Die Inszenierung von Macht, Politik und ihren Protagonisten – ein Thema, das immer wieder ins Visier von Kritikern genommen wird, besonders in unserer von Massenmedien geprägten Gesellschaft. Die inszenierte Darstellung erreicht mitunter skurile Dimensionen. „Guido Westerwelle (FDP) tritt im Big-Brother-Container auf, Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) wirbt für Anzüge und Edmund Stoiber kommentiert plötzlich Fußballspiele“, schrieb Die Welt im April anlässlich des Hamburger Dialogs, einer Podiumsdiskussion, an der sich 1000 Fachleute beteiligten. Miriam Meckel, Regierungs-sprecherin von NRW, konstatierte einen „Inszenierungshype“ in der Politik. Dieser „Hype“, eine „aus Gründen der Publicity inszenierte Täuschung“, ist nicht unbedingt ein Phänomen der Moderne, sondern eine Jahrhunderte alte Erscheinung. Am Beispiel von König Ludwig XIV., Herrscher im Frankreich des Absolutismus, lässt sich die Inszenierung des Politischen besonders plastisch veranschaulichen. Der britische Historiker Peter Burke hat sich mit der „Verpackung des Monarchen“ intensiv befasst. Der Autor sieht sein Werk, das wichtigste Grundlage dieser Arbeit ist, „als Fallstudie (...) speziell zum Thema der Produktion großer Männer“. Was sind die Methoden, Intentionen und Probleme der Inszenierung Ludwigs? Wer oder was hat dazu beigetragen, dass der „Mythos von Ludwig XIV.“ überhaupt entstehen konnte? Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es zu den heutigen Inszenierungsformen? Zunächst ist die Betrachtung von Ludwigs Biografie erforderlich, um dann den Prozess der Inszenierung vor dem historischen Hintergrund zu erläutern. Die einzelnen Phasen waren eng an politische Entwick-lungen gekoppelt. Am Ende werden die Ergebnisse bewertet.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Biografie König Ludwig XIV
3. Phasen der Inszenierung
3.1 Die zugedachte Rolle
3.2 Ludwigs eigenes Konzept
3.3 Umbau des Systems
3.4 Der langsame Untergang
4. Methoden der Inszenierung
4.1 Medien
4.2 Rituale
4.3 Symbole
5. Intentionen und Adressaten der Inszenierung
6. Probleme der Inszenierung
7. Die Inszenierung im Vergleich
7.1 Ludwig XIV. und das 20. Jahrhundert
7.2 Gemeinsamkeiten
7.3 Unterschiede
8. Zusammenfassung und Bewertung
Quellennachweis
Anhang
1. Einleitung
Die Inszenierung von Macht, Politik und ihren Protagonisten – ein Thema, das immer wieder ins Visier von Kritikern genommen wird, besonders in unserer von Massenmedien geprägten Gesellschaft. Die inszenierte Darstellung erreicht mitunter skurile Dimensionen. „Guido Westerwelle (FDP) tritt im Big-Brother-Container auf, Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) wirbt für Anzüge und Edmund Stoiber kommentiert plötzlich Fußballspiele“, schrieb Die Welt im April anlässlich des Hamburger Dialogs, einer Podiumsdiskussion, an der sich 1000 Fachleute beteiligten[1]. Miriam Meckel, Regierungs-sprecherin von NRW, konstatierte einen „Inszenierungshype“[2] in der Politik. Dieser „Hype“, eine „aus Gründen der Publicity inszenierte Täuschung“[3], ist nicht unbedingt ein Phänomen der Moderne, sondern eine Jahrhunderte alte Erscheinung. Am Beispiel von König Ludwig XIV., Herrscher im Frankreich des Absolutismus, lässt sich die Inszenierung des Politischen besonders plastisch veranschaulichen. Der britische Historiker Peter Burke hat sich mit der „Verpackung des Monarchen“[4] intensiv befasst. Der Autor sieht sein Werk, das wichtigste Grundlage dieser Arbeit ist, „als Fallstudie (...) speziell zum Thema der Produktion großer Männer“[5].
