Ziel dieser Arbeit ist es aufzuzeigen, welchen Beitrag betriebliche Sozialarbeit leisten kann, um chronischen Störungen als auch negativen Stressoren am Arbeitsplatz rechtzeitig vorzubeugen. Zahlreiche Menschen fühlen sich bei der Bewältigung ihrer beruflichen Aufgaben vielmals überlastet, da Kompensationsmöglichkeiten nicht oder nur in geringem Maße gelingen. Ist es nicht möglich Stressfaktoren zu kompensieren und sich entsprechend zu erholen, kann sich in relativ kurzer Zeit negativer schädlicher Stress entwickeln. An dieser Stelle kann die betriebliche Sozialarbeit mit ihren Kompetenzen, Methoden als auch operativen Maßnahmen einen fachgerechten Beitrag leisten, in dem zum Beispiel Kommunikations- und Konfliktfähigkeitspotentiale als auch Ressourcen individuell gestärkt und gefördert werden. Betriebliche Gesundheitsförderung ist somit nicht nur eine kulturstärkende und imagebildende,sondern auch eine effektiv Kosten sparende Maßnahme. Daher schafft Betriebssozialarbeit im Rahmen ihrer Handlungen nicht nur eine ökonomische,sondern auch eine humane Nachhaltigkeit.
