Ist die abfällige Bedeutung des Begriffs Carpetbagger1 gerechtfertigt? Welche historische Bedeutung haben die Nordstaatler, die nach dem Bürgerkrieg in den eroberten Süden gekommen waren? Das sind zwei zentrale Fragen, zu dessen Beantwortung diese Arbeit einen Beitrag liefern möchte. Vor Analyse und Argumentation werden zwei Kernthesen angeben: 1. Es gab mehrere Motive der Carpetbagger, in der Reconstruction-Phase in den eroberten Süden zu kommen. Das Motiv des schnellen wirtschaftlichen oder politischen Erfolgs reicht nicht aus. 2. Carpetbagger dürfen nicht nur ein Synonym für korrupte Politiker mit Besatzermentalität sein. Der Amtsmissbrauch nach dem Bürgerkrieg in den Südstaaten muss präziser beschreiben werden, die Verantwortlichen genauer benannt werden und eine neue Bezeichnung für den Amtsmissbrauch in dieser Zeit gefunden werden.. Carpetbagger sind ein wichtiger Forschungsgegenstand, da anhand des Carpetbagger- Mythos′ deutlich gemacht werden kann, wie Probleme entstanden sind, wenn eine Gesellschaft vor politischen und wirtschaftlichen Neuanfängen steht. Genauer: Carpetbagger personifizieren die Ablösung des „Old South“. Die Siegermacht „Union“ wollte in der Reconstruction-Phase einen Wechsel zwischen zwei Gesellschaftsformen erzwingen, was nur aber bedingt gelungen ist. Carpetbagger personifizieren die Probleme einer traditionellen Gesellschaftsform, der von außen eine neue Form aufgesetzt werden soll. Im Carpetbagger-Mythos fokussieren sich die Differenzen zwischen Eroberer/Besatzer und Besiegten/Besetzten. Carpetbagger wurden damit konfrontiert, in der „Identitätskrise im Süden der Union“2 ein neues gesellschaftliches und wirtschaftliches System etablieren zu müssen. Die Biografien der Carpetbagger sind zentrale Fixpunkte der Zeit, in der ehemalige Amtsträger entmachtet und enteignet, ein ökonomische System zusammenbricht und sich opportunistische Einheimische, fremde Sieger und ehemalige Sklaven ohne Bürgerrechte gegenseitig in politische Schlüsselämter verhelfen. In der Geschichte kommt es häufig vor, dass in einer Nachkriegsphase einer eroberten Gesellschaft von der Sieger-Gesellschaft neue Werte und gesellschaftliche/politische Formen oktroyiert werden. In der neueren Geschichte ist die Wiedervereingung Deutschlands ein weiteres Beispiel dafür.3
Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
1.Carpetbagger im historischen Kontext
2.Definitionen
2.1. Darstellung in Karikatur
2.2. Begriffsdefinitionen
2.2.1. Carpetbagger im allgemeinen Sprachgebrauch
2.2.2. Scalawags
2.3. Neuere Definitionen
2.4. Differenziertere Carpetbaggerbetrachtung
3.Diskussion über die historische Bedeutung
4.Carpetbagger-Governor: Warmoth als Negativbeispiel
4.1. Kurzer biografischer Abriss
4.2. Analyse: Das System Warmoth`
5.Carpetbagger: die Morgans und Tourgée
6.Zusammenfassung von Currents Kritik
7.Fazit
0. Einleitung
Ist die abfällige Bedeutung des Begriffs Carpetbagger[1] gerechtfertigt? Welche historische Bedeutung haben die Nordstaatler, die nach dem Bürgerkrieg in den eroberten Süden gekommen waren? Das sind zwei zentrale Fragen, zu dessen Beantwortung diese Arbeit einen Beitrag liefern möchte.
Vor Analyse und Argumentation werden zwei Kernthesen angeben:
1. Es gab mehrere Motive der Carpetbagger, in der Reconstruction-Phase in den eroberten Süden zu kommen. Das Motiv des schnellen wirtschaftlichen oder politischen Erfolgs reicht nicht aus.
2. Carpetbagger dürfen nicht nur ein Synonym für korrupte Politiker mit Besatzermentalität sein. Der Amtsmissbrauch nach dem Bürgerkrieg in den Südstaaten muss präziser beschreiben werden, die Verantwortlichen genauer benannt werden und eine neue Bezeichnung für den Amtsmissbrauch in dieser Zeit gefunden werden
Carpetbagger sind ein wichtiger Forschungsgegenstand, da anhand des Carpetbagger-Mythos' deutlich gemacht werden kann, wie Probleme entstanden sind, wenn eine Gesellschaft vor politischen und wirtschaftlichen Neuanfängen steht. Genauer: Carpetbagger personifizieren die Ablösung des „Old South“. Die Siegermacht „Union“ wollte in der Reconstruction-Phase einen Wechsel zwischen zwei Gesellschaftsformen erzwingen, was nur aber bedingt gelungen ist.
Carpetbagger personifizieren die Probleme einer traditionellen Gesellschaftsform, der von außen eine neue Form aufgesetzt werden soll. Im Carpetbagger-Mythos fokussieren sich die Differenzen zwischen Eroberer/Besatzer und Besiegten/Besetzten. Carpetbagger wurden damit konfrontiert, in der „Identitätskrise im Süden der Union“[2] ein neues gesellschaftliches und wirtschaftliches System etablieren zu müssen.
Die Biografien der Carpetbagger sind zentrale Fixpunkte der Zeit, in der ehemalige Amtsträger entmachtet und enteignet, ein ökonomische System zusammenbricht und sich opportunistische Einheimische, fremde Sieger und ehemalige Sklaven ohne Bürgerrechte gegenseitig in politische Schlüsselämter verhelfen.
