Weltweit schreitet die Globalisierung und Internationalisierung der Gesellschaft voran. Im Berufsleben, in Schule, Studium sowie bei Aus- und Fortbildung und im privaten Leben wächst die Anzahl und Ausmaß der Kontakte zu Menschen aus anderen Kulturen. Dabei erzeugen zwischenmenschliche Begegnungen häufig Kommunikationsprobleme. Daher gewinnen Fähigkeiten zum konstruktiven Umgang mit kultureller Vielfalt an Bedeutung.
Auf Grund der zunehmenden Internationalisierung und Globalisierung der Wirtschaft gibt es heute internationale Beziehungen in einem in der Vergangenheit nicht bekannten Ausmaß. Daraus resultiert, dass der konstruktive Umgang mit kultureller Vielfalt und unterschiedlichen Werthaltungen auf der zwischenmenschlichen Ebene in den kommenden Jahren nicht nur in Schule, Sprachunterricht, Gesundheitswesen, sozialer Arbeit und militärischen Einsätzen eine enorme Rolle spielen wird. Ebenso werden sie zu den Schlüsselqualifikationen von Managern international agierender Unternehmen gehören müssen. Insbesondere geht es darum, im gemeinsamen interkulturellen Lernen, dass eine Form des sozialen Lernens mit dem Ziel der interkulturellen Kompetenz bezeichnet, einen Umgang mit Fremdheit zu finden und interkulturelle Kommunikation in den Arbeitsalltag erfolgreich umzusetzen.
Anhand von prägnanten Beispielen in den deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen wird interluturelle Kompetenz diskutiert und die Notwendigkeit von interkulturellen Trainigs in international agierenden Wirtschaftsunternehmen unterstrichen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Hinführung zur Thematik
1.2 Ziel der Arbeit
1.3 Aufbau der Arbeit
2. Kultur als vielfältiges Phänomen
2.1 Interkulturelle Missverständnisse
2.2 Vielfältigkeit des Kulturbegriffes
2.3 Das Kulturkonzept von Hofstede
2.4 Das Kulturkonzept von Hall
2.5 Das Kulturkonzept von Trompenaars
2.6 Kulturstandards nach Thomas
2.7 Zur theoretischen und praktischen Relevanz der Kultur im internationalen Personalmanagement
3. Einordnung Russlands in Kulturdimensionen und Kulturstandards
3.1 Die Widersprüchlichkeit der russischen Seele
3.2 Kollektivismus vs. Individualismus
3.3 Kulturelle Verankerungen der Hierarchieordnung
3.4 Kontextgebundene vs. Kontextungebundene Kulturen: Wichtigkeit von persönlichen Beziehungen
3.5 Umgang mit der Zeit
3.6 Partikularismus vs. Universalismus
3.7 Umgang mit der äußeren Umwelt: Schicksalsergebenheit
3.8 Religion und Sprache
3.9 Auswirkungen für Personalmanagement
4. Neue Anforderung an das Internationale Personalmanagement: Förderung interkultureller Kompetenz
4.1 Personalmanagement als kulturgebundenes Phänomen
4.2 Cultural Diversity Management als betriebswirtschaftliches Instrument zur Nutzung interkultureller Vielfalt
4.3 Interkulturelle Kompetenz – Schlüsselkompetenz der Zukunft
4.3.1 Dimensionen interkultureller Kompetenz
4.3.2 Diagnose interkultureller Kompetenz
4.4 Zu neuen Aspekten in der Personalpolitik in international agierenden Unternehmen
5. Interkulturelle Kompetenz im internationalen Personaleinsatz: interkulturelles Lernen
5.1 Interkulturelles Training und seine Zielgruppen
5.2 Zielsetzungen interkultureller Trainings
5.3 Didaktische Ansätze interkultureller Trainings
5.4 Methoden/Techniken interkultureller Trainings
5.5 Evaluation und Grenzen interkultureller Trainings
5.6 Relevanz und Nutzen interkultureller Trainings
6. Schlussbetrachtung
7. Literaturverzeichnis
8. Anhang
Anhang1: Culture-Assimilation-Training Russland
Anhang 2: Übung zur einen kulturspezifischen Simulation
Abbildungsverzeichnis
Abb.1: Das Eisberg-Syndrom
Abb. 2: Kulturelle Dimensionen im Wertequadrat
Abb. 3: Stadien interkultureller Kompetenz
Abb. 4: „Ambigious Lady“
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Wichtige Merkmale der Kulturdimensionen
Tab. 2: Kulturdimensionen nach Trompenaars
Tab. 3: Forbes survey of 500 Chief Financial Officers. Why integration Synergies are not achieved?
Tab. 4: Deutschland und Russland im Vergleich
Tab. 5: Zielsetzungen interkultureller Trainings
1. Einleitung
1.1 Hinführung zur Thematik
Weltweit schreitet die Globalisierung und Internationalisierung der Gesellschaft voran. Im Berufsleben, in Schule, Studium sowie bei Aus- und Fortbildung und im privaten Leben wächst die Anzahl und Ausmaß der Kontakte zu Menschen aus anderen Kulturen.[1]
Bei Betrachtung der wachsenden global-transkulturellen Kommunikationszusammenhänge der Gesellschaft muss berücksichtigt werden, dass zwischenmenschliche Begegnungen häufig Kommunikationsprobleme erzeugen, erst recht, wenn es sich hierbei um Menschen unterschiedlicher Kulturen handelt. Daher gewinnen Fähigkeiten zum konstruktiven Umgang mit kultureller Vielfalt an Bedeutung.
Mit der durch die Globalisierung ausgelösten Pluralisierung werden die ethnische und kulturell-religiöse Heterogenität unserer Gesellschaften und damit der Kontakt zwischen Menschen unterschiedlicher Werthaltungen in verschiedenen Bereichen mit Sicherheit zunehmen. Im Fokus der Interkulturellen Pädagogik steht immer die Förderung des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Herkunft. Dies wird auch in Zukunft eine fordernde und fördernde Aufgabe sein, wobei sich die Handlungsfelder der Interkulturellen Pädagogik erweitern und mit anderen Disziplinen so wie Wirtschaft verknüpft werden.
