In der Arbeit wird dargestellt, daß:
1. "Terrorismus" ein sehr breiter, ambivalenter und damit unklarer Begriff ist
2. Nach dem 11. September eine verschiedenartige Interpretation und Zuschreibung von "Terrorismus" erfolgte (am Beispiel der USA, Israels und arabischen Regimen).
3. Damit höchst unterschiedliche politische Interessen und Maßnahmen legitimiert werden konnten.
Drei Konflikte prägen die politische Situation im Nahen und Mittleren Osten heute in besonderem Maße:
1. Der Konflikt zwischen dem Irak und den USA (und ihren Unterstützern).
2. Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern
3. Der Konflikt zwischen Regimen arabischer Staaten und ihrer nationalen islamistischen Opposition.
Alle drei Konfliktlinien sind nicht neu. Aber in allen Fällen wurden die Auseinandersetzungen nach dem 11. September zwischen den Konfliktparteien verschärft. Interessanter Weise beruft sich jeweils eine der Konfliktparteien auf den "Kampf gegen den Terror".
Die USA, Israel und auch die Regime arabischer Staaten wie Ägypten, Jemen oder Algerien kämpfen gegen den Terrorismus in der Region, aber alle bekämpften andere Terroristen. Israel zieht vor allem gegen die Hamas und die Hisbolla in den Kampf, Ägypten gegen Al Jihad; Jemens Regierung macht Front gegen die Islah-Partei, der Iran ruft zur Opposition gegen den "israelischen Staatsterror" auf und selbst die USA nutzen Ihre gesamten Kräfte, um nach dem Kampf gegen die Taliban gegen ein Regime, den Irak, vorzugehen.
Ist das die neue Politik nach dem 11. September? Oder werden hier nur alte Rechnungen unter neuem Vorwand beglichen?
Die hier dargelegte These geht davon aus, daß die wesentlichen politischen Ziele und Interessenlagen, die nach dem 11. September mit dem Schlagwort "Terrorismusbekämpfung" begründet wurden, bereits vor den verheerenden Anschlägen erwägt und von mindestens einem Teil der Administration der einzelnen Staaten bereits unterstützt wurden. Erst aber die Anschläge auf New York und Washington, vor allem aber die darauf erfolgte Ausrufung des "Krieges gegen den Terror" haben eine breite, international akzeptierte Legitimationsgrundlage geschaffen und damit die konsequente und oft militärische Durchsetzung dieser (alten) Interessen ermöglicht.
Die Hinterfragung des Terrorismusarguments soll letztlich dazu dienen den Schleier der öffentlichen Argumentation zu lüften und den Blick auf reale Interessenlagen freizugeben.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Probleme bei der Definition von "Terrorismus"
1.1 Definitionsmerkmale des Phänomens "Terrorismus"
1.2 Die Vielfalt des Terrorbegriffs
2. Der Kampf gegen ein Regime- die Vereinigten Staaten von Amerika
2.1 Die Anti-Terrordokrin
2.2 Eine neue "allgemeine" Feinddefinition
2.3 Der Irak als terroristische Bedrohung
3. Der Kampf gegen nationalistische Bewegungen - Israel
4. Der Kampf gegen die Opposition - Die arabischen Staaten
4.1 Undemokratische Menschenrechtsverletzungen vor
4.2 Anti-Terrorkampf nach dem 11. September
5. Resümee
5.1 Keine gemeinsame Definition von "Terrorismus"
5.2 Instrumentale Verallgemeinerung
Quellen
Literaturverzeichnis
Einleitung
Drei Konflikte prägen die politische Situation im Nahen und Mittleren Osten heute in besonderem Maße:
1. Der Konflikt zwischen dem Irak und den USA (und ihren Unterstützern).
2. Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern
3. Der Konflikt zwischen Regimen arabischer Staaten und ihrer nationalen islamistischen Opposition.
Alle drei Konfliktlinien sind nicht neu. Aber in allen Fällen wurden die Auseinandersetzungen nach dem 11. September zwischen den Konfliktparteien verschärft. Interessanter Weise beruft sich jeweils eine der Konfliktparteien auf den "Kampf gegen den Terror".
Die USA, Israel und auch die Regime arabischer Staaten wie Ägypten, Jemen oder Algerien kämpfen gegen den Terrorismus in der Region, aber alle bekämpften andere Terroristen. Israel zieht vor allem gegen die PLO, Hamas und die Hisbolla in den Kampf, Ägypten gegen Al Jihad; Jemens Regierung macht Front gegen die Islah-Partei, der Iran ruft zur Opposition gegen den "israelischen Staatsterror" auf und selbst die USA nutzen Ihre gesamten Kräfte, um nach dem Kampf gegen die Taliban gegen ein Regime, den Irak, vorzugehen.
