Seit nunmehr fast 60 Jahren wird seriös und ernsthaft auf den Holocaust geschaut, auf die versuchte Vernichtung des Judentums, die Bewertung des Grauens. Doch wie soll Schule auf dieses höchst sensible Thema reagieren? Wie sollen sich Lehrer und Schüler in diesem Meer der Vergangenheit zurechtfinden, welche Orientierungspunkte sollen sie wählen, wie damit umgehen? Fragen, die sich ein jeder Geschichtspädagoge stellt oder stellen sollte bei der Behandlung dieses Themas.
Den Historikern bleibt, trotz vieler Studien und Dokumentationen, die erst der Spurensicherung dienten und dann der Darstellung des Geschehenen, die Aufgabe, Ursachen und Ziele des Verbrechens zu ergründen. War der Holocaust die logische und deshalb a priori verfolgte Konsequenz der Ideologie des Antisemitismus, war er Bestandteil einer Machtpolitik aus rationalem Kalkül, stand am Anfang die Intention Hitlers oder war der Judenmord Folge der Radikalisierung nationalsozialistischer Herrschaft? Deutschlands führender Antisemitismusforscher, Wolfgang Benz, stellt klar: „An den Fakten des Holocaust sind Zweifel nicht möglich.“ Stattdessen verweist er darauf, dass „die Suche nach Erklärungen im Sinne menschlicher Moral und Vernunft andauert.“
Es handelt sich bei der vorliegenden Arbeit um einen Versuch, Dimensionen und Triebkräfte, Erklärungsansätze und Tragweite der Geschichte der Juden im Dritten Reich aufzudecken und gemeinsam mit den Schülern zu erforschen. Die Schüler sollen dabei anhand unterschiedlicher Quellenmaterialien den Umgang mit Geschichte erfahren und durch die Auseinandersetzung mit einem Einzelschicksal selbst an der Aufarbeitung von Geschichte mitwirken.
Nach dem Vorwort folgen sechs Kapitel. Im zweiten Kapitel sind Gedanken, Vorüberlegungen und Ziele der Arbeit zusammengefasst. Eine Übersicht über den Stoffverteilungsplan und die Analyse der Lerngruppe befinden sich ebenfalls dort. Das dritte Kapitel umfasst die Sachanalyse, in der Ort und Gegenstand des Themas geklärt werden. Das vierte Kapitel erläutert das didaktisch-methodische Konzept, bevor im fünften Kapitel die Lernziele der Unterrichtsreihe genannte und begründet werden. Das sechste Kapitel beinhaltet den Überblick über die gesamte Unterrichtsreihe in ihrer Detail- und Grobplanung, Verlaufsskizzen und Einzelstundenreflexionen. Das letzte Kapitel reflektierte in einem Gesamtfazit die gesamte Unterrichtsreihe, sucht nach Stärken und Schwächen, zeigt aber auch mögliche Alternativen auf.
Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort
2. „Holocaust“ im Unterricht - Möglichkeiten einer Annäherung
2.1 Begründung der Themenwahl
2.2 Planung der Unterrichtsreihe
2.2.1 Verlaufsplanung der Unterrichtsreihe
2.2.2 Planungsschwierigkeiten
2.3 Bedingungsanalyse
2.3.1 Innere Situation
2.3.2 Äußere Situation
3. Ort und Gegenstand des Themas – Sachanalyse
3.1 Das Jüdische Museum in Berlin – Ort des Außerschulischen Lernens
3.2 Von der Entrechtung zur Vernichtung – Etappen der Geschichte der Juden im nationalsozialistischen Deutschland zwischen 1933-1945
3.3 „Leben im Wartesaal“ – Jüdisches Leben zwischen Emigration und Zwangsarbeit
3.4 „Nehmt ihn auf, den Davidschild“ – Zur Reaktionen deutscher Juden auf den Nationalsozialismus. Eine thematische Führung
3.5 Von Boxhandschuhen und Schokolade – unser Zeitzeuge Manfred Joachim
4. Ansatz und Legitimation des außerschulischen Lernens unter Berücksichtigung verschiedener methodischer Ansätze - Eine Methodisch-didaktische Analyse der Unterrichtsreihe
4.1 Vorbemerkungen
4.2 Vor- und Nachbereitung der Exkursion im Rahmen des schulischen Lernens
4.2.1 Geschichtsunterricht in der Sekundarstufe II
4.2.2 Die inhaltliche Vorbereitung
4.2.3 Die methodische Vorbereitung
4.2.4 Auswertung und Reflexion der Exkursion
4.3 Die Erkundung des Jüdischen Museums in Berlin als außerschulischen Lernort
4.3.1 Theoretische Grundlagen des außerschulischen Lernens
4.3.2 Die thematische Führung
4.3.3 Der Archivworkshop
4.3.4 Die Zeitzeugenbefragung und Grundlagen der Oral history
5. Globale Lernziele der Unterrichtsreihe und deren Begründung
5.1 Lernziele und deren Begründung im Rahmen des schulischen Lernens
5.1.1 Lernziele
5.1.2 Begründung
5.2 Lernziele und deren Begründung im Rahmen des außerschulischen Lernens
5.2.1 Lernziele
5.2.2 Begründung
5.3 Zusammenfassung
6. Durchführung und Reflexion der Einzelstunden
6.1 Die Einstiegsstunde – Freitag, den
6.1.1 Lernziele
6.1.2 Geplanter Stundenverlauf
6.1.3 Reflexion
6.2 Die zweite Stunde – Montag, den
6.2.1 Lernziele
6.2.2 Geplanter Stundenverlauf
6.2.3 Reflexion
6.3 Die dritte Stunde – Mittwoch, den
6.3.1 Lernziele
6.3.2 Geplanter Stundenverlauf
6.3.3 Reflexion
6.4 Detailplanung für die vierte Stunde – Freitag, den 19.11.2004
6.4.1 Rahmenbedingungen
6.4.2 Lernziele
6.4.3 Begründung der didaktischen Stufung des Unterrichts und des gewählten Methodenkonzeptes
6.4.4 Geplanter Unterrichtsverlauf
6.4.5 Reflexion
6.5 Exkursion - Dienstag, den
6.5.1 Lernziele
6.5.2 Geplanter Verlauf der Exkursion
6.5.3 Reflexion
6.6 Die fünfte Stunde – Mittwoch, den
6.6.1 Lernziele
6.6.2 Geplanter Stundenverlauf
6.6.3 Reflexion
6.7 Detailplanung für die sechste Stunde – Freitag, den 26.11.2004
6.7.1 Rahmenbedingungen
6.7.2 Lernziele
6.7.3 Begründung der didaktischen Stufung des Unterrichts und des gewählten Methodenkonzeptes
6.7.4 Geplanter Unterrichtsverlauf
6.7.5 Reflexion
7. Gesamtreflexion
7.1 Planung, Durchführung und Lernziele der Unterrichtsreihe
7.2 Alternativvorschläge
7.3 Schlusswort
8. Literaturverzeichnis
9. Anhang
„Die Geschichte ist eine Erfindung, zu der die Wirklichkeit ihre Materialien liefert.“
(Hans Magnus Enzensberger)
1. Vorwort
„Vergangenheit wirkt im Meer gegenwärtigen Geschehens wie ein Eisberg. Die Spitze ist immer nur ein Teil aktuell gefragter Wahrheit, vielleicht auch dessen, was man gerade wahrnehmen kann. Der Historiker hat dabei normalerweise die Rolle des Erkunders und gibt eine Vorstellung davon, was unter der Wasserlinie noch verborgen sein könnte, um dem Staatsschiff einen Aufprall, ein Leckschlagen, zu ersparen. Die Shoa[1] ist ein Eisberg von solch monströsen Ausmaßen, das Ausweichen nicht möglich erscheint, der aber auch nicht durchbrochen oder zerstört werden kann und auch nicht einfach so mal wegschmilzt.“[2]
Es scheint, als sei die Zunft an diesem Monstrum überfordert und vollbringt letztlich eine Sisyphosarbeit bei der Aufarbeitung der Vergangenheit. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges sind die Historiker darum bemüht, Erklärungen für dieses dunkle Kapitel deutscher Geschichte zu finden. Vom „anfänglichen Betriebsunfall“ wie Gerhard Ritter[3] schildert bis hin zur These von Hans Mommsen oder Martin Broszat[4], die von einer „zentral gesteuerten Vernichtung der Juden“ ausgehen, gibt es wohl kein anderes Thema in der deutschen Geschichte, dem soviel Aufmerksamkeit geschenkt wurde und wird, wie der Geschichte der Juden im Dritten Reich.
Seit nunmehr fast 60 Jahren wird seriös und ernsthaft auf den Holocaust geschaut, auf die versuchte Vernichtung des Judentums, die Bewertung des Grauens. Doch wie soll Schule auf dieses höchst sensible Thema reagieren? Wie sollen sich Lehrer[5] und Schüler[6] in diesem Meer der Vergangenheit zurechtfinden, welche Orientierungspunkte sollen sie wählen, wie damit umgehen? Fragen, die sich ein jeder Geschichtspädagoge stellt oder stellen sollte bei der Behandlung dieses Themas.
Den Historikern bleibt, trotz vieler Studien und Dokumentationen, die erst der Spurensicherung dienten und dann der Darstellung des Geschehenen, die Aufgabe, Ursachen und Ziele des Verbrechens zu ergründen. War der Holocaust die logische und deshalb a priori verfolgte Konsequenz der Ideologie des Antisemitismus, war er Bestandteil einer Machtpolitik aus rationalem Kalkül, stand am Anfang die Intention Hitlers oder war der Judenmord Folge der Radikalisierung nationalsozialistischer Herrschaft? Deutschlands führender Antisemitismusforscher, Wolfgang Benz, stellt klar: „An den Fakten des Holocaust sind Zweifel nicht möglich.“ Stattdessen verweist er darauf, dass „die Suche nach Erklärungen im Sinne menschlicher Moral und Vernunft andauert.“[7]
Es handelt sich bei der vorliegenden Arbeit um einen Versuch, Dimensionen und Triebkräfte, Erklärungsansätze und Tragweite der Geschichte der Juden im Dritten Reich aufzudecken und gemeinsam mit den Schülern zu erforschen. Die Schüler sollen dabei anhand unterschiedlicher Quellenmaterialien den Umgang mit Geschichte erfahren und durch die Auseinandersetzung mit einem Einzelschicksal selbst an der Aufarbeitung von Geschichte mitwirken.