Auf Grund der zunehmenden Internationalisierung und Globalisierung der Wirtschaft gibt es heute internationale Beziehungen in einem in der Vergangenheit nicht bekannten Ausmaß. Daraus resultiert, dass der konstruktive Umgang mit kultureller Vielfalt und unterschiedlichen Werthaltungen auf der zwischenmenschlichen Ebene in den kommenden Jahren nicht nur in Schule, Sprachunterricht, Gesundheitswesen, sozialer Arbeit und militärischen Einsätzen eine enorme Rolle spielen wird. Ebenso werden sie zu den Schlüsselqualifikationen von Managern international agierender Unternehmen gehören müssen. Insbesondere geht es darum, im gemeinsamen interkulturellen Lernen, das eine Form des sozialen Lernens mit dem Ziel der interkulturellen Kompetenz bezeichnet,
einen Umgang mit Fremdheit zu finden und interkulturelle Kommunikation in den Arbeitsalltag erfolgreich umzusetzen.
Für viele gilt Globalisierung bzw. Internationalisierung als Segen, als Wegbereiter für eine hoffnungsvollere Zukunft.[2] Für andere sind diese Begriffe jedoch auch mit Ängsten und Sorgen verbunden. Zum einen beschleunigt und erleichtert die Globalisierung den Welthandel durch eine in ihren Möglichkeiten unbegrenzt erscheinende Informations- und Kommunikationstechnologie. Zum anderen wird das ernste Problem der Arbeitsplatzsicherung insbesondere in Deutschland in der Diskussion eindeutig mit Internationalisierungsprozessen von Unternehmen verknüpft.[3] Zu den positiven Aspekten der Globalisierung gehören eine beispiellose Ausweitung von Investitionen und Handel, wie die Öffnung der bevölkerungsreichen Regionen der Welt für den internationalen Handel und die Perspektive für eine Reihe von Entwicklungsländern, ihren Lebensstandard zu steigern.[4]
Die Globalisierung verlangt von vielen Firmen eine internationale Ausrichtung der gesamten Geschäftstätigkeit. Daher ist es oft unverzichtbar, dass ihre Mitarbeiter vor Ort im jeweiligen Land arbeiten und leben. Sie geraten dann in Kontakt mit anderen Kulturen bzw. mit anderen Kenntniskomplexen, Glaubensvorstellungen, Moralauffassungen, Rechten, Bräuchen, wie auch anderen Fähigkeiten und Sitten. Diese sind ihnen oft fremd, da der Mensch als Mitglied einer Gesellschaft unterschiedlich kulturell geprägt wird. Werden Kulturunterschiede ignoriert, kann manchmal sogar ein geschäftlicher Vertrag platzen, da z.B. gegen ungeschriebene, kulturgebundene Verhaltensregeln verstoßen wurde.
Internationalisierungsprozesse haben heute sehr vielfältige Ausprägungsformen. Unternehmen unterliegen daher ständigen Wandlungsprozessen. Strukturen und Kommunikationswege dürfen ein internationales Agieren auf den Märkten nicht behindern, sondern müssen diese Ausrichtung durch Organisationsentwicklung fördern und stabilisieren.[5] Das Ausmaß der Internationalisierung von Unternehmen zeigt sich dabei in deren Kultur, Zielsetzung, Strategien sowie den Denk- und Handlungsweisen des Managements. Internationalisierung ist daher zugleich eine Unternehmensphilosophie. Zu dieser gehört auch eine mentale Öffnung gegenüber anderen Kulturen im Sinne eines Wunsches nach partnerschaftlicher Zusammenarbeit, die als „mentale Internationalisierung“[6] bezeichnet werden kann.
Durch die Globalisierung steigt in vielen Unternehmen der Bedarf an qualifiziertem Personal, das sich auf dem internationalen Parkett - der Arena - sicher und erfolgreich bewegen kann. Eine Sensibilisierung des heterogenen Kulturverständnisses ist in der „globalen Arena“ von elementarer Bedeutung. Viele Unternehmen leben jedoch nach wie vor in einer Art Monokulturalismus, den sie selbst ständig reproduzieren.[7] Tatsächlich ist das so, dass meisten Unternehmen selten kulturelle Diversifikation zulassen: Vielfalt wird von Menschen oft als Bedrohung empfunden. Sie reagieren häufig mit Ignoranz und Verneinung oder gar der Überlegenheit gegenüber den anderen Kulturen. Potenziale, die sich aus der multikulturellen Belegschaft ergeben, werden oft in hohem Maße unterschätzt. Dabei ist es plausibel zu erkennen, dass es aufgrund der bestehenden Gefahr von Globalisierungsfallen nicht mehr ausreicht, sich bei Misserfolgen nur auf den Aspekt der Markt - Produkt - Orientierung zu konzentrieren und über die Verbesserung des eingesetzten Instrumentariums die gesetzten Ziele zu realisieren.[8] Die Ursachen des Scheiterns liegen oft in der Verdrängung der „Soft Skills“ der Belegschaft.
Wachsende internationale Wirtschaftsverflechtungen stellen komplexe Anforderungen an die Personalabteilung internationaler Unternehmen. So besteht ein Bedarf an qualifizierten Führungskräften wie auch an Mitarbeitern, die vom Stammhaus aus international agieren können.