Ist das die neue Politik nach dem 11. September? Oder werden hier nur alte Rechnungen unter neuem Vorwand beglichen?
Meine These geht davon aus, daß die wesentlichen politischen Ziele und Interessenlagen, die nach dem 11. September mit dem Schlagwort "Terrorismusbekämpfung" begründet wurden, bereits vor den verheerenden Anschlägen erwägt und von mindestens einem Teil der Administration der einzelnen Staaten bereits unterstützt wurden. Erst aber die Anschläge auf New York und Washington, vor allem aber die darauf erfolgte Ausrufung des "Krieges gegen den Terror" haben eine breite, international akzeptierte Legitimationsgrundlage geschaffen und damit die konsequente und oft militärische Durchsetzung dieser (alten) Interessen ermöglicht. Ich möchte daher im Folgenden zeigen, daß:
- "Terrorismus" ein sehr breiter, ambivalenter und damit unklarer Begriff ist
- Nach dem 11. September eine verschiedenartige Interpretation und Zuschreibung von "Terrorismus" erfolgte (am Beispiel der USA, Israels und arabischen Regimen).
- Damit höchst unterschiedliche politische Interessen und Maßnahmen legitimiert werden konnten.
Die Hinterfragung des Terrorismusarguments soll letztlich dazu dienen den Schleier der öffentlichen Argumentation zu lüften und den Blick auf reale Interessenlagen freizugeben.
1. Probleme bei der Definition von "Terrorismus"
"Terrorismus" bezeichnet ein äußerst komplexes politisches Phänomen, das sich aufgrund seiner vielfältigen und wechselnden Ausdrucksformen einer exakten und endgültigen Definition entzieht. Eine endgültige Definition kann es nicht geben, da es sich beim Wort "Terrorismus" nicht nur um einen wissenschaftlichen Fachbegriff, sondern vor allem auch um einen politischen Kampfbegriff handelt. Es fällt daher schwer, die Diskussion über dieses Phänomen völlig vom politischen Diskurs zu trennen. Das Wort "Terrorismus" ist eindeutig und ausschließlich negativ besetzt und dient dazu, politische Feinde zu brandmarken und ihre Methoden zu ächten. Kaum ein Mitglied der bekannteren Terrorgruppen würde sich daher selbst als Terrorist bezeichnen. "Niemand der für eine gerechte Sache eintritt," so z.B. Jassir Arafat, "kann als Terrorist bezeichnet werden." [1] Terroristen sehen sich oft als Opfer, die sich gegen ihre vermeintlichen Unterdrücker in einem Freiheitskampf wähnen.
1.1 Definitionsmerkmale des Phänomens "Terrorismus"
Unter "Terrorismus" wird gemeinhin eine spezifische Form von politischer Gewalt bzw. deren Androhung gegen Sachen oder Menschen verstanden. Spezifisch an terroristischen Handlungen ist, daß die ausgeübte Gewalt nicht nur als illegal, sondern auch als politisch und moralisch illegitim verurteilt wird. Letztendlich fließt also immer ein ethisches Kriterium in die Ächtung eines Gewaltaktes als "terroristisch" mit ein.[2] Sie ist damit zwangsläufig vom eigenen moralischen Standpunkt abhängig. Hinzu kommt, daß Terrorismus als rationales, geplantes und systematisches (politisches) Handeln in der Form von Gewalttaten und nicht als spontaner oder willkürlicher Akt verstanden wird.[3] Das Verhalten von Regierungen, Gesellschaften oder einzelner sozialer Gruppen soll damit verändert oder beeinflußt werden. Terroristen geht es dabei um den Effekt, den ihre Taten auf den Willen, das Denken und die Psyche des Gegners auslösen. Sie suchen das bestehende Herrschaftssystem und den Glauben an die Regierung zu unterminieren und die Gesellschaft durch die Verbreitung von Angst und Schrecken einzuschüchtern.[4]
1.2 Die Vielfalt des Terrorbegriffs
