In meiner Abschlussarbeit beschäftige ich mich mit dem kirchlichen Hauptfesten Weihnachten und Ostern.
So befasst sich der erste große Teil der Arbeit mit den verschiedenen Geburts-, Todes- und Auferstehungstexten Jesu in den Evangelien und vergleicht diese miteinander. Aktuelle Positionen zu den verschiedenen Texten von Gerd Theißen, Wolfhart Pannenberg und Gerd Lüdemann werden dargestellt.
Der zweite große Teil der Arbeit stellt den religionspädagogischen Ansatz der kritischen Symbolkunde von Peter Biehl vor, um danach verschieden Festtheorien zu untersuchen. Am Beispiel des Weihnachtsfestes wird eine exemplarische Unterrichtseinheit von Peter Biehl vorgestellt.
Der dritte Teil ist dann eine Ansammlung von Unterrichtsbausteinen für eine Unterrichtseinheit zum Osterfest. In den Ideen sind die verschiedenen Gedanken und Theorien der Arbeit verbunden und in die Praxis umgesetzt.
Inhalt
Vorwort
I. Geburt, Tod und Auferstehung Jesu historisch betrachtet
1. Hinfuhrung
2. Geburt Jesu
2.1 Matthaus (Mt 1 + 2)
2.2 Lukas (Lk 1 - 2, 21)
2.3 Historische Ertrage des Quellenvergleichs
2.4 Intentionen der Verfasser
3. Tod und Auferstehung Jesu
3.1 Paulus (1. Kor 15,1-11)
3.2 Markus (Mk 15 + 16)
3.3 Sondergut bei Matthaus
3.4 Sondergut bei Lukas
3.5 Johannes (Joh 18, 28-21,25)
3.6 Historischer Ertrag des Quellenvergleichs
3.7 Intentionen der Verfasser
4. Aktuelle Positionen
4.1 Gerd TheiRen
4.1.1 Geburt Jesu
4.1.2 Tod und Auferstehung Jesu
4.2 Wolfhart Pannenberg
4.2.1 Geburt Jesu
4.2.2 Tod und Auferstehung Jesu
4.3 Gerd Ludemann
4.3.1 Geburt Jesu
4.3.2 Tod und Auferstehung Jesu
5. Zusammenfassung
II. Religionspadagogische Betrachtungen
1. Hinfuhrung
2. Die Kritische Symbolkunde von Peter Biehl
2.1 Erfahrung
2.1.1 Was ist Erfahrung?
2.1.2 Erfahrungsbezogenes Lernen im Religionsunterricht
2.2 Erfahrung - Symbol
2.2.1 Was ist ein Symbol?
2.2.2 Kritische Symbolkunde im Religionsunterricht
2.3 Erfahrung - Symbol - Glaube
2.4 Kritik an Biehls Ansatz
2.5 Didaktische Konsequenzen fur den Religionsunterricht
3. Festtheorien
3.1 Alltag versus Fest?
3.2 Eigenschaften eines Festes
3.3 Religiose Feste
3.4 Didaktische Konsequenzen fur den Religionsunterricht
4. Unterrichtseinheit von Peter Biehl zum Weihnachtsfest
4.1 Geschichte des Weihnachtsbrauchtums
4.2 Didaktische Kriterien der Einheit
4.3 Intentionen der Unterrichtseinheit
4.4 Praktische Ideen fur diese Unterrichtseinheit
5. Zusammenfassung
III. Unterrichtsbausteine fur die Osterzeit
1. Hinfuhrung
2. Bildungsplan
3. Symbole des Osterfestes
3.1 Geschichte des Osterbrauchtums
3.2 Das Symbol „Stein“
4. Didaktische Kriterien der Einheit
5. Unterrichtsbausteine mit dem Symbol „Stein“ (Sek. I)
5.1 Steine und deren Bedeutung fur den Mensch
5.2 Gedenksteine
5.3 Mit Steinen werfen
5.4 Jesus und die Ehebrecherin (Joh 8, 3-11)
5.5 Grabsteine und die Frage nach dem Tod
5.6 Auferstehungsvorstellungen in den Religionen
5.7 Die Auferstehung Jesu (Mk 16, 1-20)
5.8 Ideen fur eine Auferstehungsfeier
Ausblick
Materialien zu den Unterrichtsbausteinen
Literaturangaben
Vorwort
Rhythmen bestimmen das Leben auf dieser Erde. Jedes Jahr wiederholt sich der Kreislauf von Fruhling, Sommer, Herbst und Winter. Der Mensch hat beobachtet, erkannt und deshalb das Jahr in zwolf Monate eingeteilt, die wiederum in Wochen unterteilt wurden. Aus sieben Tagen besteht eine Woche. Den Werktagen folgt das Wochenende mit einem Ruhetag. Jeden Tag geht die Sonne auf und abends wieder unter, weshalb der Tag in eine bestimmte Anzahl von Stunden unterteilt wurde. Der Mensch hat sich auf die naturgegebenen Wiederkehrenden Rhythmen eingestellt, sich daran gewohnt und so gut wie moglich zu Nutze gemacht. Jeder Mensch braucht neben den naturgegebenen Kreislaufe uber das Leben hinausweisende Rhythmen und Riten. Neben dem Arbeitsrhythmus hat sich deshalb in Europa und auf anderen Kontinenten der kirchliche Jahreskalender tradiert und durchgesetzt. Eng mit dem Alltag der Menschen verwoben stand dieser Festkreis fur die Durchbrechung des Alltags. Er sollte die Menschen an das Gottliche erinnern, von dem alles empfangen wurde. Hohepunkte dieses Festkreises wurden die kirchlichen Feste, die meist von allen Dorfbewohnern gemeinsam gefeiert wurden. Seit einigen Jahrhunderten hat dieser Festkreis jedoch scheinbar an Kraft und Einfluss verloren. Neue Staatsformen revolutionierten die Gesellschaften, GroRstadte veranderten das Zusammenleben der Menschen und neue Erfindungen revolutionierten das Arbeitsleben grundlegend. Das Verstandnis fur und die Angewiesenheit auf diese Feste wich einer Skepsis gegenuber den Religionen und deren Symbolen und Festen. Heute werden nur noch wenige der Feste, die einst fur den gesellschaftlichen Rhythmus so wichtig waren, von der Bevolkerung begangen. Festtage wurden und werden abgeschafft, um der Wirtschaft unter die Arme zu greifen und die einstigen Hauptfeste sind willkommene Konsumfeste, an denen viele Firmen jedes Jahr unvorstellbare Summen umsetzen. Der Alltag ist von Arbeit gepragt, weshalb die kostbare freie Zeit so wenig wie moglich mit diesem dominierenden Aspekt des Lebens in Beruhrung kommen soll. Fur Anselm Grun leben wir in einer Zeit, „[...] die nur noch den Rhythmus von Arbeitszeit und Urlaub kennt [...]“[1]. Gefeiert wird weiterhin, aber nicht mehr mit religiosem Hintergrund. Die Wirtschaft hat sich auch diese profanen Festformen schon lange zu Eigen gemacht, indem sie eine Eventindustrie gebildet hat, die gekonnt und geplant Alltagsabwechslung und Alltagsverdrangung anbietet. Der kirchliche Festkalender wurde fast komplett verdrangt und uberdeckt. Lediglich zwei der Feste werden weiterhin Jahr fur Jahr von Menschen weltweit begangen: Weihnachten und Ostern. An diesen Festen ist zwar die Konsumhaltung am starksten ausgepragt, jedoch verzeichnen die Kirchen an diesen Feiertagen eine hohe Zahl an Gottesdienstbesuchern. Ein letzter Hoffnungsschimmer, dass mehr hinter den Festen stecken muss, ist den Besuchern der Festgottesdienste geblieben. Wahrend die alteren Generationen noch die Wurzel und den Sinn dieser Feste problemlos benennen konnen, bleibt bei immer mehr Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen diese Frage unbeantwortet und offen. Viele religiose Symbole werden nicht mehr mit dem Anlass der Feste in Verbindung gebracht und viele der modernen Festsymbole haben nichts mehr mit den eigentlichen Wurzeln der Feiern zu tun.
