Seit dem Ende der 50er Jahre wurde die Valenztheorie durch die bahnbrechenden Arbeiten des französischen Linguisten Lucien Tesnière in der germanistischen Linguistik bekannt. Ausgehend von der Beobachtung, daß lexikalische Einheiten die Eigenschaft besitzen, Leerstellen für eine bestimmte Art und Anzahl von Aktanten zu eröffnen, hat sich in der Nachfolge Tesnières eine umfangreiche Forschung entwickelt. Im Unterschied zur traditionellen Grammatik gibt die Valenzgrammatik das traditionelle Subjekt-Prädikat- Schema auf und zentriert die Satzstruktur auf das Verb. Die Tatsache, daß die Valenz zuerst am Verb beobachtet wurde, möchte ich aufgreifen und die Valenz oder Wertigkeit als Eigenschaft von Verben in der folgenden Hausarbeit thematisieren. Ich beschränke mich dabei in meinen Ausführungen auf die deutschen Vollverben. Vom Verb ausgehend wurde der Valenzbegriff auch auf andere Wortarten angewandt, insbesondere auf Adjektive und Substantive. Doch darauf möchte ich in dieser Hausarbeit nicht eingehen.
Neben der Anzahl der Ergänzungen, wurde später auch die Art der Ergänzungen und der Grad der Notwendigkeit dieser Ergänzungen von der Valenzforschung näher untersucht. Damit wurden Kategorien geschaffen, um die Valenz eines Verbs näher zu bestimmen. Ausgehend von Ursprung und Definition des Valenzbegriffes möchte ich die Verbvalenz anhand dieser Kategorien detailliert darstellen. Es soll gezeigt werden, daß für die Definition des Valenzbegriffes die Frage nach den unterschiedlichen Ebenen der Sprache von entscheidender Bedeutung ist. Die wichtigen theoretischen Überlegungen sollen dabei anhand von Beispielen verdeutlicht werden. Darüber hinaus möchte ich Einblicke in den Stand der Forschungsdiskussion geben.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Valenzbegriff
2.1 Ursprung und Definition
2.2 Valenzbegriff bei Tesnière
3. Ebenen der Valenz
4. Anzahl der Ergänzungen
4.1 Einteilung bei Eisenberg
4.2 Einteilung bei Helbig/Buscha
5. Arten von Ergänzungen
6. Grad der Notwendigkeit von Ergänzungen
6.1 Obligatorische und fakultative Ergänzungen/Aktanten
6.1.1 Weglaßprobe / Eliminierungstest
6.2 Alternative Valenz mit Bedeutungsunterschied
6.3 Freie Angaben
6.3.1 Trennung von Ergänzungen und Angaben
7. Bedeutung der Satzglieder für die Valenz
8. Schlussbetrachtungen
9. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Seit dem Ende der 50er Jahre wurde die Valenztheorie durch die bahnbrechenden Arbeiten des französischen Linguisten Lucien Tesnière in der germanistischen Linguistik bekannt. Ausgehend von der Beobachtung, daß lexikalische Einheiten die Eigenschaft besitzen, Leerstellen für eine bestimmte Art und Anzahl von Aktanten zu eröffnen, hat sich in der Nachfolge Tesnières eine umfangreiche Forschung entwickelt. Im Unterschied zur traditionellen Grammatik gibt die Valenzgrammatik das traditionelle Subjekt-Prädikat-Schema auf und zentriert die Satzstruktur auf das Verb.
Die Tatsache, daß die Valenz zuerst am Verb beobachtet wurde, möchte ich aufgreifen und die Valenz oder Wertigkeit als Eigenschaft von Verben in der folgenden Hausarbeit thematisieren. Ich beschränke mich dabei in meinen Ausführungen auf die deutschen Vollverben. Vom Verb ausgehend wurde der Valenzbegriff auch auf andere Wortarten angewandt, insbesondere auf Adjektive und Substantive. Doch darauf möchte ich in dieser Hausarbeit nicht eingehen.