Internationalisierung ist heute weit mehr als nur eine geografische Diversifikation von Unternehmensaktivitäten. Dabei geht es um mehr als nur eine reine prozessgleiche Erweiterung internationaler unternehmerischer Geschäftsfelder. Grenzüberschreitendes Handeln muss sich mit fremden Umwelten auseinander setzen können.[9] Die Bedeutung wie auch die Wirksamkeit der „Kultur“ in Wirtschaftsbeziehungen darf nicht ignoriert werden. Landeskultur wirkt wie eine unsichtbare Hand. Sie ist wie eine nonverbale Sprache in den Kommunikations- und Beziehungsmustern zwischen Individuen verschiedener Nationen und ermöglicht nicht nur die Verständigung, sondern auch das Verstehen der jeweiligen Handlungen.[10] Die Ignoranz der interkulturellen Perspektive führt zu schnell gebildeten Stereotypen, Konflikten und Missverständnissen.
Internationale Handlungskompetenz stellt zusammen mit der Kulturperspektive und dem Human Ressource Management den Kern der Globalisierungsstrategie dar.
1.2. Ziel der Arbeit
Das Ziel dieser Arbeit ist die Verdeutlichung der Notwendigkeit der interkulturellen Kompetenz in internationalen Beziehungen. Die Frage nach den Auswirkungen kultureller Unterschiede zwischen Geschäftspartnern auf deren Zusammenarbeit ist dabei von besonderem Interesse.
Es ist nicht Ziel dieser Arbeit, konkrete Empfehlungen für die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern aus einem Bestimmten Land zu geben. Dies würde zum einen den Rahmen dieser Diplomarbeit sprengen, zum anderen sollen die interkulturelle Konzepte und Trainigseinheiten für festgelegte Zielgruppen und Zwecke individuell gestaltet werden.
Es soll allerdings untersucht werden, worauf sich die meisten Konfliktsituationen zwischen Geschäftspartnern unterschiedlichen Kulturen zurückführen, inwieweit sie sich durch interkulturelle Kompetenz vermeiden lassen und wie die Zusammenarbeit erfolgreicher gestalten werden kann.
Vordergründiges Anliegen dieser Diplomarbeit ist einerseits eine Sensibilisierung für unterschiedliche Kulturen, andererseits eine Reflektion der eigenen Denk-, Fühl- und Handlungsmuster.
Die Analyse kulturrelevanter Aspekte des internationalen Personalmanagements soll die folgenden Kernfragen beantworten:
1. Inwiefern bereitet die Globalisierung der Wirtschaft neue Praxisfelder für Interkulturelle Pädagogik?
2. Welche Einflüsse haben kulturspezifische Phänomene auf internationale Geschäftsbeziehungen?
3. Inwiefern und in welchen Dimensionen lassen sich am Beispiel deutsch-russische Geschäftsbeziehungen eventuelle kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten feststellen?
4. Welche Konsequenzen können für das internationale Personalmanagement aus diesen kulturellen Differenzen gezogen werden?
5. Auf welche Weise sind kulturelle Einflüsse als Chance und Potenzial im Rahmen des internationalen Personalmanagements nachhaltig zu berücksichtigen?
1.3 Aufbau der Arbeit
Zu Beginn der Arbeit wird zunächst auf die interkulturellen Missverständnisse, zu denen ein Mangel an interkultureller Kompetenz führen kann, eingegangen. Da dies in der Regel die internationale Zusammenarbeit negativ beeinflusst. Als Ausgangspunkt der interkulturellen Kompetenz liegt ein dynamischer Kulturbegriff zu Grunde. Entscheidend dabei ist die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen. Durch das Erkennen von Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Kulturen können eigene bis dahin nicht hinterfragte Positionen überdacht werden und gegebenenfalls neue Lösungsstrategien erkannt werden. Deswegen steht im Fokus des zweiten Kapitels der Kulturbegriff mit dessen Bedeutung für das Personalmanagement. Dort werden einige Beispiele interkultureller Forschung zum Thema Kulturdimensionen und Kulturstandards erläutert.
Des Weiteren werden theoretische Erkenntnisse aus Kapitel 2 in praktische Lösungsansätze umgewandelt. Darauf aufbauend wird im Kapitel 3 Russland im Licht von Kulturdimensionen dargestellt, mit dem Ziel, zu verdeutlichen, warum in der Zeit der Internationalisierung neue Anforderungen an das Personal Management entstehen. Die Konsequenzen sollen Parallele zum Internationalen Personalmanagement zeigen bzw. den Zusammenhang zwischen einer Landeskultur und wirtschaftlichen Beziehungen. Der Weg vom internationalen Personalmanagement zum Diversity Management wird als Folgerung dargestellt.
Im Anschluss daran soll der Begriff Interkulturelle Kompetenz, der im Mittelpunkt dieser Arbeit steht, diskutiert werden. Dies wird absichtlich erst im Kapitel 4.3 gemacht, um sich dabei an vorher dargestellten Kenntnissen zu orientieren. Gegenstand dieses Abschnittes ist die Verdeutlichung der Notwendigkeit interkultureller Kompetenz sowie die Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse bezüglich Maßnahmen, die zu der Entwicklung dieser Kompetenz beitragen können.
Aufbauend auf diesem Kapitel werden praktische Maßnahmen und konkrete Empfehlungen dargestellt, die in einer besseren Zusammenarbeit zwischen den Partnern der unterschiedlichen Kulturkreise resultieren können. Als Folgerung wird interkulturelles Training (Intercultural Training) als strategisch wichtige Maßnahme im Rahmen des internationalen Personalmanagements aufgezeigt.
Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der theoretischen und praktischen Erkenntnisse sowie einigen Empfehlungen für das internationale Management ab.
2. Kultur als vielfältiges Phänomen
In diesem Teil der Arbeit wird versucht den Begriff „Kultur“, der im Zentrum von wichtigen Debatten u.a. Interkultureller Pädagogik steht,[11] zu definieren und aufzuzeigen, welchen Einfluss kulturspezifische Phänomene auf internationales Personalmanagement haben. Ziel dieses Abschnitts ist es, anhand der Kulturkonzepte von Geert Hofstede, Fans Trompenaas, Edward T. Hall und Alexander Thomas eine Hilfe im Umgang mit den Unterschieden im Denken, Fühlen, und Handeln von Menschen unterschiedlicher Kulturkonzepte zu geben und auf das Management zu übertragen. Um den Einfluss der Kultur auf Personal Management zu verdeutlichen, erfolgt zudem ein kurzer Ausblick auf das Thema interkulturelle Missverständnisse.