Es ist schwierig, die Vielzahl von sehr unterschiedlichen terroristischen Gruppen auf einen Nenner zu bringen. Da Terrorismus eine sehr ökonomische Form der politischen Gewalt darstellt, gilt er als eine Waffe der Schwachen, der auch kleinen und marginalsierten Gruppen relativ viel Macht verleiht. Manchmal greifen allerdings auch Staaten zu terroristischen Maßnahmen (Staatsterrorismus).[5] Trotz ihrer ideologischen Gemeinsamkeiten und trotz des Umstands, daß keine der radikalen Gruppen eine mehr als rudimentäre politische Programmatik vorzuweisen hat, gilt es zwischen ihnen zu unterscheiden. Stets ist nämlich ihr jeweiliger lokaler Kontext ausschlaggebend für ihre Erscheinungsformen. Oft stehen nationalistische Interessen hinter dem religiös legitimierten bewaffneten Kampf.[6] So spielt auch bei der palästinensischen Hamas, einem radikalen Ableger der Muslimbrüderschaft, ein religiös verbrämter Nationalismus die Hauptrolle in ihrem Jihad gegen Israel. Einen internationalen Kampf lehnt Hamas, ähnlich wie die libanesische Hizbullah, hingegen entschieden ab - ihnen geht es allein um Palästina und die Vernichtung Israels.[7] Feind der ägyptischen radikalen Gruppen wie Al Jihad ist die "unislamische" Regierung in Kairo. Attentate gegen Touristen zielten hier weniger auf die Bekämpfung westlichen Einflusses als auf die Destabilisierung des Landes, das von den touristischen Deviseneinnahmen abhängig ist.[8] Viel mehr noch als in Ägypten fungiert der Islamismus in Algerien wie auch auf den Philippinen, in Indonesien oder den zentralasiatischen Staaten vor dem Hintergrund des Zerfalls von Staatlichkeit als Gemeinschaftsideologie.[9]
In einem definitiv anderen Kontext operiert dagegen Al Qaida innerhalb des radikalen Spektrums. Deren Existenz ist zunächst ein Ausdruck der Schwäche der regionalen radikalen Bewegungen. Diese werden in den meisten Ländern scharf verfolgt und genießen wegen ihrer Radikalität kaum oder wenig Unterstützung in der Bevölkerung. Viele Glaubenskrieger haben sich daher abgesetzt und begründeten in Afghanistan, Pakistan, Tschetschenien oder Bosnien den internationalen Jihad-Islam. Im Unterschied zu allen anderen Gruppen ist dieser "heimatlos".[10] Ihn zu vernetzen, war "die Idee" von Bin Laden.
Heute laufen, glaubt man den internationalen Geheimdiensten, die meisten Fäden des internationalen Jihad-Islams bei Al Qaida zusammen, welche in ca. 50 Staaten agieren soll.[11] Bin Laden gab den Jihadisten die materiellen Ressourcen, um ihren Kampf auf internationaler Ebene fortzusetzen. Im Vergleich dazu erscheinen die lokalen Gruppen, mit denen Al Qaida teilweise in Verbindung steht, archaisch. Allein Al Qaida ist sowohl willens als auch in der Lage, ihre gemeinsame Ideologie, den Haß auf den Westen, in Taten umzusetzen. Ihre Anschläge betrafen im Unterschied zum Terror aller anderen Gruppen, der sich gegen eigene nationale Regime, gegen "Besatzungsmächte" oder schlicht gegen die lokale Bevölkerung richtet, ausnahmslos US-Einrichtungen (in Somalia, Saudi-Arabien, Tansania, Kenia und den USA).[12]
[...]
[1] Zitiert nach: Neureither, Ulrike, Terrorismus als Herausforderung an die internationale Politik, in: Friedensgutachten 1996, Münster 1996, S. 216-228. Hier S. 216.
[2] Hirschmann, Kai/ Gerhard, Peter (Hrsg.), Terrorismus als weltweites Phänomen. Schriftenreihe zur neuen Sicherheitspolitik. Berlin 2000. S. 58.
[3] Vgl. Gießmann, Hans- Joachim, Das "logische Viereck"- Anmerkungen zum Terrorismusbegriff. in: Vierteljahresschrift für Sicherheit und Frieden. Nr. 15, Baden-Baden 1997. S. 13-17.
[4] Waldmann, Peter, Artikel Terrorismus, in: Nohlen, Dieter (Hrsg.), Wörterbuch Staat und Politik, Bonn 1998. S. 779-783. Hier S. 779.
[5] Gießmann, Hans- Joachim, Baden-Baden 1997.
[6] Müller, Jochen, Das islamische Argument. Warum sich so viele Araber umringt von Feinden sehen, Internationale Politik und Gesellschaft Online, im Druck auch in: International Politics and Society 2/2002.
[7] Vgl. www.cdn-friends-icej.ca/isreport/hamas; www.palestine-info.com/hamas
[8] Müller, Jochen, Das islamische Argument. 2002.
[9] Ebd.
[10] Ebd.
[11] Ulfkotte, Udo, Propheten des Terrors, Das geheime Netzwerk der Islamisten, München 2001. S. 85
[12] Roth, Jürgen, Netzwerke des Terrors, Hamburg 2001. S. 32
- Citation du texte
- Götz Kolle (Auteur), 2003, Das Terrorismus Argument - Folgen und regionale Nachwirkungen des 11. Septembers im Nahen und Mittleren Osten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15610
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