Die Arbeit gliedert sich nach dem Vorwort in sechs weitere Kapitel. Im zweiten Kapitel lege ich meine Gedanken und Überlegungen nieder, die mich dazu veranlasst haben, dieses Thema zu bearbeiten. Eine Übersicht über den Stoffverteilungsplan und die Analyse der Lerngruppe befinden sich ebenfalls dort. Das dritte Kapitel umfasst die Sachanalyse, in der Ort und Gegenstand des Themas geklärt werden. Das vierte Kapitel erläutert das didaktisch-methodische Konzept, bevor im fünften Kapitel die Lernziele der Unterrichtsreihe genannte und begründet werden. Das sechste Kapitel beinhaltet den Überblick über die gesamte Unterrichtsreihe in ihrer Detail- und Grobplanung, Verlaufsskizzen und Einzelstundenreflexionen. Das letzte Kapitel reflektierte in einem Gesamtfazit die gesamte Unterrichtsreihe, sucht nach Stärken und Schwächen, zeigt aber auch mögliche Alternativen auf.
Im Anhang befinden sich zahlreiche Schülerarbeiten, Tafelbilder, Arbeitsmaterialien, Arbeitsblätter und Schülereinschätzungen, auf die im fortlaufenden Text an entsprechender Stelle verwiesen wird und die stundenweise zugeordnet sind.
2. „Holocaust“ im Unterricht - Möglichkeiten einer Annäherung
2.1 Begründung der Themenwahl
„Für den Historiker, der die Massenvernichtung der Juden zu verstehen sucht, ist der absolut einmalige Charakter dieser Katastrophe das schwerwiegendste Hindernis. Es ist nicht lediglich eine Frage der Zeit und der historischen Perspektive. Ich bezweifle, dass man nach tausend Jahren Hitler, Auschwitz, Treblinka und Majdanek besser verstehen wird, als wir es heute tun. Wird man dann eine bessere historische Perspektive besitzen? Es könnte sogar der Fall sein, dass die Nachwelt alles noch viel weniger versteht als wir.“[9]
Der Marxist, Hitler- und Stalin – Gegner, Isaak Deutscher schrieb diese Zeilen vor über 30 Jahren, 1968. Nur zwei Jahre später begründete Jean Améry, Überlebender der Todeslager, seine schmerzhaften „Bewältigungsversuche eines Überwältigten“ mit den Worten: „Niemand kann aus der Geschichte eines Volkes austreten. […] Man soll und darf die Vergangenheit nicht auf sich beruhen lassen, weil sie sonst aufsteht und zu neuer Gegenwärtigkeit werden könnte. Das deutsche Volk, die deutsche Jugend schützen sich am wirksamsten durch die Erkenntnis und geistige Verarbeitung des alten.“[10]
2005 jährt sich zum 60. Mal der Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus. Die Worte Deutschers und Amérys beschreiben immer noch treffend das Dilemma der Auseinandersetzung mit dem bürokratisch organisierten und industriell durchgeführten Massenmord an den europäischen Juden, den „Sinti und Roma“ und den Opfern der Euthanasie.
Welchen Weg kann Schule und Unterricht gehen, um dieses Dilemma aufzulösen, so es doch nach Améry unmöglich scheint, Auschwitz zu erkennen, geschweige denn geistig zu verarbeiten. Jede Erziehung nach Auschwitz steht vor diesem Problem. Die pädagogische Literatur seit den Überlegungen Fritz Bauers in seinem berühmt gewordenen Vortrag am 30. November 1961[11] und Theodor W. Adornos „Erziehung nach Auschwitz“[12], beide aus dem Exil kommende NS Verfolgte, konnten das Dilemma nicht lösen, sondern immer nur benennen oder aufwerfen. Trotz des zeitlich zunehmenden Abstandes scheint also keine Lösung in Sicht, sondern lediglich eine Verschiebung der Antwort, bei deren Suche Schule einen Beitrag leisten sollte.
Ich schließe mich in meiner Haltung zu diesem Thema der Argumentation Gunnar Heinsohns an, der in seinem Buch „Warum Auschwitz?“ die bisherigen Deutungsansätze zu dieser Dilemmasituation zusammenfasst und zu dem Urteil kommt: „Wenn es nicht gelingt, die Erinnerung an die Realität des Holocaust aufrechtzuerhalten, könnte die Vergangenheit aufstehen und zu neuer Gegenwärtigkeit werden.“[13]
Die Zunahme fremdenfeindlicher und antisemitischer Gewalttaten, die der Vereinigung der beiden deutschen Nachkriegsstaaten auf dem Fuße folgte, hat Anfragen an die Institution Schule und ihren Beitrag zur Aufklärung über die NS Verbrechen ausgelöst. In der Presse wurde sogar ein eigenes Schulfach „Aufklärung über den Holocaust“ gefordert. Zugleich ist von einer „Übersättigung“ mit Informationen über den Holocaust die Rede.[14] Der Ruf nach der Schule als Aufklärungsinstitut ist zugegeben eine Überforderung für Lehrer und Schule. Was ist nun aber gefordert - mehr oder weniger Aufklärung? Meine Antwort lautet: Eine andere wirksame Aufklärung ist dringend erforderlich.
Beide Vorwürfe nach fehlender Aufklärung und Übersättigung konnte ich im Vorfeld von Kollegen und Schülern erfahren. Aufklärung muss sein, dies verlangt auch der Thüringer Lehrplan im Rahmen des Themenbereiches „Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg“[15]. Wiederum kann aber eine Fülle von Sachinformationen über den Holocaust zu dem Ergebnis führen, dass die Jugendlichen, zu einen Stoßseufzer veranlasst, sagen: „Man soll die Vergangenheit auf sich beruhen lassen und nicht bis ins vierte oder fünfte Glied der Generation nach Schuldigen suchen.“
Mir erscheint es demnach wichtig, Forderung und Erwartung der Schüler zur Thematik in den Unterricht mit einzubinden. Dabei wird der Versuch unternommen, die unvorstellbare Anzahl der Opfer oder wenigstens einige von ihnen ihrer Anonymität zu entreißen, denn jedes Opfer hat ein Gesicht, einen Namen und ein eigenes Schicksal. Das herauszufinden und auf diesem Wege Geschichte aufzuarbeiten und damit umzugehen, ist mein Anliegen. In Auschwitz wurden Menschen zu Nummern und zu Material in der Todesfabrik. Flüchtlinge und Exilanten waren identitätslose Nummern, denen die Flucht vor dem Nationalsozialismus glückte. Diese Anonymität gilt es zu durchbrechen und den Opfern und Betroffenen ihre Identität zurückzugeben. Auf diesem Wege kann es meiner Ansicht nach ansatzweise gelingen, Tätern, Zuschauern, Wegsehern und ihren Kindern, „an das Entsetzliche heranzuführen, das hinter ihnen liegt.“[16]
An dieser Stelle könnte der Einwand auftreten, dass Personalisierung von Geschichte immer auch die Gefahr von Verharmlosung in sich birgt. Wiederum macht Personalisierung Geschichte leichter zugänglich, spannender und besser nachvollziehbar. Adorno fragte in seiner Schrift „Erziehung nach Auschwitz“ nach der Legitimität der Rekonstruktion der Erinnerung aus der Sicht der überlebenden Opfer eines Landes. Um einerseits Adornos berechtigten Einwand zu entgegnen, anderseits den Erwartungen der Schüler entgegenzukommen, des weiteren nicht zu polemisieren und zu übersättigen und schließlich bürokratischen Vorgaben zu entsprechen, habe ich mich für die Kopplung zwischen sachbezogener Informationsvermittlung im Unterricht und eigenständiger Rekonstruktion und Bearbeitung der Ereignisse im Rahmen des außerschulischen Lernens entschieden.
Die Wahl, das Jüdische Museum in Berlin als außerschulischen Lernort zu nutzen, stand für mich schon lange fest. Unmittelbar nach der Eröffnung des Hauses im September 2001 besichtigte ich das Museum im Rahmen einer Studienfahrt auf Initiative Prof. Dr. Lutz Niethammers der Friedrich-Schiller Universität Jena. Tief beeindruckt vom Gebäude, der Ausstellung und der Gesamtkonzeption besuchte ich das Haus in der Folgezeit mehrmals, letztmalig in unmittelbarer Vorbereitung auf die Exkursion Anfang Oktober 2004. Es entsprach dem Wunsch der Schüler, in Geschichte häufiger Exkursionen durchzuführen, so dass ich mit ihren Interesse für mein Vorhaben rechnen konnte.
Ein weiterer Grund mich für dieses Thema zu entscheiden, bestand darin, dass ich mit der Problematik „Geschichte der Juden im Dritten Reich“ während meiner Schulzeit nur marginal in Kontakt trat. Somit stellt großes Eigeninteresse am Thema gekoppelt mit der oben geschilderten Notwendigkeit „Wider dem Vergessen“ den Grund für meine Themenwahl dar, die sich aber nicht in Moralisieren und der Darstellung des Schrecklichen erschöpfen soll, sondern durch einen großen Eigenanteil der Schüler im Umgang und Aufarbeitung von Geschichte kennzeichnet.
2.2 Planung der Unterrichtsreihe
2.2.1 Verlaufsplanung der Unterrichtsreihe
Das Thüringer Modell für die Integrierte Gesamtschule sieht für das Erreichen der Allgemeinen Hochschulreife 13 Schuljahre vor. Die Sekundarstufe II setzt demzufolge mit der Klassenstufe 11 ein. Entsprechend dieser Verschiebung werden die Schüler erst mit Beginn der 11. Klasse nach den gymnasialen Lehrplananforderungen für Klasse 10/II unterrichtet. Durch diese Verschiebung steht den Lehrenden und Lernenden ein größerer Zeitraum für den zweiten Durchlauf im Fach Geschichte zur Verfügung. Dadurch ist es möglich, einzelne Themenbereiche tiefgründiger zu bearbeiten, als das nach den allgemeinen Lehrplanangaben vorgesehen ist.
Das Schuljahr 13/1 setzte thematisch mit dem Lerninhalt: „Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg – der Konflikt von Demokratie und Diktatur“[17] ein. Dabei wurden Themenbereiche wie die Gründung der Weimarer Republik, ihre Krisenjahre, die Goldenen Zwanziger Jahre, die Phase der außenpolitischen Konsolidierung und der Niedergang der Republik bis zur Machtübernahme durch die Nationalsozialisten behandelt. Es schloss sich der Lerninhalt „Geopolitische Aspekte“[18] an, in dem die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der späteren Weltmächte USA und UdSSR zwischen Ersten und Zweiten Weltkrieg untersucht wurde.