2.1. Interkulturelle Missverständnisse
„Was diesseits der Pyrenäen Wahrheit ist, ist jenseits der Pyrenäen Irrtum.“
(Blaise Pascal, 1623-1662)[12]
Ob es um die Begrüßungsform, den Ablauf von Besprechungen, das Verhalten bei Entscheidungen und Planungen, Umgang mit der Zeit, Macht und Autorität geht – viele vertraute Verhaltensmuster greifen bei interkulturellen Begegnungen nicht. Die Anlässe können dabei sehr subtil sein. Ein Deutscher ist über die mangelnde körperliche Distanz eines Portugiesen oder über eine hohe Machtdistanz und lockere Einstellung zum Faktor Zeit eines Russen irritiert. Ein in Japan gegebenes „Ja“ wird als „Ja“ verstanden, obwohl es eigentlich nur ein „Vielleicht“ meinte. Das typisch bulgarische Kopfschütteln wird als Ablehnung interpretiert, was in Bulgarien Zustimmung bedeutet. Die Visitenkarten in Japan werden mit beiden Händen überreicht und auch entgegengenommen. Wer sie einfach achtlos einsteckt, begeht einen peinlichen Fehler.
Interkulturelle Missverständnisse werden ausgelöst durch Fehlinterpretationen von Signalen und Verhaltensweisen. Viele westliche Kulturen betonen die Einzigartigkeit des Individuums. Dagegen betrachten viele östliche Kulturen die Menschen als Teil der Gemeinschaft, die sich nur durch Sozialstatus und Beziehungen unterscheiden. Persönliche Emotionen zu äußern gilt als vulgär. Der Mensch soll sich einfügen und sich nicht aus der Masse hervorheben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Kulturelle Dimensionen im Wertequadrat.[15]
Die beiden Werte schließen sich gegenseitig nicht aus, sondern stehen eher in einem Ergänzungsverhältnis. Jeder Wert ist ohne den anderen in Gefahr, zu vereinseitigen. So droht ein reiner Kollektivismus, der die Würde des Individuums preisgibt, im Totalitären zu landen. Umgekehrt kann ein überbetonter Individualismus, der die Interessen der Gemeinschaft ignoriert, zu einem verantwortungslosen Egozentrismus führen.[16]
Die Gefahr der interkulturellen Befremdung liegt nun darin, sich selbst in den oberen Etagen des Wertequadrats zu platzieren und den anderen in den unteren Etagen. Was in zwischenmenschlicher Kommunikation als Vorwurf zu betrachten ist, ergibt sich aus den Vorwurfsrichtungen im Wertequadrat. Diese können im interkulturellen Zusammenhang auch als Befremdungsrichtungen interpretiert werden.
Der Richtung der Vorwürfe (Konfliktentstehung) entgegen setzen sich die Pfeile, die den Weg zu einer Konfliktlösung im Rahmen des interkulturellen Lernens anzeigt: eine Sensibilisierung für die und eine Orientierung an den Interaktionsprinzipien, die der jeweils anderen Kultur nahe stehen, aber der eigenen auf keinen Fall vollkommen fremd sind.[17]
Es können auch Werte der Gegenkultur entdeckt werden, die für die Entwicklung eigener Kultur ein gutes Ergänzungsprinzip sein könnte: Für die individuumorientierte Kulturen gibt es beispielweise auch die Gemeinschaftsorientierung zu erkennen, für die kollektivistischen Kulturen auch den Wert und die Würde des Einzelnen zu schätzen.
Die Missverständnisse scheinen oft wie ungerechtfertigt erhaltene Ohrfeigen und wirken sich nicht nur auf die emotionale, sondern auch auf die wirtschaftliche Ebene aus: ein großer Teil interkultureller Geschäftskontakte scheitert weder an der Sprache noch an den fachlichen Vorbereitungen, sondern vielmehr an der Andersartigkeit der Denk- und Verhaltensweise des Geschäftspartners. Daher bedingt die Gestaltung von Geschäftsbeziehungen ein hohes Maß an speziellem Wissen und Sensitivität sowie Kulturbewusstsein, um die Kontakte erfolgreich zu gestalten und kulturelle Vielfalt produktiv zu nutzen. Erfolgreich mit Menschen anderer Länder oder Kulturen zu kommunizieren, Geschäfte zu machen oder zusammenzuarbeiten, setzt eine gute und vielfältige Vorbereitung und Kompetenz bzw. interkulturelle Kompetenz voraus. Daher hat Kultur eine nicht zu unterschätzende Bedeutung.
2.2 Vielfältigkeit des Kulturbegriffes
Kultur umfasst Vieles, unter anderem das, wie Menschen sich verhalten, wie sie ihr Umfeld gestalten, woran sie glauben oder wie sie die Welt begreifen. Kultur wird größtenteils von der Familie oder der Gemeinschaft tradiert, wir verinnerlichen sie meist unbewusst als Kinder und Jugendliche. Die Werte und Gewohnheiten der eigenen gesellschaftlichen Gruppe erscheinen uns normal, diejenigen anderer Gruppen möglicherweise fremd oder gar bedrohlich. Eine gemeinsame Kultur aber verstärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie bietet den Menschen einen Verhaltensmaßstab, wie sie ihn selbst im Laufe eines langen Lebens nicht neu entwickeln könnten.
Den Eckfeiler einer Kultur bilden gemeinsame Überzeugungen. Menschen können sich leichter verständigen, wenn sie sich im Grundsatz darüber einig sind, wie die Welt funktioniert, was Gut und Böse unterscheidet und welche ästhetischen Ideale erstrebenswert sind.
