilen bestätigt und geringfügig erweitert werden. Auf der Grundlage dieser Resultate werden schließlich Konsequenzen für die Schul-sozialarbeit aufgezeigt und handlungsleitende Empfehlungen ausgearbeitet. Es wird deutlich, inwiefern hochbegabte Schüler/innen von Schulsozialarbeit profitie- ren können und dass dabei Informations-, Aufklärungs- und Beratungsarbeit, sowie präventive Projektarbeit eine wichtige Rolle spielen.
Bei der Erforschung der zweiten Fragestellung kommen die gleichen Methoden (Lite- raturrecherche und Experteninterview) zum Einsatz , mit dem Ergebnis, dass sich die Schulsozialarbeit mit hochbegabten Schüler/innen zwar „neue“ Herausforderungen birgt, sich aber nicht grundlegend von der mit „normal“ Begabten unterscheidet. Auch dieser Erkenntnis folgt die Ableitung handlungsleitender Empfehlungen. Die Arbeit zeigt mögliche Perspektiven und Ideen auf, die das Arbeitsfeld der Schul- sozialarbeit erweitern könnten.
0. Einleitung
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzie- rung, wie z.B. Schüler/Innen, verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter. Ausgenommen hiervon sind Zitate, wenn vom Autor im Original eine geschlechtsspezifische Differenzierung vorgenommen wurde.
In dieser Arbeit soll die Schnittstelle zweier momentan hoch aktueller pädagogischer The-men untersucht werden. Hierbei handelt es sich zum einen um die Schulsozialarbeit, die Einzug in immer mehr deutsche Schulen (darunter mittlerweile auch Gymnasien) findet und zum anderen um das Thema der Hochbegabung und deren geeigneter pädagogischer Förderung, das momentan in Pädagogenkreisen stark polarisiert. Es stellt sich die Frage, ob und wenn in welcher Weise hochbegabte Sch ü ler von schulsozialarbeiterischer Unterst ü tzung im Schulalltag profitieren k ö nnen.
Zu dem Entschluss diese Arbeit zu schreiben kam ich anlässlich meines Praktikums im Bereich der Schulsozialarbeit am A-Gymnasium in B. Diese Schule bietet hochbegabten Schülern die Möglichkeit eine spezielle Hochbegabtenklasse zu besuchen. Während meines Praktikums dort habe ich in Form einiger Projekte mit den Schülern die- ser Klasse gearbeitet und in diesem Rahmen viele verschiedene und unter anderem be- merkenswerte Erfahrungen gemacht. Ich habe diese Schüler als sehr fordernd, interessiert und teilweise rechthaberisch, aber auch extrem sensibel, kränklich und zurückhaltend er- lebt.
Da es, meines Wissens nach, bisher leider keine Studien betreffend des Zusammenhangs von Schulsozialarbeit und Hochbegabung gibt, werde ich in einem ersten Schritt beide Thematiken beleuchten, indem ich mich eingehend mit der gängigen themenrelevanten Fachliteratur auseinandersetze, um anschließend erste eigene Vermutungen über den Nutzen von Schulsozialarbeit für hochbegabte Schüler und deren konkrete Aufgaben und Unterstützungsmöglichkeiten anzustellen. Um meine theoretischen Überlegungen mit praktischen Erfahrungen einer Fachkraft abzugleichen, habe ich mich entschlossen ein Experteninterview mit der Schulsozialarbeiterin des X- Gymnasiums in Y zu führen, deren Stelle im Zusammenhang mit der Einführung einer Hochbegabtenklasse entstand. Dieses Interview soll zudem der Beantwortung der Frage dienen, ob und wenn inwiefern, sich die Schulsozialarbeit mit Hochbegabten wesentlich von der mit „ normal “ Begabten unterscheidet.
Damit das Interview ergiebig und aufschlussreich wird, setze ich mich in einem weiteren Teil dieser Arbeit auch mit der von mir gewählten Erhebungsmethode auseinander, bevor ich den Leitfaden entwerfe. Nach der Zusammenfassung und Analyse des Experteninterviews möchte ich die aus den Ergebnissen des Forschungsprozesses resultierenden Konsequenzen für die Schulsozialarbeit aufzeigen und mit diesen einhergehende, handlungsleitende Empfehlungen geben.
Abschließend werde ich in einem Resümee noch einmal Bezug auf die zentralen Fragestellungen dieser Arbeit nehmen und den Erfolg meines Forschungsprozesses hinsichtlich der erschöpfenden Beantwortung selbiger bewerten.
1. Schulsozialarbeit
Im Gegensatz zum „school social work“, das in den USA bereits seit 1906 etabliert ist und somit auf eine lange Tradition zurückblicken kann, hatte die institutionalisierte Schulsozial- arbeit in Deutschland ihre Anfänge erst in den 60er Jahren. Der Begriff „Schulsozialarbeit“ selbst ist seit 1971 in Gebrauch, doch bis vor ein paar Jahren schenkte ihm die Fach- Öffentlichkeit noch wenig Beachtung. Anlässlich mehrerer Amokläufe an Schulen und an- derer dramatischer Ereignisse in der jüngsten Vergangenheit werden die Forderungen nach einem Ausbau der Schulsozialarbeit an deutschen Schulen immer lauter und die themenrelevanten wissenschaftlichen Veröffentlichungen häufen sich (vgl. http://www. sgbviii.de/S130.html). Was heute unter Schulsozialarbeit verstanden wird, was sie kenn- und auszeichnet, soll folgend im ersten Kapitel dieser Arbeit dargestellt werden.
1.1. Definitionen
„Schulsozialarbeit ist ein eigenständiges Handlungsfeld der Jugendhilfe, das mit der Schu- le in formalisierter und institutionalisierter Form kooperiert. Schulsozialarbeit setzt sich zum Ziel, Kinder und Jugendliche im Prozess des Erwachsenwerdens zu begleiten, sie bei einer für sie befriedigenden Lebensbewältigung zu unterstützen und ihre Kompetenzen zur Lösung von persönlichen und/oder sozialen Problemen zu fördern. Dazu adaptiert Schul- sozialarbeit Methoden und Grundsätze der Sozialen Arbeit auf das System Schule“ (Dril- ling 2009, 95).
