Der Dialog bildet das Zentrum dieser Arbeit, der Dialog als Kunst gemeinsam zu denken, der Dialog als Möglichkeit in Prozessen des individuellen und gemeinsamen Lernens.
Die Arbeit hat folgenden Aufbau: Der erste Teil befasst sich mit unterschiedlichen
Ansätzen zum Thema Erwachsenenlernen (Symbolischer Interaktionismus, Deutungsmusteransatz, Lernen aus konstruktivistischer Sicht) und den daraus
resultierenden Konsequenzen für die Erwachsenenbildung (Fort- und Weiterbildung von Leitungs- und Führungskräften in einem institutionellen Zusammenhang).
Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Wirklichkeitskonstruktion, mit Lernen als relationaler
Prozess, dem kollaborativen Lernen, seinen Grundlagen, Bedingungen und Zielen.
Der Dialog-Prozess, das Dialogverfahren, die „Methode“ des offenen, vielstimmigen Dialogs, als eine an die sozialkonstruktionistischen Ideen und Erkenntnisse
anschlussfähige Praxis des Erwachsenenlernens, seine Grundlagen, Kernkompetenzen, das Setting, die Rahmenbedingungen und der Verlauf werden in einem dritten Schritt ausführlich dargestellt.
Von der Philosophie der Freiheit und Verantwortung (Sozialer Konstruktionismus) zur Praxis der Freiheit und Verantwortung (Dialog-Prozess, Dialogverfahren). Der vierte Schritt beinhaltet die Beschäftigung mit den Ergebnissen der Fortbildung - Ich will mich und
andere besser leiten können! - und den daraus resultierenden Erkenntnissen, Möglichkeiten und Bedeutungen des Dialogs für das Erwachsenenlernen in Fokusgruppen.
Inhalt
Einleitung
Erwachsenenbildung als Entwicklungsprozess, als Ermöglichungslernen
Paradigmenwechsel in der erwachsenenpädagogischen Diskussion
Ermöglichungsdidaktik I
Lernen als aktiver Prozess, Lernen als Deutung.
Symbolischer Interaktionismus
Bedeutung für die Erwachsenenbildung
Deutungsmusteransatz
Bedeutung für die Erwachsenenbildung
Der Konstruktivismus (Radikaler Konstruktivismus - Sozialer
Konstruktionismus)...
Lernen aus konstruktivistischer Sicht
Bedeutung für die Erwachsenenbildung - Ermöglichungsdidaktik II
Von der Ermöglichungsdidaktik zu kollaborativem Lernen
Kollaboratives Lernen..
Merkmale einer Haltung: Kollaborativer Lehrer/Lerner
Kollaboratives Lernen in der Weiterbildung von professionellen PraktikerInnen
Fähigkeitsentwicklung und Wissenserwerb in kollaborativen Lernsituationen
Dialog als Kunst gemeinsam zu denken
Grundlagen des Dialogs
Der Dialog bei Martin Buber
David Bohms Dialogbegriff
Der Dialog, unterschiedliche Formen und Varianten.
Der zufällig entstehende Dialog.
Der bewusst gestaltete Dialog (Hartkemeyer)
Der „offene Dialog“ nach D. Bohm
Der Dialog - Prozess
Der Dialog - Das Dialogverfahren - Der offene, vielstimmige Dialog in der Gruppe
Kompetenzen im Dialog – Kompetenzen des Dialogs
Kernkompetenzen des Dialogs nach D. Bohm
Kernkompetenzen des Dialogs nach W. Isaacs
Kernprinzipien des Dialogs.
Die Leiter der Schlussfolgerungen
Kernkompetenzen des Dialogs nach Hartkemeyer/Dhorithy
Die unterstützenden Rahmenbedingungen des Dialogs - Achtsamkeit und dialogische Atmosphäre
Die Bedeutung des Containers für den Dialog-Prozess
Die Begleitung des Dialogs - Facilitator
Ablauf und Setting des Dialogs
Der Dialog – Phasen – Krisen – Probleme: Veränderungsprozesse im Dialog durch den Dialog
Dialog und Erwachsenenlernens in Fokusgruppen - Dialog in der Kommunikation von Wissen
Der offene, vielstimmige Dialog - Erkenntnisse und Ergebnisse...
Ergebnisse der Leitungs- und Führungskräftefortbildung - eine subjektorientierte Zusammenfassung
Essenzielle Qualitäten im Dialog-Prozess.
Dialog als schöpferischer Prozess
Der Dialog als aktiver, kollaborativer und neuer Lernprozess
Der Dialog-Prozess, Weg und Ziel, Lernprozess und Fähigkeit, relational
und individuell - Zirkularität im Dialog – Zirkularität durch Dialog
Schlußgedanken
Literaturverzeichnis
Einleitung
„Nicht dieser Text legt fest, was Sie lesen, sondern Ihre Struktur, Ihre jeweilige Befindlichkeit.
Dabei obliegt es doch mir allein, keinen Unsinn zu verzapfen, denn ich bin selbst verantwortlich für das, was ich schreibe.“ (Maturana, 1996, S.36).
„Erwachsene sind so gesehen lernfähig, aber im Normalfall unbelehrbar.“ (Siebert 2008 S.7).
Lernen, Erwachsenenlernen ist eine selbständige Tätigkeit, die auf biografischen Erfahrungen aufbaut, die durch Lehre angeregt, aber nicht gesteuert werden kann, so die neuesten Forschungsergebnisse des Konstruktivismus auf Grundlage neurowissenschaftlicher Forschungen.
Lernen hat immer mit einer „Aneignungsperspektive“, mit „Anschlussfähigkeit“ zu tun.
Die Resonanz zwischen Menschen, die Relationalität zwischen Menschen ist die wesentliche Voraussetzung für Lernen. Gelingende Kommunikation, unabhängig von Rollen, ist eine zweite wesentliche Voraussetzung für Lernen. Ständig findet Kommunikation statt, mit uns selbst, mit anderen. In Gesprächen entstehen immer wieder neue Bedeutungen, entstehen immer wieder neue Fragen, neues Verständnis. Manche Gespräche erweitern unsere Verstehens- und Handlungs-möglichkeiten, ermöglichen uns, eigene Motive und Vorurteile besser wahrzu-nehmen.