In der vorliegenden Arbeit soll deshalb versucht werden, die Wurzeln der beiden Hauptfeste neu zu entdecken und sich mit den biblischen Geschichten, die ihnen zu Grunde liegen, intensiv auseinanderzusetzen. Im ersten Abschnitt (I.) dieser Arbeit werden diese Quellen analysiert und deren Historizitat untersucht. Die Geburt Jesu, die der Grund fur das Weihnachtsfest ist, wird im Matthausevangelium und im Lukasevangelium beschrieben, weshalb diese Texte herangezogen und verglichen werden (1.2). Um die Osterereignisse untersuchen zu konnen, mussen alle vier Evv und ein Text aus dem ersten Korintherbrief hinzugezogen werden. In diesem Teil werden somit neben dem Matthausevangelium und dem Lukasevangelium zusatzlich das Markusevangelium und das Johannesevangelium untersucht und verglichen (1.3) . Die aktuellen theologischen Positionen zu diesen Quellen werden aufgezeigt (1.4) und meine Position (I.5) wird diesen ersten Abschnitt schlieRen.
Das zweite Ziel dieser Arbeit soll sich der Chance dieser Feste fur den Religionsunterricht widmen. Wie konnen Feste und Symbole im Schulalltag die Lernenden auf die Spur des religiosen Hintergrunds dieser Feste gebracht werden? Ein didaktischer Ansatz wurde Anfang der 80er Jahre von Peter Biehl entworfen, in dem der Umgang mit Symbolen ins Zentrum des Religionsunterrichts gestellt wurde. Der zweite Abschnitt (II.) hat zur Aufgabe, die Grundideen des didaktischen Ansatzes von Biehl zu thematisieren und vorzustellen (II.2). In der Auseinandersetzung mit den Kritikern dieses Ansatzes weitet er seinen Vorschlag auf die Feste und deren Festsymbole aus. Aus diesem Grund werden verschiedene Festtheorien vorgestellt und betrachtet, was ein Fest vom Alltag unterscheidet und was ein religioses Fest von einem profanen Fest unterscheidet (II.3). Wie Biehl seinen Ansatz praktisch umsetzt, wird an seiner weihnachtlichen Unterrichtseinheit exemplarisch dargestellt (II.4).
Der abschlieRende dritte und letzte Abschnitt der Arbeit (III.) beinhaltet einen Versuch meinerseits, das Erarbeitete dieser Arbeit praktisch auf Ostern anzuwenden. In mehreren Bausteinen sollen die didaktischen Kriterien von Biehls Ansatz (III.4) umgesetzt werden. Die Aktualitat des Ansatzes zeigt sich im Bezug zum Bildungsplan (III.2), der viele der Ideen Biehls enthalt. Das in diesen Bausteinen (III.5) behandelte Symbol des Steins wird nach einem kurzen Abriss der Geschichte des Osterfestes analysiert (III.3), um dann in Form von acht Unterrichtsbausteinen umgesetzt zu werden (III.5).
In der gesamten Arbeit werden die gangigen Abkurzungen nach TRE und JRP verwendet.
I. Geburt, Tod und Auferstehung Jesu historisch betrachtet
1. Hinfuhrung
„Wissenschaft sagt nicht: ,So war es’, sondern: ,So konnte es aufgrund der Quellen gewesen sein.’“[2]
Dieser erste Teil der Arbeit befasst sich mit den Quellen, die von Geburt und Tod Jesu zeugen, sowie mit den Schriften, auf die sich die kirchlichen Feste Weihnachten und Ostern berufen. Bei diesen Quellen handelt es sich um die vier Evangelien (Evv) und einen Auszug aus dem 1. Korintherbrief (1. Kor 15, 1-11), der bei den Ostererscheinungen aufgrund des Zeitpunkts seiner Entstehung nicht auRer Betracht gelassen werden kann. Dieses Kriterium ist fur die historische Zuverlassigkeit von Quellen von hohem Wert. Nach der Zwei-Quellen-Theorie ist demnach das Markusevangelium (MkEv) das Alteste der vier Evangelien (Evv). Matthaus (Mt) und Lukas (Lk) haben diese Schriften als Grundgerust fur ihre Berichte genutzt, allerdings mit Sondergut aus der Quelle Q erweitert. Das Johannesevangelium (JohEv) ist das Jungste unter den Evv und weist die hochste theologische Reflexionsstufe aller Evv. Die Briefe des Paulus sind unter den zur Verfugung stehenden Quellen die Altesten und vor diesem Hintergrund fur die Untersuchung des Ostergeschehens von sehr hoher Bedeutung. Zur Methode der historisch-kritischen Exegese ist zu erwahnen:
Alle Quellen stammen von irrtumsfahigen Menschen und mussen deshalb historischer Kritik unterzogen werden. Ferner mussen sie alle im Lichte eines historischen Relativismus gedeutet werden, der weiR: Alles steht in Korrelation mit anderem; alles hat Analogien. [...] Daher sind historische Quellen das entscheidende Kriterium fur ihre Arbeit. Alles muB sich an ihnen messen, jeder Gedanke ihnen unterworfen werden. Mit einer Vorstellung der Quellen zum historischen Jesus muB daher jede wissenschaftliche Jesusdarstellung beginnen.[3]
In den Evv wird in unterschiedlicher Ausfuhrlichkeit von der Geburt und der Kindheit Jesu berichtet. Sowohl das LkEv als auch das MtEv beinhalten die ausfuhrlichsten Berichte, wobei es einige Unterschiede in den Erzahlungen gibt. So berichtet das MkEv gar nichts uber Jesu Geburt, sondern beginnt seine Erzahlung stattdessen mit Johannes dem Taufer. Im Laufe seines Evangeliums berichtet Mk Einzelheiten uber Jesus, beschrankt sich dabei jedoch auf dessen Herkunftsort Nazareth (MkEv 1, 9), den Namen seiner Mutter (Maria; Mk 6, 3) und seinen erlernten Beruf (Zimmermann; ebd.). Das JohEv als viertes der Evv beginnt mit einem Prolog, der im Vergleich zu den anderen Evv aus dem Rahmen fallt, weil er das Augenmerk auf die Deutung des praexistenten Logos lenkt. Dieser Logos wird am Ende dieses Prologs mit dem Sohn Gottes identifiziert (Joh 1, 14). Bei Joh werden nur wenige Details zum Leben Jesu erwahnt. Er kommt demnach aus Nazareth und ist Sohn eines Mannes mit dem Namen Joseph (beides in Joh 1, 45). Da sonst keinerlei relevante Informationen in diesen beiden Evv zur Herkunft Jesu zu finden sind, wird sich die Untersuchung der Geburtsberichte auf das LkEv und das MtEv unter 2.1 beschranken. Die historischen Tatsachen und die Gemeinsamkeiten der Texte werden unter 2.2, die Intentionen der Verfasser unter 2.3 dargestellt.
Die Ostergeschehnisse werden dagegen mit Hilfe aller Evv und der genannten Stelle aus dem Korintherbrief uberpruft (3.1). In chronologischer Reihenfolge beginnt der Abschnitt mit der Darstellung des Korintherbriefes (3.1.1), bevor anhand des MkEv die letzten Tage Jesu dargestellt werden (3.1.2). Die Darstellung von Lk und Mt ist auf das Sondergut beschrankt. Joh wird unter 3.1.5 separat behandelt. Der Quellenvergleich und die Analyse der Quellen auf deren historischen Gehalt ist unter 3.2 zu finden, bevor unter 3.3 die verschiedenen Intentionen der Verfasser kurz beleuchtet werden.
Die Diskussionen um die Jesusgeschichten sind noch nicht erschopft, wie unter 4. deutlich wird. Hier sind drei Positionen zu finden, die zum Teil sehr kontroverse Meinungen vertreten. Den Anfang macht hier Gerd TheiBen (4.1), der die Quellen recht neutral darstellt und die moglichen Auslegungen ausbreitet. Wolfhart Pannenberg (4.2) nimmt in seiner Systematik eine Position ein, die zu Gerd Ludemann (4.3) nicht gegensatzlicher sein konnte. Gerade bezuglich der Darstellung von Positionen ist folgendes zu erwahnen:
In der Diskussion uber den historischen Jesus ist nichts frei von Wunschen und Interessen, auch nicht die Skepsis. AuBerhalb der Theologie will sie dem Christentum Legitimation entziehen. Innerhalb der Theologie wird sie zu seiner Legitimation eingesetzt.[4]
Den Abschluss dieses ersten Teils bildet eine Zusammenfassung (5.) des Erarbeiteten, daruber hinaus erlautere ich meine personliche Position. Dieser Teil stellt gleichzeitig die Uberleitung zum religionspadagogischen Abschnitt dar. Die Grundfragen in diesem Teil lauten also: Wann und wie wurde Jesus geboren? Wie und warum wurde er hingerichtet? Und noch viel wichtiger: Ist er nach seiner Beerdigung tatsachlich auferstanden und Menschen erschienen?