Bei der Suche nach einer einheitlichen Definition des Begriffes "Kultur" gibt es verschiedene Ansätze. 1952 z.B. haben Alfred Kroeber und Clyde Kluckhohn eine Liste von über 150 verschiedenen Definitionen von Kultur in ihrem Buch (Culture: A Critical Review of Concepts and Definitions) zusammengetragen.[18]
Kultur bezeichnet demnach den Komplex von Kenntnissen, Glaubensvorstellungen, Kunst, Moralauffassung, Recht, Bräuchen und allen anderen Fähigkeiten und Sitten, die der Mensch als Mitglied einer Gesellschaft erworben hat.
Keesing hat 1974 die Bestandteile der Kultur einer Gesellschaft beschrieben als das, was man wissen oder glauben muss, damit man auf eine Art und Weise handeln kann, die für ihre Mitglieder akzeptabel ist.[19] Des Weiteren spricht er bei Kultur nicht von Dingen, Menschen, Verhalten oder Emotionen, sondern von deren Organisation. Diese Definition ist aber nicht ausreichend, um zu erkennen, ob ein Anpassungsdruck gegenüber der Gruppe besteht.
Barth hingegen hat 1998 die Dynamik von Kulturen betont und verdeutlicht, dass das so häufig benutzte Bild vom Kulturkreis eine Abgeschlossenheit suggeriert, die es gerade wegen der Dynamik von Kultur nicht gibt.
Haselier und Thiel sprechen von primären und sekundären Kulturdimensionen wie z.B. Alter, Geschlecht oder Ethnie sowie Einkommen, Familienstand oder Bildungsstand.[20] In ihrer Analyse einzelner Länder unterscheiden sie die Dimensionen Machtdistanz, Unsicherheitsvermeidung, Individualismus und Maskulinität. Hierbei können aber nur Tendenzen aufgezeigt werden, die als Orientierungshilfe dienen können. Es dürfen aber keine Rückschlüsse wie „alle Deutschen sind...“ gezogen werden. Ebenfalls kommt es darauf an, in welchen Kontext diese Ergebnisse genutzt werden und ob mit ihnen Vorurteile festgelegt bzw. reproduziert werden.
Auch in den Sozialwissenschaften ist die Bedeutung des Begriffs vielfältig. Menschliche Gesellschaften leben nach selbstdefinierten Regeln und geben diese Regeln in spezifischer Art und Weise an ihre Nachfahren weiter. Mit Kultur ist demnach die Gesamtheit der Verhaltenskonfigurationen oder auch der Symbolgehalte (Religion, Kunst und Wissen) einer Gesellschaft gemeint. Diese ideelle Kultur wird manchmal unterschieden von der materiellen Ausstattung der Gesellschaft ("materielle Kultur"). Im späten 19. Jahrhundert plädierten Anthropologen für eine breitere Definition des Begriffes Kultur. Sie wollten das Wort auf eine Vielzahl von verschiedenen Gesellschaften anwenden können und argumentierten, die Kultur entspreche der menschlichen Natur. Kultur habe ihre Wurzeln in der menschlichen Fähigkeit, Versuche systematisch auszuwerten und deren Ergebnisse in Schrift und Sprache weiterzugeben.
Im sozial- und erziehungswissenschaftlichen Sinne ist Kultur ein Repertoire von Bedeutungsmustern und Zeichensystemen, wie zum Beispiel Traditionen, Glaubensvorstellungen oder Verhaltensregeln, z.B. Werte und Normen usw. Aufgrund dieser Vielzahl von Ausprägungen ist es nicht möglich, Kultur auf eine bestimmte Nationalkultur zu reduzieren. Der Versuch einer Reduktion von Kultur stellt somit immer einen falschen Ansatz in der Herangehensweise dar. Auch wenn in der einen Nation national bestimmte Dinge ausgeprägter sind als in einer anderen, so gibt es innerhalb einer nationalen Gesellschaft immer noch sehr viele verschiedene kulturelle Bedeutungsmuster, Zeichensysteme und Lebensweisen. Diese gehen aus unterschiedlichen Entwicklungen hervor und spiegeln sich beispielsweise in Jugendkulturen, Klassenkulturen, städtischen oder bäuerlichen Kulturen usw.
Ebenfalls ist kritisch zu hinterfragen, inwieweit die vorgenommene Betrachtung einzelner Nationen tatsächlich eindeutig abgrenzbare kulturelle Besonderheiten aufzeigen kann, denn viele Nationen bestehen aus Vertretern unterschiedlicher Kulturen,[21] also kann interkulturelle Kommunikation letztlich auch innerhalb einer Nation stattfinden. Hier ist Kultur eher als das Charakteristikum einer Gesamtheit von Individuen mit gemeinsamen Glaubens- und Wertvorstellungen, Ideen, Verhalten, Einstellungen usw. zu verstehen.
Seit den 1980er Jahren wird der Kulturbegriff eifrig in der Ethnologie diskutiert. Inzwischen haben sich die meisten Ethnologen von der Vorstellung von homogenen, in sich geschlossenen Kulturen, die leicht von anderen Kulturen abgrenzbar sind, verabschiedet. Abu-Lughod gehört zu den Ethnologinnen, die inzwischen davon sprechen, der Kulturbegriff werde wie der alte Rassenbegriff verwendet.[22] Ethnologen würden die kulturellen Unterschiede zwischen Gruppen hervorheben. Die Unterschiede würden als selbstverständlich dargestellt, ebenso die Trennung der Gruppen voneinander, so die Begründung von Abu-Lughod. Sie räumt jedoch ein, dass der Kulturbegriff im Gegensatz zum Rassenbegriff das menschliche Verhalten als gesellschaftlich erlernt und nicht als biologisch vorbestimmt ansieht.[23]
Wichtig bei der ethnologischen Kritik am Kulturkonzept ist der Bedeutungswandel des Wortes Kultur. Ursprünglich wurde es im landwirtschaftlichen Sinne von "kultivieren", "anbauen", "pflegen" und im Sinne von "Weizenkultur" oder "Gerstenkultur" benutzt.[24] Erst im 18./19. Jahrhundert erlangte es die heutige Bedeutung und – ganz wichtig – wurde auch im Plural benutzt. Die Idee, es gebe verschiedene Kulturen, die sich durch gemeinsame Sprache, Geschichte und Tradition auszeichnen, ist nicht älter als 250 Jahre. Dass jede Nation ihre eigene Gesellschaft besitze, angetrieben von ihrem besonderen Geist oder von ihrer Kultur, diente dazu, Bemühungen zu legitimieren, einen eigenen Staat zu beanspruchen. Herder (1744-1803) wird für gewöhnlich als geistiger Erfinder der ersten systematischen Theorie über "Kulturen" genannt.[25] Er formuliert sie in einem ganz bestimmten historischen Zusammenhang. Er sieht "die deutschen Völker" vom französischen Expansionsdrang bedroht und insistiert auf dem Recht der Deutschen, nicht französisch zu werden. Jedes Volk, meint er, hätte seine eigene Kultur und das Recht, sie zu bewahren. Dieses Recht galt seiner Auffassung nach für alle Volksgruppen.