Die Frage, die mich besonders interessiert in diesem Zusammenhang, ist: Wie können Gespräche, wie kann Lernen stattfinden, Lernen, das neue Möglichkeiten eröffnet, neue Handlungsfähigkeit ermöglicht? Lernen, Fort- und Weiterbildung für und mit Menschen in unterschiedlichen Tätigkeits- und Aufgabenfeldern.
Wie muss der dialogische Raum aussehen, dass dieses Lernen stattfinden kann?
In dieser Arbeit soll mein Beitrag sein, den Dialog, den Dialog-Prozess, den offenen, vielstimmigen Dialog (exemplarisch) innerhalb eines seminaristischen Bildungsangebotes (2 Fortbildungen von Leitungs- und Führungspersönlichkeiten, 9 x 5 UE 14 tägig und der Ausbildung von 20 muslimischen Akademikern zu DialogmoderatorInnen - Modellprojekt der Bundeszentrale für politische Bildung - 4 WE Fr.-So. plus Vertiefungswochenenden) vorzustellen, als Möglichkeit zur Entwicklung und Praxis einer neuen Lernkultur, als lehr- und lernbare Disziplin in der Fortbildung von professionellen Praktikern; eine mögliche und praktikable Alternative zur bekannten Belehrungskultur.
Viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Projektgruppe (Leitungs- und Führungskräfte) hatten bereits unterschiedliche Weiterbildungen (z.B. Sozial-management) absolviert, ohne davon für die Leitungs- und Führungs-aufgabe wirklich profitiert zu haben.
Aus/Fortbildung als Dialog-Prozess in der Fokusgruppe (Pädagogen, Erzieher, Berater, Therapeuten, Teams, …) Weiterbildung von Leitungs- und Führungs-persönlichkeiten als kollaborativer Lernprozess, ausgehend davon, dass alle Beteiligten Experten sind und voneinander, miteinander lernen wollen, soll als qualitative Alternative entwickelt und begründet werden. Aus dieser Perspektive (Dialog) ist Aus/Weiter/Fortbildung, Selbstbildung und Selbstentwicklung durch Kommunikation in Beziehung. P. Bieri benennt in seiner Festrede in der PH Bern 2005 -Wie wäre es, gebildet zu sein?- wesentliche Bildungsqualitäten, die auch die Möglichkeiten und Ziele des offenen, vielstimmigen Dialogs kennzeichnen. Er spricht davon, dass Bildung Weltorientierung ist, gelenkt von Neugierde und Interesse. Er beschreibt Bildung als doppeltes Lernen, die Welt kennen lernen, das Lernen lernen. Lernen auch als Wachheit, besonders auch gegenüber den blinden Gewohnheiten des Denkens und Redens und den Mythen der Wissenskultur. Lernen auch als ein Weg, sich ein möglichst breites und tiefes Verständnis der vielen Möglichkeiten des reflektierten, sinnvollen Wissens und Handelns zu erschließen.
Wissen nicht als Ansammlung von Informationen verstanden, Wissen als Möglichkeit, Entwicklung, Veränderung und Erweiterung zu bewirken, Wissen das anregt, neue Erkenntnisse zu gewinnen, neue Erfahrungen zu machen. Lernen, in dem Zusammenhang, sei auch Selbsterkenntnis, es gehe darum, sich und die anderen im Denken, Fühlen und Wollen besser zu verstehen. Darüber hinaus sei diese Form der Selbstbildung eine Kunst, die Kunst, Fremdes anzuerkennen, soziale Phantasie zu entwickeln.
Der Dialog in der Fort- und Weiterbildung u.a. von Leitungs- und Führungs - persönlichkeiten, von DialogmoderatorInnen soll beide Qualitäten ermöglichen. Dazu ist es wichtig, genau zu beschreiben was mit Dialog, Dialog-Prozess gemeint ist und zu untersuchen, ob dieser Dialog ein „sinnvolles Instrument“ ist, den Fragen und Bedürfnissen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gerecht zu werden.
Der Dialog bildet das Zentrum dieser Arbeit, der Dialog als Kunst gemeinsam zu denken, der Dialog als Möglichkeit in Prozessen des individuellen und gemeinsamen Lernens.
Die Arbeit hat folgenden Aufbau: Der erste Teil befasst sich mit unterschiedlichen Ansätzen zum Thema Erwachsenenlernen (Symbolischer Interaktionismus, Deutungsmusteransatz, Lernen aus konstruktivistischer Sicht) und den daraus resultierenden Konsequenzen für die Erwachsenenbildung (Fort- und Weiter-bildung von Leitungs- und Führungskräften in einem institutionellen Zusammen-hang).
Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Wirklichkeitskonstruktion, mit Lernen als relationaler Prozess, dem kollaborativen Lernen, seinen Grundlagen, Bedingungen und Zielen.
Der Dialog-Prozess, das Dialogverfahren, die „Methode“ des offenen, vielstim-migen Dialogs, als eine an die sozialkonstruktionistischen Ideen und Erkenntnisse anschlussfähige Praxis des Erwachsenenlernens, seine Grundlagen, Kernkompe-tenzen, das Setting, die Rahmenbedingungen und der Verlauf werden in einem dritten Schritt ausführlich dargestellt.
Von der Philosophie der Freiheit und Verantwortung (Sozialer Konstruktionismus) zur Praxis der Freiheit und Verantwortung (Dialog-Prozess, Dialogverfahren). Der vierte Schritt beinhaltet die Beschäftigung mit den Ergebnissen der Fortbildung - Ich will mich und andere besser leiten können! - und den daraus resultierenden Erkenntnissen, Möglichkeiten und Bedeutungen des Dialogs für das Erwachs-enenlernen in Fokusgruppen.
Ich bin anfänglich der Frage nachgegangen, wie und ob der Dialog-Prozess, das Dialogverfahren eine realistische Antwort für eine zeitgemäße Erwachsenbildung auf dem Hintergrund sozialkonstruktivistischer/sozialkonstruktionistischer Erkennt-nisse sein kann, anhand der Erfahrungen einer Fortbildungseinheit mit den 16 Leiterinnen und Leitern unterschiedlicher Waldorfkindergärten. Eine zweite Reihe dieser Fort- und Weiterbildung wurde im Dezember 2009 abgeschlossen, ein drittes Forschungsfeld begann im September 2009 mit der Ausbildung von 20 muslimischen Dialoggruppenbegleitern in der Methode Dialog-Prozess, Dialog-verfahren.