Index
1 Prolog
1.1 Themeneinleitung
1.2 Aufbau der Arbeit
1.3 Ziel der Arbeit
2 Definition und Aufgabenfelder der betrieblichen Sozialarbeit
2.1 Definition der Betriebssozialarbeit
2.2 Historischer Rückblick
2.3 Gegenwärtige Diskussion
2.4 Aufgaben- und Tätigkeitsfelder der betrieblichen Sozialarbeit
2.5 Wer profitiert von der betrieblichen Sozialarbeit?
2.5.1 ArbeitnehmerInnen
2.5.2 UnternehmerInnen
2.6 Zwischenfazit zur betrieblichen Sozialarbeit
3 Betriebliche Gesundheitsförderung
3.1 Gesetzliche Grundlagen & ArbeitnehmerInnenschutz in Österreich
3.2 Gesundheit als betriebliches Thema
3.3 Ziele betrieblicher Gesundheitsförderung
3.4 Zwischenfazit zur betrieblichen Gesundheitsförderung
4 Stressmodelle - Stressoren & Reaktionen im Arbeitskontext
4.1 Dis-Stress und Eustress
4.2 Stressdefinitionen und Stressbegriffe
4.3 Das Adaptationssyndrom (Stress als Reaktion)
4.4 Stimulusbezogener Ansatz (Stress als Reiz)
4.5 Transaktionaler Ansatz (Stress als Transaktion)
4.6 Arbeitsplatzbezogene Stressoren - Klassifikationsversuch
4.6.1 Mobbing - als sozialer Stressor
4.7 Stressreaktionen und Beanspruchungsfolgen
4.7.1 Burnout - als Prozess der Überlastung und Erschöpfung
4.8 Empirische Daten zur Stressproblematik in der EU und in Österreich
4.9 Zwischenfazit zur arbeitsplatzbezogenen Stressthematik
5 Arbeitsplatzbezogene Stressbewältigung (Coping)
5.1 Stressbewältigung - Definition nach Lazarus
5.2 Das Life Model Unterstützungsmanagement
5.3 Ressourcen als Entlastungsfaktoren
5.3.1 Kohärenzerleben (SOC)
5.3.2 Bildung
5.3.3 Soziale Unterstützung
5.3.4 Handlungsspielraum
5.3.5 Erholung
5.4 Zwischenfazit zur arbeitsplatzbezogenen Stressbewältigung
6 Theorie- und Methodenmodelle der betrieblichen Sozialarbeit
6.1 Lebensbewältigung nach L. Böhnisch - Sozialwissenschaftliche Erklärung.
6.2 Klassische Methoden im Arbeitsfeld
6.2.1 Einzelfallarbeit - Case Work
6.2.2 Gruppenarbeit - Group Work
6.2.3 Gemeinwesenarbeit - Community Work
6.3 Handlungsleitende Methoden im Arbeitsfeld
6.3.1 Systemorientierte Arbeitsweise
6.3.2 Casemanagement
6.3.3 Empowerment
6.4 Zwischenfazit zur Theorie und der Methodik
7 Umsetzung von Stressprävention im Kontext der BSA
7.1 Die Stress-SWOT-Analyse als Diagnoseinstrument in der Vorphase
7.3 Umsetzungsphase - Handlungsprozesse
7.3.1 1. - Informationsveranstaltung (Projektvorstellung)
7.3.2 2. - Betriebliche Stressevaluierung
7.3.3 3. - Ergebnispräsentation
7.3.4 4. - Maßnahmenworkshop
7.3.5 5. - Aktive Maßnahmenumsetzung
7.4 Abschluss- und Begleitphase - Evaluierung
7.5 Fazit zur Umsetzung von Stresspräventionskonzepten
8 Empirische Ergebnisse zum Kosten-Nutzen-Aspekt der BSA
9 Resümee und Ausblick
10 Literaturverzeichnis
1 Prolog
1.1 Themeneinleitung