2. Geburt Jesu
2.1 Matthaus (Mt 1 + 2)
Mt 1, 1-17
Das MtEv beginnt mit einem ausfuhrlichen Geschlechtsregister (Mt 1, 1-17), das sich aus kurzen, aneinander gereihten Hauptsatzen, ahnlich dem Buch der Chronik, zusammensetzt. Im Vergleich zum Alten Testament wird man hier jedoch auf einige Lucken stoBen. So fehlt z. B. Jojakim, der Sohn Joschijas[5] in der Ahnenreihe. Parallel gibt es im LkEv eine Genealogie (Lk 3, 21-38), die sich mit dieser nicht harmonisieren lasst. Eroffnet wird der Stammbaum von Abraham (Mt 1, 2), „dem Stammvater der Juden“[6], an seinem Ende steht Jesus (Mt 1, 16). Mt mochte damit aufzeigen, dass „[...] die ganze Geschichte [in Gottes Hand liegt], die seit der Erwahlung Abrahams auf Jesus als ihr Ziel hinlauft“[7]. Laut diesem Register kommt Jesus aus dem Konigsgeschlecht Davids (Mt 1, 6), zu dem aber auch Tamar, die Dirne Rahab, die Moabiterin Ruth und Batseba gehoren. Mt greift damit die Geringeren heraus, die bekannten Stammmutter Sara, Rebekka und Lea werden hingegen nicht genannt. Es gibt verschiedene Deutungsversuche[8], wie der Verfasser Maria in der Reihe der genannten Frauen verstanden hat. Zwei der vier Frauen waren Heidinnen, jedoch bewiesen beide einen auffallenden Glauben - und das, obwohl eine von ihnen einen unmoralischen Lebenswandel gefuhrt hatte, der fur die heidnische Welt bezeichnend war (Rahab). Historisch gesehen ist der Stammbaum fur Mt nicht so wichtig. Er will der Gemeinde zeigen, dass Jesus „von Gott zu Israel als sein Gesalbter gesandt[9] “ ist und sich die prophetischen VerheiRungen des Alten Testaments in Jesus erfullt haben. Vers 16 besagt, dass Jesus von Maria geboren wird, wahrend im gesamten Geschlechtsregister immer nur die Manner als Zeugen ihrer Nachfahren Erwahnung finden. Hier ist ein erster Hinweis auf die nun folgende Zeugung und Geburt Jesu (Mt 1, 18-25) zu finden.
Mt 1, 18-25
Beides wird in wenigen Versen, auf sehr nuchterne Art erzahlt. So wird der Ablauf der Zeugung oder der Geburt selber gar nicht erwahnt. Vers 18 besagt, dass Maria vom heiligen Geist schwanger ist, Vers 25, dass Jesus geboren wurde. „Auffallig ist, daR das Wunder der jungfraulichen Empfangnis nicht erzahlt, sondern vorausgesetzt wird.“[10] Vers 20 berichtet, wie Marias Verlobter Josef diese Nachricht von einem Engel uberbracht bekommt. Josef plant zu dieser Zeit bereits Maria aufgrund ihrer jungfraulichen Schwangerschaft heimlich zu verlassen (Mt 1, 19). Der Leser erfahrt somit vor Josef, auf welche Art und Weise Maria schwanger geworden ist. Nachdem Josef im Traum davon erfahren hat, wie Maria schwanger geworden ist, bekommt er den Auftrag, sie dennoch zur Frau zu nehmen. Weiter offenbart ihm der Engel den Namen, den er dem Nachkommen geben soil und welche Rolle dieser fur die Welt spielen wird (Mt 1,21). Josef steht in diesen Versen im Vordergrund des Geschehens, insbesondere seine Abstammung von David. „Als von Joseph anerkannter Sohn ist Jesus Davidide [...]. Daran ist Mt mehr interessiert als an der Jungfrauengeburt.“[11] Zur Jungfrauengeburt muss man hinzufugen, dass in der damaligen Zeit von jedem groRen Mann angenommen wurde, dass er ohne Zeugung durch einen menschlichen Vater zur Welt kam. Jesus wurde durch diese Geisteszeugung einerseits in eine Reihe mit Mannern wie Plato oder Alexander dem GroRen gestellt, andererseits aber auch nicht als einzigartig hervorgehoben. Beschrieben wird die Geisteszeugung dazu weder in Mt noch in Lk, es bleibt bei der bloRen Ankundigung.[12] Die weiteren Ankundigungen des Engels zur Berufung Jesu beruhen auf der verbreiteten judischen Hoffnung, „daR der Messias Retter seines Volkes sein wird. Als judische Hoffnung ungewohnlich ist aber die Aussage, daR er das Volk ,von ihren Sunden’ retten wird.“[13] Die Spiegelung erster christlicher Erfahrungen in diesem Vers lassen vermuten, dass Mt die ganze Lebensgeschichte Jesu kannte. Der Hohepunkt des Traumes folgt in Vers 22, in dem der Engel verkundet, dass all das bisher Erzahlte in einem Prophetenwort aus Jesaja 7, 14 wieder zu finden ist. Das gilt fur die Jungfrauengeburt ebenso wie fur den Titel „Immanuel“, den „sie“ Jesus geben werden. Mt mochte dem Leser verdeutlichen, dass Gott gegenwartig ist. Er bringt dabei ein Zitat mit einem Ubersetzungsfehler in seiner Geschichte unter, der ihm wohl vollig entgangen ist. Mittlerweile ist namlich nachgewiesen, dass unter dem Begriff almah nicht eine Jungfrau, sondern eine junge Frau zu verstehen ist.[14] Eng mit der Jungfrauengeburt sind die Erfullung des Wortes Jesajas und der Gehorsam Josefs in den letzten beiden Versen verbunden. Das Wort Jesajas erfullt sich - Josef nimmt Maria zu sich, ohne sie zu beruhren, bis einige Zeit spater Jesus geboren wird. „Zentrum ist das in Jesus sich vollziehende Heilsangebot Gottes an den Menschen und seine Antwort im Gehorsam.“[15]
Mt 2, 1-12
Die hier einsetzende Erzahlung beginnt von neuem mit der Geburt Jesu. Die Erzahlung scheint wie aus einem Guss zu sein und wirkt mangels Eingliederung in die umgebenden Geschichten sehr in sich geschlossen. Jesus wird zu Bethlehem in Judaa wahrend der Herrschaftszeit des Herodes geboren (Mt 2, 1). Durch die Geburt in der Davidstadt wird zusatzlich die Zugehorigkeit des Messias zu Davids Stammbaum betont. Drei Gelehrte bzw. Magier aus dem Osten (konkret: Babylon) kommen durch die Hilfe eines Sternes nach Jerusalem zu Herodes, um den neugeborenen Konig der Juden ausfindig zu machen (Mt 2, 2). Der Stern erinnert an eine Prophetie aus 4. Mose 24, 17: Bereits hier wird vorhergesagt, dass ein Stern aus Jakob aufgehen wird. In der hellenistischen Mythologie treten allerdings haufiger Kometen am Himmel auf, um den neuen Herrscher anzukundigen. Munzen aus der damaligen Zeit zeugen davon, dass die Herrscher und Helden oftmals einen Stern als Symbol fur ihre Konigsherrschaft nutzten.[16] Die auslandischen Gelehrten sind zumindest aufgrund dieses Sternes nach Jerusalem gekommen. Herodes findet mit Hilfe seiner Gelehrten heraus, dass laut Micha 5, 1 der Neugeborene in Bethlehem geboren werden muss (Mt 2, 4-6). Die Erfullung der Schrift wird dadurch erneut bekraftigt. Herodes ist mitsamt der Stadt Jerusalem erschrocken, dass ein neuer Herrscher geboren worden sein musste und erteilt den Gelehrten den Auftrag, nach Bethlehem zu gehen (Mt 2, 3+7). Auf dem Ruckweg sollten sie ihn dann uber den genauen Aufenthaltsort des neuen Konigs informieren. Seltsam ist hierbei, dass Herodes den Fremden nicht einfach einige seiner Soldaten als Begleitung mitgibt, sondern ihnen stattdessen sehr viel Vertrauen entgegen bringt. Wenn ihm tatsachlich so viel am Tod von Jesus gelegen hatte, wie sich spater in dem von ihm angeordneten Kindermord herausstellt, ware hier eine groRere Vorsicht einleuchtender gewesen. Die Gelehrte erreichen dank des Sternes schlieRlich das Geburtshaus, beschenken Jesus und beten ihn an. Sie sind somit die ersten, die Jesus als den neuen Messias und Judenkonig verehren. Bemerkenswert ist, dass sie Heiden sind, also keine Juden! Jesu Konigreich ist demzufolge nicht ausschlieRlich auf die Juden begrenzt. Nach diesem Hohepunkt der Geburtsgeschichte erfahren die Gelehrten durch einen Traum von Herodes Mordplanen und machen auf ihrem Ruckweg daher einen Bogen um ihn (Mt 2, 12). Im Vergleich mit den anderen Quellen kommt diese Geschichte recht schnell an ihre Grenze, die ihr die Historizitat verwehren - dementsprechend wird sie von vielen Auslegern als unwahrscheinlich angesehen. Fur Mt ist in diesem Abschnitt wichtig, dass Konig Herodes den Messias ermorden lassen mochte. Sowohl Herodes als auch ganz Jerusalem stehen ihm feindlich gegenuber. Verstarkt wird die Feindschaft der Jerusalemer Juden durch die Tatsache, dass es ausgerechnet Heiden sind, die als erste vor ihm niederknien und ihn anbeten.