Die vorliegende dokumentierte Unterrichtsreihe eröffnete zugleich den neuen Lerninhalt „Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg“[19], der bis zu den Winterferien behandelt wird. Nach Lehrplanvorgaben handelt es sich um den Lernbereich „Terror im NS Staat gegen Andersdenkende und die jüdische Bevölkerung, Entrechtung, Verfolgung, Vertreibung, Vernichtung, Holocaust und Genozid.“[20]
Ursprünglich war für die Unterrichtsreihe neben der Exkursion ein Stundenvolumen von sechs Doppelstunden vorgesehen. Durch kurzfristige stundenplantechnische Verschiebungen, bedingt durch Sanierungsarbeiten in der Schule, verkürzte sich das Vorhaben auf fünf Doppelstunden. Dem Entgegenkommen des Mentors ist es jedoch zu verdanken, dass mir zur Einführung in die Thematik eine weitere Stunde (45 Minuten) zur Verfügung gestellt wurde. Daraus ergab sich folgende Verlaufsplanung und Stoffverteilung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.2.2 Planungsschwierigkeiten
Bei der Planung und Durchführung dieser Unterrichtsreihe stand der Exkursionstermin als fester Fixpunkt im Mittelpunkt. Dieser hing von einer Vielzahl von Faktoren ab. Zunächst bedurfte es eines geeigneten Termins, an dem die Schüler der Klassenstufe 13 ausgeplant werden, ohne dass es zu Unterrichtsausfall kommt. Daher bot sich der schulinterne Wandertag an. Dieser Tag wurde bereits zu Beginn des Schuljahres festgelegt, da am Schulgebäude zu diesem Zeitpunkt Reparatur- und Sanierungsarbeiten erfolgen sollten. Dem Wunsch der Schüler, in Berlin zu übernachten, konnten nicht Folge geleistet werden, zum einen aufgrund der hohen Übernachtungskosten, zum anderen um Stundenausfall im Abiturjahrgang der Abschlussklasse zu vermeiden. Somit musste das Vorhaben an einem Tag bewältigt werden. Der durch die Schulleitung vorgegebene Termin (23.11.2004) musste auch mit den Möglichkeiten des Museums zu vereinbaren sein. Die Organisation des Archivworkshops mit anschließender Zeitzeugenbefragung hing von der Verfügbarkeit des Zeitzeugen am gewünschten Tag ab. Eine erste terminliche Zusage erhielt ich Anfang Oktober. In der Folgezeit änderte sich aus gesundheitlichen oder privaten Gründen mehrfach der zur Verfügung stehende Zeitzeuge. Eine endgültige Zusage erhielt ich erst am 7. November. Durch das Museum wurde mir eine Kurzbiographie zugesandt mit der Bitte, die Schüler thematisch vorzubereiten ohne jedoch Informationen zur Person zu geben. Dies betraf die Themenschwerpunkte der Nürnberger Rassegesetze, der Emigration der Juden und der Zwangsarbeit, da „unser“ Zeitzeuge als „Geltungsjude“ während des Zweiten Weltkrieges als Zwangsarbeiter bei der Deutschen Waffen- und Munitionsfabrik in Berlin arbeitete und 1947 nach Uruguay emigrierte. Somit konnte ich einige inhaltliche Schwerpunkte erst kurzfristig planen.
Ursprünglich sollte diese Exkursionsfahrt dem Leistungskurs vorbehalten sein. Da jedoch die Anreise mit der Bahn nach Berlin zu teuer war, bedurfte es preiswerter Alternativen, die sich durch Busgesellschaften anboten. Um den Bus jedoch effektiv zu nutzen, sollte dieser voll besetzt auf Reisen gehen. Aus diesem Grund wurden die Schüler der beiden Grundkurse eingeladen, nach Berlin mitzukommen. Aufgrund der Vorgabe, dass die Gruppengröße 15 Schüler nicht übersteigen sollte, konnten die Schüler der Grundkurse nicht mit am Archivworkshop und dem anschließenden Zeitzeugengespräch teilnehmen. Ihnen blieb neben der thematischen Führung die selbstständige Erkundung des Museums. Um ihnen dabei eine Hilfestellung zu geben, entwarf ich für sie einen Fragebogen, mit Hilfe dessen sie sich einen Überblick über das Museum verschaffen und selbst Schwerpunkte setzen konnten. Eine Auswertung der Fragebögen erfolgte nach meinen Vorgaben im Unterricht durch die jeweiligen Fachlehrer der Grundkurse.
Dadurch wurde es eine Exkursionsfahrt für alle Schüler der Jahrgangsstufe 13, was von der großen Mehrheit begrüßt wurde. In Vorbereitung erfolgten Belehrungen und das Einsammeln der Teilnehmergebühr, was nicht immer einfach war.[21]
Die Exkursion begann 6.00 Uhr in Jena am Busbahnhof und endete auch dort um 20.00 Uhr. An der Exkursion nahmen insgesamt 45 Schüler und 4 Betreuer teil.
2.3 Bedingungsanalyse
2.3.1 Innere Situation
Im Leistungskurs 13 Geschichte der IGS „Grete Unrein“ lernen 7 Jungen und 4 Mädchen. Die Lerngruppe ist zugleich Stammkurs, der unter der Leitung meines Mentors steht. Der Kurs bildete sich auf Grundlage der Einwahlmöglichkeiten der Schüler in das Kurssystem, das an der IGS die Jahrgangsstufen 12 und 13 umfasst. Die Lerngruppe bestand in der Jahrgangsstufe 12 zunächst aus 14 Schülern. Aufgrund von Schwangerschaft, Wohnortwechsel und Schulabbruch reduzierte sich ihr Umfang auf gegenwärtig 11 Schüler.
Seit Beginn des Referendariats habe ich kontinuierlich in diesem Kurs hospitiert. Dabei fiel mir auf, dass das Lern- und Sozialklima innerhalb der Lerngruppe gut gefestigt ist und von mir als sehr angenehm empfunden wird. Dies zeigt sich dadurch, dass die Schüler einen freundschaftlichen Umgangston pflegen, offen und ehrlich miteinander umgehen, zugleich aber auch kritisch untereinander sind.
Anfangs fiel mir auf, dass der Kurs vorwiegend frontal unterrichtet wurde. Da ich die Klasse aber als sehr kommunikativ und kreativ einschätzte, begann ich, den Unterricht zunehmend stärker schülerorientiert zu planen und durchzuführen. Bedurfte es anfangs noch der konkreten Anleitung beim Gruppenpuzzle oder der Gruppenarbeit, so haben sich diese Arbeitsformen zunehmend konditioniert und intensiviert. Dennoch achte ich stets darauf, dass der Arbeitsprozess kontinuierlich fortgeführt wird. Durch regelmäßige Feedbacks und Metakognitionen zum Lernprozess bekundeten die Schüler mehrheitlich ihr Gefallen an offenen und kreativen Unterrichtsformen. Diese habe ich daher auch bei der Planung und Durchführung der Unterrichtsreihe berücksichtigt.
Während das schriftliche Leistungsniveau der Lerngruppe im befriedigenden Bereich liegt, gelingt es den Schülern durch mündliche Leistungen zu überzeugen. Sie verfügen über gute sprachliche Fähigkeiten, die zum Teil über die fachlich fehlende Durchdringung des historischen Sachverhaltes hinwegtäuschen können. Im Gegensatz dazu müssen bei der Bearbeitung von komplexeren Sach- und Quellentexten die Schüler noch teilweise zum tiefgründigen Arbeiten angehalten werden. Dabei konnte ich jedoch beobachten, dass sich das Leistungsniveau der Jugendlichen in den letzten Monaten verbesserte. Mit Quellen gehen sie zunehmend sicherer um, kooperative und offene Lernformen sind ihnen vertraut, und bei der Gestaltung von Arbeitsprodukten stellen sie ihre Kreativität zum Teil in besonderem Maße unter Beweis. Diese Vorteile gilt es bei der Unterrichtsreihe effektiv zu nutzen.
Aufgrund der Wahl der Jugendlichen, Geschichte im Leistungskurs zu belegen, ist davon auszugehen, dass sie Interesse am Geschichtsunterricht besitzen. Dieses zeigt sich vor allem durch eine kontinuierliche und gute Mitarbeit, in der wichtige Erkenntnisse aber auch kritische Anmerkungen zum Ausdruck kommen, die für die Gestaltung des Unterrichts von Bedeutung sind. Aus diesem Grund kommt kommunikativen Unterrichtsformen eine wesentliche Bedeutung zu.
Es bleibt festzuhalten, dass die bestehenden Stärken der Schüler im kommunikativ-mündlichen Bereich bei der Unterrichtsgestaltung effektiv genutzt, zugleich aber auch der schriftliche Sprachgebrauch gefördert werden sollte. Vor allem im Hinblick auf das angestrebte Abitur muss an der letztgenannten Kompetenz kontinuierlich gearbeitet werden.
In diesem Leistungskurs konnte ich bereits viele wichtige praktische Erfahrungen sammeln. Bereits im Oktober 2003 absolvierte ich eine Unterrichtsreihe zum Thema: „Staatstheoretisches Denken in der Frühen Neuzeit.“ Am Ende der Stoffeinheit stand die Durchführung und audiotechnische Aufzeichnung von Streitdialogen zur Frage „Was ist der ideale Staat?“ Diese Materialien konnte ich zur Erstellung einer Unterrichtsreihe in Zusammenarbeit mit dem ThILLM gewinnbringend nutzen. Während dieser Zeit gelang es mir, erste Kontakte zum Kurs zu knüpfen.
Von Januar bis Mai 2004 unterrichtete ich den Kurs dauerhaft in allen sechs Wochenstunden im Lernbereich „Von der Ständegesellschaft zum Industriestaat – politische Auseinandersetzungen, wirtschaftliche Entwicklungen und deren Folgen im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert“[22]. Ebenso absolvierte ich meine erste benotete Lehrprobe erfolgreich in diesem Kurs im März 2004.
Eine weitere Unterrichtsreihe führte ich von August bis Oktober in Kooperation mit dem Fachlehrer Herrn Hofmann durch. In dialogischer Form unterrichteten wir abwechselnd den Kurs zum Lerninhalt „Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg – der Konflikt von Demokratie und Diktatur“[23]. Während dieser Zeit bereitete ich auch in Kooperation mit dem Fachlehrer die Kursarbeiten vor und wertete sie aus. Dies betraf auch andere Formen der mündlichen und schriftlichen Leistungsüberprüfung.