Beeinflusst durch Globalisierung und Individualisierung, kennzeichnet sich unsere heutige Gesellschaft zugleich auch durch Kollektivisierung aus. Dieser Begriff welcher von Karl Otto Hondrich (1997) definiert wurde, ist die Gegenthese zu Ulrich Becks Theorie der Individualisierung und besagt, dass Individualisierung zwar in gewisser Weise frei von Zwängen macht, also Wahlfreiheiten zur Verfügung stellt, gleichzeitig aber wird das Individuum wieder in neue Zwänge hineinmanövriert wo es keine Wahlfreiheiten als Option gibt. Dies nennt Hondrich Kollektivisierung, welche immer parallel zur Individualisierung existiert, was bedeutet, dass sich beide Faktoren gegenseitig antreiben und somit das Individuum von einem Zwang zum nächsten bewegen. Solche Wahlfreiheiten und Zwänge bezogen auf die Arbeitswelt können einerseits die Möglichkeit des individuell gesteuerten Stellenwechsels sein, aber auch gleichzeitig das Risiko durch Kündigung oder von Einsparungsmaßnahmen betroffen zu sein. Dieser Druck bzw. dieses Risiko nicht nur wählen zu können sondern auch Opfer zu sein, verursacht gerade in Zeiten des wirtschaftlichen Umbruchs bei vielen Menschen Stress. (Vgl. Hondrich 1997, S.298ff) Dadurch summieren sich Belastungen einerseits auf der beruflichen, als auch auf der privaten (familiären) Ebene. Zahlreiche Menschen fühlen sich bei der Bewältigung ihrer beruflichen Aufgaben überlastet, da Kompensationsmöglichkeiten nicht oder nur in geringem Maße vorhanden sind. MitarbeiterInnen werden in einer Firma nicht ausschließlich mit Geld zufrieden gestellt. Maßgebend ist daher auch das persönliche Behagen, welches z. B. von Anerkennung, Wertschätzung, Tadel, Mobbing usw. wesentlich beeinflusst wird und somit die Arbeitszufriedenheit steigert oder auch verringert. Menschen können durch ihre Erfahrungen am Arbeitsplatz in ihrer Zufriedenheit wesentlich motiviert, aber auch ebenso eingeschränkt werden. Solche Einschränkungen können auf Dauer, psychische oder auch physische Beeinträchtigungen hervorrufen. Eine Vielzahl von Schwierigkeiten welche im privaten Bereich zu finden sind, haben ihren Ursprung am Arbeitsplatz. Somit stehen psychische, körperliche und soziale Prozesse in enger Wechselwirkung zu Arbeitsbedingungen. Solche Prozesse sind zumeist das Resultat einer subjektiven Überforderung, bzw. auch einer emotionalen Negativbeanspruchung und bedrohen das individuelle Wohlbefinden. Somit wird deutlich, dass die wichtigsten situationsbezogenen Ressourcen der Handlungsspielraum und die soziale Unterstützung sind. (Vgl. Semmer/Udris 2004, S.180) Gelingt es nicht Stressfaktoren zu kompensieren und sich zu erholen, kann sich in relativ kurzer Zeit Dis-Stress, also negativer schädlicher Stress, entwickeln. Dieses dominante Belastungsmerkmal ist ein erhebliches Risiko für die persönliche Gesundheit als auch für die Sicherheit und den Erfolg eines Unternehmens. An dieser Stelle kann die betriebliche Sozialarbeit mit ihren Methoden und Kompetenzen einen fachgerechten Beitrag leisten, indem zum Beispiel Kommunikations- und Konfliktfähigkeitspotentiale gefördert werden. Betriebliche Gesundheitsförderung ist somit nicht nur eine kulturstärkende und imagebildende, sondern auch eine effektiv Kosten sparende Maßnahme. Gegenstand dieser Arbeit ist es im Handlungsfeld der betrieblichen Sozialarbeit Möglichkeiten und Maßnahmen aufzuzeigen, um chronischen Störungen als auch negativen Stressoren (Dis-Stress) am Arbeitsplatz rechtzeitig vorzubeugen und nachhaltig, durch entsprechende Copingstrategien und Handlungen, entgegenzuwirken.