Einige der leitenden Ideen/Thesen waren und sind:
Erwachsene Menschen sind lernfähig aber nicht belehrbar.
Lernen findet nicht im Rahmen von Belehrungsdidaktik sondern im Rahmen von Ermöglichungsdidaktik statt.
Lernen ist ein relationaler Prozess der größtenteils mittels Sprache stattfindet.
Wir benötigen neue Formen des kommunikativen Lernens, um den persönlichen und beruflichen Herausforderungen aktiv begegnen zu können.
Wissen und Erkenntnis entwickeln sich aus und in Bedeutungsgeflechten, ist gemeinschaftliches Erkennen.
Der Dialog-Prozess, das Dialogverfahren ist eine „Methode“, die kollaboratives Erkennen und Lernen ermöglicht, das die Muster von Wirklichkeitskonstruktionen verändert und dadurch neues Lernen ermöglicht.
Der Dialog – Prozess ist Voraussetzung und Methode einer neuen Lernkultur.
Erwachsenenbildung im Dialog, „Verständigung im Gespräch ist nicht ein bloßes Schauspielen und Durchsetzen des eigenen Standpunktes, sondern eine Verwandlung ins gemeinsame hin, in der man nicht mehr bleibt, was man war.“
(H.G. Gadamer in: -Das therapeutische Gespräch H. Anderson- 1999, S. 16)
Ich habe versucht, mein eigenes Lernen im Dialog, im Dialog-Prozess, in der Weiterbildung zum Dialogprozessbegleiter (Facilitator), in den Dialoggruppen, in denen ich als Facilitator beteiligt war zu verstehen, mit anderen zu reflektieren, weiter zu entwickeln; ich habe die Erkenntnis gewonnen mit dem Dialog auf „etwas Großes gestoßen“ zu sein, etwas das mich und meine „Art in der Welt erkennend und handelnd tätig zu sein“ tief -greifend verändert hat. Ich bin dankbar dafür, anknüpfen zu können an Forschungen, Ideen und Realitäten bedeutender Menschen, die lernen wollen, ein ganzes Leben, aber unbelehrbar sind und bleiben.
Der Aufbau dieser Schrift soll einerseits gradlinig sein, andererseits aber auch spiralförmig und zirkulär. Zentrale Begriffe sollen immer wieder aus einer anderen, neuen Perspektive betrachtet werden. Zusätzlich werden sich bei jedem Leser die Bedeutungen des Gelesenen auch noch verändern, je nachdem wer den Text liest, wie und in welchem Kontext. Möglicherweise wird Ihnen auffallen, dass meine Begriffe, meine Sprache (Sprache ist metaphorisch, mehrdeutig) an manchen Stellen oder in manchen Zusammenhängen nicht eindeutig ist, auch mag die theoretische Auseinandersetzung mit dem Konstruktivismus und anderen Ansätzen sehr verkürzt erscheinen. Es ist so, dass der Text eine Einladung, ein Dialogangebot an Sie sein soll, gerade das, was nicht da ist, das Fehlende, das Fehlerhafte, das Unklare als etwas zu verstehen, zu deuten, was neue Möglichkeiten eröffnet und eine konstruktive Herausforderung für Sie darstellt.
„Wir müssen häufiger die eingefahrenen Bahnen verlassen, die unser Denken, Fühlen und Handeln normalerweise bestimmen, müssten uns von dem, was wir erleben, immer wieder neu berühren lassen, uns selbst immer wieder neu infrage stellen und uns selbst eine Haltung zu eigen machen, die uns hilft, mehr von der Welt wahrzunehmen, als wir das
normalerweise tun. Kurzum – wir müssten achtsamer werden und behutsamer vorgehen. Kurz gesagt, bewusster sein.“
(Prof. G. Hüther -Bedienungsanleitung für das Gehirn- 2007-
Erwachsenenbildung als Entwicklungsprozess, als Ermöglichungs-lernen
Paradigmenwechsel in der erwachsenenpädagogischen Diskussion
„Bildung ist Selbststeuerungs- und Problemlösefähigkeit, Verantwortlichkeit, Kritik- sowie Selbstreflexions- und auch Solidarisierungsfähigkeit“ (R. Arnold Psychologie Heute 07/09)
Im Zusammenhang der Entwicklung moderner Gesellschaften von einer Informations- und Wissensgesellschaft hin zu einer Kommunikations- und Lerngesellschaft, im Zusammenhang mit neuen Anforderungen an die Individuen kommt der Weiterbildung eine zunehmende Bedeutung zu, Weiterbildung hat u.a. den Auftrag, Fähigkeiten zu entwickeln, an dem gesellschaftlichen Wandel teilzunehmen und diesen gestalten zu können. Dabei macht es wenig Sinn nur auf existierende, klassische Lernprozesse und Lernstrukturen zurückzugreifen.
„In der erwachsenenpädagogischen Diskussion zeichnet sich seit einigen Jahren ein Paradigmenwechsel von Konzepten der Wissensvermittlung zu Konzepten der Aneignung von Wissen und Kompetenzen ab.
(Kade/Nittel/Seitter 2007, S.84ff.)
Erwachsenenlernen im Rahmen der heutigen Kommunikations-, Lern- und Weiterbildungsgesellschaft beinhaltet auch eine Veränderung der bestehenden, klassischen Lernprozesse- und strukturen, mit dem Ziel, aktives und selbsterschließendes Lernen zu fördern und Handlungskompetenz zu vermitteln. Es geht um die Entwicklung von Fähigkeiten, differenziert zu denken, Probleme selbständig zu lösen, neues Wissen selbst zu erarbeiten (Kognitive Kompetenz und Methodenkompetenz), mit Anderen lösungsorientiert, zielorientiert erfolgreich zu kommunizieren und zu kooperieren (Kommunikations- und Sozialkompetenz) und auch innerhalb komplexer sozialer Wirklichkeiten einen konstruktiven Umgang mit erlebten Gedanken, Gefühlen und Handlungsimpulsen entwickeln zu können. (Kompetenz der Selbstreflexivität und Emotionale Kompetenz) und das Nachdenken über das eigene Lernverhalten, den
Umgang mit Lernbarrieren, Beobachtung und Reflexion des Denkens und Handelns, der handlungsleitenden Modelle und deren Konsequenzen (Metakog-nitive Kompetenz).