Nicht nur als Lehrperson werde ich von den Schülern während des Unterrichts akzeptiert und respektiert, sondern auch als ihr Berater und Lernhelfer. Begünstigt durch die gemeinsame Durchführung außerschulischer Unterrichtsgänge, Exkursionen und gemeinsamer Wandertage, konnte sich zu den Schülern ein freundschaftliches Verhältnis entwickeln.
Diese Erfahrungen aus den vorangegangenen Unterrichtsreihen im Umfang von über 60 Doppelstunden im Leistungskurs und das sehr gute, vertrauensvolle und freundschaftliche Lehrer-Schüler-Verhältnis bieten eine sicher Basis für die Unterrichtsreihe im Rahmen der Zweiten Staatsexamensarbeit. Die Lerngruppe steht aufgeschlossen Neuem gegenüber, zeigt sich interessiert an meiner beruflichen Ausbildung und Entwicklung und begünstigt diese durch Offenheit, Lernbereitschaft und Interesse am Thema.
In der Klassenstufe 12/2 äußerten sie den Wunsch an der Durchführung von Exkursionen. Diese Einstellung bekräftigte meinen Entschluss, die Unterrichtsreihe zum Zweiten Staatsexamen im Bereich des außerschulischen Lernens durchzuführen und zwar gemeinsam mit dieser Lerngruppe. Um ihr einen Einblick in die Planung und Durchführung einer Exkursion zu geben, wurde sie durch kleine vorbereitende, begleitende oder reflektierende Arbeiten in das Vorhaben mit eingebunden.
2.3.2 Äußere Situation
Die Vor- und Nachbereitungen der Exkursion finden immer zur vorgegebenen Unterrichtszeit montags und mittwochs jeweils von 11.50 bis 13.20 Uhr und freitags von 9.45 bis 11.15 Uhr im Raum 55 statt. Der Raum 55 ist ein heller und großer Raum. Als Fachraum für den Geschichtsunterricht ist er nicht nur mit einem Kartenständer und einer Wandtafel, sondern vor allem mit wichtigem Lehrmaterial, wie Geschichtskarten, Wandplakaten zu unterschiedlichen Epochen und einer Vielzahl von Schul- und Fachbüchern in Klassensatzstärke, ausgestattet. Zudem verfügt der Raum über einen eigenen Overheadprojektor und eine Multimediastation mit Fernseher und Videorekorder. Um den Einsatz des Fernsehers und des Overheadprojektors zu optimieren, können die an allen Fernstern vorhandenen Vorhänge zur eventuellen Verdunklung des Raumes genutzt werden. Das Beleuchtungssystem im Raum kann getrennt den Schülerbereich oder den Tafelbereich erhellen, was beispielsweise bei der Nutzung des Overheadprojektors sinnvoll ist. Die ausreichend zur Verfügung stehenden Bänke und Stühle sind in U-Form angeordnet, können aber leicht handhabbar im Raum umgestellt werden. Davon wurde während der Unterrichtsreihe häufig Gebrauch gemacht.
Während des Zeitraums der Unterrichtsreihe finden Umbau- und Sanierungsarbeiten in der Schule statt, die zum Teil den normalen Unterrichtsbetrieb behindern könnten. Dies könnte dazu führen, dass der Unterricht aufgrund von Nachbesserungsarbeiten gelegentlich mit einigen Minuten Verspätung beginnt oder durch Baugeräusche beeinträchtigt wird, so die Angaben der Schulleitung. Damit werden die Schüler jedoch umgehen können und sich der Situation angemessen verhalten.
Als weiterhin problematisch erweist sich teilweise die Lage des Raumes an der stark befahrenen August-Bebel-Straße. Durch den Straßenlärm und die Nähe der Klinik ist das Öffnen der Fenster während des Unterrichts nicht möglich, ohne die Akustik des Raumes zu beeinträchtigen. Um eine optimale Sauerstoffzufuhr den Schülerinnen und Schülern zu gewährleisten, wird vor dem Beginn des Unterrichts der Raum ausgiebig gelüftet. Zudem kann bei Bedarf während nicht kommunikativer Unterrichtsformen das Fenster im vorderen Bereich des Klassenraums kurzzeitig geöffnet werden, ohne den Unterrichtsverlauf dabei zu beeinträchtigen.
Der Unterricht im Kurssystem wird im Leistungsfach in Doppelstunden durchgeführt. Zwischen den Stunden gibt es keine Pause, das bedeutet, dass eine Kursstunde in einer 90-minütigen Lerneinheit unterrichtet wird. Die Doppelstunden fügen sich am Montag und Mittwoch in der fünften und sechsten Unterrichtsstunde und am Freitag in der dritten und vierten Unterrichtsstunde in den Stundenplan der Schüler ein. Vor allem montags und mittwochs konnte ich aus meinen vorangegangenen Beobachtungen feststellen, dass die Schüler zum Teil erschöpft und angespannt aus dem vorangegangenen Fachunterricht kamen. Dies hatte zur Konsequenz, dass nach Möglichkeit der Geschichtsunterricht aufgelockert, offen und eigenverantwortlich gestaltet, für die Schüler eine willkommene Abwechslung bot, den sie durch effektives, diszipliniertes und kreatives Arbeiten mit gestalteten.
3. Ort und Gegenstand des Themas – Sachanalyse
Die Thematik der „Geschichte der Juden im Dritten Reich 1933 – 1945“ kann in der folgenden Sachanalyse unmöglich umfassend dargestellt werden. Eine kaum zu überschauende Anzahl von Büchern, unzählige Aufsätze und Dokumentationen, Gesprächsforen und Fernsehbeiträge sind seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges erschienen, die versuchen, über das Thema zu informieren und aufzuklären. In meinen Ausführungen orientiere ich mich zum Großteil an den Darstellungen des führenden Antisemitismusforschers, Wolfgang Benz, aus Berlin.[24] Er verweist in seiner Monographie zum Holocaust im abschließenden Literaturbericht darauf, dass „die Zahl der Titel zum Thema „Holocaust“ unübersehbar ist und ständig anwächst.“[25] Aus diesem Grund sehe ich auch von einer Aufarbeitung des Forschungsstandes zu diesem Themenbereich ab, da eine Auswahl und Beurteilung von den Überblicksdarstellungen bis hin zu speziellen vertiefenden Fragestellungen nicht gewährleistet werden kann und den Rahmen dieser Arbeit sprengt. Bei Bedarf werde ich an entsprechender Stelle auf weiterführende Literatur verweisen.
Im Folgenden beschränke ich mich bei der Sachanalyse auf einige Entwicklungsphasen und einzelne Diskussionsschwerpunkte, die im Unterricht berücksichtigt werden und stelle das Jüdische Museum in Berlin als außerschulischen Lernort vor.[26]
3.1 Das Jüdische Museum in Berlin – Ort des Außerschulischen Lernens
Im September 2001 öffnete das Jüdische Museum seine Tore, um den Besucher zu einer Reise durch zwei Jahrtausende deutsch-jüdischer Geschichte einzuladen. Wie die Architektur dieses Museums so ist auch seine Ausstellung einzigartig.
Vordergründig lernen deutsche Schüler Juden und das Judentum nur im Geschichtsunterricht kennen, wenn sie mit dem Thema im Zusammenhang mit der Verfolgung und Vernichtung durch die Nationalsozialisten konfrontiert werden. Dass die Geschichte der Juden in Deutschland jedoch weit mehr ist, kann der Besucher in diesem Museum erfahren. Die Ausstellung reicht von Aufbrüchen und Fortschritt bis hin zu katastrophalen Entwicklungen und Aussöhnung und ist dabei selbst ein Stück Geschichte.
Ziel der Ausstellung im Jüdischen Museum ist es, „den Blick auf diese bis heute unsere Gesellschaft prägende Geschichte“ zu schärfen.[27] Dies gelingt durch die Synthese zwischen Kultur, Tradition, Geschichte und Religion. Der Museumsdirektor Michael Blumenthal weist daher entschieden darauf hin, „dass es sich bei diesem Museum nicht nur um ein wichtiges pädagogisches und didaktisches, sondern auch um ein eminent politisches Projekt handelt.“[28] Somit leistet das Jüdische Museum einen entscheidenden Beitrag zu unserem Geschichtsbewusstsein, zu unserer nationalen Verantwortung und zur kulturellen Landschaft Deutschlands. Diese Einmaligkeit lässt sich neben der Ausstellungskonzeption vor allem auf die architektonische Gestaltung des Museums zurückführen.
Das Jüdische Museum in Berlin, errichtet vom Architekten Daniel Libeskind, ist ein besonderer Ort des Erinnerns, Erlebens und Nachdenkens. Allein als Bauwerk setzt es neue Maßstäbe, denn die Beziehung zwischen Museumsinhalt und Architektur ist hier einzigartig. Das Museum macht auf eindrucksvolle Weise deutsch-jüdische Geschichte erlebbar und spricht die Sinne und Gefühle der Schülerinnen und Schüler an. Hier werden sie unmittelbar mit der Notwendigkeit konfrontiert, sich an die Judenvernichtung, die Vernichtung der Sinti und Roma, an den Kriegsanfang und die vielen Kriegsverbrechen zu erinnern. Das Museum zeichnet die Höhe- und Tiefpunkte der Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden in Deutschland nach und veranschaulicht, was möglich ist, wenn religiöse, kulturelle oder ethnische Minderheiten ihre ganz eigenen Talente in das nationale Leben einfließen lassen können und welch bittere Folgen es für alle hat, wenn Vorurteile und Intoleranz die Oberhand gewinnen. Mit seinen Abteilungen, der Sammlung, dem Archiv, seinen Lehr- und Forschungseinrichtungen, dem Rafael Roth Learning Center und gemeinsam mit dem Leo Baeck Institut stellt das Jüdische Museum Geschichte dar, bringt jüdische Kultur nahe und bietet zugleich ein Forum für Forschung, Diskussion und Gedankenaustausch.