Mt 2, 13-23
Nachdem sich die Gelehrten wieder auf den Weg gemacht haben, traumt auch Josef von den Planen des Herodes und flieht daraufhin mit Frau und Kind nach Agypten. Der Aufbau dieser Erzahlung erinnert stark an die Mosegeschichte.[17] Dazu klingt schon das Wandermotiv an, das sich spater durch das gesamte Evangelium ziehen wird. Wahrend die drei in Agypten ausharren, werden in Bethlehem alle Kinder unter zwei Jahren auf Anordnung getotet. Josef zeigt erneut den Gehorsam gegenuber Gottes Auftrag. Die Flucht des neuen Konigs deutet auf ein ganzlich anderes Konigreich hin, das nicht wie die herkommlichen Reiche mit Waffengewalt errichtet wird. Nach dem Tod von Herodes kehrt Jesu Familie wieder nach Israel zuruck. Wiederum auf einen Traum hin zieht Josef nach Nazareth. Dieser Abschnitt beinhaltet erneut einige Prophezeiungen aus dem Alten Testament, die sich hier erfullen: Die Flucht nach Agypten (Mt 2, 13-15) wird in Hosea 11, 1 prophezeit, der Kindermord des Herodes (Mt 2, 16-18) in Jeremia 31,15 vorausgesehen. Weiterhin besagt Jesaja 11, 1 wird angekundigt, dass Jesus „Nazoraer“[18] heiRen wird. Das im Text erwahnte Ereignis des Kindermordes hat bisher noch keine Entsprechung in der Geschichtsforschung gefunden und daruber hinaus ist Agypten als Zufluchtsort fur verfolgte Juden auch nicht bekannt. Herodes wird durch diese Tat jedoch als brutaler Konig entlarvt, der sogar vor dem Mord an Kindern nicht zuruckschreckt. Im Vergleich zum LkEv stimmt die Geschichte nur in Bezug auf den Ort Bethlehem uberein. Somit kann festhalten werden, dass auch dieser Text nicht an historischen Fakten interessiert ist. Mt mochte hier hervorheben, dass es allein Gottes Fuhrung ist, die das Kind rettet. In einem Wort an den Propheten Hosea bezeichnet Gott Jesus das erste Mal als seinen „Sohn“. Das gesamte 2. Kapitel deutet auf Gottes Plan hin, der uber allem steht: „Der Gedanke [...] von Gottes Fuhrung und Plan fur die traditionelle Geschichte [und] von der Bewahrung des Konigskindes Jesus [ist] fur Mt wichtig.“[19]
2.2 Lukas (Lk 1 - 2, 21)
Lk 1, 1 -25
Die langere der beiden Geburtsgeschichten befindet sich im LkEv. Viele Ausleger betrachten die von Lk geschriebene Geschichte als Legende. Dazu tragen ihr Aufbau, die Wahl der Sprach sowie die Verbindung zur Apostelgeschichte bei. Nach einem kurzen Proomium (Lk 1, 1-4), in dem Lk „Rechenschaft uber Ziel und Methoden seiner Arbeit“[20] ablegt, beginnt er mit parallelen Erzahlungen der Geburtsgeschichten von Johannes dem Taufer und Jesus. Die Ankundigungen der Schwangerschaften sind in ihrer Erzahlstruktur sehr ahnlich: Jeweils erscheint zu Beginn der Engel Gabriel und verkundet die bevorstehende Schwangerschaft. Zacharias erhalt im Tempel Besuch von einem Engel und weil Zacharias an den Worten des Engels zweifelt (Lk 1, 18), wird er bis auf den Tag der Beschneidung seines Sohnes stumm (Lk 1, 19).
Lk 1,26-38
Dieser Abschnitt beginnt mit der Begegnung Marias mit dem Gabriel in Nazareth. Dort lebt sie gemeinsam mit ihrem Verlobten Josef, der aus dem Hause Davids stammt (Lk 1, 27). Lk erwahnt die Jungfraulichkeit Marias insgesamt zweimal (ebd.). Im Unterschied zu Johannes’ Vater, der im Tempel tatig ist und dort vom Engel heimgesucht wurde, kommt der Engel zu Maria ins Haus. Der Engel muss die von seiner Erscheinung Erschrockene Frau erst einmal beruhigen, bevor er mit seiner Ankundigung beginnen kann. Er bezeichnet sie als „Begnadete“, die „Gnade bei Gott“ gefunden hatte. „Sie ist Tochter, nicht Mutter der Gnade.“[21] Die Seine Ankundigungen zur Person Jesu zeigen ihr die GroRe des in ihr heranwachsenden Kindes (Lk 1, 32ff). So soil das Kind „Sohn des Hochsten“ heiRen, den Thron Davids besteigen und ein ewiges Reich errichten. Hier wird ahnlich wie bei Mt eine Verbindung zwischen dem Ostergeschehen und der Geburt hergestellt: „Lukas denkt wohl an die Herrschaft des Auferstandenen uber seine Gemeinde, die im Gottesreich ihre Vollendung findet (vgl. Apg 1, 6-8).“[22] Nach dieser groRartigen Offenbarung fragt Maria wie das geschehen konne (Lk 1,34). Als Jungfrau ist eine Schwangerschaft fur sie absolut unvorstellbar! Der Engel erklart ihr, dass sie von der „Kraft des Hochsten“ uberschattet (Lk 1, 35) und der heilige Geist das Werk in ihr vollbringen wird. Maria schenkt dem Engel und seiner Ankundigung Glauben (Lk 1, 38). Schon im Alten Testament gibt es parallele Geschichten, in denen Gott z. B. Sara „heimsucht“ (1. Mose 21, 1f) oder Hanna „gedenkt“ (1. Samuel 1, 17f) - beide Frauen werden daraufhin schwanger werden. „Jungfrauengeburt war fur den damaligen Menschen zwar ein uberaus seltenes, aber nicht absolut einzigartiges Ereignis[23]. Nicht die Jungfraulichkeit steht hier somit im Mittelpunkt, sondern vor allem die Ankundigung des Messias’.
Lk 1,39-56
Im nachsten Abschnitt verknupft Lk die beiden Geburtsgeschichten. Maria macht sich ohne Josef auf den Weg zu Elisabeth und macht damit den Anfang fur eine ganze Reihe von Begegnungen in diesem Kapitel. „Der aktiv eingreifende Gott bringt Menschen zusammen: Das Heil entfaltet sich in menschlichen Beziehungen.“[24] Symbolisch beginnt das Kind im Leib der Elisabeth zu hupfen, als sie den GruR Marias hort. Johannes wird somit aktiv, als Maria zu Elisabeth kommt, „eine erste Begegnung zwischen Johannes und Jesus vollzieht sich“[25]. Elisabeth wird daraufhin vom heiligen Geist erfullt und preist Maria fur die „Frucht ihres Leibes“ (Lk 1, 42-45), die daraufhin in Jubel uber die Bestatigung des Zeichens ausbricht (so genanntes Magnifikat in Lk 1,46-55). Die Ahnlichkeit ihres Lobliedes mit Hannas Dankgebet (1. Samuel 2, 1) ist nicht von der Hand zu weisen. Bedenken muss man jedoch, dass Maria als unverheiratete Frau schwanger ist! Elisabeth sind diese Tatsachen als Verwandte Marias (Lk 1, 36) mit Sicherheit bekannt, geht darauf aber nicht ein. Stattdessen preisen beide Frauen Gott dafur, dass er sie beschenkt hat und heilige Personlichkeiten in ihnen heranwachsen lasst. Maria bleibt fur drei Monate bei Elisabeth, bevor sie wieder zu Josef zuruckkehrt.