1.2 Aufbau der Arbeit
Nachdem im zweiten Kapitel dieser Arbeit wichtige Begrifflichkeiten, Aufgabenfelder, als auch Bereiche der betrieblichen Sozialarbeit vorgestellt werden, bietet das dritte Kapitel Einblicke in die derzeitige Situation zur Gesundheitsförderung und den ArbeitnehmerInnenschutz österreichischer Firmen. Weiters wird hier auch die Bedeutsamkeit des Humankapitals hervorgehoben, ohne dem es eine erfolgreiche Wirtschaft nicht geben könnte. Im vierten Kapitel erhält der Leser einen ausführlichen Überblick über aktuelle Stressmodelle, Stressoren und deren möglichen Wirkungen im Arbeitskontext. Das Wort Stress ist in der Fach- als auch in der Alltagswelt ein sehr präsenter Begriff weshalb es wichtig ist, entsprechende Definitionen kennen zu lernen. Vorgestellt werden hier Anätze wie z. B. das Adaptationssyndrom (Stress als Reaktion), der stimulusbezogene Ansatz (Stress als Reiz) sowie der transaktionale Ansatz (Stress als Transaktion). In diesem Teil der Arbeit geht es grundsätzlich um die Beleuchtung und Diskussion von Dis-Stress im Kontext von Belastung und Beanspruchung am Arbeitsplatz. Im fünften Kapitel werden Copingstrategien und Bewältigungsmöglichkeiten aufgezeigt, um in belastenden Situationen entsprechend vorhandene Ressourcen einzusetzen, bzw. solche aufzubauen, um den Stress zu kompensieren. Das sechste Kapitel hingegen richtet seinen Fokus auf spezielle Theorie- und Methodenkonzepte Sozialer Arbeit, um vorherrschende Stressfaktoren als auch Lebensbedingungen sozialwissenschaftlich zu erklären. Wie die betriebliche Sozialarbeit im Kontext der Stressthematik entsprechend umgesetzt werden kann, wird im nachfolgend siebten Kapitel vorgestellt. Beginnend mit der Phase der Analyse wo Schwächen aber auch Stärken verortet werden, über die Definition der Planungs- und Handlungsprozesse, bis hin zu den Prozessen der Evaluierung und Weiterbetreuung, werden einzelne Phasen beleuchtet und schließlich auf den Nutzen, als auch auf die Ökonomie hin diskutiert. Im achten Kapitel werden die eingangs aufgestellten Forschungsfragen infolge einer Studie aus der Schweiz zum Kosten-Nutzen-Aspekt betrieblicher Sozialarbeit, mittels empirischer Ergebnisse begründet.
1.3 Ziel der Arbeit
Zahlreiche Betriebe haben es bereits erkannt, dass Gesundheit und Wohlbefinden im Unternehmen für MitarbeiterInnen absolut wichtige Themen sind, welche nicht nur einen präventiven und schützenden Charakter aufweisen, sondern auch die betriebliche Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit fördern. Ziel der betrieblichen Sozialarbeit ist es daher, für MitarbeiterInnen bestmögliche Bedingungen zu schaffen, damit diese ungehindert von gesundheitlichen Einschränkungen ihrer Arbeit nachgehen können. Dadurch wird nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine humane Nachhaltigkeit geschaffen. Dies wird durch entsprechende Methoden und operative Maßnahmen erreicht. Mit diesem Hintergrund als Basis formten sich folgende zwei Forschungsfragen bzw. Hypothesen, welche punktuell behandelt und im 8. Kapitel begründet werden:
1) Betriebliche Sozialarbeit kann durch Präventionsmaßnahmen die Arbeitssituation von MitarbeiterInnen und damit auch die Lebensbedingungen verbessern. (Verbesserung der Personenebene - Verhaltensebene)
2) Die betriebliche Sozialarbeit kann durch Beratung und Intervention die Arbeitsleistung im Unternehmen wesentlich steigern.