Neben der Anzahl der Ergänzungen, wurde später auch die Art der Ergänzungen und der Grad der Notwendigkeit dieser Ergänzungen von der Valenzforschung näher untersucht. Damit wurden Kategorien geschaffen, um die Valenz eines Verbs näher zu bestimmen. Ausgehend von Ursprung und Definition des Valenzbegriffes möchte ich die Verbvalenz anhand dieser Kategorien detailliert darstellen. Es soll gezeigt werden, daß für die Definition des Valenzbegriffes die Frage nach den unterschiedlichen Ebenen der Sprache von entscheidender Bedeutung ist. Die wichtigen theoretischen Überlegungen sollen dabei anhand von Beispielen verdeutlicht werden.
Darüber hinaus möchte ich Einblicke in den Stand der Forschungsdiskussion geben. Aufgrund der sehr umfangreichen und in vielen Punkten kontroversen Forschungsdiskussion ist es im Rahmen einer Hauptseminararbeit nicht möglich, einen Gesamtüberblick über die unterschiedlichen Ansätze der Valenzforschung zu geben und einzelne Positionen und Ansätze ausführlich darzustellen. Ich beschränke mich deshalb auf grundlegende Besonderheiten einzelner Ansätze, um daran die Vielschichtigkeit der Thematik zu zeigen. Ziel dieser Hausarbeit ist, die wichtigsten Grundlagen der Valenztheorie darzustellen und in diesem Rahmen einzelne Probleme und Grenzen der Forschung zu zeigen.
2. Der Valenzbegriff
2.1 Ursprung und Definition
Der Begriff der Valenz, von dem lateinischen Verb „valere“ (wert sein) abgeleitet, ist ursprünglich ein wissenschaftlicher Terminus aus der Elementenlehre der Chemie. Er bezeichnet die Eigenschaft von Elementen, sich mit anderen Elementen zu Molekülen zu verbinden. So hat zum Beispiel das Sauerstoffatom die Wertigkeit „zwei“ und kann mit zwei Wasserstoffatomen, die jeweils einwertig sind, ein Wassermolekül (H2O) bilden. In der Chemie dient der Begriff der Valenz damit der Klassifikation der Elemente (in einwertige, zweiwertige Elemente... etc.). Anhand dieser Klassifikation können Prognosen gestellt werden über die Art und Anzahl der chemischen Verbindungen, die Elemente miteinander eingehen können. Diese Einteilung der Elemente nach ihrer Valenz ist empirisch untermauert und experimentell überprüfbar. Sie hat sich in der Chemie für die Erklärung und Prognose chemischer Bindungsphänomene bewährt.[1]
Der französische Sprachwissenschaftler Lucien Tesnière (1893-1954) hat in seinem posthum veröffentlichten Werk „Elements de syntaxe structurale“ (hg.1959) die Idee der Valenzbindung aus der Chemie auf die strukturellen Verhältnisse im Satz übertragen. Allerdings wurde die Valenzmethapher vorher auch schon von anderen Autoren z.B. Bühler verwendet. Tesnière hat in seiner Abhängigkeitsgrammatik als erster eine umfassende syntaktische Klassifikation der Verben vorgeschlagen. Diese Klassifikation der Verben nach der Stellenzahl und der Art der Ausdrücke, die die einzelnen Stellen besetzen, bildet bis heute die entscheidende Grundlage jeder Valenzgrammatik.[2]
Unter dem Begriff der Valenz versteht die Sprachwissenschaft die Eigenschaft von Verben und anderen Prädikatsausdrücken eine bestimmte Zahl von Ergänzungen zu fordern, um einen syntaktisch und inhaltlich vollständigen Satz zu bilden. Verben besitzen damit die Fähigkeit, im Satz bestimmte Leerstellen zu eröffnen, die besetzt werden müssen bzw. besetzt werden können.[3] Da alle deutschen Verben das Vorkommen oder Nichtvorkommen solcher Ergänzungen fordern, ist es möglich, sie hinsichtlich ihrer Valenz einzuteilen. Im Gegensatz zur Valenzzahl eines Elementes in einer chemischen Verbindung, die relativ einfach durch Gewichtsmessungen ermittelt werden kann, muß in der sprachlichen Valenzbindung für jedes Komplement erst entschieden werden, ob zwischen dem Verb und dem entsprechenden Komplement eine Valenzbeziehung vorliegt oder nicht.[4] Damit ist die Valenz in der Sprachwissenschaft ein sehr komplexes und vielschichtiges Phänomen.