Franz Boas verbreitet diese Lehre in der Ethnologie. Er benutzt sie, um gegen den Evolutionismus und Rassismus in den USA in seinem Fach anzukämpfen. Er besteht darauf, alle Kulturen als einzigartig zu betrachten. Man soll versuchen, Kulturen aus ihrer eigenen Perspektive heraus zu verstehen. Das Ziel der Ethnologie soll seiner Meinung nach nicht sein, Kulturen auf einer Entwicklungsachse anzuordnen, sondern die Eigenart jeder Kultur zu erfassen und darzustellen.[26]
In den letzten Jahren wurde ein Prozess der Ethnifizierung bemerkt. Ethnifizierung versteht sich am besten als ein "Kommunizieren von kulturellen Unterschieden"[27]. Sie ist oft als eine Gegenbewegung zur Globalisierung, die manche als kulturelle Vereinheitlichung oder Amerikanisierung erleben, beschrieben worden. Plötzlich wurde Folkmusik wieder populär, World Music und Orientalische Musik tauchten als neue Begriffe auf. Man bekam den Eindruck, Ethnizität sei etwas fundamental Wichtiges, etwas, das jemand wie "seine Kultur" ständig bei sich trägt. Nach Eriksen wurde selbst die persönliche mit der ethnischen Identität vermischt und gleichgesetzt, so dass man denken muss, dass z.B. jeder Pakistani oder Norweger in erster Linie Pakistani oder Norweger sei. Zu seiner Studienzeit zu Beginn der 1980er Jahre sei das anders gewesen. Da bekam er in Vorlesungen zu hören, dass es nur zwei Typen von Menschen auf der Welt gebe: Unterdrücker und Unterdrückte.[28] Hier wird ein Paradigmenwechsel offenbar: Konflikte wurden nicht mehr durch politische oder wirtschaftliche Aspekte erklärt, sondern durch ethnische.
Es lässt sich beobachten, wie es politische Führer innerhalb kürzester Zeit schafften, Identität umzucodieren. Plötzlich war man z.B. Kroate und applaudierte nicht mehr dem jugoslawischen/serbischen Beitrag für den European Song Contest wie noch das Jahr zuvor. Öffentliche Plätze wurden umbenannt, Stereotypen werden hervorgeholt, welche die eigene Kultur von der Kultur der Nachbargruppe unterscheiden sollen, plötzlich sprach man nicht mehr Serbokroatisch, sondern Serbisch oder Kroatisch. Der Diskurs
wurde so lange in den Kategorien "Kroaten" gegen "Serben" geführt, bis einem diese Interpretation der Wirklichkeit als natürlich vor kam.
Der Kulturbegriff beschränkt sich somit nicht auf Eigenheiten einer biologischen Rasse, er ist viel umfassender und nicht eindeutig wissenschaftlich fassbar. Allerdings muss die Verwendung dieser Begrifflichkeiten auf Grund drohenden Missbrauchs (besonders in der Politik) stets sorgfältig betrachtet werden. Wie zuvor dargestellt, kann der Begriff "Kultur" auch auf eine sehr kontraproduktive Weise benutzt werden. Dies muss aber nicht unbedingt nur von politisch rechtsgerichteten Personen oder Gruppen ausgehen, denn auch sowohl innerhalb der Gesellschaft als auch in einem Unternehmen kann es zu einer kontraproduktiven Anwendung des Begriffes „Kultur“ kommen.
Globalisierte Finanz- und Warenmärkte, weltweite Medienstrukturen und Migrantenströme haben zu einer exponentiellen Zunahme kultureller Austauschprozesse geführt. Im Zuge dieser Kontakte verschwinden zahlreiche traditionelle Lebensformen. Lokale Kulturen verändern sich und gehen ungewohnte Kombinationen ein. Die Grenzen zwischen dem eigenen und dem Fremden verwischen zusehends. Überall sind menschliche Lebenswelten kulturell heterogen geworden. Das Fremde beginnt gleich nebenan.[29] Der gewandelte prozesshafte Kulturbegriff versucht daher, den Widersprüchen der Vermischung und jener neuen Diversität gerecht zu werden, die stärker auf Verbindungen als auf Autonomie basiert. Kultur wird nicht als statisches, in sich geschlossenes System, sondern als ein Fluss von Bedeutungen angesehen, der fortwährend alte Beziehungen auflöst und neue Verbindungen eingeht.[30] Letztlich ist Kultur als das Charakteristikum einer Gesamtheit von Individuen mit gemeinsamen Glaubens- und Wertvorstellungen, Ideen, Verhalten usw. zu verstehen.[31]
Wie es oben gezeigt wurde, ist Kultur ein sehr komplexes Phänomen und ein vielfältiges Thema. Immer mehr Wissenschaftler, Studenten und Trainer befassen sich damit. Im Zuge dieser verstärkten Forschungsarbeit entstand ein regelrechter „Dschungel“ an
neuen und alten Theorien, die zwar nicht zu unterschätzende Bedeutung haben, aber auch an bestimmten Stellen kritisch zu betrachten sind.