Es geht nicht nur darum, im Rahmen des selbstgesteuerten Lernens Kompetenzen zu entwickeln, sondern darüber hinaus die Ermöglichung von Kompetenz-entwicklung, den Aufbau von Selbstlernkompetenzen zu lernen.
Rolf Arnold (Grundlinien einer Ermöglichungsdidaktik 2007, S.23) schreibt: „Kompetenzen sind handlungsorientierte Reflexions-, Verhaltens-, und Gestaltungsdispositionen, die - nach allem was wir wissen - nur dadurch entwickelt werden können, dass die Logik der Lernsituation keine andere ist als die der Lebenssituation, in denen diese Kompetenzen zur Wirkung kommen sollen. Konkret bedeutet dies, dass z.B. Selbststeuerungskompetenz nur dadurch nachhaltig erlebt, eingeübt und ange-eignet werden kann, dass die vorbereitenden oder lebensbegleitenden Lernsitua-tionen eine solche Selbststeuerung gewährleisten.
Es geht nicht nur darum, die Lerninhalte zu verändern, insbesondere geht es um eine integrative Weiterbildung, um Erwachsenlernen mit dem Ziel, die Lern-fähigkeit zu erhöhen. Damit verbunden ist eine notwendige Akzent-verschiebung von der Lernkultur des Belehrtwerdens, der traditionellen Erzeugungsdidaktik, hin zur Ermöglichungsdidaktik, „im Sinne einer ermöglichungsdidaktischen Wende“ in der Aus- und Weiterbildung. Der Schwerpunkt der Erwachsenendidaktik liegt nicht mehr auf dem Lehren, d.h. an die Stelle einer neuen Lehrkultur tritt eine neue Lernkultur. Die neuen Formen der Weiterbildung müssen somit weniger darbietend als vielmehr erarbeitend im Sinne einer Aufgabenorientierung angelegt sein.“
(Rolf Arnold -Lernkulturwandel und Ermöglichungsdidaktik-, S.28 u. 29)
Ermöglichungsdidaktik I
Der Begriff Ermöglichungsdidaktik stammt von dem Bildungsforscher Klaus Arnold.
Für das Erwachsenenlernen lassen sich nach Arnold zum jetzigen Zeitpunkt drei Entwicklungsschübe ausmachen. Von der Belehrungsdidaktik über die Auto-didaktik zur Ermöglichungsdidaktik. Die Perspektive der ersten Phase der siebziger Jahre war expertenwissenschaftlich geprägt, die zweite Phase (Beginn der neunziger Jahre) stellte das Erwachsenenlernen als ein an der Lebens-situation orientiertes Lernen in den Vordergrund verbunden mit dem „selfdirected learning“, dem Konzept des selbstgesteuerten Lernens.
In diesem Konzept entwickeln die Lernenden über die Sachorientierung und die Aneignungsorientierung hinaus, die Fähigkeit, selbst erarbeitend zu lernen.
Damit verbunden sind auch neue kommunikative, soziale Interaktionsformen.
Die Ermöglichungsdidaktik kann als integrative Form des Erwachsenenlernens beschrieben werden. Arnold folgend, geht es darum, die bekannten, überlieferten Didaktikmodelle, die von einem linearen Lehr-Lernverhältnis ausgehen, durch eine konstruktivistische Sicht zu erweitern, bei der Lernen und Lehren sich dadurch auszeichnen, dass eine Ermöglichung von Kompetenzentwicklung, von Selbsterschließungskompetenz, von Kommunikationskompetenz intendiert wird, im deutlichen Unterschied zur Kompetenzerzeugung. Dazu sind natürlich spezifische Lern- und Lehrarrangements notwendig.
Diese ermöglichungsdidaktische Wende ist Teil eines notwenigen Lernkultur-wandels bzw. ist ein Beitrag zum Lernkulturwandel, in dem Lernkultur nicht nur Lern-, Aneignungs- und Verarbeitungsprozesse, Interaktions- und Kommunika-tionsprozesse umfasst, sondern die gesamte Mitwelt (Lernverständnis, Wissen-schaft, Weltanschauungen, Lernorte ...) mit einbezieht, die auf das Lerngeschehen Einfluss ausübt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 aus: J. Eckart: Ermöglichungspastoral 2004, S. 24
J.Eckart (Ermöglichungspastoral 2004, S.30) schreibt hierzu: „Demnach zeichnet sich eine Lernkultur dadurch aus, dass in ihr gewisse Verhaltensformen und Umgangsstile wie auch Verständigungs- und Verkehrsformen dominieren, die bewusst oder unbewusst, offen oder versteckt von bestimmten Meinungen und Überzeugungen, Normen und Werte, Traditionen und Weltanschauungen beeinflusst werden. Dabei sind es die Lehrenden und Lernenden selbst, die im Sinne der Selbstorganisation durch ihre Interaktions- und Kommunikations-prozesse stets auf Neue, die für ihre Lernkultur charakteristischen Wahrnehmungs- und Deutungsmuster reproduzieren.“
Worin unterscheidet sich die überlieferte Lernkultur der Erzeugungsdidaktik zur neuen Lernkultur einer Ermöglichungsdidaktik qualitativ? Oder, welche praktischen Anregungen ermöglicht der Ansatz der Ermöglichungsdidaktik für die Weiterbildung - als Dialog-Prozess -, als Grundlagenmodell einer lebendigen Lernkultur? Was macht Lernen lebendig?
Aspekte des Ermöglichungslernens, des lebendigen Lernens aus Sicht der Lerner sind:
- Selbsterkennendes Lernen: Lernprozesse, die stärkend, klärend, irritierend auf die Identitätsbildung wirken, lebendig im Sinne von Erfahren, Erleben und Reflektieren.