Lk 1,57-80
Das Ende des ersten Kapitels wird von der Geburtsgeschichte des Johannes gefullt. Entgegen der judischen Sitte entscheiden sich die Eltern fur einen Namen, der in der Familie noch nicht vorhanden ist (Lk 1,60-63). Als daraufhin Zacharias sein Stimme wieder erlangt, sind die Nachbarn sehr erstaunt und verbreiten die Geschichte in Judaa (Lk 1, 64-66). Zacharias wird vom heiligen Geist erfullt, lobt Gott im so genannten Benediktus und weissagt uber seinen Sohn (Lk 1,76).
Lk 2, 1-21
In einer losen Anknupfung beginnt die Geschichte von der Geburt Jesu. Aufgrund eines Gebots von Kaiser Augustus (Lk 2, 1) mussen alle Menschen des Romischen Reiches gezahlt werden. Diese Volkszahlung fallt in die Zeit, in der Quirinius Statthalter in Syrien ist: „[...] Die zeitliche Parallelisierung der Geburt unter Herodes (Lk 1, 5) mit dem Zensus des Quirinius (2, 1f) [bereitet] Schwierigkeiten.“[26] Quirinius war namlich erst ab 6 n. Chr. syrischer Statthalter. Wenn Jesus somit unter Herodes geboren wurde, Herodes aber 4 v. Chr. starb, klafft hier eine zeitliche Lucke von 10 Jahren. Hinzu kommt, dass der Geschichtsforschung von einer Volkzahlung in diesem Zeitraum nichts bekannt ist. Maria und Josef machen sich also auf den Weg von Nazareth nach Bethlehem, weil Josef aus dem Geschlecht Davids stammt (Lk 2, 4f). Kurz nach ihrer Ankunft in Bethlehem wird Jesus geboren. Ganz schlicht beschreibt Lk die Geschehnisse, unspektakular vollzieht sich die Geburt. Lk unterbricht dann seine Geschichte, „um der Hirtenlegende Platz zu machen, [..., so] daR wir weniger uber die Person Jesu als uber seine Ausstrahlung unterrichtet werden.[27] “ Die genannten Hirten verbringen diese Nacht bei ihrer Herde, als auf einmal das Unfassbar geschieht: Engeln erschrecken sie mit ihrer plotzlichen Erscheinung und verkunden ihnen die frohe Botschaft. Das Licht der Engel erleuchtet dabei die dunkle Nacht: „Die Herrlichkeit Gottes erscheint und umrahmt die Hirten[28]. Viele prophetische Bilder des Alten Testaments sind auf den Hirten und die Herde bezogen - und ausgerechnet jene Gruppe kommt in diesem Evangelium als erste zur Krippe und beginnt nach dem Besuch mit der Verbreitung der frohen Botschaft (Lk 2, 17f). Die Rolle der Hirten ist es, die frohe Botschaft, die „allem Volk widerfahren“ ist, auszubreiten. Im Hinblick auf die Apostelgeschichte wird ersichtlich, dass Lk das apostolische Werk der christlichen Missionare vor Augen hat. Die gesamte Hirtengeschichte mochte ein „Ineinander von Herrlichkeit und Niedrigkeit[29] darstellen. Maria behalt die Geschehnisse und das Gehorte in ihrem Herzen. Die Hirten preisen Gott fur all das Gehorte und Gesehene. Nach acht Tagen wird das Kind nach judischer Sitte beschnitten und erhalt den Namen Jesus - genau wie es der Engel es befohlen hatte.
2.3 Historischer Ertrag des Quellenvergleichs
Stellt man die aufgefuhrten Geburtsgeschichten im Hinblick auf ihre Gemeinsamkeiten gegenuber, ist das Ergebnis ernuchternd: „Die Beruhrungen [...] sind minimal.“[30] Die Hauptberuhrungspunkte beider Texte sind die Eltern Jesu, namentlich Josef und Maria, seine Abstammung von David, sein Geburtsort und seine Geburt unter dem Herrscher Herodes. Ansonsten „sind die Uberlieferungen von Mt 1, 18-2, 23 und von Lk 1, 5-2, 40 [...] vollig verschieden.“ Der von beiden Verfassern beschriebene Umzug von Nazareth nach Bethlehem geschieht bei Mt nach der Ruckkehr aus Agypten, bei Lk aufgrund der Volkszahlung noch vor der Geburt. Viele Ausleger sind der Meinung, dass die Bethlehemtradition ein „Ergebnis nachosterlicher christologischer Reflexion (Davidsohn)“[31] ist. Der Verfasser des JohEvs spricht sich hier fur Nazareth aus (Joh 1, 45f). Dazu wird die Engelbotschaft bei Lk an Maria, bei Mt hingegen an Josef gerichtet. Die Gelehrten werden bei Lk nicht erwahnt, umgekehrt weiR Mt nichts von einer Verkundigung der Geburt an die Hirten.[32] Historisch betrachtet sind die Texte somit wenig aufschlussreich. Nicht nur, dass die Texte nicht zu harmonisieren sind, die Problematik des Geburtsjahres[33] und des Geburtsortes deuten darauf hin, dass hinter den Texten andere Absichten stehen.
2.4 Intentionen der Verfasser
Die beiden Geburtsgeschichten sind und wollen scheinbar keine Tatsachenberichte sein: „[...] Alle Evangelisten [haben] kein eigentlich biographisches, sondern ein theologisches Interesse an Jesus [...]. Das Desinteresse an einer Biographie im modernen Sinne charakterisiert im Ubrigen auch alle anderen biographischen Quellen der Antike.“[34] Mt legt den Schwerpunkt seiner Geschichte deutlich auf den Aspekt der Erfullung der Schrift anhand der Person Jesu. Sein Stammbaum soll seine Abstammung von David und Abraham aufzeigen. Gottes Plane, seine Ankundigungen in der Vergangenheit, werden in Jesus wahr. Der in dieser Geburt handelnde Gott ist der Herr uber die Geschichte. Die Jungfrauengeburt ist in der damaligen Epoche kein auRergewohnlicher Gedanke, weiterhin weist Josefs Gehorsam bei jeder der Erscheinungen des Engels auf ein weiteres Anliegen von Mt hin: „Zentrum ist das in Jesus sich vollziehende Heilsangebot Gottes an den Menschen und seine Antwort im Gehorsam.“[35] Die Einzigartigkeit Jesu wird in diesen beiden ersten Kapiteln immer wieder unterstrichen. Er ist nicht nur der verheiRene Retter, sondern auch der Weltenkonig - sogar die Gelehrten aus dem Osten mussen vor ihm niederfallen. Die Wanderung nimmt ein Thema vorweg, das sich im gesamten Evangelium in Jesu Wanderdasein bestatigt. Lk legt das Augenmerk eher darauf, dass Jesus in diese sichtbare Welt kommt, dass Gott Mensch wird. Schon Maria preist ihn dafur, dass er in ihrer Niedrigkeit geboren wird und die Hungrigen versorgen wird. Die Hirten sind in ihrer sozialen Stellung alles andere als hoch angesehen - dennoch wird ausgerechnet ihnen die Ehre zuteil, Jesus als erstes zu sehen. Die Volkszahlung als Grund fur ihre Wanderung ist eine vollig weltliche Handlung: „Aber Gott ist deswegen nicht weniger Subjekt eines weltwendenden Geschehens.“[36] Die Geburt findet auf eine unspektakular Art und Weise statt, so dass man nicht unbedingt die Grundlage fur eine Konigsherrschaft in ihr vermuten wurde. Es sind Ereignisse in einem Provinzstadtchen wie Bethlehem, die Bewegung im Himmel und auf der Erde auslosen. Die Engel verkunden diese frohe Botschaft den Hirten, die Hirten erzahlen das Gehorte und Gesehen danach wiederum weiter. Vor der Geburt Jesu ist die Geschichte von Lobliedern durchzogen, die gewisse Parallelen zu den Psalmen des Alten Testaments aufweisen. Die frohe Botschaft erzeugt in den Horenden Jubel! Ahnlich dem Alten Testament folgt der Botschaft eine Gott verherrlichende Antwort derer, die sie Botschaft empfangen haben: „Das Zusammengehoren von Altem und Neuem Testament kommt in dieser Vorgeschichte des Lk zu ihrem schonsten Ausdruck.“[37]
3. Tod und Auferstehung Jesu
3.1 Paulus (1. Kor 15, 1-11)
Die alteste Quelle uber das Ostergeschehen ist im ersten Brief an die Korinther zu finden. „Herkunft und Alter der Formel fuhren bis in die alteste Zeit nahe an die Ereignisse heran.“[38] Paulus erinnert die Gemeinde an die frohe Botschaft des Evangeliums (1. Kor 15, 1), durch die sie gerettet sind: „Die Haltung zu Jesu Auferstehung entscheidet nach pln Auffassung uber Sinn oder Sinnlosigkeit des Glaubens an Jesus, uber Sundenverhaftung oder Sundenvergebung, uber menschliches Elend oder dessen Uberwindung.“[39] Paulus schreibt, dass Jesus fur die Sunden der Menschheit gestorben ist, begraben wurde und am dritten Tage auferstanden ist (1. Kor 15, 3-5). Fur ihn ist in diesem Brief nicht wichtig, „wie Jesus gestorben oder wie seine Auferstehungserscheinungen aussahen. Wichtig war fur Paulus in dieser Situation offenbar nur, daB sie stattgefunden haben [,..].[40] Vom Kreuz spricht Paulus hingegen an einer anderer Stelle (1. Kor 1, 18). Hier zahlt er nur die Personen auf, denen Jesus erschienen ist: Kephas, die zwolf Junger Jesu, eine nicht naher konkretisierte Gruppe von uber 500 Glaubensbrudern, Jakobus, die Apostel und zuletzt er selbst. Fur Paulus sind somit Tod und Auferstehung Jesu das grundlegende Ereignis des Evangeliums, ohne das der Glaube nichtig und sinnlos ware. Als Beweis fur Jesu Auferstehung sieht Paulus sowohl die Einzel- als auch die Gruppenerscheinungen.