(Verbesserung der Systemebene - Verhältnisebene)
Mit dieser Arbeit wird die Problematik von Dis-Stress am Arbeitsplatz und den daraus resultierenden psychischen als auch physischen Belastungen beleuchtet, gleichzeitig werden aber auch Lösungsansätze für die Praxis aufgezeigt, welche die betriebliche Sozialarbeit mit Ihren präventiven als auch intervenierenden Maßnahmen, in die jeweiligen Unternehmen einbringen kann.
„Das Klima, welches ein Unternehmen schafft, betrifft nicht nur die Unternehmenskultur nach innen, sondern hat auch Auswirkungen nach außen. Daher hat jedes Unternehmen eine Verantwortung für die Gesellschaft.“
(Grün 2007, S.121)
2 Definition und Aufgabenfelder der betrieblichen Sozialarbeit
Die Bereitschaft der Gesundheitsförderung in Unternehmen ist in den letzten Jahren gestiegen, nachdem sich die Situation von psychosozialen Konflikten verschärft hat. Wenn sich ein Unternehmen dieser Problematik annimmt, wird es sich an Fachleute der Betriebssozialarbeit wenden, welche professionelle Unterstützung anbieten können. Es gab wohl kaum andere Berufsstände wie die Sozialarbeit bzw. die Sozialpädagogik, welche sich so intensiv mit dem Spannungsfeld Mensch und Arbeit auseinandergesetzt hatten und es auch nach wie vor tun (vgl. Jente/Judis/Meier/Steinmetz/Wagner 2001, S.11f). Aufgrund umfangreicher Erkenntnisse über Jahrzehnte, gelang es der Betriebssozialarbeit ein breites Wissen zu komplexen Spannungsverhältnissen in Unternehmen anzusammeln. Daher ist diese Profession bei psychosozialen Problemlagen in Betrieben ein kompetenter Ansprechpartner. (Vgl. Jente/Judis/Meier/Steinmetz/Wagner 2001, S.11ff)
2.1 Definition der Betriebssozialarbeit
Der 1994 gegründete deutsche Bundesfachverband für Betriebliche Sozialarbeit e.V. beschreibt die Wirkung und den Nutzen der Betriebssozialarbeit in seiner Rahmenkonzeption vom 17.06.2009, wie folgt: „Betriebssozialarbeit unterstützt mit ihren Leistungen das Unternehmen und entlastet somit die Führungskräfte. Darüber hinaus trägt sie zur Gesunderhaltung und dem Wohlbefinden der MitarbeiterInnen bei. Damit dient betriebliche Sozialarbeit sowohl den Beschäftigten als auch dem Unternehmen.“ (Bundesfachverband Betriebliche Sozialarbeit e.V., 2009)
Eine weitere spezifische Abgrenzung des Handlungsfeldes betrieblicher Sozialarbeit verdeutlicht die Definition von Stoll (2001): „Betriebliche Sozialarbeit meint die ethisch begründeten (sozial-) pädagogischen Interventionen speziell ausgebildeter Fachkräfte, mit deren Hilfe Unternehmen einem Teil ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden und einen Beitrag zur Humanisierung der Arbeitswelt leisten. …Ziel ist es, prozessbegleitend auf sozial verträgliche Weise zum Wachstum des Unternehmens beizutragen.“ (Stoll 2001, S.23)
Lau-Villinger (1994) ergänzt zum Thema der Bildung und Information folgend:
„Der betrieblichen Sozialberatung fällt auch verstärkt eine bildende Funktion zu. Neben der Individualberatung kommt vor allem die Information, Aufklärung und Schulung zu bestimmten Themen hinzu.“ (Lau-Villinger 1994, S.37)
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die sozialbetrieblichen Interventionen der Betriebssozialarbeit auf die Bereiche der Führung, des Arbeitsplatzes und auf die Lebenssituation beziehen. Dadurch wird ein positiver Ausgleich zwischen der Führungsebene und den individuellen Bedürfnissen der MitarbeiterInnen hergestellt. Dieser Ausgleich zwischen ökonomischer als auch humaner Interessen, motiviert das Personal und sorgt dafür, dass Störungen und Konflikte zeitnah bearbeitet, als auch reduziert werden können.