2.3 Das Kulturkonzept von Hofstede
Verschiedene Wissenschaftler haben Modelle zur Beschreibung von Kategorien bzw. Unterschieden in den Landeskulturen entwickelt, um den Einfluss der Kultur auf internationale Geschäftsbeziehungen bewerten und einordnen zu können. Der Ansatz des Niederländers Geert Hofstede ist der bedeutendste und gleichzeitig bekannteste auf seinem Gebiet.
Hofstede definiert Kultur als „die kollektive mentale Programmierung des Geistes, die die Mitglieder einer Gruppe oder Kategorie von Menschen von einer anderen unterscheidet“.[32] Im Zusammenhang mit der mentalen Programmierung spricht Hofstede metaphorisch auch von „software of the mind“. Dieser Vergleich mit der Art und Weise, wie Computer programmiert sind, basiert auf der Annahme, dass jeder Mensch ein Muster des Denkens, Fühlens und potenziellen Handelns in sich trägt, das er ein Leben lang erlernt hat. Damit unterstreicht Hofstede, dass soziale Systeme nur existent sein können, weil das menschliche Verhalten nicht zufallgesteuert, sondern vielmehr bis zu einem gewissen Grade vorhersehbar ist. Im Rahmen der kollektiven mentalen Programmierung des Geistes erkennt Hofstede aber auch eine ebenfalls existente individuelle mentale Programmierung an.[33]
Im Rahmen seiner Studien führte Hofstede eine ganze Reihe von Forschungsprojekten durch. Seit Ende der 1960er Jahre ermittelte er die interkulturellen Unterschiede von Grundwerten und Verhaltensweisen im Berufsleben durch ausschließliche Befragung von Mitarbeitern der Firma IBM („International Business Machines Corporation“). In seiner ersten Studie (1968) bewertete er die von mehr als 116.000 Angestellten der Firma IBM in 40 Ländern ausgefüllten Fragebögen quantitativ. Im Jahre 1972 wurden die Untersuchungen auf insgesamt 72 Länder ausgedehnt.[34] Die in den Untersuchungen gestellten Fragen beziehen sich in erster Linie auf die Werte der Angestellten im jeweiligen Land. Ziel der umfassenden Untersuchungen ist es, Kulturdimensionen zu identi
fizieren, mittels derer letztlich Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen einzelnen Ländern ermittelt werden.
Hofstede identifiziert im Rahmen seiner Forschungsarbeit fünf Dimensionen, anhand derer Kulturen beschrieben, analysiert und letztlich auch unterschieden werden können. Im Einzelnen unterscheidet Hofstede die folgenden fünf Kulturdimensionen: Individualismus vs. Kollektivismus, Machtdistanz, Maskulinität vs. Femininität, Unsicherheitsvermeidung, Langfrist-Orientierung vs. Kurzfrist-Orientierung. Die wichtigsten Merkmale von den genannten Kulturdimensionen sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: zusammengestellt nach Hofstede.
Die Studie von Hofstede hat in der interkulturellen Forschung größte Beachtung gefunden. Dabei wurde die Studie auch einer kritischen Würdigung unterzogen. Ein Kritikpunkt bezieht sich darauf, dass es fraglich ist, ob die ermittelten fünf Kulturdimensionen ausreichen, um die Kultur eines Landes oder sogar mehrerer Länder angemessen zu beschreiben.[35] Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf die Tatsache, dass die Studie bereits vor ca. 40 Jahren durchgeführt wurde und dementsprechend ein zwischenzeitlich eingetretener Wertewandel unberücksichtigt bleibt.
Des Weiteren ist die Repräsentativität der Studie für sämtliche Schichten der jeweiligen Kultur zu hinterfragen. Dieser Kritikpunkt rührt daher, dass die Untersuchung auf den IBM-Konzern beschränkt wurde. Dabei ist zu beachten, dass IBM bereits in den 1960er Jahren eine sehr ausgeprägte eigene Unternehmenskultur vorzuweisen hatte.[36] Ebenfalls ist kritisch zu hinterfragen, inwiefern die vorgenommene Betrachtung einzelner Nationen tatsächlich eindeutig abgrenzbare kulturelle Besonderheiten aufzeigen kann. Denn viele Nationen, wie bereits erwähnt wurde, bestehen aus Vertretern unterschiedlicher Kulturen, also kann interkulturelle Kommunikation letztlich auch innerhalb einer Nation stattfinden.
Trotz der Kritik verdient die Studie von Hofstede umfassende Beachtung, da sie die erste Studie dieser Art darstellt.[37] Ebenfalls bedeutsam ist, dass es Hofstede gelungen ist, universell gültige und prägnante Dimensionen herauszuarbeiten, mittels derer Kulturen verglichen und Unterschiede herausgearbeitet werden können. Zudem hat er versucht, die Dimensionen auch für managementrelevante Aspekte zu erschließen. Vor allem die Aspekte hinsichtlich Führung, Motivation und Organisation werden anhand der Dimensionen erläutert. Die Untersuchungen von Hofstede sind über die Grenzen der Wissenschaft hinaus bekannt geworden und unter beruflich international tätigen Praktikern große Resonanz gefunden haben. Vor allem, weil sie neutral, deskriptiv, nicht beurteilend sind so wie auf gründlichen Forschungen basieren. Ähnliches gilt für die Arbeiten des us-amerikanischen Forschers Edward T. Hall.[38]
2.4 Das Kulturkonzept von Hall
Hall verfolgte einen eher anthropologischen Ansatz. Er versuchte grundlegende Dimensionen menschlichen Zusammenlebens wieder zu erkennen, mit denen sich Personen in allen Kulturen auseinandersetzen müssen. Nach Halls Auffassung sind dies die Dimensionen Raum, Zeit und Kommunikation. Jede Kultur ist somit gezwungen in Bezug auf diese Grunddimensionen bestimmte Handlungsstandards zu entwickeln. Hall gelangt dabei zu folgenden Kulturdimensionen:[39]
a) Kontextgebundene vs. kontextungebundene Kultur.