- Selbstveränderndes Lernen: Lebendigkeit und Veränderungsmöglichkeiten
entstehen in Kommunikation, in Beziehung, auf das Selbstkonzept bezogen.
- Sozialerkennendes Lernen als lebendiges Lernen im Sinne des
Miteinanderlernens, Erleben von Gemeinschaft.
- Sachliches Lernen: Die Lebendigkeit des Lernens entsteht in der individuellen Vertiefung von Erkenntnissen, das Konstruieren neuer Verständnis-horizonte,
Offenheit und Glaubwürdigkeit, Engagement und Toleranz, das soziale
kommunikative Klima sind weitere Aspekte lebendigen Lernens.
Ein weitere wichtige Qualität im Zusammenhang Lernkulturwandel ist das „Selbstgesteuerte Lernen“.
Dohmen (Die Unterstützung des selbstgesteuerten Lernens 2001, S.39) bezeichnet dieses Lernen als: „lernendes Verarbeiten von Informationen, Eindrücken, Erfahrungen, bei dem die
Lernenden diese Verstehens- und Deutungsprozesse im Hinblick auf ihre Zielausrichtung,
Schwerpunkte und Wege im Wesentlichen selbst lenken. Selbstgesteuertes Lernen ist keine Alternative zum organisierten Lernen in Weiterbildungs-institutionen. Es zielt auf ein fruchtbares, jeweils von den Lernerinnen und Lernern selbst bestimmtes Ergänzungs- und Mischungsverhältnis von okkasionellem Selbstlernen in lebenspraktischen Anforderungs-situationen und planmäßig organisiertem Lernen in Weiterbildungsinstitutionen.“
Aus Sicht des systemisch-konstruktivistischen Lernverständnisses, im Kontext der Anregungs- und Ermöglichungsdidaktik wird lebendiges, selbstgesteuertes Lernen deutlich gefördert, wenn:
- im Lerngeschehen die Fragen, die Handlungsprobleme, die Bedürfnisse und das individuelle Interesse der Lernenden im Vordergrund stehen
- die Lehrenden Lernprozessbegleiter sind, d.h. Problemlöseprozesse subjektsensibel begleiten
- Fehler als Lern- Entwicklungsmöglichkeiten genutzt und verstanden werden
- gemeinsames Lernen gefördert wird, mehrperspektivisch gearbeitet wird –
- jeder gefragt ist, mit seinem Wissen, seinen Ideen und im gemeinsamen Prozess Such- und Reflexionsmöglichkeiten entstehen
- die Wirklichkeitskonstruktionen- und interpretationen von Lernenden und
Lehrenden gleiche Bedeutung haben
- alle als kompetente Lerner geachtet und respektiert werden
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2 aus: J. Eckert, Ermöglichungspastoral 2004, S. 57
Das Konzept einer Ermöglichungsdidaktik lässt ein neues Paradigma von Lernen sichtbar werden, dieser Ansatz entwickelt ein Denken vom Lernenden her, noch weitergehend sind Lerner und Lehrer beide Lernende, die linear konzipierte Erzeugungsstruktur erhält mit der Lernkulturperspektive eine wesentliche Erweiterung hin zu einer Ermöglichungs-perspektive, hin zu dialogischen Lernprozessen.
Zum Dialog gehört das Verständnis, gehört die Idee eines größeren, gemein-samen Bedeutungsreservoirs, das man nur gemeinsam, nicht alleine erfassen und erschließen kann.
Lernen als aktiver Prozess, Lernen als Deutung
„Wahrnehmung ist ein Für-Wahr-Nehmen, und die ersten Brillen, durch die wir dabei schauen, sind unsere emotionalen Gewissheiten im Umgang mit Anerkennung, Abhängigkeit, Zuwendung und Wirksamkeit. Wenn wir diese Bedeutung der emotionalen Grundeinspurungen nicht adäquat fassen, sitzen wir einer Wissensillusion auf, die uns glauben machen will, Wissen allein führe zu Kompetenzen. Haben wir nicht alle längst erkannt, dass man viel wissen kann und nichts können kann? Wir konstruieren uns die Welt emotional. Wir deuten sie nicht bloß so, wie wir sie deuten – sondern so, wie wir sie auszuhalten vermögen. Unsere frühe Erfahrung, die eine emotionale war, bestimmt, wie wir uns in der Welt fühlen, und letztlich auch zu welchen Konzepten der Welterklärung wir greifen“. (R. Arnold -Psychologie Heute 07/09, S.41-)
Bei dem Versuch, Erwachsenenlernen zu verstehen, soll an dieser Stelle das Konzept des Deutungslernens vorgestellt werden. Deutungslernen geht von dem Urteil aus, dass menschliches Denken und Handeln sich im „Modus der Deutung“ entwickelt und vollzieht.
Es geht hier um eine personen/subjektorientierte Sicht von Lernen in Richtung Ermöglichungslernen, die sich von objektivistischen Konzepten des Lernens als Wissensvermittlung deutlich unterscheidet.
Drei theoretische Strömungen, die sich mit der Frage des Lernens als Deutungslernen beschäftigen, sollen hier beschrieben werden, wie auch ihre Bedeutung für die Erwachsenenbildung.
- Der Symbolische Interaktionismus
- Der Deutungsmusteransatz
- Der Konstruktivismus
Symbolischer Interaktionismus
- Der Symbolische Interaktionismus -
Drei wesentliche Grundannahmen für die Theoriebildung des Erwachsenen-lernens, der Bildung, der Erwachsenenbildung, der Weiterbildung/Fortbildung, der Berufsbildung (Deutscher Bildungsrat) sind wesentlich:
- Jeder Mensch verhält sich gegenüber den Dingen, der Welt entsprechend den Bedeutungen, die er diesen Dingen zuschreibt.
- Bedeutungszuschreibungen gehen aus sozialen Interaktionen hervor, sind
lebensgeschichtlich erworben.
- Das Aneignen wie auch Abänderungen von Bedeutungen erfolgt in einem
interpretativen Prozess.