Was sind die Methoden, Intentionen und Probleme der Inszenierung Ludwigs? Wer oder was hat dazu beigetragen, dass der „Mythos von Ludwig XIV.“[6] überhaupt entstehen konnte? Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es zu den heutigen Inszenierungsformen? Zunächst ist die Betrachtung von Ludwigs Biografie erforderlich, um dann den Prozess der Inszenierung vor dem historischen Hintergrund
zu erläutern. Die einzelnen Phasen waren eng an politische Entwick-lungen gekoppelt. Am Ende werden die Ergebnisse bewertet.
2. Biografie König Ludwig XIV
Ludwig wurde geboren am 5. September 1638 in Saint-Germain-en Laye. Er starb in Versailles am 1. September 1715. Seine Eltern waren Ludwig XIII. und Anna von Österreich. Der junge Ludwig stand vorwiegend unter dem Einfluss seiner Mutter und machte nur wenig politische Erfahrungen. Seine Erlebnisse als Jugendlicher waren beherrscht von den Konflikten der Fronde, einer französischen Adelspartei (1648-1653), die sich dem Royalismus widersetzte. Bereits im Alter von vier Jahren folgte Ludwig auf den Thron. Die Kardinäle Richelieu und Mazarin, Minister im Dienst der Krone, fädelten wichtige Erfolge in der Außenpolitik ein (Westfälischer Friede 1648, Pyrenäenfriede 1659), auf denen Ludwig ab 1661 seine Alleinherrschaft begründen konnte - im Europa des 17. Jahrhunderts war der Absolutismus die dominierende Form. Die Vormachtstellung Frankreichs in Europa erreichte Ludwig durch drei Kriege: Devolutionskrieg (1667/68), Holländischer Krieg (1672-1679 und Pfälzischer Erbfolgekrieg (1688-97). Erst in Folge des Spanischen Erbfolgekriegs (1701-1714) geriet sein Imperium ins Wanken.[7]
In der Innenpolitik festigte Ludwig seine Macht, indem er sich dem Volk als Einheit von Herrscher und Staat präsentierte. Im Laufe seiner Regierungszeit, davon 54 Jahre in der Rolle des absoluten Monarchen, verhalf er Künsten und Wissenschaften zu hoher Blüte. Ludwig nutzte das gleichsam als Machtmittel, um den französischen Adel an den Hof zu locken und dort zu binden. Unterstützt von seinem ausgezeichneten Beraterstab (Colbert, Louvois u.a.), baute Ludwig sein Königreich militärisch, institutionell und materiell immer weiter aus. Durch seine aggressive Politik fiel Ludwig bei vielen Machthabern in ganz Europa in Ungnade. Seine Feinde bildeten die Große Allianz (1689 und 1701). Da der Monarch im eigenen Land stets die Unabhängigkeit der nationalen französichen Kirche vorantrieb, geriet er in Konflikt mit dem Heiligen Stuhl. Vergeblich versuchte Ludwig die Protestanten, die Sonderrechte genossen, mit der überwiegend katholischen Bevölkerung zu vereinen. Des Königs Bestrebungen gipfelten in der Aufhebung des Edikts von Nantes: 1685 verbot Ludwig den Protestantismus, gefeiert als Vernichtung der Ketzerei. Doch die Verfolgung und Misshandlung der Hugenotten bescherte dem König ein negatives Image, sowohl moralisch als auch wirtschaftlich. Mehr als 200.000 Protestanten wanderten aus.
Ludwigs Kriegslust, sein unersättliches Verlangen nach einer prunkvollen Selbstdarstellung und das Festhalten an einer unge-rechten Gesellschaftsstruktur führten Frankeich am Ende seiner Regierungszeit in den Staatsbankrott – wesentliche Gründe der Französischen Revolution 1789.