Nicht nur durch sein konzeptionelles Anliegen, „in einer globalisierten Welt Toleranz gegenüber Minderheiten und deren Integration ins nationale Leben zu fördern“[29], überzeugt das Jüdische Museum, es gilt vielmehr auch als eines der Meisterwerke zeitgenössischer Weltarchitektur und als eigenständiges Kunstwerk. Es verdankt seinen Ruf in erheblichem Maße der Art und Weise, wie der Architekt Daniel Libeskind in seinem preisgekrönten Entwurf emblematische Aussagen, die aus der Geschichte der Juden in Deutschland erwachsen, verknüpft und beseelt hat. Diese kommen als äußerst subtile Gestaltungselemente zum Ausdruck. Die durchbrochene Form und das industrielle Material, die Zickzacklinien der Fenster und die Linien, die Decken und Böden durchschneiden, der weitläufige Garten und die konzeptionelle Gestaltung des Begriffs „Untergrund“ rufen eine Wirkung hervor, die den Besuchern die Geschichte nahe bringt. Das Gebäude wird von einem leeren Raum durchschnitten, dem Void. Mit dem Void erfasst Libeskind symbolisch die Vernichtung der europäischen Juden – das Vakuum, die Leerstellen in der deutschen und europäischen Gesellschaft.
Dies ist einer jener Orte, an denen Architektur und Inhalte zusammenwirken, indem eins das andere unterstützt und hervorhebt. Das Haus bietet keine herkömmliche Aneinanderreihung der Ausstellungsräume, sondern vielmehr ein „einzigartiges Potential für ein Museum, da eine architektonische Philosophie und eine Ausstellungskonzeption aus derselben Herangehensweise an ein Thema erwachsen.“[30] Diese Herangehensweise spiegelt sich im gesamten Museum wider. Es gibt Bereiche, die als „Libeskindmomente“[31] bezeichnet werden, in denen die Exponate hinter der Architektur zurücktreten. So steht beispielsweise die emotionale Wirkung der unterirdischen Gänge, der Achsen des Exils, des Holocausts und der Kontinuität im Vordergrund, während die Ausstellung die Architektur diskret begleitet.
Die gesamte historische Dauerausstellung wurde vom Ausstellungsbüro „Würth & Winderoll“ entworfen und umgesetzt. Das Büro hat bereits ein beeindruckendes Spektrum von Museumsgestaltungen verwirklicht, zu denen das Haus der Geschichte in Bonn, das Bayrische Nationalmuseum in München und das Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund gehören. Ihr Konzept ermöglicht die persönliche Einbindung des Besuchers durch die Schaffung magischer Momente, in denen sie aus der historischen Chronologie heraus von einer aufschlussreichen Information oder einem ausdrucksstarken Exponat angezogen werden. Die Gestalter haben das Museum mit einer Reihe sorgsam gesetzter Höhepunkte versehen, denen Phasen der Ruhe, Kontemplation und Reflexion folgen.
Unterstützt wird die Bedeutsamkeit des Baus durch seine zentrale Lage in der deutschen Hauptstadt, in der Lindenstraße in Berlin Kreuzberg. Dort begegnen dem Besucher zwei völlig verschiedenartige Gebäude. Das barocke Kollegienhaus, als ehemaliges preußisches Kammergericht und der moderne futuristisch anmutende Industriebau Libeskinds. Scheinbar stehen beide Gebäude unverbunden nebeneinander. Jedoch gehen beide Gebäude eine Symbiose ein, die durch Verbindungsgänge unter der Erdoberfläche eine untrennbare Einheit bilden.
Wie alle Museen und Ausstellungen kann auch das Jüdische Museum nicht einfach zeigen, „wie es damals war“, immer fließen Interpretationen der Museumsmitarbeiter und Ausstellungsmacher mit ein.[32] Darum sind Museen und Ausstellungen selbst ein Ausdruck einer bestimmten, heutigen Deutung von Geschichte. Das muss mit bedacht werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.2 Von der Entrechtung zur Vernichtung – Etappen der Geschichte der Juden im nationalsozialistischen Deutschland zwischen 1933-1945
„Sie wissen nun bescheid, und Sie behalten es für sich. Man wird vielleicht in ganz später Zeit sich einmal überlegen können, ob man dem deutschen Volk etwas mehr darüber sagt. Ich glaube, es ist besser wir – wir insgesamt – haben das für unser Volk getragen, haben die Verantwortung auf uns genommen und nehmen dann das Geheimnis mit in unser Grab.“[33]
Hinter diesem Geheimnis steckt die größte von Menschenhand je geplante Mordmaschinerie der Geschichte – die Endlösung der Judenfrage, beschlossen auf der Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942. Der Satz: „Die Juden müssen ausgerottet werden.“, war mit seinen wenigen Worten leicht ausgesprochen und beinhaltete in Wahrheit den größten Genozid der Weltgeschichte. Gleichzeitig stellt er den Endpunkt einer jahrelang bis ins Detail vorbereiteten Vernichtung der Juden dar und eröffnet die letzte Phase der Geschichte der Juden im Dritten Reich.
Die Feindschaft gegen die Juden im Rahmen des Antisemitismus besaß in Deutschland seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert Tradition. Doch haben die Nationalsozialisten diesen Hass in die Tat umgesetzt und die systematische, staatlich initiierte und organisierte Ermordung von Millionen Menschen gezielt geplant und vorgenommen.
„Im Rückblick wird deutlich, dass zwischen 1933 und 1938 tatsächlich eine Revolution in Deutschland stattfand – eine Revolution, in der sich der Rechtsstaat in einen Unrechts- und Verbrecherstaat verwandelte.“[34] Mit diesen Worten erinnerte Ignatz Bubis in seiner Rede in der Frankfurter Westend-Synagoge an den Jahrestag der Reichspogromnacht 1938. Innerhalb dieses Zeitraumes bilden die Nürnberger Rassegesetze 1935 eine wichtige Etappe. Von nun an kam es nicht mehr nur zur Entrechtung der Juden, sondern auch zur Verfolgung und schließlich zur Vernichtung der jüdischen Minderheit in Deutschland.
In der ersten Phase von 1933 bis 1935 wurden die Juden wirtschaftlich geschädigt, aus dem öffentlichen Dienst entlassen und durch weitere Auflagen beschränkt. Alle Maßnahmen wurden durch Gesetze gedeckt, von denen einige Hundert erlassen wurden. Zwischen 1935 und 1938 wurde diese Entrechtung auch auf die bürgerlichen Rechte ausgedehnt. Durch die Nürnberger Gesetze waren die Juden keine Staatsbürger mehr, sie verloren das aktive und passive Walrecht. Ihnen wurden die Ehe und der außereheliche Verkehr mit Deutschen verboten.
Immer mehr Bereiche des öffentlichen Lebens blieben den Juden verschlossen. 1938 entzog man ihnen die Pässe, neue erhielten sie nur mit dem Zusatz „J“. Sie mussten ihre Vornamen mit „Sara“ oder „Israel“ ergänzen. Am 9./10. November 1938 kam es in der Reichspogromnacht, die von den Nationalsozialisten zynisch als „Reichskristallnacht“ bezeichnet wurde, um auf die zu tausenden zerstörten Schaufenster anzuspielen, zu massiven Übergriffen auf jüdische Geschäfte. Synagogen wurden in Brand gesteckt und am Ende forderten die Nationalsozialisten von den Juden auch noch eine Entschädigungszahlung von 1 Mrd. Reichsmark für die entstandenen Schäden. Im zeitweise rechtsfreien Raum der Reichskristallnacht lässt sich das rigorose Vorgehen der Nationalsozialisten gegenüber der jüdischen Bevölkerung bereits erkennen. Der 9.11.1938 kann daher als Vorstufe der totalen Ausbeutung und Vernichtung der Juden angesehen werden. Es gelang der nationalsozialistischen Propaganda zunehmend, in dem Bewusstsein vieler Deutscher ein Gefälle zwischen den deutsch-arischen Herrenmenschen und den jüdischen Untermenschen herzustellen. Im Rahmen dieser Ideologie wurde alles Vermögen in Deutschland und in den deutsch besetzten Gebieten zum Volksvermögen erklärt. Enteignung und Ausbeutung von „Volksschädlingen“ zum Wohle des deutschen Volkes entsprachen dem vorgegebenen „Legitimationsmuster“ der NS Ideologie und verdeutlichen die Überlegenheit des kollektiv geadelten Herrenvolkes über die ausgebeutete Opfergruppe.[35]
Die Diskriminierung und Entrechtung nahm zu, es kam zu Deportationen, deren Anzahl mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges immer mehr anstieg. Juden wurden in Ghettos und Konzentrationslager gesperrt, ihr Vermögen konfisziert und sie selbst ab September 1941 durch einen Judenstern gekennzeichnet.
Nach der Wannsee-Konferenz 1942 wurde von Hitler die Endlösung der Judenfrage gefordert und systematisch vorbereitet und damit die letzte Phase, die Vernichtung der jüdischen Minderheit eingeleitet. Vorwiegend in Polen wurden Vernichtungslager errichtet, in denen Millionen von Menschen mit höchstmöglicher Effizienz umgebracht wurden. Gesunde und Arbeitsfähige wurden zu schwerer körperlicher Arbeit in deutschen Fabriken heran gezogen. Nach dem Ausreiseverbot für deutsche Juden im Oktober 1942 wohnte über die Hälfte der deutschen Juden in Berlin. Der größte Teil von ihnen arbeitete dort als Zwangsarbeiter in der Deutschen Waffen- und Munitionsfabrik Berlin.
Die Arbeitsbedingungen in den Vernichtungslagern führten zu Entkräftung und frühzeitigem Tod der Gefangenen. Das größte Vernichtungslager, Auschwitz-Birkenau, arbeitete eng mit den IG-Farben zusammen, die auch das Gas, Zyklon B, für die Massenermordungen entwickelte.
Nicht nur Juden, sondern alle von den Nationalsozialisten als lebensunwert angesehenen Menschen sollten im Interesse der arischen Rasse beseitigt werden. Der Völkermord nahm im Zusammenhang mit der Lebensraumpolitik im Osten unvorstellbare Dimensionen an.
Dieser Entwicklungsprozess lässt sich in vier aufeinander folgende Phasen einteilen – Entrechtung, Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung. Mit Hilfe einer Vorlesung gebe ich den Schülern einen Überblick über diese Phasen der jüdischen Geschichte im Dritten Reich. Eine Schwerpunktsetzung findet in der Anwendungs- und Vertiefungsphase statt.
Im Folgenden werde ich näher die Problembereiche der jüdischen Emigration und Zwangsarbeit aufgreifen, da diese inhaltliche Schwerpunkte bei der Führung im Museum und der Erstellung des Konvoluts unseres Zeitzeugen bilden. Beide Bereiche finden auch bei der Planung und Durchführung Berücksichtigung.