„Die Bedeutungen, die die Dinge für die Menschen haben, erhalten eine besondere Relevanz, insofern nämlich das Individuum die gesellschaftliche Wirklichkeit erst im Prozess der sozialen Interaktion deutet und interpretierend sich erschließt. „Im Sinne des wissenssoziologischen Ansatzes erfolgt beim Symbolischen Interaktionismus die Erschließung der sozialen Realität nicht mehr entsprechend eines „Normativen Paradigmas“ durch den Zugang auf die äußerlich „objektiv“ vorgegebenen Wirklichkeits-bereiche, sondern nimmt unter dem Anspruch eines interpretativen Paradigmas seinen Ausgangspunkt bei den Wirklichkeitskonstruktionen der Individuen“
(J. Eckart -Ermöglichungspastoral, 2004, S.62/63)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3 aus: J. Eckart: Ermöglichungspastoral 2004, S.67
In alle Deutungsprozesse fließen Alltagswissens(deutungs)bestände, wie auch biografisch bedingtes Wissen/Deutungen inklusive der damit verbunden Muster, Schemata und mentalen Modelle mit ein. Deutungen sind Beziehungsereignisse, individuell interpretiert. Es entstehen somit immer wieder neue Herausforderungen in diesem relationalen Wirklichkeitskontext, die zum Teil mit vertrauten Strategien oder Deutungen gemeistert werden können, dann gibt es Herausforderungen, bei denen die vertrauten Lösungsstrategien nicht ausreichen. Es entstehen Irritation, Ungleichgewicht, Verunsicherung, eine Überprüfung der bisherigen Wirklichkeits-konstrukte findet statt, eine Suche nach neuen und alternativen Deutungs-angeboten in unterschiedlicher Form beginnt, um neue Verstehens- und Handlungsfähigkeit wieder herzustellen, damit auch die Identitätsbalance wieder neu herzustellen. Diese Ungleichgewichtsprozesse ermöglichen Lernen, ermöglichen Entwicklung, sie sind Auslöser von Lernprozessen. Bei dem Versuch, Selbstwirksamkeit im Sinne von für das Individuum stimmigen Deutungen wieder herzustellen, entsteht dann das Erleben einer stabilen Ich-Identität, aus dem Ungleichgewicht fehlender Deutungsmöglichkeit in Beziehung, zur Innen- wie Außenwelt, zum Anderen entsteht Motivation zum Lernen.
Bedeutung für die Erwachsenenbildung
Das Erwachsenenlernen in pädagogischen Situationen, auch in seminaristischen Bildungsangeboten wird wesentlich auch von den Alltagswissensbeständen, den Deutungen beruflicher Situationen, den Wertvorstellungen, den Interpretations-mustern aller Teilnehmer mitbestimmt, Teilnehmer sind für mich Lernende und Lehrende, jeweils mit eigenen Mustern, auch Rollen- und Funktionsmustern.
So wird das Lerngeschehen von beiden mitbestimmt, unterschiedlichste Deutungen sind im Kommunikationsprozess anwesend und werden laufend neu gebildet, in einem zirkulären Kommunikationsprozess zwischen den Personen. Die kreative Situation unterschiedlicher Deutungen konstruieren das Lerngeschehen, jeder Einzelne entwickelt eigene Bedeutungen.
„Die biografischen Vorerfahrungen der Beteiligten und die gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit fließen auch als „Bedeutungsüberschuss“ in den Lehr-Lernprozess mit ein. Damit meint ein „Bedeutungsüberschuss nach innen“ den Sachverhalt, dass bestimmte Themen, Probleme, Positionen und Umstände für den Betreffenden eng mit dessen Lebensgeschichte verbunden sind und so eine ganz andere und tiefere Bedeutung besitzen, die sich für ein Gegenüber aus der bloßen Mitteilung so nicht erschließt.
„Bedeutungsüberschuss nach außen“ meint, dass in ein Lehr-Lerngeschehen unterschiedliche Bedeutungskontexte mit einfließen, die aus dem gesellschaft-lichen Wandel erwachsen.“ (J.Eckart - Ermöglichungspastoral 2004, S.69-)
Neben handlungsrelevantem Wissenserwerb z.B. für berufliche Aufgaben, stellt Erwachsenenbildung/Weiterbildung aus der Sicht des Symbolischen Interaktionis-mus einen relationalen Erfahrungsraum dar, einen Interaktionsraum, einen Reflexions- und Entwicklungsraum, für den zu leistenden Deutungs- oder Balanceakt zwischen personaler und sozialer Identität. Im Spannungsfeld des Einpassens neuer Erfahrungen, Informationen in eigene Deutungsmuster und der Herausforderung durch das Umdeuten. Im Zusammenhang mit neuem Deuten bisheriger Deutungsmuster findet Entwicklung durch Lernen statt, wieder im Spannungsfeld Selbstvergewisserung und Identitätsgestaltung.
Lernen in diesem Sinne ist ein interaktionelles, komplexes Geschehen innerhalb eines kulturellen Kontextes. Lernen ist ein lebenslanger Lern-, Entwicklungs- und Sozialisationsprozess.
Deutungsmusteransatz
Der Deutungsmusteransatz ist ein sozialwissenschaftlicher Ansatz, der in den 80er Jahren entwickelt wurde, er wurde zur Schlüsselkategorie einer Sozialpsychologie der Erwachsenenbildung.
R. Arnold- Deutungsmuster, S.14 - gibt folgende Definition: „Als Deutungsmuster werden die mehr oder weniger zeitstabilen und in gewisser Weise stereotypen Sichtweisen und Interpretationen von Mitgliedern einer sozialen Gruppe bezeichnet, die diese zu ihren alltäglichen Handlungs- und Interaktionsbereichen lebensgeschichtlich entwickelt haben. Im Einzelnen bilden diese Deutungsmuster ein Orientierungs- und Rechtfertigungspotential von Alltagswissensbeständen in der Form grundlegender, eher latenter Situations-, Beziehungs- und Selbstdefinitionen, in denen das Individuum seine Identität präsentiert und seine Handlungsfähigkeit aufrechterhält.“
Ausgehend von dem Postulat, das unsere Realität eine interpretierte Wirklichkeit ist, hat R. Arnold 10 Bedeutungselemente des Begriffs Deutungsmuster entwickelt:
Perspektivität: Alle Individuen deuten Wirklichkeit aus ihrer jeweils spezifischen Sicht, die Biografie- und Lebensweltabhängig ist.