Während Drilling die Zielgruppe der Schulsozialarbeit sehr eng fasst und sich in seiner Definition lediglich auf Kinder und Jugendliche bezieht, ist Speck der Ansicht, dass die Unterstützung und Beratung der Lehrkräfte und Erziehungsberechtigten ebenfalls in den Aufgabenbereich der Schulsozialarbeit fallen. Wenn im Folgenden von Schulsozialarbeit die Rede ist, dann im Sinne der Definition von Speck (2006):
„Unter Schulsozialarbeit wird (…) ein Angebot der Jugendhilfe verstanden, bei dem sozial- pädagogische Fachkräfte kontinuierlich am Ort Schule tätig sind und mit Lehrkräften auf einer verbindlich vereinbarten und gleichberechtigten Basis zusammenarbeiten, um junge Menschen in ihrer individuellen, sozialen, schulischen und beruflichen Entwicklung zu för dern, dazu beizutragen, Bildungsbenachteiligungen zu vermeiden und abzubauen, Erzie hungsberechtigte und LehrerInnen bei der Erziehung und dem erzieherischen Kinder- und Jugendschutz zu beraten und zu unterstützen sowie zu einer schülerfreundlichen Umwelt beizutragen. Zu den sozialpädagogischen Angeboten und Hilfen der Schulsozialarbeit gehören insbesondere die Beratung und Begleitung von einzelnen SchülerInnen, die sozialpädagogische Gruppenarbeit, die Zusammenarbeit mit und Beratung der LehrerInnen und Erziehungsberechtigten, offene Gesprächs-, Kontakt- und Freizeitangebote, die Mitwirkung in Unterrichtsprojekten und in schulischen Gremien sowie die Kooperation und Vernetzung mit dem Gemeinwesen“ (Speck 2006, 23).
Diese beiden aktuellen Definitionen verdeutlichen, dass Schulsozialarbeit die intensivste Kooperationsform von Schule und Jugendhilfe darstellt.
Der Begriff Jugendhilfe beschreibt „ein komplexes System von von der Gesellschaft be- reitgestellten Leistungen, Diensten und Einrichtungen außerhalb von Elternhaus, Schule und Ausbildung (...), die der Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern und Ju- gendlichen sowie ihrer individuellen und sozialen Entwicklung dienen sollen“ (Jordan 1992, 12).
Im Rahmen ihrer präventiven, partizipatorischen und freiwilligen Orientierung hat die Jugendhilfe nach § 1 Abs. 3 des SGB VIII heute folgende Aufgaben:
„1. junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu bei- tragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen, 2. Eltern und andere Erzie- hungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützen, 3. Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen, 4. dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen.“
Damit die Jugendhilfe diesen Aufgaben auch im schulischen Kontext gerecht werden kann, unterbreitet die Literatur verschiedene Modellvorschläge der Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule.
1.2. Modelle der Schulsozialarbeit
„Schwendemann folgend können sämtliche Modelle in zwei Sparten eingeteilt werden. Zum einen gibt es Modelle, die von der These ausgehen, sich von Schule grundsätzlich fernhalten zu müssen [(Distanzmodell)] und zum zweiten Modelle, die ebenso grundsätz lich davon ausgehen, in welcher Form auch immer, mit Schule zusammenarbeiten zu >müssen [(Subordinationsmodell, Kooperationsmodell, Integrationsmodell)]“ (Bassarak 2008, 47).
Im Folgenden werden alle vier Modelle nach Schwendemann kurz beschrieben (Schwendemann/Krauseneck 2001, 85-101):
1.2.1. Distanzmodell
Hierbei handelt es sich um ein veraltetes Modell, das nach dem heutigen Wissensstand kaum vertretbar ist und in der zeitgemäßen Fachliteratur sonst wenig Beachtung findet. Es wird davon ausgegangen, dass die Schule gut genug ausgestattet ist, um ihre selbst- produzierten Probleme auch selbst lösen zu können. Schule und Jugendhilfe agieren un- verbunden nebeneinander (vgl. Drilling 2009, 93). „Dieses Modell hält nicht nur an einer strikten Zweiteilung von Jugendhilfe und Schule fest, darüber hinaus geht man pragma- tisch oder eher ideologisch davon aus, dass Sozialarbeit bei der Zusammenarbeit mit Schule an Eigenständigkeit verlöre, da sie sich dieser unterordnen müsse“ (Bassarak 2008, 48).
1.2.2. Subordinationsmodell (additiv)
Wie sich bereits aus dem Namen ableiten lässt, ist auch dieses Modell eine „Organisati- onsform der Schulsozialarbeit, bei der sich (…) [die] Soziale Arbeit der Schule grundsätz- lich unterordnet. Sie führt dort eine Randexistenz und stützt ihre Daseinsberechtigung auf die Gewährleistung des Unterrichts bzw. des gesamten schulischen Ablaufs“ (ebd.). Schulsozialarbeit wird demnach als Hilfsorgan der Schule gesehen. Sie soll einen rei- bungslosen Unterricht sichern, sich aber dabei mit ihrem Handlungsauftrag komplett der Schule unterordnen. Ein eigenes Profil wird ihr auch hier nicht zugestanden (vgl. ebd.).
1.2.3. Kooperationsmodell (additiv)
Es wird von einer gleichberechtigten und intensiven Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule ausgegangen, ohne zu vergessen, dass sich deren Handlungsaufträge unterschei- den. Die Schulsozialarbeit hat somit ein eigenes Profil und ist „nicht mehr nur Hilfskraft, sondern gleichwertiger Akteur. Diese Partnerschaft beruht auf der beidseitigen Erkenntnis von Jugendhilfe wie Schule, dass unter den gegenwärtigen Gegebenheiten der Erziehung, Bildung und Sozialisation beide Instanzen maßgeblich beteiligt sind, keine jedoch die Mög- lichkeit besitzt, alleine eine positive Entwicklung der jungen Menschen umfassend zu ge- währleisten“ (Bassarak 2008, 49).
Aus der „Zusammenarbeit zu beidseitigem Nutzen beziehungsweise zum höchstmöglichen Nutzen für die Adressaten“ begründet sich der Erziehungs-, Bildungs- und Sozialisations- auftrag der Schulsozialarbeit (ebd.): „Im Rahmen der §§ 11 und 13 SGB VIII verfolgt Schulsozialarbeit das Ziel Chancenungleichheit zu reduzieren und - wenn möglich - sogar auszuräumen sowie positive Aspekte einer gelingenden Erziehung und Sozialisation zu fördern“ (ebd.). Sie ist also keine Hilfskraft der Schule mehr, sondern leistet in Zusammen- arbeit mit dieser, aber wenn erforderlich auch gegen deren Interessen, Jugendarbeit und orientiert sich dabei an Strukturmaximen wie Systemorientierung, Sozialraumorientierung, Lebensweltorientierung, Alltagsorientierung, Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit (vgl. ebd.).
Dennoch muss sich auch dieses Modell der Kritik von Schwendemann stellen, der sagt, dass es „der additiven Struktur dieses Ansatzes [entspricht], dass Schulsozialarbeit zu Schule nur ‚hinzugefügt’ wird; wenn auch mit eigenem Profil. Im Blick auf die Veränderung der Schule selbst, hin zu einem ‚Haus des Lernens’ (Bildungskommission NRW) ist damit aber wenig erreicht“ (Schwendemann/Krauseneck 2001, 95).