3.3 „Leben im Wartesaal“ – Jüdisches Leben zwischen Emigration und Zwangsarbeit
Zum Zeitpunkt der nationalsozialistischen Machtübernahme befanden sich etwas mehr als eine halbe Million Juden in Deutschland. Sie stellten damit etwa 0,75% der Gesamtbevölkerung. Ein Teil von ihnen emigrierte noch vor Kriegsausbruch in das westliche Ausland, um den nationalsozialistischen Greueltaten zu entgehen. Der andere Teil der jüdischen Bevölkerung muss sich dagegen der häufig gestellten Frage aussetzen: „Warum aber haben sich die Juden nicht rechtzeitig den Drangsalierungen und Schikanen durch Auswanderung entzogen?“[36]
Der Auswanderung standen nicht nur erhebliche Schwierigkeiten im Wege, sondern damit büßten die seit Generationen in Deutschland lebenden Juden ihre Kultur und ihr Heimatgefühl ein. Zudem war kein Emigrationsland an verarmten Einwanderern interessiert, denn der NS-Staat forcierte und hemmte durch Vermögenskonfiskationen und ruinöse Abgaben die Auswanderungsmöglichkeiten zugleich.
In Folge der internationalen Konferenz am Genfer See im Juli 1938 bestätigten die Emigrationsländer ihre Einwanderungsquoten. Während das NS Regime die Auswanderung nach Palästina förderte, behinderte sie diese jedoch in die europäischen Nachbarländer. In den ersten Jahren nach 1933 begaben sich die meisten der jüdischen Flüchtlinge in die unmittelbare Nachbarschaft nach Österreich, in die Schweiz, die Tschechoslowakei und die Beneluxstaaten. Jedoch boten diese Staaten nur bis zum Überfall der deutschen Wehrmacht zu Beginn des Krieges genügend Schutz. Dauerhaften Schutz versprachen hingegen Großbritannien, Palästina und die Staaten in Übersee, allen voran die USA. Obwohl es aus unterschiedlichen Gründen schwer war, dorthin zu gelangen, emigrierten bis 1941 etwa 50000 deutsche und österreichische Juden nach Palästina und ca. 130 000 in die USA.
Die aus Deutschland entkommenen Juden erwartete in der Fremde ein mühsamer Alltag mit beträchtlichen Eingewöhnungsproblemen, Sprachbarrieren, beruflichem Abstieg, wirtschaftlicher Not und Gefühlen des Entwurzeltseins. Schließlich wurde am 23. Oktober 1941 die Emigration verboten. Zu einem Zeitpunkt, da der Völkermord bereits im vollen Gang war.
Die in Deutschland verbliebenen Juden erfuhren im Rahmen der Entrechtung auch den Entzug ihrer wirtschaftlichen und existentiellen Grundlagen. Im Herbst 1938 befanden sich von ehemals rund 100 000 jüdischen Betrieben noch 40 000 in den Händen der rechtmäßigen Besitzer. Am stärksten hatte die Arisierung im Einzelhandel zugeschlagen. Nur noch 9 000 von ehemals 50 000 jüdischen Geschäften waren übrig geblieben. Die Zahl der jüdischen Arbeitslosen stieg stetig an, Berufsverbote und erzwungene Verkäufe führten zur Verarmung vieler Juden. Die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom 12. November 1938 vernichtete die noch verbleibenden Existenzen. Ab 1. Januar 1939 wurde den Juden das Betreiben von Einzelhandelsgeschäften, das Anbieten von Waren und gewerblichen Leistungen auf Märkten und Festen und das Führen von Handwerksbetrieben untersagt. Die Betriebe wurden entweder in die Hände von nichtjüdischen Besitzern überführt (arisiert) oder aufgelöst. Der dadurch entstandene Erlös wurde auf Sperrkonten eingezahlt und später vom Deutschen Reich konfisziert. Schmuck, Juwelen und Antiquitäten mussten Juden zwangsweise zu Dumpingpreisen verkaufen. Auch durften sie über Wertpapiere und Aktien nicht mehr verfügen. Jüdischer Immobilienbesitz wurde zwangsarisiert und jüdischen Arbeitnehmern gekündigt. Die zunehmende Verelendung der deutschen Juden wurde dazu genutzt, um ihnen Zwangsarbeit zu verordnen. Der entsprechende Erlass des Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, datiert vom 20. Dezember 1938, lautete: „Fortan werden alle arbeitseinsatzfähigen Juden unter diskriminierenden Umständen abgesondert von der Gefolgschaft in staatspolitisch wichtigen Vorhaben eingesetzt.“[37] Hauptarbeitgeber der jüdischen Arbeiterschaft wurde die Deutsche Waffen- und Munitionsfabrik in Berlin.
Dieser kurze und vertiefende Exkurs, dem auch im Unterricht Platz eingeräumt wird, dient der inhaltlichen Vorbereitung der Schüler auf die Exkursion ins Jüdische Museum und stellt damit einen Problembereich im Rahmen der jüdischen Geschichte im Dritten Reich dar. An dieser Stelle sei nochmals auf das Vorlesungsskript im Anhang verwiesen, in dem ein Überblick über die Ereignisse zwischen 1933 und 1945 zu finden ist.
3.4 „Nehmt ihn auf, den Davidschild“ – Zur Reaktionen deutscher Juden auf den Nationalsozialismus. Eine thematische Führung
„Jüdisches Selbstbewusstsein und jüdischer Selbstbehauptungswille sind die Eigenschaften, mit denen wir uns innerlich wappneten gegen all das, was immer wieder auf uns eindringt“[38], schrieb Hans Wollenberg 1934 in der Zeitschrift des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten „Der Schild“. Wollenberg brachte damit eine Haltung zum Ausdruck, die für viele der deutschen Juden unter dem zunehmenden Druck im nationalsozialistischen Deutschland kennzeichnend wurde. Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten im Januar 1933 war der Antisemitismus staatliche Politik geworden. Es wurde deutlich, dass das heterogene deutsche Judentum seine Kräfte bündeln müsse, um auf die nationalsozialistische Entrechtungspolitik aktiv und einheitlich reagieren zu können.
Ausgrenzung und Vertreibung prägten besonders in den ersten Jahren des Nationalsozialismus das Leben der jüdischen Deutschen, während in den Jahren ab 1941 Angst vor Deportation und Vernichtung in den Vordergrund traten.
Diese äußere Bedrohung erzwang die Einigung verschiedener politischer Richtungen der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland. So gründete sich bereits im April 1933 mit dem „Zentralausschuss für Hilfe und Aufbau“ ein Dachverband der zahlreichen jüdischen Organisationen (Central Verein, Zionistische Vereinigung Deutschlands, Preußische Landesverband Jüdischer Gemeinden). Er repräsentierte politisch alle jüdischen Organisationen, festigte das kulturelle jüdische Selbstbewusstsein und bat im sozialen Bereich wirtschaftliche Hilfe allen denen an, die sie benötigten. Vorsitzender dieser Organisation war der prominente Rabbiner Leo Baeck, der 1935 nach Palästina auswanderte. Sein Nachfolger wurde Paul Eppstein. Der Zentralausschuss, der bis zur Jahreswende 1938/39 bestehen blieb, bildete ein eindrucksvolles und alle Lebensbereiche umfassendes Selbsthilfewerk, finanziert von jüdischen Gemeinden im Deutschen Reich oder durch ausländische Subventionen. Die Aufgabenbereiche erstreckten sich vom Aufbau eines eigenen jüdischen Schulwerks in Folge der Nürnberger Gesetze, zur Sicherung von Schule und Erziehung, jüdischer Gemeinschaft und Bewusstseins, bis hin zur Hilfe für Auswanderungswillige; von der Wohlfahrtspflege und Wirtschaftshilfe bis zur Arbeitsvermittlung, Gesundheitsfürsorge und Altenpflege. Die Leistungen waren bewundernswert und demonstrieren Selbstbehauptungskraft und Solidarität in einer von Tag zu Tag bedrohlicher werdenden Umgebung.
Nicht weniger bewunderungswürdig waren die Anstrengungen im kulturellen und geistigen Leben, die der „Kulturbund Deutscher Juden“ ab Mitte 1933 übernahm. Ziel dieser Organisation war die soziale Funktion, nämlich die Künstlerhilfe, um entlassenen jüdischen Musikern und Schauspielern Arbeit und Publikum zu bieten. Dem Selbstverständnis nach verstand sich der Kulturbund Deutscher Juden als eine Demonstration selbstbewussten und sich selbst behauptenden deutschen Judentums.
Als oberstes politisches Organ fungierte aber die Reichsvertretung der Juden in Deutschland, die im September 1933 gegründet wurde und bis 1943 die Belange der deutschen Juden vertrat. Nach der Pogromnacht 1938 agierte sie jedoch nicht mehr als freie Körperschaft, sondern unter Kontrolle der NS.
Die thematische Führung durch das Jüdische Museum verdeutlicht diese „begrenzten Möglichkeiten der Selbstbehauptung und das Aufrechterhalten alltäglichen Lebens einer geächteten und verfolgten Minderheit“.[39] Mittels persönlicher Dokumente und Zeugnisse werden die Versuche der Juden dokumentiert, zu überleben, Widerstand zu leisten und ihre Würde zu bewahren. Es werden durch die Führung Fragen aufgeworfen, die sich mit Zeitpunkt und Ziel der Emigration oder mit der Suche nach einem geeigneten Versteck beschäftigen. Dadurch erhalten die Schüler einen Einblick in beispielhafte Formen individueller Selbstbehauptung und die generellen Schwierigkeiten der Verfolgten überhaupt zu reagieren.
Zahlreiche Juden wehrten sich gegen die Verfolgungs- und Vernichtungsabsichten des NS-Staates. Der Widerstand reichte vom Untertauchen bis zur aktiven Gegenwehr, indem sie sich beispielsweise weigerten, den Judenstern oder die Beinamen „Sara“ und „Israel“ zu tragen. Ein besonderes Beispiel stellte die so genannte „Fabrikaktion“ dar. Im Februar 1943 wurden alle bis dahin noch verbliebenen Juden, die in Berlin Zwangsarbeit leisteten, direkt an ihrem Arbeitsplatz festgenommen und innerhalb weniger Tage nach Auschwitz deportiert. Mit Ausnahme für die Juden, die in einer Mischehe lebten, gab es nun keine legale Existenz mehr in Deutschland. Nach Schätzungen überlebten nur drei von zehn Untergetauchten die Illegalität, die meisten wurden denunziert oder entdeckt und deportiert.