In der Nachfolge Tesnières haben Brinkmann und Erben den Valenzbegriff als erste für die deutsche Grammatik nutzbar gemacht. Für Erben war dabei Bühler mit seiner Sprachtheorie von 1934 der wichtigste Anreger.
2.2 Der Valenzbegriff bei Tesnière
Tesnière geht im Rahmen seiner Abhängigkeitsgrammatik bei der strukturellen Satzanalyse vom Verb aus und vergleicht es mit einem Atom:
„Man kann so das Verb mit einem Atom vergleichen, an dem Häkchen angebracht sind, so daß es - je nach der Anzahl der Häkchen - eine wechselnde Zahl von „actants“ an sich ziehen und in Abhängigkeit halten kann. Die Anzahl der Häkchen, die ein Verb aufweist, und dementsprechend die Anzahl der Aktanten, die es regieren kann, ergibt das, was man die Valenz des Verbs nennt.“[5]
Tesnière definiert die Valenz damit als Fähigkeit der Verben, eine bestimmte Zahl von „actants“ zu regieren und unterteilt die Verben entsprechend in vier Kategorien: Verben ohne Aktanten (avalente Verben), Verben mit einem Aktanten (monovalente Verben), Verben mit zwei Aktanten (divalente Verben) und Verben mit drei Aktanten (trivalente Verben). Diese Unterteilung der Verben spielt bei Tesnière in zwei verschiedenen Zusammenhängen eine wichtige Rolle. Er untersucht die systematischen Strukturveränderungen in Einzelsprachen und die strukturellen Veränderungen, die bei der Übersetzung von einer Sprache in die andere auftreten.
Tesnière unterscheidet in seiner strukturellen Satzanalyse Aktanten („actants“), als Akteure des Geschehens, von Angaben („circonstants“), als den Umständen des Geschehens. Aktanten wie Angaben sind dabei unmittelbare Dependentien des Verbs. Im Gegensatz zu den Aktanten, deren Zahl durch das Verb begrenzt und determiniert ist, ist die Anzahl der Angaben im Satz nicht begrenzt. Aktanten sind laut Tesnière immer Substantive oder Äquivalente von Substantiven. Angaben hingegen sind Adverbien oder Äquivalente von Adverbien.[6] Damit beschränkt Tesnière die Valenz bei den Satzgliedern auf Subjekte und Objekte.
In der Nachfolge Tesnières wurde vielfach Kritik an seiner Valenztheorie laut. Das betraf insbesondere die problematischen Fragen nach der Rolle der Satzglieder und nach den Ebenen der Valenz. Diese Themen werden bis heute von den Valenzforschern mit sehr unterschiedlichen Ansätzen dargestellt.
Tesnière folgt der traditionellen Satzgliedlehre, indem er zwischen Objekten und Adverbialbestimmungen einen grundsätzlichen syntaktischen Unterschied macht. Ausgeschlossen aus den Valenzbeziehungen sind damit die Präpositionalgruppen (d.h. Präpositionalobjekte und Adverbialbestimmungen) und die Prädikativa.[7] Außerdem findet in Tesnières Untersuchungen der Grad der Notwendigkeit der Aktanten keine Beachtung, es wird entsprechend nicht deutlich, ob ein Aktant im Satz obligatorisch ist bzw. auch fakultativ sein kann. Auch in der Frage nach den verschiedenen Ebenen der Valenz bleiben bei Tesnière viele Probleme offen.