1.2.4. Integrationsmodell
Hiernach „liegt [Schulsozialarbeit] dann vor, wenn es eine intensive, gleichberechtigte und dauerhafte Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe gibt, bei der sich die Grenzen zwischen den beiden unterschiedlichen Erziehungs-, Bildungs- und Sozialisationsinstanzen nicht verwischen und gleichzeitig das - gemeinsame - Ziel einer Qualifizierung von Schule nicht aufgegeben wird. Schulsozialarbeit findet sich dann in der äußerst schwierigen Position einer Gratwanderung wieder“ (Bassarak, 2008, 51).
Das Modell weist einige Gemeinsamkeiten mit dem Kooperationsmodell auf. Auch hier gibt es ein intensives Bestreben nach Zusammenarbeit und Gleichberechtigung. Durch diese Eigenschaften lässt es sich aber auch gleichzeitig leicht von den anderen Modellen (Distanzmodell, Subordinationsmodell) abgrenzen.
Grundsätzlich unterscheidet sich das Integrationsmodell von allen anderen Modellen, weil die Schulsozialarbeit hier nicht nur bei Bedarf und punktuell im Schulhaus aktiv wird, son- dern, „aus einer emanzipierten Position heraus kooperiert. Schulsozialarbeit soll als eigen- ständiges Handlungsfeld der Jugendhilfe verstanden werden und erschließt sich, dort wo es sinnvoll ist, Wege der Zusammenarbeit mit der Schule“ (Drilling 2009, 49-50). Beim Integrationsmodell kommt zum eigenständigen Handlungsauftrag des Kooperati- onsmodells noch ein übergeordnetes Ziel hinzu: „Soziale Arbeit wirkt langfristig auf eine Veränderung der Schule mit mehr sozialpädagogischen bzw. sozialarbeiterischen Elementen hin. Die Forderungen richten sich demnach auf eine zumindest partielle ‚Sozialpädagogisierung’ innerhalb des schulischen Systems“ (Bassarak 2008, 50).
Gegner dieses Modells kritisieren “dass damit die Grenzen zwischen Schule und Jugendhilfe zerfließen, sich deren Ziele und Handlungsaufträge vermischen und damit beide Institutionen an Profil verlieren“ (ebd.).
Ob nun mehr kooperativ oder mehr integrativ orientiert, es wird in der neueren Fachliteratur jedenfalls kaum mehr bezweifelt, dass Schule und Sozialarbeit als weitgehend gleichberechtigte Partner zusammenarbeiten müssen. Daher ist es unumgänglich, dieses Handeln zu konkretisieren.
1.3 Grundsätze und Handlungsprinzipien der Schulsozialarbeit
Die in den themenrelevanten wissenschaftlichen Veröffentlichungen beschriebenen Grundsätze und Handlungsprinzipien der Schulsozialarbeit sind vielfältig. Dies mag unter anderem daran liegen, dass sich die Schulsozialarbeit auf keine eigene gesetzlich festge- schriebene rechtliche Grundlage stützen kann. Im Folgenden sollen die wesentlichen Grundsätze und Handlungsprinzipien der Schulsozialarbeit nach Karsten Speck dargestellt werden.
1.3.1 Grunds ä tze
„Angelehnt an die Grundsätze der Kinder- und Jugendhilfe, die im Kinder- und Jugendhilfegesetz enthalten sind, müssen in der Schulsozialarbeit folgende Grundsätze beachtet werden“ (Speck 2007, 67):
Der Schulsozialarbeit sollen eine präventive Ausrichtung und eine sozialpädagogische Dienstleistungsorientierung zu Grunde liegen. Problematische Entwicklungen sollen durch die vielfältigen Inhalte, Methoden und Arbeitsformen der Schulsozialarbeit folglich nicht nur akut behandelt, sondern bereits von vornherein vermieden werden (positiver Nebeneffekt ist hierbei eine Verbesserung des Schulklimas). Um dies zu gewährleisten, ist oft auch die Zusammenarbeit mit anderen Trägern von Nöten. Der Dienstleister (Schulsozialarbeiter) sollte an sich den Anspruch eines offenen Handelns haben. Außerdem muss er stets dar- auf bedacht sein, die Privatgeheimnisse und Sozialdaten seiner Klienten vertraulich zu behandeln.
Es ist wichtig, dass die Leistungen der Schulsozialarbeit freiwillig in Anspruch genommen werden und den Adressaten hierbei zu jeder Zeit ein Wunsch- und Wahlrecht zugestanden wird. Die Schulsozialarbeit soll nicht die komplette Handlungsmacht für sich beanspru- chen, sondern Hilfe zur Selbsthilfe leisten und den Schülern Handlungsalternativen auf- zeigen. Kinder und Jugendliche sind folglich an allen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligen. Die Jugendhilfe (und damit auch der Staat) hat nach § 8a SGB VIII einen Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung. Zu beachten ist dabei, dass sie aber kein eige- nes Erziehungsrecht hat, sondern das Elternrecht grundsätzlich vorrangig ist (vgl. ebd.).
1.3.2 Handlungsprinzipien
„Bei der Formulierung von allgemeinen Handlungsprinzipien der Schulsozialarbeit kann auf das im achten Jugendbericht vorgestellte Konzept der Lebensweltorientierung in der Jugendhilfe zurückgegriffen werden (…), das sechs Strukturmaximen beinhaltet und inzwischen als Leitbild der Jugendhilfe weitgehend anerkannt ist“ (ebd.).
Pr ä vention
Schulsozialarbeit muss einen präventiven Auftrag haben, den sie selbst und offensiv über- nimmt. Allerdings bedeutet Prävention nicht nur, dass Schwierigkeiten und Gefährdungen von vornherein vermieden werden. Prävention zielt hier auf einen „persönlichen Eigenwert sozialpädagogischer Angebote für die Adressaten [ab]“ (Speck 2007, 68). In der Praxis bedeutet das, dass sich der Schulsozialarbeiter in Kooperation sowie auch Auseinandersetzung mit den Lehrkräften für positive Lebensbedingungen und persönliche Entfaltungsräume der Schüler einsetzt und diese mit Beratungsangeboten und vorbeu- genden Hilfen und Vernetzungsstrukturen dabei unterstützt in der Schule selbst, aber auch in ihrem sonstigen Umfeld, mit den Anforderungen ihrer jeweiligen Lebenssituation und -lage erfolgreich umgehen zu können (vgl. ebd.).
Dezentralisierung/Regionalisierung
Als weiteres Aufgabenfeld soll die Schulsozialarbeit nach Möglichkeit dem Entstehen überregionaler, zentraler Großeinrichtungen für Jugendliche, zu Gunsten kleinerer, regionaler Einrichtungen (wie Stadteil-Jugendhäusern), entgegenwirken. Dazu sollen sowohl bereits bestehende Kooperationen zwischen der Schule und externen Partnern aus der Region gefördert, als auch eine Weiterentwicklung der vorhandenen Kooperationsstrukturen von Schule und Region betrieben werden (vgl. ebd.).