Ein historisches Phänomen stellen die Ereignisse in der Berliner Rosenstraße dar. Sie illustrieren auf beeindruckende Weise den Erfolg des stillen Protestes deutscher Frauen, denen es teilweise gelang, ihre jüdischen Männer vor der Deportation zu schützen.[40] Beharrlich warteten zunächst ein Dutzend später hunderte von „arischen“ Frauen vor dem Judenhaus in der Rosenstraße auf die Freilassung ihrer Männer. Aus dem passiven Warten entwickelte sich ein aktiver Protest, „ein Aufschrei massiver Empörung, eine lautstarke Revolte, die trotz allem gewaltlos blieb – ein Akt der Solidarität und Zivilcourage.“[41] Am Ende der Protestaktion kamen die Männer mitten im Krieg wieder frei.
Erst im Nachhinein erfuhren wir, dass unser Zeitzeuge selbst Gefangener in der Berliner Rosenstraße war.
3.5 Von Boxhandschuhen und Schokolade – unser Zeitzeuge Manfred Joachim
Manfred Joachim wurde am 16.10.1925 in Berlin geboren. Das Konvolut enthielt Dokumente und Fotografien von ihm und anderen Angehörigen seiner Familie. Die Mutter, Anna Joachim, geb. Nehle, war nichtjüdischer Abstammung. Manfred Joachim und seine vier Brüder hatten nach der Einführung der Nürnberger Gesetze den Status als „Geltungsjuden“. Der Vater und der älteste Bruder Heinz, der Mitglied der „Herbert-Baum-Gruppe“ gewesen war, wurden ermordet. Nach dem Krieg emigrierte die Mutter mit den überlebenden vier Brüdern nach Uruguay.
Sein Vater, Alfons Joachim (* Kurnik 16.07.1895), arbeitete in Berlin bei der EPA (Einheitspreis-Aktiengesellschaft) als Abteilungsleiter. Er starb am 04.12.1944 in Sachsenhausen, nachdem er im Juli 1944 denunziert worden war.
Seine Mutter, Anna Emilie Luise Joachim, geb. Nehle (* Berlin 24.08.1893, † 17.04.1988 Berlin), heiratete Alfons Joachim 1919 und trat 1927 zum Judentum über. Zusammen mit ihren vier überlebenden Söhnen wanderte sie 1947 nach Uruguay aus. Der Mann ihrer Schwester, Viktor Friedheim (später Frithaym) besaß dort eine Schokoladenfabrik und konnte der Familie Arbeit und Unterkunft geben.
Manfred Joachim war der dritte von fünf Brüdern. Er besuchte ab 1938 die jüdische Schule in der Rykestraße und 1940 für kurze Zeit die jüdische Schule in der Chorinerstraße. Außerdem hatte er sportliche und musikalische Interessen. Er spielte Handball, boxte und besuchte die Jüdische Private Musikschule „Hollaender“. Die jüdische Gemeinde hatte ihm ein Posaunenstudium finanziert. Ab 1941 musste Manfred Joachim Zwangsarbeit leisten, u.a. in der Deutschen Waffen- und Munitionsfabrik. Im Zuge der „Fabrikaktion“ wurde Manfred Joachim im Februar/ März 1943 in der Rosenstraße gefangen gehalten. Am 06.03.1943 wurde er wieder entlassen und arbeitete danach bis zum Kriegsende bei der Deutschen Reichsbahn.
Ab 1945 war Manfred Joachim wieder vermehrt als Musiker tätig, 1946 gründete er seine eigene Band „Swing Trio“. Seit 1946/47 war er in dem jüdischen D.P.[43] Lager Düppel bei der Lagerpolizei tätig. 1947 wanderte Manfred Joachim mit seiner Mutter und seinen drei Brüdern, Rudi, Werner und Gerhard gemeinsam nach Uruguay aus. Dort arbeitete er in der Schokoladenfabrik seines Onkels, Viktor Friedheim. Seit 1948 war er Mitglied der Asociación Uruguaya de Musicos und außerdem als Sportredakteur bei der Zeitschrift “Guantes de Oro“ tätig. Ab dem 31.07.1958 war er als Promoter durch die Comisión nacional de Boxeo zugelassen. Er ging die Ehe mit Evelyn Schwartz ein, von welcher er sich 1961/62 wieder scheiden ließ. Sie lebt noch heute in Montevideo. Ihr gemeinsamer Sohn Robert lebt heute in Buenos Aires.
1959 kehrte Manfred Joachim, zusammen mit seinem Bruder Gerhard nach Berlin zurück und arbeitete bei der Elektrotechnischen Fabrik „Robert Karst“ in der Gneisenaustrasse. 1963 ging er die Ehe mit Elfi John ein, am 22.04.1964 wurde ihre Tochter Ariane geboren. Seit Februar 1965 ist Manfred Joachim Mitglied der Jüdischen Gemeinde Berlin. 1979 machte er sich mit einer Softwarefirma selbstständig und ging 1993 in Ruhestand.
Das folgende Kapitel umfasst einen Überblick über die methodisch-didaktische Planung der Unterrichtsreihe und deren Analyse unter Berücksichtigung der Sach- und Bedingungsanalyse.
4. Ansatz und Legitimation des außerschulischen Lernens unter Berücksichtigung verschiedener methodischer Ansätze Eine methodisch-didaktische Analyse der Unterrichtsreihe
4.1 Vorbemerkungen
In einem Beitrag über die Erfahrung einer Ausstellungsführerin im Jüdischen Museum in Berlin konnte ich lesen, dass sich bei Rundgängen die Schüler zu sehr mit sich selbst befassen und auf Fragen wie: „Was waren die Nürnberger Rassegesetze?“ oder „Was geschah während der Wannsee-Konferenz?“ eisiges Schweigen herrschte. Auf die Frage, „Warum verfolgten die Nazis Juden bis 1939?“, antwortete ein Junge: „Damit die Deutschen sie sympathisch finden.“[44] – Nein, so etwas sollte uns nicht passieren. Die Notwendigkeit, mit Schülern vorbereitet in eine solche Ausstellung zu gehen, stand für mich außer Frage.
Aus diesem Grund war es für mich notwendig, inhaltliche Vorinformationen zum Themenbereich „Juden im Nationalsozialismus“ im Unterricht zu vermitteln, Arbeitstechniken zu erproben und Darstellungs- und Verarbeitungsweisen von Geschichte mit meinen Schülern zu trainieren.
Trotz einer Vielzahl von Vorteilen die das außerschulische Lernen mit sich bringt, um Geschichte vor Ort zu erfahren und zu erkunden, ist eine methodische und inhaltliche Vorbereitung notwendig. Indem die Schüler vor Ort etwas sehen was sie schon wissen, erhöht sich der Grad der Antizipation und der Offenheit gegenüber dem Ausgestellten. Sie festigen gleichzeitig ihre Kenntnisse, indem sie Objekte in ihren historischen Kontext einordnen. Aus diesem Grund sind thematische Führungen ein wichtiger Interpretationsrahmen für das weitere Vorgehen. Vorwissen bedeutet jedoch nicht, alles über das Thema zu wissen, da sonst die Objekte nur noch als Illustration des bereits vorhandenen Wissens dienen. Dies erübrigt sich jedoch bei so umfangreichen und vielseitigen Themenbereichen und Ausstellungen wie im Jüdischen Museum. Nicht zuletzt erweist sich hier die Inszenierung von Geschichte als wichtiger Erkenntnisgewinn, der im Vorfeld nicht zu vermitteln ist.
Die besondere Ausstrahlung eines Objektes wird durch die Inszenierung des Ortes und durch den Besucher selbst erzeugt. Je mehr man über die historische Bedeutsamkeit und die Verwendungsweise dieses besonderen Gegenstandes weiß, umso größer sind dessen Ausstrahlung und die Nachhaltigkeit der Erkundung.
Die gesamte Unterrichtsreihe, in deren Mittelpunkt die Erkundung des Jüdischen Museums als außerschulischen Lernort steht, berücksichtigt vor allem die didaktischen Prinzipien der Handlungs- und Schülerorientierung. Diese werden im Folgenden im Rahmen der Gesamtstruktur vorgestellt, ebenso Grundlagen des außerschulischen Lernens sowie Vor- und Nachteile der in Berlin zu praktizierenden Arbeitsbereiche.
Wie auch das fünfte Kapitel zu den „Globalen Lernzielen der Unterrichtsreihe“ werde ich dieses Kapitel in schulisches und außerschulisches Lernen unterteilen, wobei dem außerschulischen Lernen als didaktischen Schwerpunkt dieser Arbeit hier mehr Gewicht zufällt.
4.2 Vor- und Nachbereitung der Exkursion im Rahmen des schulischen Lernens
4.2.1 Geschichtsunterricht in der Sekundarstufe II
Während der Vorbereitung und Planung erschien es mir wichtig, die Schultypenspezifik des Geschichtsunterrichts in der Sekundarstufe II zu hinterfragen. Während in der Sekundarstufe I der „chronologische Durchgang“ im Geschichtsunterricht unterrichtet wird, gilt es, in der Sekundarstufe II Schwerpunkte zu setzen.[45] Doch worin liegt der qualitative Unterschied zur Sekundarstufe I? Mit größerem Zeitaufwand für ein Thema, mit längeren und schwierigeren Quellentexten kann es nach meinen Erfahrungen nicht getan sein. Stattdessen sollte der Geschichtsunterricht „wissenschaftspropädeutische Qualifikationen“ vermitteln.[46] Diese, auch vom Lehrplan gestellte Forderung,[47] meint nicht vordergründig die Vorbereitung auf ein Fachstudium, „sondern die vertiefte Kenntnis und Beherrschung fachspezifischer Denk- und Arbeitsweisen.“[48] Dazu gehört zunächst eine verstärkte Reflexion über Geschichte. Die Schüler sollen also den Konstruktcharakter historischer Beschreibung erkennen. Bereits der Begründer der modernen Geschichtswissenschaft, Leopold von Ranke, sagte dazu: „Geschichte kann nicht zeigen, wie es eigentlich gewesen“, d.h. Geschichte kann vielmehr nur durch Fragestellungen der Gegenwart kontrolliert, untersucht und plausibel gedeutet werden.
Neben der Reflexion über Geschichte „gehört zum Anspruchsniveau der Sekundarstufe II die Beherrschung einschlägiger Untersuchungs- und Darstellungstechniken.“[49] Diese sollen die Schüler zum eigenständigen und problemorientierten Erschließen von Sach- und Themenbereichen befähigen. Beide geforderten Schwerpunkte und Besonderheiten des Geschichtsunterrichts in der Sekundarstufe II wurden von mir bei der Vor- und Nachbereitung der Exkursion berücksichtigt.