3.2 Markus (Mk 15 + 16)
In den drei synoptischen Quellen werden die Passionsgeschichte und das Ostergeschehen ausfuhrlicher beschrieben als bei Paulus in dessen eher formelhaften Ausfuhrungen uber Tod und Auferstehung Jesu. Der Verlauf dieser Geschichte, der bei den Synoptikern bis auf wenige Ausnahmen ubereinstimmt, soll hier auf Basis des Markusevangeliums dargestellt werden, da es sowohl dem Mt- als auch dem LkEv als Grundlage dient.
Mk 15
Nach seiner Verhaftung im Garten Gethsemane und dem Verhor durch den Hohen Rat wird Jesus an Pilatus ubergeben (Mk 15, 1). Dieser fragt Jesus, ob er der Konig der Juden ware, was Jesus bestatigt (Mk 15, 2). Die Hohenpriester treten daraufhin als Anklager auf, ernten von Jesus’ Seite jedoch nichts als Schweigen, was Pilatus wiederum sehr verwundert. Die Meinungen der Ausleger gehen in Bezug auf die Geschichtlichkeit dieser Frage weit auseinander. So spricht z. B. H. Lietzmann spricht sich z. B. gegen die Beteiligung der Juden am Tode Jesu aus, J. Blinzler hingegen befurwortet die Historizitat des Prozesses vor dem Synhedrium aus.[41] „Mit Vers 6 nimmt der ProzeR eine fur den Leser uberraschende Wende. Wir horen von einem von Pilatus geubten Brauch, am Fest dem Volk auf dessen Bitte einen Gefangenen freizugeben.“[42] Die nachsten Verse berichten von vehementen Forderungen des Volkes nach einer Freilassung des Verbrechers Barabbas. Pilatus, dem dieses Unrecht nicht entgeht, wende sich mit der Frage an das anwesende Volk, was mit dem „Konig der Juden“ nun geschehen soll (Mk 15, 12). Die Antwort ist deutlich - das Volk fordert die Kreuzigung Jesu. Pilatus gibt Barabbas daraufhin frei, befiehlt die GeiRelung und Kreuzigung Jesu, um ihn dann den romischen Soldaten zu ubergeben (Mk 15, 15-16). Diese verspotten Jesus, „kronen“ ihn mit einer Dornenkrone, ziehen ihm einen Purpurmantel an, schlagen und bespucken ihn (Mk 15, 16-20). Kniefall, Krone und Purpurmantel sind „Bestandteil des hellenistischen Herscherkultes. [...] Was im Hohn an Jesus herangetragen wird, wurde ihm in Wahrheit zustehen.“[43] Nach dieser grausamen Szene wird Jesus wieder umgezogen, um einer noch grausameren Realitat Platz zu machen - der so genannte Kreuzweg Jesu beginnt. Auf dem Weg nach Golgatha wird ein Mann namens Simon von Kyrene von den Soldaten gezwungen, das Kreuz fur Jesus nach Golgatha zu tragen (Mk 15, 20-22). „Es entspricht judischer wie romischer Sitte, Hinrichtungen extra portam [...] vorzunehmen.“[44] Auf Golgatha angekommen, also unmittelbar vor der Kreuzigung, lehnt Jesus jegliche ihm angebotenen Betaubungsmittel ab. Nach der Kreuzigung Jesus zur dritten Stunde verlosen die Soldaten sein Kleid unter sich und erfullen auf diese Art und Weise die Prophetie aus Psalm 22, 19. Weitere Details bezuglich der Kreuzigung werden nicht geschildert. Auf ein Schild, welches am das Kreuz befestigt wird, steht „Der Konig der Juden“ geschrieben - dieser Titel wird allein in diesem Kapitel vier Mal genannt. Dieser Konig hangt am Kreuz zwischen zwei anderen Mannern: „DaO Jesus zwischen zwei Verbrechern gekreuzigt wurde, wird zum altesten Bericht gehoren; die Tatsache ist auch sicher historisch.“[45] Die Menschen, die vorubergehen, lastern uber ihn. Die Hohenpriester und Schriftgelehrten verspotten ihn ebenso. Alle werden sie zu Zeugen dieser Kreuzigung. Zur sechsten Stunde bricht eine Finsternis uber das Land, die bis zur neunten Stunde anhalt. Nachdem Jesus zwei Schreie gen Himmel losgelassen hat, verstirbt er. Im Tempel geschieht in diesem Moment etwas Unfassbares: „Das Zeichen des zerrissenen Tempelvorhangs wird auf die Gemeinde zuruckgehen, die in Jesu Tod das Ende alles Tempelkultes gesehen hat.“[46] Ein Hauptmann erkennt die Sohnschaft Jesu und beginnt unter dem Kreuz an Jesus zu Glauben, denn „im Kreuz wird er als Sohn Gottes erkannt.“[47] Aus der Ferne wird die Kreuzigung Jesu von den Frauen beobachtet, die ihm gedient hatten und die ihm nach Jerusalem gefolgt waren. Es ist der Freitag vor dem Sabbat, der Rusttag der Juden vor dem Festtag, weshalb Josef von Arimathaa zu Pilatus kommt und diesen um den Leichnam Jesu bittet. Josef mochte den toten Korper noch vor dem Sabbat abnehmen und begraben. Nachdem sich Pilatus uber den schnellen Tod des Gekreuzigten versichert hat, uberlasst er Josef den Leichnam (Mk 15,44f). Nach judischer Sitte wickelt dieser Jesus in ein Leinentuch und legt ihn in eine in einen Felsen gehauene Grabkammer. Das Grab verschlieRt er mit einem Stein, den er davor rollen lasst. An Josefs Person gibt es mehrere zweifelhafte Punkte. Er ist zwar ein auf das Reich Gottes Wartender, wird von Mk aber nicht zu den Jungern gezahlt. Hinzu kommt, dass zur damaligen Zeit gekreuzigte Verbrecher fur ublich in ein Massengrab gelegt wurden. Fur G. Ludemann bereitet „das Felsengrab mit einem Rollstein [...] hier schon Mk 16, 3 vor und gehort ursprunglich nicht zur Geschichte.“[48] Diese von Josef durchgefuhrte Grablegung wird von zwei Anhangerinnen Jesu beobachtet. „Damit ist der Zeugenregel von Dtn 19, 15 entsprochen, wenngleich die christliche Tradition „nur“ Frauen als Zeugen anfuhren kann. Frauen waren juridisch nicht zum Zeugnis fahig.“[49] Eine der beiden Frauen ist Maria von Magdala, die in der bisherigen Geschichte immer wieder aufgetreten ist. Sie ist am Kreuz gestanden, hat die Grablegung beobachtet und tritt in der weiteren Geschichte als Zeugin auf.