Alltagsorientierung
Die Forderung nach Alltagsorientierung setzt ganzheitliches Vorgehen der Schulsozialar- beit voraus und umfasst im Wesentlichen zwei Punkte: Die Angebote der Schulsozialarbeit sollen zunächst den Kindern, Jugendlichen und Eltern im Alltag leicht zugänglich sein. Be schränkungen, wie die Notwendigkeit von Anmeldezetteln oder kompromissloses Bestehen auf Sprechzeiten seitens des Schulsozialarbeiters können dabei sehr hinderlich sein. Ebenso wichtig ist auch die Berücksichtigung der unterschiedlichen Beziehungen der Adressaten untereinander, beispielsweise der Schüler sowohl zu ihren Eltern, als auch zu ihren Lehrern. Hierbei dürfen auch die unterschiedlichren Alltagsverständnisse und Sichtweisen dieser nicht außer Acht gelassen werden (vgl. ebd.).
Integration-Normalisierung
Eine Einschränkung der Schulsozialarbeit auf abgegrenzte Probleme und Problemgruppen soll auf jeden Fall vermieden werden. Schulsozialarbeit soll zwar integrierend wirken, muss aber gegenüber nicht „normalen“ Lebenseinstellungen der Adressaten offen sein und unangebrachte Erwartungshaltungen unangepasster Adressaten erkennen und thematisieren. Da sich die Schulsozialarbeit grundsätzlich an alle Kinder, Jugendlichen, Eltern und Lehrer richtet, müssen die Schulsozialarbeiter auch und vor allem darauf achten, nicht selbst ausgrenzend zu wirken (vgl. Speck 2007, 69).
Partizipation
Die Adressaten der Schulsozialarbeit werden als autonome Individuen gesehen und haben in Folge dessen auch ein Recht auf formelle und informelle Mitgestaltungsmöglichkeiten der Angebote und Hilfen seitens der Sozialarbeiter. Ein Zwang zur Partizipation ist kontraproduktiv und darf daher nur eine begründete Ausnahme darstellen (vgl. ebd.).
Hilfe und Kontrolle
Die beiden Prinzipien sind von tragender Bedeutung: Die Schulsozialarbeiter treten zum einen in helfender Funktion auf, sind aber andererseits auch verpflichtet das Risiko einer Kindeswohlgefährdung zu beurteilen und gegebenenfalls - nach erfolgloser Vermittlung von Hilfen - zuständige Stellen wie das Jugendamt zu informieren. Abgesehen von dem Fall der Kindeswohlgefährdung muss es aber den Adressaten (den Zielgruppen), zur Einschränkung der Kontrollfunktion der Schulsozialarbeit, möglich sein sich den Angeboten zu entziehen (vgl. Speck 2007, 69 f.)
1.4 Zielgruppen der Schulsozialarbeit
In § 1 Abs. 3 des SGB VIII wird deutlich, dass die Zielgruppe der Jugendhilfe an einer Schule und damit auch der Schulsozialarbeit nicht nur benachteiligte Schüler sind, sondern alle Schüler sowie auch deren Lehrer und Erziehungsberechtigte.
In Bezug auf die Gruppe der Schüler hat sich die Schulsozialarbeit drei generelle Ziele gesteckt:
Schulsozialarbeit soll die individuelle und soziale Entwicklung der Persönlichkeit von Schü- lern fördern, ihre Problemlösungs- und Sozialkompetenz stärken und Kinder und Jugendli- che in Krisen- oder Konfliktsituationen unterstützen (vgl. Drilling 2009, 116). Doch das Angebot der Schulsozialarbeit richtet sich nicht nur an Schüler, sondern soll auch Lehrkräfte bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in schwierigen Lebenslagen unterstützen und entlasten.
Allerdings ist „die schulsozialarbeiterische Tätigkeit (…) in Bezug auf die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften deutlich von der Arbeit mit den Schülern zu unterscheiden“ (Drilling 2009, 117). Wenn eine Lehrkraft „mit einer Schulsozialarbeiterin über Ursachen des Ver- sagens eines Schülers im Unterricht nachdenkt, dann beraten sich zwei Fachpersonen aus unterschiedlichen disziplinären Richtungen über die Problemlage einer dritten Person“ (ebd.).
Die dritte Zielgruppe der Schulsozialarbeit stellen die Eltern dar. Sie erhalten Unterstüt- zung in Krisensituationen in Form von Beratung und durch die Vermittlung an weiterfüh- rende Fachstellen. Obwohl die Eltern in der Regel die wichtigsten Bezugspersonen eines Schülers und damit in erheblichem Maße an seiner gelungenen Persönlichkeitsentwick- lung beteiligt sind, verfügen weder Schule noch Schulsozialarbeit derzeit über adäquate Methoden einer schulbezogenen Elternarbeit. Meist setzt Elternarbeit erst dort ein, wo De- fizite und Probleme sichtbar werden, was es schwierig macht, Zugang zu den Betroffenen zu finden (vgl. Drilling 2009, 121).
Grundsätzlich kann man sagen, dass alle, die am Schulalltag beteiligt sind, auch Zielgruppe der Schulsozialarbeit sind. Die Schulsozialarbeit fördert eine positive Schulhauskultur indem sie „bei der Arbeit mit Gruppen zu aktuellen sozialen Themen (mit Bezug zur Schulhauskulter) mitwirkt“ und selbst „themen- und/oder zielgruppenorientierte Gruppenarbeit anbietet (z.B. Schulcafé, Schulhofgestaltung)“ (ebd.).
Die letzte zu nennende Zielgruppe der Schulsozialarbeit stellen die Helferorganisationen dar, an die die Schulsozialarbeit zum Wohle des Schülers vermittelt oder mit denen sie zu- sammenarbeitet. Je „nach Bedarf sucht die Schulsozialarbeit eine fall- oder themenbezo- gene Zusammenarbeit mit den Helferorganisationen. Bei gegebener Indikation werden Fälle der Einzelhilfe von der Schulsozialarbeit an weiterführende Instanzen vermittelt“ (ebd.).
Da jede der eben beschriebenen Zielgruppen andere Bedürfnisse hat, variieren mit ihr auch die Angebote, Ziele und Aufgaben der Schulsozialarbeit. Diese stellt an sich den An spruch zielgruppenspezifischer und bedürfnisorientierter Arbeit und verfolgt noch weitere im Nachstehenden aufgeführte Zielsetzungen. (Powerpoint-Präsentation des SDN Nürnberg, aufgerufen am 11.11.2009).