Die Art und Weise, wie die Menschen kommunizieren, ist für Hall maßgeblich vom Kontext abhängig. Zum Kontext zählen, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu können, die räumlichen und klimatischen Verhältnisse, die räumliche Distanz zwischen den Kommunikationspartnern sowie die von ihnen eingesetzten Statussymbole.
In sehr stark kontextgebundenen Kulturen ist die (kontextabhängige) Kommunikation sehr stark implizit ausgerichtet. Sie ist dadurch charakterisiert, dass vergleichsweise wenig gesagt oder geschrieben wird, da die Informationen in großem Maße bereits in der physischen Umwelt bzw. im Kommunikationspartner selbst implizit erhalten sind. Daher wird in der verbalen Kommunikation nur ein geringer Teil der Nachricht(en) explizit dekodiert und übertragen.[40] Auch die nonverbale Kommunikation, z.B. Körpersprache, Gestik und Mimik, spielt eine große Rolle.
Der Vorteil dieser Art von Kommunikation, die beispielsweise im asiatischen Raum Anwendung findet, liegt darin, dass unangenehme Wahrheit und Kritik, aber auch Ablehnung und Forderungen kommuniziert werden können, ohne offen aus- und angesprochen werden zu müssen. Beziehungen, die sonst aus dem Gleichgewicht geraten würden, können gewahrt werden. Dadurch kann ein Gesichtsverlust vermieden werden.[41]
In den kontextungebundenen Kulturen legen die Kommunizierenden nur geringen Wert auf den Kontext einer Unterhaltung. Dementsprechend ist die Kommunikation sehr stark explizit ausgerichtet, d.h. sie ist direkt, eindeutig und inhaltlich ausgerichtet.
b) Monochrone Kultur vs. Polychrone Kultur.
Die Zeitdimension ist für Hall ein weiteres, besonders wichtiges Kulturmerkmal, das auch auf die Kommunikation nicht ohne Auswirkung bleibt. Die Unterschiede zwischen den zeitverplanenden Kulturen („monochronic society“) und den Kulturen mit flexibler Zeiteinleitung („polychronic society“) sind auch bei internationalen Geschäftsbeziehungen von Bedeutung.
[...]
[1] Vgl. Thomas 2005II, S. 7.
[2] Vgl. Krystek/Zur 1997, S.3
[3] Ebd.
[4] Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 1996, S.629.
[5] Vgl. Schulze/Wengelowski 2002, S. 267.
[6] Vgl. Simon, H. 1996 S. 32.
[7] Ebd.
[8] Vgl. Schulze/Wengelowski 2002, S. 282.
[9] Ebd.
[10] Ebd. S. 284.
[11] Vgl. Leiprecht 2008, S. 140.
[12] Zit. nach Hofstede/Hofstede 2009IV, S. 382.
[13] umgezeichnet und ergänzt nach: JPB Consulting Sarl, D1, http://www.jpb.net/mentalmerger/de/HarteSoftfacts.pdf und http.//www.hoefliger.ch/kultur/warumkultur/whycorporatecultur.html, Stand vom 10.09.09
[14] Kumbier, Schulz von Thun 2008, S. 15.
[15] Umgezeichnet und ergänzt nach: Kumbier, Schulz von Thun, 2008, S. 15
[16] Ebd.
[17] Rez, et. al. 2008, S.40
[18] Vgl. Thomas 2005 II, S.21.
[19] Vgl. Keesing 1974, S. 73 ff.
[20] Vgl. Haselier/Thiel 2005, S.74 ff.
[21] Z.B. besteht die Russische Nation aus über 100 Ethnien, jede von ihnen hat eigene Traditionen, Lebensweisen usw.
[22] Vgl. Eriksen 1994: http://folk.uio.no/geirthe/, Stand vom 01.09.2009.
[23] Vgl. Abu-Lughod 1991, S. 25.
[24] Ebd.
[25] Ebd.
[26] Vgl. Erikson 1996: http://folk.uio.no/geirthe/, Stand vom 01.09.2009.
[27] Ebd.
[28] Vgl. Eriksen 1996: http://folk.uio.no/geirthe/, Stand vom 01.09.2009.
[29] Zit. nach Deardorf (The Identification and Assessment of Intercultural Competence as a Student Outcome of Internationalization at Institutions of Higher Education in the United States, Dissertation North Carolina State University, Raleigh, 2004. ). In: Boecker/Jäger: Thesenpapier der Bertelsmann Stiftung Interkulturelle Kompetenz,2006 S. 4.
[30] Zit. nach Zukrigl/Breidenbach (Parallele Modernen – Kampf der Kulturen oder McWorld? 2003).
In: Boecker/Jäger: Thesenpapier der Bertelsmann Stiftung Interkulturelle Kompetenz, 2006 S. 6.
[31] Vgl. Olie, 1995, S. 35.
[32] Vgl. Hofstede, 2001, S.9.
[33] Ebd.
[34] Vgl. Hofstede, 2001, S. 19.
[35] Vgl. Hagemann 2000, S.15.
[36] Vgl. Bloom/ Meyer 2002, S. 56.
[37] Vgl. Hollensen 2001, S. 175.
[38] Vgl. Layes 2005 II, S. 63.
[39] Ebd.
[40] Vgl. Hofstede 2001, S. 212
[41] Vgl. Kessel 2000, S. 75.
- Citar trabajo
- Dipl.-Phil. (RUS); Dipl.-Padagogin (Univ) Zulfiya Thümler (Autor), 2010, Neues Praxisfeld für Interkulturelle Pädagogik: Interkulturelle Personalentwicklung in international agierenden Unternehmen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/156393
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