3. Die Phasen der Inszenierung
3.1 Erste Phase: Die zugedachte Rolle (1638-1661)
Noch bevor Ludwig überhaupt geboren worden war, beflügelte die Schwangerschaft seiner Mutter die ganze Nation. Mit einer Gravidität Annas hatte kaum mehr jemand in Frankreich gerechnet. Ludwigs Geburt wurde deshalb als ein Geschenk Gottes, Louis le Dieudonné, aufwendig gefeiert.[8] Seine Inszenierung war von nun an die Aufgabe des Kardinals Mazarin, wichtigster Mann der Regierung von 1643 bis 1661.[9] Der Premier[10] mochte die Künste und setzte sie auch als politisches Machtmittel ein.[11] Ihre Nutzbarmachung war im Vergleich mit späteren Phasen der Inszenierung allerdings noch nicht so stark ausgeprägt, obwohl bereits viele Menschen aus verschiedenen Berufsgruppen wie Bildhauer, Dichter, Maler etc. mit der Darstellung des Königs als „Gemeinschaftsprodukt“[12] beschäftigt waren.
Als Säugling zeigte man Ludwig noch in Windeln. Nach der glanzvollen Besteigung des Throns in Paris (1643) hüllte man ihn in Königskleider oder Ritterrüstung. Als die Fronde 1652 den Konflikt mit den Royalisten verloren hatte, stellte man Ludwig 1654 als Helden dar.[13] Seiner offiziellen Krönung und Salbung in der Kathedrale zu Reims stand nichts mehr im Wege. Krone, Zepter und königlicher Eid, wie es die Zeremonie nach mittelalterlichem Brauch verlangte, verbildlichten Ludwigs Macht, in der frühen Phase seiner Regentschaft vermutlich noch nicht als absolutistisch gedeutet.[14] Zum ersten Mal führte Ludwig im Anschluss an seine Weihe das Ritual des königlichen Handauflegens an 3000 Personen durch, ein „mächtiges Symbol eines geheiligten Königtums“.[15]
Insgesamt war die Darstellung des Königs während der ersten Phase noch „moderat“[16]. Beim Einzug des königlichen Brautpaares in Paris, kurz nach der Hochzeit 1660, begleitete eine Kavalkade die frisch Vermählten. Der Tross fuhr vorbei an festlich dekorierten Toren und Bögen mit Inschriften wie „Für Ludwig, den Friedfertigen“.[17] Das Volk verehrte nicht nur den König, sondern auch dessen Gemahlin und Mutter sowie seinen führenden Minister, Kardinal Mazarin.[18] Ludwig richtete sich bis 1661 nach der „Rolle, die ihm die Tradition und Kardinal Mazarin zugedacht hatten.“[19]
3.2 Zweite Phase: Ludwigs eigenes Konzept (1661-1683)
Bereits einen Tag nach dem Tod Mazarins im März 1661 beanspruchte Ludwig die alleinige Herrschaft. Der König verfügte von nun an über die uneingeschränkte Entscheidungsgewalt und entwickelte ein eigenes Konzept für seine Inszenierung, womit in Europa eine neue Epoche begann.[20] Auf den Posten Mazarins folgte Jean-Baptiste Colbert, Ludwigs „bedeutendster Mitarbeiter“.[21] Der König gab ihm den Auftrag, herausragende Künstler, Wissenschaftler, Schriftsteller und Historiker aus dem In- und Ausland zu engagieren und in neuen Organisationen und Akademien einzugliedern mit dem Zweck, Ludwig zu verherrlichen.[22] Als Gegenleistung erhielten die Angestellten eine staatliche Versorgung, viele waren einquartiert im Louvre.[23] Das „Ministerium des Ruhms“[24], wie der Staatsapparat auch bezeichnet wurde, trug entscheidend zum Image des Monarchen in der Öffentlichkeit bei: Ludwig als Förderer von Kunst und Wissenschaft, immer um das Wohlergehen des Volkes bemüht.[25]