Plausibilität: Deutungen müssen als sinnvoll, stimmig erlebt werden und routiniertes, professionelles Handeln ermöglichen.
Latenz: Deutungen/Gewissheiten sind nicht ständig bewusst, sind nicht reflexiv
zugänglich, die Deutungsmuster urständen in der Tiefenstruktur des
Bewusstseins z.B. als mentale Modelle.
Reduktion von Komplexität: Vielschichtige Situationen werden reduziert auf bekannte Deutungsmuster, damit wird auch Vielfältigkeit, Kompliziertheit reduziert.
Kontinuität: Deutungsmuster weisen eine hohe Stabilität auf, sie sind lebens- geschichtlich entstanden, haben zur Stabilität der Persönlichkeit beigetragen, daher sehr bedeutsam.
Persistenz früherer Erfahrungen: Die Stabilität, das Beharrungsvermögen sehr früh in der Biografie erworbener (Überlebens) Muster, die für die Deutungen sehr prägend sind.
Konsistenz: Es gibt einen inneren Zusammenhang der Deutungsmuster in Richtung Stabilität, in Richtung stabiles Weltbild, in Richtung Sinn.
Gesellschaftliche Vermitteltheit: Deutungsmuster stehen in einem kulturell, gesellschaftlichen Zusammenhang, sind nicht nur individuell, haben auch eine kollektive, soziale Grundlage.
Relative Flexibilität: Neue Deutungsmuster sind möglich, sie entwickeln sich in
bestimmten offenen Bereichen und bestimmten relationalen
Situationen.
Systematisch-hierarchische Ordnung: Deutungsmuster können hierarchisiert werden z.B. nach zentralen, tiefen Mustern, überlagernden Mustern, unbe- wussten und der Reflexion zugänglichen Mustern.
Deutungsmuster in diesem Sinne sind Muster, sind existentielle Strukturen unserer Realitätswahrnehmung, unseres Erlebens, unserer Urteile und unseres individuellen Lernens.
Bedeutung für die Erwachsenenbildung
Deutungsmuster und Deutungen sind biografisch und sozial verankert, dienen der Selbstwirksamkeit, der Orientierung, der individuellen Sinnkonstruktion. Oftmals entstehen allerdings Lern- und Erfahrungssituationen in denen die bekannten Deutungen nicht ausreichen, für deren Lösung Deutungen anderer, Erfahrungen, Erklärungen und Ideen angefragt werden, um eigene Deutungen zu verändern, neue zu entwickeln. Deutungsmuster allerdings verändern sich nur im Zusammenhang tiefer existentieller Erfahrungen, auch in bestimmten therapeutischen Kontexten, möglicherweise auch im später beschriebenen Dialog-Prozess.
Die Motivation, neue Deutungen zu suchen, persönliche Anlässe für das Lernen im Modus der Deutung können sein:
- der Wunsch, die eigenen Deutungen durch mehr Wissen zu erweitern oder zu
bestätigen.
- der Wunsch, die eigenen, als unbefriedigend, widersprüchlich, nicht stimmig
erlebten Deutungen neu zu interpretieren.
- der Wunsch, Anregungen, Ideen für Bereiche, Themen zu bekommen um eigene
Urteile, Deutungen bilden zu können.
- der Wunsch, sich in sozialen Situationen, in beruflichen Kontexten, in Situationen
des Gefragt - Seins kompetent verhalten zu können
- der Wunsch Kompetenzen zu entwickeln
Erwachsenenbildung als Synthese von Wissenslernen und Erfahrungslernen im Deutungslernen kann Möglichkeiten neuer Deutungen anbieten, Deutungen als Anregungen, Deutungen als Möglichkeiten, die sich neben den bewährten Deutungen, neben dem bewährten Wissen im Diskurs, in der Reflexion verändern können.
Das Konzept Wissenslernen als eine Variante des deutungsmusteranknüpfenden Lernens betont den Leitgedanken „Emanzipation durch Aufklärung“. Dieser Lernprozess ist primär linear konzipiert.
Das Konzept Erfahrungslernen als eine zweite Variante des deutungsmuster-anknüpfenden Lernens stellt die Erfahrungszusammenhänge und den Austausch darüber in den Mittelpunkt.
Beide Lernvarianten müssen die Frage beantworten, wie sie einen offenen Möglichkeitsraum entstehen lassen können, der die Reflexion und Differenzierung, wie auch die Ausgestaltung individueller Deutungen und Deutungsmuster ermöglicht als individueller und relationaler Lernprozess.
Zu dem dritten Konzept Deutungslernen schreibt J. Eckart: (Ermöglichungspastoral, 2004, S.80)
„Vielmehr beschreitet dieses erwachsenenpädagogische Modell quasi einen „mittleren Weg“ für eine Deutungsmustertransformation, indem es das selbstaufklärerische Potential der Lernenden bei Selbstevaluation ihrer Deutungs- und Handlungsmuster durch ein diskursiv-reflexives Verfahren inszeniert, begleitet und ermöglicht, das auch neue, alternative wissenschaftliche Deutungsangebote enthält. Das Modell „Deutungslernen“ überwindet mit diesem Ansatz eine einseitige Ausrichtung. Im Sinne des selbsterfahrungsorientierten Konzeptes greift Deutungslernen die menschlichen Ressourcen zur Selbstreflexion sowie zur Selbstaufklärung auf; dabei geht Deutungslernen allerdings über diesen Ansatz hinaus, in dem es zur Binnenperspektive der Betroffenen alternative Weltsichten offeriert.“
Der Konstruktivismus (Radikaler Konstruktivismus - Sozialer Konstruktionismus)
- Von der symbolischen Interaktion zur Deutung zur Konstruktion von Wirklichkeit -
F. Nietzsche: „Tatsachen gibt es nicht, nur Interpretationen.“ (A. Drosdek –Die Liebe zur Weisheit 2003, S. 162)
Aus konstruktivistischer Perspektive ist Lernen ein konstruktiver Prozess, der Konstruktivismus betont die Selbsttätigkeit des Erkennens und besonders auch die Selbststeuerung des Lernens.
Konstruktivistische Forscher gehen der Frage nach, wie der Mensch seine Welt konstruiert, wie er Wirklichkeit schafft.