1.5 Auftrag und Zielsetzungen der Schulsozialarbeit
„Die Schulsozialarbeit macht sich zum Auftrag, zielgruppenspezifische, an den Bedürfnis- sen von Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen orientierte, der jeweiligen Schulart und dem Schulprofil angemessene, präventive und problemlösende, auf innere Schulent- wicklung gerichtete sozialpädagogische Angebote zu planen, zu organisieren und durch- zuführen“ (Powerpoint-Präsentation des SDN Nürnberg, aufgerufen am 11.11.2009). Mit den unterschiedlichen Zielgruppen variieren auch die Angebote, Ziele und Aufgaben der Schulsozialarbeit
Bei der Arbeit mit Schülern steht der positive Verlauf der Persönlichkeitsentwicklung im Vordergrund. Die Schulsozialarbeit will den jungen Menschen Strategien für einen konstruktiven Umgang in Konfliktsituationen an die Hand geben. Ziel ist, dass die Schüler Problemlösungsstrategien für Krisensituationen kennen und anwenden können, sowie über eine altersgemäße Selbst- und Sozialkompetenz verfügen, die ihren Möglichkeiten entspricht (vgl. Avenir Social 2006, aufgerufen am 07.11.2009).
Konkret heißt das, dass Schüler niedrigschwellige Hilfestellungen bei persönlichen und sozialen Problemen erhalten und in Gruppen lernen, ihre persönlichen und sozialen Prob- leme zu bearbeiten. Zudem kann die Schulsozialarbeit an andere Helferorganisationen vermitteln, wenn das erforderlich ist. Außerdem werden Schüler in ihrer Wahrnehmung sich selbst und anderen gegenüber gefördert und befähigt miteinander über Themen des sozialen Zusammenlebens zu kommunizieren. Um diese Ziele umzusetzen kommen ver- schiedene Angebote in Frage:
- Beratungsgespräche
- Motivationsarbeit
- Triage
- Klassenprojekte, Schulhausprojekte
- Informationen über Hilfsangebote und Begleitung zu Helferorganisationen
- Prävention (vgl. Drilling 2009, 120)
Bei der Zusammenarbeit mit den Lehrkräften sieht die Schulsozialarbeit ihre Zielsetzung zum einen in deren Unterstützung bei der Präventionsarbeit und in sozialen Fragestellun gen und Konfliktfällen, sowie zum anderen aber auch in deren Sensibilisierung im Hinblick auf problematische Entwicklungstendenzen. Lehrkräfte erhalten demnach niedrigschwelli- ge Hilfestellungen bei Schülerproblemen aller Art und Unterstützung bei der Konzeption und der Umsetzung von Präventionsangeboten. Außerdem sollen Lehrer niedrigschwellig bei der Elternarbeit unterstützt werden, weil die Lehrkräfte mit den Elterngesprächen häu- fig überfordert sind und diese manchmal nicht unbedingt den Zielsetzungen entsprechen. Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, bedient sich die Schulsozialarbeit folgender Me- thoden:
- Beratungsgespräch
- Klasseninterventionen
- Moderation
- Projektarbeit (Präventionsarbeit)
- Vermittlung weiterführender Angebote (vgl. ebd.)
Um schließlich auch der wichtigen Rolle der Eltern gerecht zu werden, macht sich die Schulsozialarbeit auch zum Ziel, mit verschiedenen Angeboten deren Erziehungskompetenzen zu stärken und sie in Erziehungsfragen zu unterstützen.
Zur erfolgreichen Umsetzung ihrer Zielsetzungen bedient sich die Schulsozialarbeit also einer Vielzahl sozialpädagogischer Methoden.
1.6 Methoden und praktische Anwendung der Schulsozialarbeit
Grundsätzlich verwendet die Schulsozialarbeit dieselben Methoden, derer sich auch die systematisch übergeordnete Soziale Arbeit bedient. Neben Einzelfallhilfe, Gruppen- und Gemeinwesenarbeit kommen in der Praxis der Schulsozialarbeit aber auch „neuere“ Methoden zum Einsatz.
1.6.1 Methoden der Schulsozialarbeit
Es ergibt sich eine beachtliche Methodenvielfalt, „denn neben den klassischen Methoden der Sozialen Arbeit, die sich vorrangig auf die direkte Arbeit mit den Klienten beziehen (Einzelfallhilfe, soziale Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit), haben ‚neuere’ Methoden, die sich nur indirekt auf die Klienten beziehen (z.B. Supervision, Selbstevaluation), in der Sozialen Arbeit an Bedeutung gewonnen“ (Speck 2007, 63-64).
Einzelfallhilfe
Unter Einzelfallhilfe versteht man die individuelle Beratung und Unterstützung in allen möglichen Problemsituationen, Krisenintervention, individuelle Unterstützung bei Lern- und Leistungsstörungen etc. „Im Mittelpunkt der Arbeit steht der einzelne soziale Problemfall, das heißt die Soziale Arbeit mit einzelnen Menschen oder Familien, die in irgendeiner Form persönliche Hilfe benötigen. Dies erfordert eine ganzheitliche Sicht auf das Problem als solches und einen entsprechenden Arbeitsansatz. Je nach Problemlage können ande- re Problembeteiligte in die Einzelfallhilfe einbezogen werden. Einzelfallhilfe findet vor allem innerhalb der Sozialberatung statt“ (http://www.sign-lang.uni-hamburg.de, aufgerufen am 20.11.2009).
In den meisten Fällen kommen Beratungskontakte mit Schülern durch diese selbst oder eine vermittelnde Lehrkraft zustande. Seltener wird der Kontakt direkt (!) durch den Schul- sozialarbeiter hergestellt. Dass Eltern von sich aus das Beratungsgespräch mit dem Schulsozialarbeiter suchen, ist eher eine Ausnahme (vgl. Drilling 2009, 128). „Die sozialarbeiterische Beratung bezieht sich auf soziale Sachverhalte. Im Mittelpunkt der Problemanalyse, die die Sozialarbeit gemeinsam mit dem Schüler oder einer Gruppe durchführt, stehen die unbefriedigenden sozialen Zusammenhänge“ (ebd.). Im Beratungs- gespräch selbst liegt das Augenmerk nicht allein auf dem konkreten Anlass (z.B. gewalttä- tige Auseinandersetzung), vielmehr treten allgemeinere Dinge (Probleme) in den Vorder- grund. „Es kommt oftmals sogar vor, dass eine eingangs gestellte Frage des Schulsozial- arbeiters an den Schüler: ‚Weshalb glaubst du eigentlich, dass du hier bist?‘, gar nicht mit der Schilderung des aktuellen Vorfalls beantwortet wird“ (ebd.). Schüler sagen oft sehr viel Allgemeineres. Sie berichten beispielsweise, immer „Stress mit dem Lehrer“ zu haben und geben so dem Schulsozialarbeiter zu erkennen, „dass auch beim Schüler nicht die eigent- liche Gewalttat im Zentrum steht, sondern ein anderes Problem“ (ebd.). Es wäre falsch anzunehmen, dass der Schüler dies anspricht, um sich der Verantwortung für sein Tun zu entziehen. Er hofft, in dem Schulsozialarbeiter eine Person gefunden zu haben, der er das eigentliche Problem bekanntgeben kann, um so Zugang zu seinen eigenen Gefühlen zu finden. Von Seiten der Schulsozialarbeit bedarf es großer Professionalität, um „den Men- schen gegenüber in seiner Andersartigkeit zu akzeptieren“ (ebd.) und von Schuldzuwei- sungen und Sanktionen abzusehen. Die Schüler sollen sich nicht als Opfer sehen, ihre ei- genen Anteile in der Situation erkennen, die Verantwortung für ihr Tun übernehmen und in diesem Zusammenhang auch lernen, sich Handlungsspielräume zu erschließen (vgl. Dril- ling 2009, 129). „Im Zentrum des Hilfsprozesses steht die Auseinandersetzung mit der ei- 16 genen Person des Schülers (…). Nur mit dieser Einstellung kann die betroffene Person etwas verändern“ (ebd.).