Der Schwerpunkt des königlichen Bildes in den 1660er Jahren lag auf der Alleinregierung, die „gefeiert, ja mythologisiert, d.h. auf dramatische Weise als Wunder präsentiert werden“[26] musste. Dem französischen Volk wurde die absolutistische Monarchie verkauft „als Wiederherstellung von Ordnung nach einer Zeit, in der allenthalben die Unordnung herrschte“[27], eine Anspielung auf vergangene Zeiten der Fronde. L´état, c`est moi, Der Staat bin ich, lautete Ludwigs berühmtes Zitat, mit der er die Verschmelzung von Herrscher und Staat zum Ausdruck brachte.[28] Die Befriedung im eigenen Land war einer der größten Erfolge Ludwigs, allerdings nur vorübergehend.[29] Seine Innenpolitik war „von einem zentralistischen Ordnungsgedanken geprägt.“[30] Ludwig strebte nach Ruhm und Anerkennung und war nicht bereit, diese mit anderen zu teilen.[31] Er war davon überzeugt, eine überlegene Stellung eingenommen zu haben, eine seiner markantesten Eigenschaften.[32]
[...]
[1] URL http://www.welt.de/daten/2002/04/25/0425h1328435.htx (Stand: 28. August 2002, 14:55 Uhr).
[2] Ebd.
[3] DUDEN (Hrsg.): Deutsches Universalwörterbuch. Mannheim u.a., 2001, S. 812.
[4] BURKE, Peter: König Ludwig XIV. Die Inszenierung des Sonnenkönigs. Berlin, 2001, S. 12.
[5] Ebd., S. 10.
[6] Ebd., S. 15.
[7] Vgl. BURGHARDT, Peter: Ludwig XIV. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band V. Herzberg, 1993, Spalten 370 bis 372.
[8] Vgl. BURKE, Peter: a.a.O., S. 55.
[9] Ebd., S. 62.
[10] Vgl. BARUDIO, Günter: Das Zeitalter des Absolutismus. In: Fischer Weltgeschichte, Band 25. Frankfurt, 1981, S. 101f.
[11] Vgl. BURKE, Peter: a.a.O., S. 62f.
[12] Ebd., S. 62.
[13] Ebd., S. 55f.
[14] Ebd., S. 57f.
[15] Ebd., S. 59.
[16] Ebd., S. 60.
[17] Ebd., S. 60.
[18] Ebd., S. 60f.
[19] Ebd., S. 64.
[20] Vgl. WEIS, Eberhard: Frankreich von 1661-1789. In: WAGNER, Fritz (Hrsg.): Europa im Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung.In: SCHIEDER, Theodor (Hrsg.): Handbuch der europäischen Geschichte, Band 4. Stuttgart, 1968, S. 174.
[21] BURKE, Peter: a.a.O., S. 67.
[22] Ebd., S. 68, S. 77.
[23] Ebd., S. 71., S. 88.
[24] Ebd., S. 78.
[25] Ebd., S. 81.
[26] Ebd., S. 81.
[27] Ebd., S. 83.
[28] BERNIER, Olivier: Ludwig, XIV. Eine Biographie. Zürich, 1989, S. 110.
[29] MEYER, Jean: Frankreich im Zeitalter des Absolutismus 1515-1789. In: FAVIER, Jean (Hrsg.): Geschichte Frankreichs, Band 3. Stuttgart, 1990, S. 314.
[30] BARUDIO, Günter: a.a.O., S. 117.
[31] Vgl. MEYER, Jean: a.a.O., S. 311.
[32] Vgl. WEIS, Eberhard: a.a.O., S. 175.
- Citation du texte
- Dipl.-Journ. Michael Schulte (Auteur), 2002, Die Inszenierung von König Ludwig XIV. Methoden, Intentionen und Probleme., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15567
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