So stellt Storrer in ihrer vergleichenden Untersuchung zur Verbvalenz (1992) fest, daß der Valenzbegriff von Tesnière nicht präzise genug in die Linguistik eingeführt wurde. Sie macht deutlich, daß er zwar die strukturelle und semantische Ebene der Valenz unterscheidet, das Verhältnis der Ebenen zueinander aber nur oberflächlich untersucht hat.[8]. Auf die unterschiedlichen Ebenen der Valenz möchte ich im folgenden näher eingehen.
3. Ebenen der Valenz
Schon seit langem sind sich die Sprachwissenschaftler darüber einig, daß Valenz auf unterschiedlichen Ebenen der Sprache existiert. Der Begriff der sprachlichen Ebenen wird von Welke wie folgt definiert:
„Ebenen sind Strukturaspekte des Satzes, die als relativ selbständig angesehen werden und für die deshalb eigene Elemente und eigenständige Beziehungen zwischen den Elementen angesetzt werden. z.B. syntaktische und semantische Ebenen und Beziehungen.“[9]
Die Tatsache, daß ein Verb auf den unterschiedlichen Ebenen der Sprache verschiedene Valenzen haben kann, hat es notwendig gemacht, bei der Valenzbetrachtung die verschiedenen Ebenen zu unterscheiden. Ein Beispiel soll diese Problematik verdeutlichen:
Bsp.: es schneit
Syntaktisch betrachtet ist das Verb schneien einwertig, es eröffnet eine Leerstelle, die mit dem unpersönlichen Pronomen „es“ besetzt werden muß. Semantisch betrachtet allerdings ist das Verb schneien nullwertig, denn das unpersönliche Pronomen „es“ ist in diesem Beispiel semantisch leer, es kann nicht durch die Austauschprobe ersetzt werden.
*Sie schneit.
Die gleiche Problematik zeigt sich im folgenden Beispiel:
Bsp.: ich wasche mich
Syntaktisch betrachtet ist das Verb waschen zweiwertig, da es zwei Ergänzungen fordert. (Subjekt +Akkusativobjekt) Semantisch betrachtet ist das Verb waschen in diesem Fall einwertig. Das Subjekt (ich) hat in diesem Beispiel keine explizite Bedeutung, es ist semantisch leer und kann nicht ersetzt werden. * Es wasche mich.
An diesen Beispielen wird deutlich, daß die Valenz eines Verbs, verstanden als Anzahl der valenzgebundenen Einheiten verschieden sein kann je nachdem, ob formal-syntaktische oder semantische Eigenschaften als Kriterien verwendet werden. Dieses Phänomen hat seit Beginn der Valenzdiskussion bis heute zu erheblichen Definitionsproblemen und Kontroversen geführt. Aufgrund der Unterscheidung zwischen syntaktischer und semantischer Valenz trat die Frage immer stärker in den Mittelpunkt, welcher sprachlichen Ebene der Valenzbegriff denn primär zugeordnet werden muß. Diese Frage konnte von den Valenzforschern bis heute nicht einheitlich beantwortet werden. Die Ursache für diese Problematik sehen Helbig/Schenkel bei Tesnière:
„Bei Tesnière wird nicht deutlich, auf welcher Ebene sein Valenzbegriff angesetzt wird, ob es sich bei der Valenz um eine formale oder um eine begriffliche Kategorie, eine Kategorie der Ausdrucks oder der Inhaltsebene handelt.“[10]
[...]
[1] Vgl. Storrer, (1992) S.25
[2] Vgl. Eisenberg, (1994) S.74
[3] Vgl. Helbig/Buscha, (1994) S.620
[4] Vgl. Storrer, (1992) S.56
[5] Tesniere, (1980) S.161
[6] Vgl. Tesniere, (1980) S.93
[7] Vgl. Helbig (1971) S.32
[8] Vgl. Storrer, (1992) S.28
[9] Welke (1988) S.97
[10] Helbig/Schenkel, (1983) S.63
- Citar trabajo
- M.A. Uta Ziegler (Autor), 2002, Valenz deutscher Verben, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15645
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