Die Herausforderung für den Schulsozialarbeiter in diesem Hilfsprozess besteht unter an- derem in der Unterstützung und Stärkung der „sozialen Persönlichkeit der zu beratenden Person (…) [und der Herbeiführung einer] ressourcenorientierten Problemlösung“ (ebd.). Da sich ein zu geringes Selbstwertgefühl, ein negatives Selbstbild, Kommunikations- schwierigkeiten und andere problematische Entwicklungen nicht einfach in ein bis zwei Begegnungen mit dem Schüler bearbeiten lassen und die Probleme der Schüler oft das Ergebnis der Interaktion verschiedenster Faktoren innerhalb der Systeme (Familie, Gleichaltrigengruppe etc.) in denen sie leben sind, entspricht das Gespräch allein mit dem Schüler noch nicht dem systemischen Ansatz der Schulsozialarbeit. Wo andere Systeme, wie z.B. die Familie, eine Rolle spielen, werden mit Zustimmung des Schülers dessen An- gehörige eingeladen. So werden beispielsweise auch nützliche Beratungsgespräche mit den Eltern oder dem/der Freund/in des Schülers geführt. Allgemein lässt sich sagen, dass die Dauer von Beratungsprozessen sehr unterschiedlich ist. Je nach Problemlage kann eine kurzfristige Beratung ausreichen oder eine langfristige von Nöten sein. Eventuell kann auch die Verweisung an eine andere Stelle notwendig sein (vgl. Drilling 2009, 133).
Gruppenarbeit
„Soziale Gruppenarbeit gehört neben der Einzelfallhilfe und der Gemeinwesenarbeit (GWA) zu den klassischen Methoden der Sozialarbeit/Sozialpädagogik. Es handelt sich dabei um einen Arbeitsansatz, der zwischen Selbsthilfe und professionellem Handeln (Pro- fessionalisierung) liegt. Die Soziale Gruppenarbeit will Menschen durch sinnvolle Grup- penerlebnisse in die Lage versetzen, ihre Beziehungsfähigkeit zu steigern, um ihren per- sönlichen Problemen, ihren Problemen mit anderen Personen oder ihren Konflikten im öf- fentlichen Leben besser gewachsen zu sein“ (Hausaufgabengruppen, Interessengruppen, Freizeitgruppen, Projektgruppen etc.) (http://www.sign-lang.uni-hamburg.de, aufgerufen am 20.11.2009).
Gemeinwesenarbeit
„Der Sozialarbeiter oder Sozialpädagoge bringt sich dabei in einer Gemeinde (Kommune), in einem Stadtteil oder in einer Region (Lebensweltorientierung) in das bestehende Gefü- ge sozialer und sozialpolitischer Zuständigkeiten ein, um eine Verbesserung der Lebens- lage von Klienten und deren Beteiligung an für sie wichtigen Entscheidungen (Teilhabe) zu erreichen“ (ebd.).
„ Neuere Methoden “
Darüber hinaus kommen in Projekten der Schulsozialarbeit neben den unmittelbar schülerbezogenen Handlungsformen auch Methoden zum Einsatz, die sich nur indirekt auf die Klienten beziehen. Hierbei kann es sich um Supervision, Selbstevaluation oder auch institutionsbezogene Handlungsformen, wie die Institutionsberatung handeln. Dies gilt insbesondere für die Beratung des Systems Schule und ihrer Lehrer im Hinblick auf sozialpädagogische Erfordernisse (vgl. Speck 2007, 64).
1.6.2 Praktische Anwendung der Schulsozialarbeit
Im Schulalltag besteht ein großer Informations- und Beratungsbedarf. Um diesem gerecht zu werden bietet die Schulsozialarbeit in der Praxis Beratung anlässlich verschiedenster Problemstellungen. Das Spektrum reicht hier von Schülerberatung beim Berufseinstieg, Schulschwierigkeiten und anderen Lebensfragen, über Beratung bei Konflikten zwischen Lehrern und Schülern (bzw. Lehrern und Eltern), Beratung von Eltern bei Schulschwierig- keiten ihrer Kinder, bei Erziehungs- und Lebensfragen, bis hin zur Beratung von Lehrerin- nen und Lehrern in sozialpädagogischen Fragen. Außerdem vermitteln Schulsozialarbeiter gegebenenfalls an andere Fachdienste (regionale Vernetzung) und praktizieren Gruppen- arbeit in unterschiedlichster Form, um beispielsweise Klassengemeinschaften aufzubauen und zu unterstützen, die Berufsfindung zu erleichtern oder zu einer Verbesserung der So- zialkompetenz der Schüler beizutragen (http://www.kleinglattbach.lb.schule-bw.de, aufgerufen am 11.11. 2009). All diese Aufgaben des Schulsozialarbeiters lassen sich bei genauerer Betrachtung aus dem Kinder und Jugendhilfegesetz ableiten.
1.7 Aufgabenfelder der Schulsozialarbeit
“Betrachtet man die Arbeitsfelder von Schulsozialarbeit unter Berücksichtigung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes, so beteiligen sich die Sozialarbeiter in Kooperation mit den Lehrern sowie anderen Personengruppen und Institutionen an folgenden Jugendhilfeaufgaben (…):“ (http://www.schulsozialarbeit.net/9.html, aufgerufen am 11.11.2009)
1.7.1 Kinder- und Jugendarbeit am Ort / im Umfeld der Schule (nach § 11 KJHG)
Zu diesem Aufgabenfeld zählen die „Jugendberatung, außerunterrichtliche Freizeit-, Kultur- und Bildungsangebote, kulturelle, naturkundliche und technische Bildung in Arbeitsgemeinschaften und Zirkeln, Jugendarbeit in Spiel, Sport und Geselligkeit, Kinder- und Jugenderholung (Mitwirkung an Klassenfahrten und Exkursionen), Früh- und Nachmittagsbetreuung, [sowie die] Stadtteilarbeit“ (ebd.).