Mk 16, 1-8
Einige Frauen, unter ihnen jene Maria von Magdala, wollen nach dem Sabbat zum Grab gehen, um den Leichnam Jesu einzusalben und einzuolen. Fur einige Ausleger ist die Tatsache, einen eingewickelten und beigesetzten Leichnam zu salben, „ein kuhner Gedanke“[50]. Die Sonne geht an diesem ersten Tag der Woche gerade auf, als die Frauen das Grab erreichen. Sie uberlegen noch, wer den Stein vom Grab wegrollen soll, als sie bemerken, dass der Stein bereits weggerollt ist. Als die Frauen das Grab betreten, sitzt darin ein Engel, vor dem sie erst einmal erschrecken, bevor er sie anspricht. Er verkundet den Frauen, dass der gekreuzigte Jesus auferstanden ist. Sie sollen es den anderen Jungern und speziell Petrus weitererzahlen. Die Reihenfolge der vom Engel erwahnten Geschehnisse ist interessant:
Der Satz Jesus wurde auferweckt“ steht obenan; „erst dann kommt auch das leere Grab in den Blick [...]. Die Tendenz ist also nicht: Das Grab ist leer, also ist Jesus auferstanden; sondern sie ist geradezu entgegengesetzt: Jesus ist auferweckt- er ist nicht hier - das Grab ist also leer.“[51]
Der Engel verkundet den Frauen die bevorstehenden Erscheinungen des Auferstandenen, woraufhin die Frauen „fliehen“. Mk endet damit, dass die Frauen aus Furcht nichts von dem Erlebten weitersagen. Paradox ist, dass der Verfasser selbst dann davon weiR. Zudem bildet Vers 8 das Ende des MkEv. Wissenschaftlich gesichert ist, dass hier das eigentliche Ende ist. Die besten griechischen Handschriften des Neuen Testaments enden mit diesem Vers. Bei naherem Hinsehen zeigt sich, daR die in Mk 16,9-20 berichteten Ostergeschichten eine Kompilation aus den Ostergeschichten der anderen Evangelien darstellen, also spater angefugt worden sind.[52]
Mk 16, 9-20
In diesen Versen, die spater hinzugefugt wurden, werden wie in 1. Kor 15 die Erscheinungen Jesu aufgezahlt. So erscheint Jesus, an Vers 8 anknupfend, Maria von Magdala als erstes. Diese erzahlt es entgegen Vers 8 den anderen Jungern, die ihre Botschaft aber nicht glauben. Als nachstes zeigt sich Jesus zwei wandernden Jungern, die ihre Begegnung mit dem Auferstandenen ebenfalls weitererzahlen und auf Unglauben stoRen. Zuletzt kommt er zu den restlichen Jungern, offenbart sich diesen und rugt ihren Unglauben. Er gibt ihnen den Auftrag, das Evangelium zu verkundigen und die Menschen auf seinen Namen zu taufen. Er verheiRt groRe Dinge, die passieren werden denen, die glauben. Dann wird er gen Himmel aufgehoben, setzt sich laut Mk zur Rechten Gottes und die Junger befolgen seinen Auftrag. G. Ludemann meint:
Das Stuck wurde mit Sicherheit nicht erst speziell als AbschluR des Markusevangeliums verfaRt, sondern existierte schon vorher, und zwar wohl als eine Art „Osterkatechismus im Gemeindeunterricht“. Es handelt sich um eine Art Zusammenstellung der Osterberichte, die dem Verfasser bekannt waren.[53]
3.3 Sondergut bei Matthaus
Mt 27,3-10
Der Aufbau der Passionsgeschichte bei Mt ist parallel zu den anderen Evv, jedoch werden einige Geschehnisse am Rande erwahnt, die die anderen Evv nicht beinhalten. So berichtet er, dass nach Jesu Ubergabe an Pilatus der Verrater Judas mit der Absicht zu den Schriftgelehrten in den Tempel kommt, das fur den Verrat empfangene Geld zuruck zu geben. Diese wollen das Geld nicht annehmen, so dass Judas die 30 Silberlinge in den Tempel wirft und sich daraufhin erhangt. Mit dem „Blutgeld“ kaufen die Gelehrten einen Acker, den sie „Blutacker“ nennen. Hier erfullt sich die Prophezeiung aus Jeremia 32, 9 und Sacharja 11, 12+12. Wie Judas seinem Leben ein Ende setzt, ist nicht sicher, da Lk in der Apg 1, 18-20 berichtet, dass sich Judas zu Tode „sturzt“. Der „Blutacker“ wird in der Apg ebenfalls erwahnt. Mit der Erfullung von Jeremia 32, 9 fuhrt Mt das letzte Mal seine Formel von der Erfullung der Schrift an. Dennoch zeigt dieser Abschnitt, „wie schon in neutestamentlicher Zeit Legenden entstanden sind.“[54]
Mt 27, 19
Pilatus’ Ehefrau warnt vor der Verurteilung Jesu, da sie im Traum viel erlitten hat „um seinetwillen“. „Der Ausdruck ,im Traum’ ist typisch fur die Geburtsgeschichten. Wie dort wird Mt darin Gottes eigenes Eintreten fur Jesus empfinden.“[55] Wahrend die judischen Fuhrer wie verblendet erscheinen, hat diese Heidin aufgrund Traumes den Durchblick. Ihre Einwande kann den Lauf der Dinge aber nicht mehr aufhalten.
Mt 27, 24-25
Pilatus merkt, dass er gegen das Volk nicht ankommen kann. Symbolisch wascht er seine Hande im Wasser. Nach dem Ritus aus Dtn 21, 1-9 bedeutet das die Entlastung von Blutschuld. Das ganze Volk bestatigt dies in einem Vers, dass das Blut uber sie kommen soll und ihre Kinder. Die ganze Schwere der Schuld zeigt sich in diesem Satz, in diesem eingefugten, „wirkungsgeschichtlich verhangnisvollen Ruf des Volkes“[56]. Gottes Volk verstoRt seinen Gesandten, den Sohn Davids. „Es nimmt die Verantwortung fur seinen Tod auf sich und damit auch die gottliche Strafe, die sich in der Zerstorung Jerusalems vollziehen wird.“[57]
Mt 27, 52f
In dieser Textstelle reiRt nicht nur Vorhang entzwei, sonder es beginnt die Erde zu beben. Felsen werden durch die immense Wucht des Bebens gespalten. Fur Mt handelt Gott personlich in diesen Naturerscheinungen. Nachdem die Felsen gespalten sind, offnen sich Graber und Tote stehen auf. Doch nicht die endzeitliche Auferstehung aller Gerechten und Heiligen beginnt, sondern lediglich von „vielen“. „Hier passiert etwas von dem, was die Leser/innen fur die Endzeit erwartet haben.“[58] Die auferstandenen Leiber gehen nach Jerusalem, wo sie vielen Menschen begegnen. Das ist ein „weltenwendendes Ereignis“[59], das durch den Tod Jesu vollzogen wird.
Mt 27, 62-66
Die Pharisaer kommen zu Pilatus um ihm von Jesu Ankundigung zu berichten, nach drei Tagen von den Toten aufzuerstehen. Sie fordern die Bewachung des Grabes, um einen Diebstahl des Leichnams zu verhindern. Sie wollen auRerdem unterbinden, dass die Junger verbreiten, dass Jesus von den Toten auferweckt worden sei. Pilatus gewahrt ihnen die Bewachung und lasst den Stein zusatzlich versiegeln.