In der Geschichte kommt es häufig vor, dass in einer Nachkriegsphase einer eroberten Gesellschaft von der Sieger-Gesellschaft neue Werte und gesellschaftliche/politische Formen oktroyiert werden. In der neueren Geschichte ist die Wiedervereingung Deutschlands ein weiteres Beispiel dafür.[3]
1.Carpetbagger im historischen Kontext
Nach dem Bürgerkrieg verloren die Südstaaten ihre gesellschaftliche und wirtschaftliche Basis. Die Sklaverei als Grundlage des südstaatlichen Wirtschaftsystem und als ökonomische Basis der Großgrundbesitzer existierte nicht mehr. Die Baumwollproduktion versiegte als Einnahmequelle der Südstaatler, so dass die ehemaligen Konföderierten praktisch ruiniert waren. Die Südstaaten standen vor der Aufgabe ein gänzlich neues Wirtschaftsystem zu etablieren. Die Besiegten warteten auf finanzielle Hilfe aus Washington. Die Afro-Amerikaner standen vor der Chance, durch Landverteilung endlich eigenes Land nutzen zu können.
Das Freedmen`s Bureau sollte in Zusammenarbeit mit den neuen State Governments und deren Unterbehörden ab 1865 unter anderem die Aufgabe übernehmen, einen neuen freien Arbeitsmarkt und eine gerechte Landverteilung mit Beteiligung der Afro-Amerikaner vorzunehmen. Doch Richtungs- und Machtwechsel in der Bundespolitik führten dazu, dass eine grundlegende Änderung des wirtschaftlichen Systems nicht erkennbar war. Im Gegenteil: Die Südstaaten nach dem Bürgerkrieg setzten weiterhin auf den intensiven Anbau der Baumwolle, ohne die Erschließung anderer neuer Produktionsfelder anzugehen. Die ehemaligen Sklaven waren durch Niedriglohnverträge und das Sharecropping-System[4] weiterhin an die ehemaligen Sklavenhalter und Immer-noch-Grundbesitzer gebunden.[5]
Die ehemaligen Sklaven wurden gesellschaftlich nicht integriert. Die meisten männlichen Afro-Amerikaner hatten zwar Wahl- und Bürgerrechte. Aber durch das Sharecropping-System und fehlenden Grundbesitz der Afro-Amerikaner wurde Ihnen kein gleichberechtigter Zugang zu Erfolgschancen in Wirtschaft und Gesellschaft gewährt. Die neuere Reconstruction-Forschung geht davon aus, dass das größte Versäumnis der Reconstruction darin bestand, den Landbesitz nicht grundlegend umzuverteilen, so dass auch die Freedman Grundbesitzer werden konnten.
Wirtschaftlich war der Süden gegenüber dem industrialisierten Norden unterentwickelt. In den Südstaaten gab es keine bedeutene Eisen- bzw. Rüstungsindustrie. In der Reconstruction-Phase erholte sich der Süden wirtschaftlich nur langsam. Dagegen hatten die Nordstaaten eine funktionierende Industrie in Kombination mit einer leistungsfähigen Infrastruktur sowie einem Schienennetz, was schon im Krieg schnelle Truppenverschiebungen und den Nachschub garantierte, aufgebaut.
Auch nach 1876 war die Baumwolle wichtigster Wirtschaftszweig der Südstaaten-Industrie. Die Textil- und Eisenindustrie wurde im Süden zwar langsam ausgebaut, doch der Süden blieb in seiner wirtschaftlichen Entwicklung bis zum 2. Weltkrieg hinter der rasanten Ausbildung des kapitalistischen Handels- und Industriesystems im Norden, Mittleren Westen und Westen zurück. Es gelang im Süden nicht, neben der Agrarindustrie gleichwertige Industriestrukturen aufzubauen.
Nach dem Bürgerkrieg besetzten die Unionstruppen bis 1876 große Teile der Südstaaten. Vor allem in der Phase der Radical Reconstruction (1867-1872) entfernte die Siegermacht Separatisten aus den politischen Ämtern, verfolgten sie strafrechtlich und enteigneten einige der ehemaligen Großgrundbesitzer. An entscheidenen Stellen neuer Organisationsstrukturen saßen zur Bundesregierung loyale Amtsträger, die einen Neuaufbau der Südstaaten einzuleiten und zu überwachen hatten. Carpetbagger wurden in diesem Kontext in der älteren Geschichtsschreibung oft als korrupte Beamte aus dem Norden eingestuft, die - geschützt durch die militärische Präsenz der Unionstruppen - in den Verwaltungen der eroberten Staaten als Förderer eines (Aus-)Beutesystems fungierten.[6]
[...]
[1] a) Die Begriffe Carpetbagger, Scalawag, Freedmen etc. sind durchgehend ohne Anführungsstriche aufgeführt. Anführungsstriche sind direkten Zitaten vorbehalten. b) Der Plural von Carpetbagger ist durchgehend Carpetbagger. In der Primär- und Sekundärliteratur wird der Plural von Carpetbagger uneinheitlich benutzt.
[2] Finzsch, Norbert; Martschukat, Jürgen, Reconstruction und Wiederaufbau in Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika, 1865, 1945 und 1989, Stuttgart, 1996, S. 13
[3] Vgl. Finzsch, Norbert; Martschukat, Jürgen, Reconstruction und Wiederaufbau in Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika, 1865, 1945 und 1989, Stuttgart, 1996
[4] Landarbeitersystem mit Formen einer Schuldknechtschaft
[5] Vgl. Finzsch, Martschukat, S. 25 ff.
[6] Vgl. http://www.blackhistory.eb.com/micro/496/71.html, fünfter Absatz, 2002
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