Die Schule dient als Ort der Konfrontation und Anregung gegenüber Themen aus dem Lebens- und Erfahrungsbereich von Kindern und Jugendlichen und bietet zugleich Raum und Möglichkeit diese zu erschließen. „Um die Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit einem Sachverhalt in Gang zu bringen, muss erst einmal der Unterrichtsgegenstand in den Explorationshorizont gebracht werden.“[50] Dies bedarf häufig nur des Zueinanderführens der außerschulischen Welt zum Lernenden, um einen Lernvollzug beim Kind anzuregen und die Identifikation mit dem Lerngegenstand zu fördern.[51] In der Einführungsstunde werden die Schüler erste Kontakte mit der jüdischen Kultur aufnehmen, so dass erste Eindrücke vom jüdischen Leben entstehen. Auf diesem motivationsfördernden Weg sollen bei ihnen „Schülerinteressen geweckt“ und „Vorkenntnisse aktiviert werden.“[52] Dies geschieht durch das Ausfüllen der „Wissen-Neugier-Gelernt“[53] Blätter, mit Hilfe derer die Schüler ihnen bekannte Themenfelder und Sachbereiche benennen. Demzufolge besitzt die Einstiegsstunde sowohl eine emotionale als auch kognitive Funktion. In dieser Stunde sollen die Schüler für das Thema sensibilisiert, und dem Prinzip der Gegenstandstransformation zur Folge, ihre Neugier am Lerngegenstand gesteigert werden.
In den Folgestunden steht die methodische und inhaltliche Vorbereitung zur Exkursion im Mittelpunkt der Unterrichtsplanung, um der eingangs gestellten Forderung, dass effektives und nachhaltiges Lernen an außerschulischen Lernorten einer Vor- und Nachbereitung bedürfen, zu entsprechen. Da am Exkursionstag neben einer thematischen Führung auch ein Archivworkshop und ein Zeitzeugengespräch anstehen, gilt es, diese im Unterricht vorzubereiten.
[...]
[1] Anmerkung – Das hebräische Wort für Vernichtung taucht in der Literatur in unterschiedlichen Schriebweisen auf „Shoa, Shoah, Schoa“. In der Arbeit nutze ich die Schriebweise „Shoa“, da sie so im Zitat meines ersten Beitrages zu finden war.
[2] Oellers, Christoph; Die deutsche Geschichtswissenschaft und der Umgang mit der Shoa. Sisyphos im monströsen Eisberg, in: Das Parlament. Themenausgaben: Jüdisches Leben in Deutschland (31/32) 2003, S. 5.
[3] Ritter, Gerhard A.; Über Deutschland. Die Bundesrepublik in der deutschen Geschichte, München 1998.
[4] Broszat, Martin; Der Führerstaat. Nationalsozialistische Herrschaft 1933 bis 1945, München 1987.
[5] Aus Gründen des Leseflusses, wird mit der Bezeichnung „Lehrer“ selbstverständlich auch gleichberechtigt die weibliche Berufsgruppe mit einbezogen.
[6] Aus Gründen des Leseflusses, werden mit der Bezeichnung „Schüler“ selbstverständlich auch gleichberechtigt die Schülerinnen mit einbezogen.
[7] Benz, Wolfgang; Der Holocaust (= Beck’sche Reihe Wissen, 2022), München 1999, S. 118.
[8] Titel übernommen von: Abendroth, Elisabeth; „Holocaust“ im Unterricht, in Lichtenstein, Heiner/ Romberg, Otto (Hrsg.); Täter – Opfer – Folgen. Der Holocaust in Geschichte und Gegenwart (= Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 335), Bonn 21997, S. 212.
[9] Deutscher, Isaak; The Non-Jewish Jew and Other Essays, London/ New York 1968, zitiert nach Friedländer, Saul; Vom Antisemitismus zur Judenvernichtung. Eine historiografische Studie zur nationalsozialistischen Judenpolitik und Versuch einer Interpretation, in: Jäckel, Eberhard/ Rohwer, Jürgen (Hrsg.); Der Mord an den Juden im Zweiten Weltkrieg. Entschlussbildung und Verwirklichung, Stuttgart 1985, S. 18f.
[10] Améry, Jean; Jeseits von Schuld und Sühne. Bewältigungsversuche eines Überwältigten, München 1970, S. 8.
[11] Bauer, Fritz; Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns, Frankfurt am Main 1965.
[12] Adorno, Theodor W.; Stichwort, Kritische Modelle, Frankfurt am Main 1969, S. 85ff.
[13] Heinsohn, Gunnar; Warum Auschwitz? Hitlers Plan und die Ratlosigkeit der Nachwelt, Reinbek 1995, S. 127.
[14] Vgl. zu diesen bildungspolitischen Diskurs: Abendroth, „Holocaust“ im Unterricht, S. 213.
[15] Vgl. Thüringer Kultusministerium (Hrsg.); Lehrplan für das Gymnasium Geschichte, Erfurt 1999, S. 37.
[16] Bauer, Fritz; Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns, Frankfurt am Main 1965.
[17] Lehrplan Geschichte, S. 36.
[18] Ebenda.
[19] Ebenda, S. 37.
[20] Ebenda.
[21] Den Fragebogen für die Schüler der Grundkurse, der Belehrungsbogen und einen Überblick über die Kalkulation der Fahrtkosten finden Sie im Anhang der Arbeit.
[22] Lehrplan Geschichte, S. 44.
[23] Ebenda, S. 36.
[24] Benz, Der Holocaust; ders.; Geschichte des Dritten Reiches.
[25] Benz, Holocaust, S. 119.
[26] Einen umfassenden Überblick zur Thematik entnehmen Sie dem im Anhang beigefügten Vorlesungsskript.
[27] Nida-Rümelin, Julian; Grußwort, in: Stiftung Jüdisches Museum Berlin (Hrsg.); Geschichte einer Ausstellung – Zwei Jahrtausende deutsch-jüdische Geschichte“, Berlin 22002, S. 12.
[28] Ebenda, S. 13.
[29] Blumenthal, Michael W.; Willkommen im Jüdischen Museum, in: Stiftung Jüdisches Museum Berlin (Hrsg.); Geschichte einer Ausstellung – Zwei Jahrtausende deutsch-jüdische Geschichte“, Berlin 22002, S. 14.
[30] Gorbey, Ken; Die Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin, in: Stiftung Jüdisches Museum Berlin (Hrsg.); Geschichte einer Ausstellung – Zwei Jahrtausende deutsch-jüdische Geschichte“, Berlin 22002, S. 22.
[31] Ebenda.
[32] Pandel, Hans-Jürgen; Ausstellungen und Museen, in: Sauer, Michael (Hrsg.); Geschichte. Das Methodenbuch, Seelze 2000, S. 23.
[33] Rede vor den Reichs- und Gauleitern in Posen am 6. Oktober 1943, in: Himmler, Heinrich; Geheimreden 1933-1945 und andere Ansprachen, hg. v. Smith, Bradley F./ Peterson, Agnes, Frankfurt am Main 1974, S. 170.
[34] Ignatz Bubis’ Rede zum 51. Jahrestag der Reichspogromnacht in der Frankfurter Westend-Synagoge, zit. n. Korn, Salomon; Die fragile Grundlage. Auf der Suche nach der deutsch-jüdischen Normalität, Berlin 22004, S. 34.
[35] Vgl. dazu Korn, Salomon; Die fragile Grundlage. Auf der Suche nach der deutsch-jüdischen Normalität, Berlin 22004, S. 57.
[36] Benz, Der Holocaust, S. 30.
[37] zit. n. Benz, Der Holocaust, S. 35.
[38] Zit. n. „Nehmt ihn auf, den Davidschild“. Die Reaktion auf die nationalsozialistische Verfolgung, in: Stiftung Jüdisches Museum Berlin (Hrsg.); Geschichte einer Ausstellung – Zwei Jahrtausende deutsch-jüdische Geschichte“, Berlin 22002, S. 148.
[39] Jüdisches Museum Berlin (Hrsg.); Informationsheft - Führungen für Schulen, Berlin 2004, S. 6.
[40] Die Ereignisse der Berliner Rosenstraße dokumentiert eindrucksvoll der gleichnamige Film von Margarethe von Trotta aus dem Jahre 2003.
[41] Wydra, Thilo; Rosenstraße. Ein Film von Margarethe von Trotta. Die Geschichte. Die Hintergründe. Die Regisseurin, Berlin 2003, S. 6.
[42] Die Angaben zum Zeitzeugen wurden mir in dieser Form vor der Exkursion zugesandt und von den Schülern vor Ort im Museum im Archivworkshop rekonstruiert und im Zeitzeugengespräch vertieft.
[43] D.P. – displaced persons (englische Bezeichnung für Emigranten)
[44] Vgl. zu diesem Erfahrungsbericht Avidan, Igal; Die jüngste deutsche Vergangenheit im jüdischen Museum Berlin, in: Das Parlament. Themenausgaben: Jüdisches Leben in Deutschland (31/32) 2003, S. 11.
[45] Borries, Bodo von; Geschichtsunterricht in der gymnasialen Oberstufe. Realisierung, Systematik, Exemplarik, Ergebnissicherung, in: Zeitschrift für Pädagogik (42) 1996, Heft 4, S. 519-539.
[46] Mieles, Bernhard; Wissenschaftspropädeutisches Arbeiten in der Sekundarstufe II, in: Geschichte lernen. Geschichtsunterricht in der Sekundarstufe II (68) 1999, S. 50-53.
[47] Vgl. dazu Lehrplan Geschichte, S. 6.
[48] Sauer, Michael; Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik, Seelze 2001, S. 57.
[49] Milies, Wissenschaftspropädeutisches Arbeiten in der Sekundarstufe II, S. 52.
[50] Sauer, Geschichte unterrichten, S. 139.
[51] Vgl. Meyer, Hilbert; Unterrichtsmethoden, Band 2: Praxisband, Frankfurt am Main 61996, S. 212f.
[52] Ebenda, S. 84.
[53] Die „Wissen-Neugier-Gelernt“ Blätter werden fortan in der Abkürzung gebraucht – WNG.
- Arbeit zitieren
- Toralf Schenk (Autor:in), 2005, Umgang mit und Aufarbeitung der Geschichte der Juden im Dritten Reich im Leistungskurs Geschichte 13, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/155650
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