1.7.2 Schulbezogene Jugendsozialarbeit (nach § 13 KJHG)
In diesem Zusammenhang bietet die Schulsozialarbeit „schulbezogene Hilfen für benachteiligte und gefährdete Kinder und Jugendliche (z.B. Schüler mit Lern- und Leistungsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten, Problemen im Sozialverhalten, Schulunlust, Gewaltbereitschaft, Beziehungsstörungen, Abschlussgefährdungen etc.), [sowie] sozialpädagogische Hilfen bei gravierenden Einschnitten im Leben von Kindern und Jugendlichen (z.B. Trennung der Eltern) [an]“ (ebd.). Ein weiteres großes Aufgabenfeld ist in diesem Zusammenhang auch die Beratung von Schülern „bei individuellen Problemen in Elternhause und Schule, [sowie die] Beratung von Eltern, Lehrern und Schulleitern in Bezug auf benachteiligte Kinder und Jugendliche“ (ebd.).
1.7.3 Jugendberufshilfe und Berufsvorbereitung (nach § 13 KJHG)
Hier gibt die Schulsozialarbeit Orientierungshilfen (z.B. über Exkursionen, Vermittlung, Be- gleitung und Nachbereitung von Praktika) sowie Bewerbungs- und Vermittlungshilfen. Sie bietet berufsbezogene Beratung an und leistet Unterstützung bei der Berufsfindung (vgl. ebd.).
Zusammenfassung: Schulsozialarbeit ist die intensivste Kooperationsform von Schule und Jugendhilfe und unterstützt, berät und begleitet alle am Schulalltag Beteiligten, um die individuelle und allgemein positive Entwicklung der Schüler zu fördern (vgl. Speck 2006, 23). Hierbei erscheint es besonders sinnvoll, wenn Schule und Jugendhilfe nach den Prin- zipien des Integrationsmodells zusammenarbeiten. Nach diesen arbeiten Jugendhilfe und Schule gleichberechtigt, intensiv und dauerhaft zusammen, ohne dass die Jugendhilfe da- bei ihre Eigenständigkeit aufgibt. Das Integrationsmodell unterscheidet sich von allen an- deren Modellen (Kooperationsmodell, Distanzmodell, Subordinationsmodell) der Schulso- zialarbeit, weil die Schulsozialarbeit nicht nur bei Bedarf und punktuell im Schulhaus aktiv wird, sondern „aus einer emanzipierten Position heraus kooperiert“ (Drilling 2009, 50).
Die in der Fachliteratur beschriebenen Grundsätze und Handlungsprinzipien der Schulsozialarbeit sind vielfältig. Speck benennt (2007) folgende Grundsätze der Schulsozialarbeit:
- präventive Ausrichtung
- sozialpädagogische Dienstleistungsorientierung
- Anspruch offenen Handelns
- Zusammenarbeit mit anderen Trägern
- vertrauliche Behandlung von Privatgeheimnissen und Sozialdaten
- freiwillige Inanspruchnahme der Angebote durch die Adressaten
- Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts
- Hilfe zur Selbsthilfe
- Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an allen sie betreffenden Entscheidun- gen
- Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung (vgl. Speck 2007, 67)
Neben diesen Grundsätzen nennt Speck auch Handlungsprinzipien der Schulsozialarbeit, bei deren Formulierung er auf das im achten Jugendbericht vorgestellte Konzept der Le- bensweltorientierung zurückgreift. So ergeben sich die Prinzipien Prävention, Dezentrali- sierung/Regionalisierung, Alltagsorientierung, Integration-Normalisierung, Partizipation sowie Hilfe und Kontrolle (vgl. ebd.), in denen sich die Grundsätze der Schulsozialarbeit widerspiegeln.
Die Zielgruppe der Jugendhilfe und damit auch die der Schulsozialarbeit, sind nicht nur benachteiligte Schüler, sondern alle Schüler sowie auch deren Lehrer und Erziehungsbe- rechtigte (vgl. § 1 Abs. 3 des SGB VIII). Eine weitere Zielgruppe der Schulsozialarbeit stel- len die Helferorganisationen dar, mit denen die Schulsozialarbeit kooperiert und an die sie gegebenenfalls vermittelt (Drilling 2009, 121). Um jeder dieser Zielgruppen gerecht zu werden, macht es sich die Schulsozialarbeit zum Auftrag, zielgruppenspezifisch und be- dürfnisorientiert zu arbeiten und greift dabei auf eine Vielzahl von Methoden zurück, der sich auch die systematisch übergeordnete Soziale Arbeit bedient. Die „üblichen“ Methoden der Schulsozialarbeit sind die Einzelfall-, Gruppen-, und Gemeinwesenarbeit. Zusätzlich kommen in Projekten der Schulsozialarbeit aber auch „neuere“ Methoden wie Supervision, Selbstevaluation oder Institutionsberatung zum Einsatz (vgl. Speck 2007, 64).
Im Kinder- und Jugendhilfegesetz sind drei wesentliche Aufgabenfelder der schulbezogenen Jugendhilfearbeit aufgeführt:
- Kinder- und Jugendarbeit am Ort / im Umfeld Schule (nach § 11 KJHG)
- Schulbezogene Jugendsozialarbeit (nach § 13 KJHG)
- Jugendberufshilfe und Berufsvorbereitung (nach § 13 KJHG)
Bei genauer Betrachtung dieser Paragraphen werden die konkreten schulbezogenen Jugendhilfeaufgaben ersichtlich und es entsteht ein Bild von der praktischen Arbeit des Schulsozialarbeiters (vgl. http://www.schulsozialarbeit.net/9.html, aufgerufen am 11.11.2009).
2. Hochbegabung
In Deutschland werden jährlich etwa 750.000 Kinder geboren. Siebzig- bis achtzigtausend unter ihnen werden in der Lage sein, deutlich mehr Leistung zu erbringen als es der auf den deutschen Durchschnittsschüler zugeschnittene Lehrplan von ihnen fordern wird (vgl. Trautmann 2005, 46).
Die Entdeckung und Förderung besonderer Begabungen ist nicht nur notwendig für eine individuelle und gelungene Persönlichkeitsentwicklung des hochbegabten Kindes, sondern trägt auch zur positiven Gestaltung und Entfaltung unserer Gesellschaft bei, da diese Kinder das Potential haben, zu überdurchschnittlich kreativen und produktiven Mitgliedern unserer Gesellschaft zu reifen .