Historische Tatsache ist der Vorwurf, Jesu Junger hatten die Leiche gestohlen. [...] Vermutlich gab es also richtige judische Gegenpropaganda gegen die christliche Auferstehungsbotschaft. Diesem Vorwurf wollte die Gemeinde entgegentreten.[60] Schwer zu glauben ist, dass die judischen Gelehrten am Sabbat in den unreinen, romischen Palast gehen. Mt versucht scheinbar, die Auferstehung Jesu objektiv fur den Nichtglaubenden zu beweisen.
Durch das versiegelte Grab und durch das Eingreifen des Engels, das nicht nur die Frauen, sondern auch die unglaubigen Wachter bezeugen, kommt die Auferstehung in die Nahe eines eindeutigen, unbezweifelbaren Tatbestands, dem eigentlich kein Unglaubiger bona fide, sondern nur ein Lugner wider besseres Wissen widersprechen kann.[61]
Mt 28
Das Grab wird auf die Bitte der judischen Gelehrten hin von Soldaten bewacht. Nach dem Sabbat kommen Maria von Magdala und eine weitere Frau namens Maria zum Grab. Damit ist hier eine Frau weniger unterwegs als in der Parallelstelle bei Mk. Die Motivation, den Leichnam zu salben, entfallt ebenfalls. Da das Grab versiegelt ist und der Stein davor gewalzt ist, „[...] muR ein Wunder geschehen, damit die Frauen das offene Grab uberhaupt sehen konnen.“[62] Dieses Wunder vollzieht sich in Form eines Erdbebens und einem Engel, der den Stein wegwalzt und auf diesen setzt (Mt 28, 2). Die beiden Grabwachen werden ohnmachtig und der Engel verkundet den Frauen die Auferstehung. Die Frauen entfernen sich voll Freude und Furcht vom Grab weg, als ihnen Jesus personlich begegnet (Mt 28, 9). Sie fallen vor ihm nieder und er gibt ihnen denselben Auftrag wie der Engel. Die Geschichte aus den Versen 62-66 wird weitergefuhrt, in der die Gelehrten beschlieRen, den Diebstahl durch die Junger zu propagieren:
Daher ist die Geschichte folgendermaRen denkbar: Juden behaupteten den Diebstahl des Leichnams Jesu durch die Junger. Die Christen reagieren darauf mit einer Geschichte von der Bestechung von Grabwachtern, wie sie bei Mt vorliegt.[63]
Die Art, wie die Gemeinde den Sachverhalt zurechtlegt, um die Auferweckung als historische Tatsache zu beweisen, ist unsinnig. „Damit ist der Weg verbaut zu einem Verstandnis des Glaubens als eines unbegrundbaren und vor allem unverdienten Gnadengeschenks, erst recht zum Begreifen des andern, dem ein anderer Weg gegeben ist.“[64] Die elf Junger suchen den Berg in Galilaa auf, wo ihnen Jesus (Mt 28, 17f) in der Tradition des Alten Testaments auf einem Berg (Horeb und Sinai) erscheint. Er gibt ihnen den Auftrag, das von ihm Gelehrte allen Menschen zu verkundigen.
3.4 Sondergut bei Lukas
Lk 23, 6-12
Aufgrund seiner galilaischen Herkunft untersteht Jesus Konig Herodes, weshalb Pilatus ihn nach Jerusalem schickt. Herodes freut sich auf diesen Jesus, da er von seinen Wundertaten gehort hat: „Herodes ist offen, falls Gott sich unzweideutig durch Wunder bewiese [,..].“[65] Er hat hohe Erwartungen an das Aufeinandertreffen. Jesus jedoch reagiert ganz anders, indem er einfach schweigt. Herodes und seine Soldaten beginnen, ihn zu verspotten. Sie legen ihm ein weiRes Gewand an und schicken ihn zuruck zu Pilatus. Lk erwahnt noch, dass Herodes und Pilatus an diesem Tag Freunde werden.
Lk 23, 27-31
Eine Gruppe von weinenden und klagenden Menschen folgt Jesus auf dem Weg nach Golgatha. Jesus trostet sie und sagt ihnen, dass sie eher uber sich und ihre Situation weinen sollten. Er mochte sie zur Umkehr bewegen, nicht zum Mitleiden. Jesus prophezeit daraufhin schreckliche Zeiten. Lk bezieht diese Worte auf den bevorstehenden Untergang Jerusalems. „[...] Jesus Gestalt und seine Trauer uber Jerusalem pragen den Abschnitt.“[66]
Lk 23, 39-43
Die beiden Verbrecher, die mitgekreuzigt werden, sind in allen vier Evv erwahnt. Lk allerdings erzahlt eine langere Episode uber diese Leidensgenossen Jesu. Nur einer der beiden verhohnt Jesus, wahrend bei Mt und Mk beide verhohnend dargestellt werden. Jesus solle sich doch selbst helfen, wenn er der Christus ware, meint der eine und erwartet ahnlich wie Herodes Wunder und Zeichen. Diese Erwartungen beschranken das Werk Jesu auf rein auRere Rettung. Der zweite Ubeltater weist den Hohnenden zurecht, weil er die Unschuld Jesu erfordert. Nachdem er vom ersten Ubeltater mehr Ehrfurcht vor Gott gefordert hat, bittet er Jesus, seiner im Tod zu gedenken. Jesus verspricht ihm, dass sie am selben Tag gemeinsam im Paradies sein werden.
[...]
[1] Grün; Reepen 1985, S. 81
[2] Theißen 1996, S. 5
[3] Theißen 1996, S. 31
[4] Theifien 1996, S. 96f
[5] 1. Chr. 3,15; Vgl. 1. Chr. 2, 1-15; 3,5-16
[6] Bull 2004, S. 17
[7] Schweizer 1986, S. 8
[8] Vgl. Luz 2002a, S. 132-136
[9] Ebd., S. 139
[10] Schweizer 1986, S. 11
[11] Schweizer 1986, S. 13
[12] Vgl. ebd., S. 14f
[13] Luz 2002a, S. 148
[14] Vgl. Ludemann 1997, S. 22
[15] Schweizer 1986, S. 15
[16] Vgl. Luz 2002a, S. 161
[17] Vgl. Luz 2002a, S. 159
[18] Anm. d. Verf.: In Jesaja 11,1 steht, dass ,ein Spross aufgehen’ wird. Spross heifit im hebraischen nezar. Auch das hebraische Wort nasir (=Geweihter) aus Richter 13,5 und 4. Mose 6 klingt im Wort Nazoraer an.
[19] Luz 2002a, S. 177
[20] Bull 2004, S. 33
[21] Schweizer 1993, S. 19
[22] Ebd.
[23] Ebd., S. 21; Siehe hierzu 2.1.1 Matthaus
[24] Bovon 1989, S. 85
[25] Schweizer 1993, S. 23
[26] Theißen 1996, S. 149
[27] Bovon 1989, S. 122
[28] Ebd., S. 124
[29] Ebd., S. 131
[30] Luz 2002a, S. 125
[31] Bull 2004, S. 159
[32] Vgl. Ludemann 1997, S. 87ff
[33] Siehe 2.1.2
[34] Bull 2004, S. 159
[35] Schweizer 1986, S. 15
[36] Schweizer 1993, S. 32
[37] Westermann 1968, S. 191
[38] Theifien 1996, S. 426
[39] Ebd., S. 415f
[40] Ludemann 1995, S. 16
[41] Vgl. Theifien 1996, S. 393f
[42] Gnilka 1999, S. 300
[43] Gnilka 1999, S. 308
[44] Ebd., S. 315
[45] Schweizer 1989, S. 191
[46] Ebd., S. 193
[47] Gnilka 1999, S. 327
[48] Ludemann 1995, S. 25
[49] Gnilka 1999, S. 334
[50] Ebd., S. 340
[51] Ludemann 1995, S. 33
[52] Bull 2004, S. 31
[53] Ludemann 1995, S. 37
[54] Schweizer 1986, S. 330
[55] Ebd., S. 332; Siehe 2.1.1
[56] Bull 2004, S. 23
[57] Luz 2002b, S. 282
[58] Ebd., S. 365
[59] Schweizer 1986, S. 338
[60] Ebd., S. 340
[61] Luz 2002b, S. 394
[62] Schweizer 1986, S. 342
[63] Ludemann 1995, S. 52
[64] Schweizer 1986, S. 345
[65] Schweizer 1993, S. 234
[66] Ebd., S. 238
- Quote paper
- Tilman Fuchs (Author), 2007, Die kirchlichen Hauptfeste - historisch und religionspädagogisch, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/155337
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