Konstruktivismus ist also der Versuch einer Wirklichkeitswissenschaft. Der Grundgedanke der unterschiedlichen konstruktivistischen Konzeptionen im Spannungsfeld zwischen dem Radikalen Konstruktivismus (E. von Glaserfeld) und dem Sozialen Konstruktionismus (K.Gergen) ist eine deutliche Abkehr von den philosophischen Richtungen des Objektivismus, Materialismus, des Realismus (in der erkenntniswissenschaftlichen Forschung) aber auch des Idealismus sowie eine Abkehr von eindimensionalen und monokausalen Ansätzen, Wirklichkeit zu beschreiben.
Die Grundidee des Konstruktivismus als Erkenntnistheorie besteht in der Erkenntnis (Konstruktion), dass Wirklichkeit nicht einfach erfasst und abgebildet werden kann, sondern denkend und sprachlich konstruiert wird.
Es wird nicht die Existenz einer möglichen von uns unabhängigen Welt bezweifelt, es wird ausschließlich die Aussage getroffen, dass wir diese von uns unabhängig existierende Welt nicht sehen und empfinden können, wie sie wirklich ist, sondern nur, wie wir sie mit Hilfe unseres Erkennens „konstruieren“.
Der Radikale Konstruktivismus ist eine Weiterentwicklung des Erkenntnisbegriffs der Theorie autopoietischer Systeme von Maturana. Das, was im menschlichen Gehirn abläuft entspricht in keiner Hinsicht einer Form von Abbildung der Wirklichkeit. Was wir sehen und erkennen können ist nie die „Wirklichkeit“, sondern das, was unser Kognitives System im Zusammenhang mit Beobachtung hat entstehen lassen, damit verbunden ist der Abschied von der Objektivität wie E. von Glaserfeld betont. Der Soziale Konstruktionismus ist kollektiv orientiert, er stellt die kollektiv sprachliche Konstruktion von Wirklichkeit in den Vordergrund. Das soziale Geschehen, weniger die Prozesse menschlicher Kognition, lassen Wirklichkeit entstehen.
Für eine konstruktivistische Lerntheorie der Erwachsenenbildung sind beide Richtungen, die individuumszentrierte von E. von Glaserfeld, P. Watzlawick, H.von Foerster mit dem Postulat der Subjektgebundenheit von Wissen und Erfahrung und die sozial-konstruktionistische, die die soziale Eingebundenheit allen Wissens und aller Erfahrung, mit dem Schwerpunkt im intersubjektiven Bereich, dem Schwerpunkt des Gesprächs, des Diskurses, der gemeinsam mit anderen Wirklichkeit erzeugt, von großer Bedeutung. Nach K.Gergen gibt es nicht mehr eine Wahrheit, sondern unterschiedliche Wahrheiten, je nachdem an welcher Sprache wir uns beteiligen, je nach Kultur, Zeit und Umständen. Gergen tritt ein für die Unterschiedlichkeit und Vielstimmigkeit unterschiedlichster Sichtweisen und Perspektiven, für die geeignete Formen der Kommunikation und der Dialoge zu finden sind.
Erkenntnis und Wissen entstehen somit im Dialog, verändern sich, erneuern sich ständig durch Perspektivwechsel, Vorannahmen und Intentionen. Lernen aus dieser Perspektive kann in einem Ermöglichungsraum stattfinden, im Dialog/Multilog entstehen, der von authentischer Wertschätzung, (Selbst)-Reflexivität und Offenheit für Neues, Ungewohntes geprägt ist. Aus Sicht des Konstruktionismus entspricht Lernen und Wissen der Gestaltung von Wirklichkeitskonstruktionen in einer sozialen, relationalen Praxis, innerhalb bestimmter Kulturen und Sprachgemeinschaften.
K.Gergen: (Sozialer Konstruktionismus 2002, S.49) „Es ist nicht so, dass sozialkonstruktionistische Ideen Wahrheit, Objektivität, Wissenschaft, Moral oder das Selbst zerstören. Was in Frage gestellt wird ist vielmehr die Art, in der wir bisher diese Begriffe verstanden und in die Praxis umgesetzt haben. Letztendlich ermöglicht uns der Soziale Konstruktionismus, die Vergangenheit in einer für die Zukunft überaus vielversprechenden Weise zu nutzen.“
W.Roth: (Damit das Denken Sinn bekommt 2008. S.11) „ Der Erkenntnis aber, dass Wahrheiten immer nur subjektive Konstruktionen sind, deren Austausch erst eine Konvergenz auf gemeinsame Perspektiven und Interessen erbringen können, steht die weit verbreitete Angst entgegen, mit der Relativierung der eigenen Sicht auch die Identität und letztlich sich selbst zu verlieren.Tatsächlich scheint eine wirkliche Verständigung nur möglich, wenn zumindest teilweise die eigene Identität zugunsten einer universalistischen aufgegeben wird. Das ist aber kein logisches, sondern ein emotionales Problem.“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4 aus: H. Schildberg: Ressourcenorientierte und reflexive Beratung, Erfurt S. 211
Ein relationaler Lern- und Wissensbegriff rückt den Prozess des Miteinander, der sozialen Kultur, der notwendige Dialog-Zeit-Räume in den Mittelpunkt, der Prozess ist unabhängig von bestimmten Rollen.
Lernen aus konstruktivistischer Sicht
Die konstruktivistisch orientierten Lerntheorien machen deutlich, dass Lernen ein konstruktiver Prozess ist, ein aktiver Prozess, bei dem Wissen nicht angeeignet werden kann, sondern an vorhandene Urteile und Konstrukte angeschlossen wird, d.h. angeschlossen wird an eigene Erfahrungen, Muster und Werte; Lernen ist in dem Zusammenhang nur möglich, wenn es anschlussfähig ist. Dadurch, das Lernen nur vom Lernenden selber ausgehen kann, muss die Möglichkeit eröffnet werden, über die Anschlussmöglichkeit und Anschlussfähigkeit, sich aktiv zu beteiligen.
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- Citar trabajo
- Heinz Verst (Autor), 2009, Der Dialog. Eine soziale Kunst der Freiheit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/156672
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