Diese Erkenntnis hat zur Folge, dass Hochbegabung regelrecht en vogue ist. Schulen führen „Enrichment“ ein, ohne ihre Unterrichtsmethoden und -prozesse im Wesentlichen zu verändern, Eltern sind erfreut darüber ihre bisher für schwer erziehbar gehaltenen Kinder als „unterfordert, weil hochbegabt“ bezeichnen zu können (vgl. Trautmann 2005, 1) und erkennen über die Entdeckung der Hochbegabung des Kindes bisweilen sogar eigene bisher ungeahnte Potenziale, im Umkehrschluss zu „der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“, sozusagen. Was genau „Hochbegabung“ eigentlich ist und dass problematische Persönlichkeitsentwicklungen und die Entwicklung von Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen oft in direktem Zusammenhang mit dem vermeintlichen Privileg der Hochbegabung stehen, soll im Nachstehenden veranschaulicht werden.
2.1 Definitionen
Die Autoren der gängigen Fachliteratur zum Thema versuchen mit verschiedensten Definitionen den Begriff Hochbegabung zu fassen und zu veranschaulichen. Allen gemeinsam ist die Annahme, dass Hochbegabte „ein Merkmal (nämlich ihre Begabung) besitzen, das im Vergleich zu anderen - in diesem Fall Menschen, die genauso alt sind - deutlich über dem Durchschnitt liegt“ (Alvarez 2007, 26). Ihre besondere Begabung soll es ihnen ermöglichen, kontinuierlich überdurchschnittliche Erfolge zu erzielen (vgl. ebd.)
Im Folgenden werden zunächst die sechs Definitionsklassen nach Lucito dargestellt, weil diese Klassifikation wohl die berühmteste ist und in ihr auch die meisten gängigen Definitionen enthalten sind:
Ex-post-facto Definitionen: Laut dieser Definition ist derjenige hochbegabt, der sich durch ausgezeichnete Leistungen hervorhebt und dadurch Berühmtheit erlangt. Infolgedessen wird im Nachhinein festgestellt, dass jemand ein Genie ist (vgl. Feger/Prado 1998, 30).
IQ-Definitionen: Des Weiteren kann Hochbegabung über den IQ definiert werden. Dem- nach ist hochbegabt, wer in einem Intelligenztest eine Mindestpunktzahl von 130 erreicht (vgl. ebd.).
Soziale Definitionen: Stern liefert bereits 1919 eine derartige Definition: „Begabung ist Fähigkeit zu wertvollen Handlungen (Stern 1919, 291, zit. n. Feger/Prado 1998, 30 f.). Damit meint er, dass sich Individuum und Gesellschaft gegenseitig verpflichtet sind. Die Gesellschaft soll dem hochbegabten Individuum Förderung zukommen lassen, welches dann seinerseits das durch Förderung Erreichte wieder der Allgemeinheit zugute kommen lassen soll. (vgl. Feger/Prado 1998, S. 30 f.)
Prozentsatz-Definitionen: Durch die Ausstaffierung eines bestimmten Prozentsatzes mit dem Etikett „hochbegabt“ (zum Beispiel die oberen 2 Prozent in einem Intelligenztest), wird die Leistung (die in der Regel mit Begabung gleichgesetzt wird) sehr unterschiedlich definiert und es kommt zu Überschneidungen mit den anderen Definitionsklassen (vgl. ebd.).
Kreativit ä ts-Definitionen: Nach dieser Definition gilt als hochbegabt, wer über eine besonders ausgeprägte Kreativität verfügt. Der Intelligenzquotient spielt dabei keine Rolle. Kreativität beschreibt die Fähigkeit etwas Originelles, Neues zu ersinnen (vgl. ebd.).
Lucitos eigene Definition: „Hochbegabt sind jene Schüler, deren potentielle intellektuelle Fähigkeiten sowohl im Produktiven als auch im kritisch bewertenden Denken ein derartig hohes Niveau haben, dass begründet zu vermuten ist, dass sie diejenigen sind, die in der Zukunft Probleme lösen, Innovationen einführen und die Kultur kritisch bewerten, wenn sie adäquate Bedingungen der Erziehung erhalten“ (Lucito 1964: S. 184 zit. n. Feger & Prado 1998: S. 30-31).
Im Gegensatz zu den anderen Definitionsversuchen bezieht Lucito bei seiner eigenen De- finition mehrere Faktoren mit ein. Außerdem setzt er Begabung nicht mit Leistung gleich, sondern verweist auf die Bedeutung einer adäquaten Erziehung. Nach Lucito sind ohne diese auch besonders Begabte nicht in der Lage, kontinuierlich herausragende Leistungen zu erbringen (vgl. ebd.)
Neben Lucitos Definition beschreibt auch die von Marland (1972) Hochbegabung als multi- faktoriell bedingt. Sie lautet:
„Hochbegabte und talentierte Kinder sind jene, von berufsmäßig qualifizierten Kinder,(?) die aufgrund außergewöhnlicher Fähigkeiten hohe Leistungen zu erbringen vermögen. Um ihren Beitrag für sich selbst und für die Gesellschaft zu realisieren, benötigen diese Kinder die Bereitstellung differenzierter pädagogischer Programme und Hilfestellungen, die über die normalen, regulären Schulprogramme hinausgehen.
Kinder, die zu hohen Leistungen fähig sind, schließen solche mit gezeigten Leistungen und/oder mit potenziellen Fähigkeiten in irgendeinem der folgenden Bereiche mit ein:
1. Allgemeine intellektuelle Fähigkeit,
2. Spezifische akademische (schulische) Eignung
3. Kreativität und produktives Denken
4. Führungsfähigkeiten
5. Bildnerische und darstellende Künste
6. Psychomotorische Fähigkeiten“ (Marland 1972, 4, zit. n. Feger & Prado 1998, 34)
Schließlich soll an dieser Stelle noch eine neuere deutsche Definition vorgestellt werden. Es handelt sich hierbei um die Hochbegabungs-Definition des Landes Schleswig Holstein von 1997. Sie lautet:
„Begabung ist mehrdimensional, das heißt, sie erstreckt sich nicht nur auf die intellektuel- len Fähigkeiten, sondern umfasst auch kreative, künstlerische und soziale Kapazitäten. Sie ergibt sich aus individuellen Anlagen, also aus einer angeborenen Disposition für be- sondere Leistungen, im Zusammenwirken mit der vom Kind jeweils durchlaufenen Soziali- sation. Von besonderen Begabungen soll gesprochen werden, wenn Schülerinnen und Schüler in bestimmten Bereichen ihrer geistigen oder motorischen Entwicklung den Alters- genossen deutlich voraus sind“ (Kinder mit besonderer Begabung 1998, 5, zit. n. Feger und Prado 1998, 35).
Neben den eben zitierten Definitionsversuchen gibt es verschiedene Modelle, die den Begriff der Hochbegabung veranschaulichen sollen.
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- Quote paper
- Katharina Pohl (Author), 2010, Die Notwendigkeit und Besonderheiten der Schulsozialarbeit mit hochbegabten Schülerinnen und Schülern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/158004
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