(Vgl. Jaeppelt/Görcke 2009, S.27)
2.2 Historischer Rückblick
Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Berufsgruppen welche in diesem Tätigkeitsfeld aktiv sind. Anzumerken ist jedoch, dass Betriebssozialarbeit ein Arbeitsfeld von SozialarbeiterInnen ist, welche untrennbar mit der Sozialwissenschaft der Sozialen Arbeit verbunden ist (vgl. Jaeppelt/Görcke 2009, S.13). Sozialarbeit im Betrieb existiert seit dem 19. Jahrhundert und wurde ursprünglich von so genannten Fabrikspflegerinnen durchgeführt. Die Schaffung dieses Berufsbildes geht auf den Pastor Friedrich Zimmer (1855-1919) zurück. Die erste dieser Fabrikspflegerinnen wurde im Jahre 1900 im Kabelwerk Oberspree (Berlin) angestellt. Der Begriff Fabrikspflegerin entstand in Anlehnung an die Krankenpflege. Nach diesem Beispiel folgten weitere Unternehmen welche Fabrikspflegerinnen beschäftigten. Ergänzend muss dazu gesagt werden, dass diese Sozialleistung seit den Anfängen bis heute, freiwillig von den Unternehmen installiert werden.
(Vgl. Jente/Judis/Meier/Steinmetz/Wagner 2001, S.15ff) Nach dem zweiten Weltkrieg gestaltete sich der Aufbau der Betriebssozialarbeit sehr zögerlich, erst in den 70er Jahren, nach dem Ende des so genannten „Wirtschaftswunders“, gab es unter humanistischen Gesichtspunkten wieder eine verstärkte Nachfrage dieser Dienstleistung (vgl. Jente/Judis/Meier/Steinmetz/Wagner 2001, S.18).
2.3 Gegenwärtige Diskussion
Historisch gesehen war es die Aufgabe der betrieblichen Sozialleistung das Arbeitsvermögen aufrecht zu erhalten bzw. wieder herzustellen. Das Engagement des Staates als auch jener der Firmen, war und ist vielmehr rationaler Natur. Deshalb befindet sich die betriebliche Sozialarbeit immer wieder in einem Zwiespalt was die Kontrolle und Hilfe anbelangt. Sowohl damals als auch heute steht dieser Berufsstand vor den gleichen Herausforderungen. Um als Profession überlebensfähig zu bleiben, muss die betriebliche Sozialarbeit sich durch eine Leistungs- als auch Kosten-Nutzen Wirksamkeit legitimieren. (Vgl. Jaeppelt/Görcke 2009, S.13)
Aufgrund der geschichtlichen Entstehung und Entwicklung von Sozialer Arbeit sowie der Betriebssozialarbeit lässt sich der Schluss folgern, dass beide Bereiche in ihren Aufgaben, Zielen und Methoden, auf welche im nächsten Punkt eingegangen wird, gleichzusetzen sind. Betriebssozialarbeit ist wenn man es genauer betrachtet, ein spezifisches Handlungsfeld, welche betriebliche und gesundheitliche Interessen in den Mittelpunkt der Arbeit stellt. Eine konkrete Unterscheidung zur Sozialen Arbeit kann dadurch erlangt werden, dass entsprechende Aufgabengebiete durchleuchtet werden. Die Konstanten der Sozialen Arbeit entwickeln sich auch gleichzeitig für das Feld der betrieblichen Sozialarbeit und können synonym verwendet werden. (Vgl. Jaeppelt/Görcke 2009, S.23f)
2.4 Aufgaben- und Tätigkeitsfelder der betrieblichen Sozialarbeit
Dort wo Menschen arbeiten oder auch zusammen leben kann es manchmal zu Konflikten oder Reibungspunkten kommen, welche einzelne Personen oder auch Gruppen belasten. Folgen daraus können z. B. ein belastetes Arbeitsklima, Fluktuation oder auch erhöhte Krankenstände sein. Hier kann die Betriebssozialarbeit solche Problemlagen aufgreifen und entsprechende Präventionsarbeit leisten. Deshalb ist es notwendig zu wissen, welche Aufgaben- und Tätigkeitsfelder der Betriebssozialarbeit zugeordnet sind. (Vgl. Jaeppelt/Görcke 2009, S.22ff) Dazu hat der Bundesfachverband für Betriebliche Sozialarbeit e.V. bereits in seiner 1995 verfassten Rahmenkonzeption, folgende Aufgabenfelder konkretisiert:
Beratung:
Dazu zählen z. B. Individualberatungen bei verschiedensten Problemlagen am Arbeitsplatz. Wie zum Beispiel Fragen zur Führung, Beratungen bei Überschuldung, Hilfestellungen bei Sucht- oder Gesundheitsproblemen, Teamberatungen (Gruppenoder Projektberatungen). (Vgl. Jaeppelt/Görcke 2009, S.28f)
Information, Aufklärung und Schulung:
Hierzu kann man fachspezifische Informations- und Schulungsmaßnahmen anführen welche z. B. für Gesundheitsthemen wie der Stressbewältigung, bei Gesundheitszirkeln, Einführung eines Gesundheitsmanagements ins Unternehmen, sowie bei Suchtproblematiken relevant sind. (Vgl. Jaeppelt/Görcke 2009, S.28f)
Organisationsbezogene Maßnahmen:
Beteiligung bei Organisationsentwicklungen, Gremienmitwirkung, Prozessbegleitung, Moderation von internen Arbeitsgruppen (vgl. Jaeppelt/Görcke 2009, S.28f).
Öffentlichkeitsarbeit:
Fachveröffentlichungen und Kooperationen mit externen Institutionen und Unternehmen. (Vgl. Jaeppelt/Görcke 2009, S.28f)
Diese hier angeführten Aufgabenfelder haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit noch sind sie allgemein gültig. Sie sind je nach Betrieb und Anzahl der beschäftigten MitarbeiterInnen individuell abgestimmt. Die Finanzierung erfolgt aus den Mitteln des Unternehmens, welche diese Sozialleistung freiwillig im Betrieb installiert. Themengebiete werden nicht von BetriebssozialarbeiterInnen definiert, sondern von den MitarbeiterInnen an die Betriebssozialarbeit herangetragen. Hinsichtlich dieser Ausgangssituation beziehen sich sozialarbeiterische Interventionen, nach Jaeppelt und Görcke (2009), auf folgende sieben Themenfelder:
1. Betriebsgesundheit
2. psychosoziale Themen im Betrieb
3. Teamentwicklung
4. Führungskräfte
5. Schulung und Training
6. Familie
7. Finanzen
(Jaeppelt/Görcke 2009, S.29f)
Nach Jaeppelt und Görcke (2009) lassen sich daraus folgende Tätigkeitsfelder bestimmen:
Ad 1) Betriebsgesundheit:
- Präventionsberatung bei Drogen- und Alkoholproblemen.
- Beratung und Vermittlung bei psychischen Erkrankungen.
- Beratung und Vermittlung bei psychosomatischen Erkrankungen.
- Wiedereingliederung in das Betriebsumfeld.
(Jaeppelt/Görcke 2009, S.30f)
Ad 2) Psychosoziale Themen im Betrieb:
- Zeitnahe und örtliche Krisenintervention (Arbeitsunfälle, Suizid, Traumata etc.).
- Konfliktberatung zwischen Personen und Abteilungen.
- Stressbewältigung und Stressvermeidung zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit.
- Burnout-Prävention für MitarbeiterInnen und Führungskräfte um Fehlentscheidungen zu vermeiden.
Ad 3) Teamentwicklung:
- Begleitung von Teamentwicklungsprozessen für Führungskräfte und MitarbeiterInnen (im Kontext von Changeprozessen).
Ad 4) Führungskräfte:
- Begleitung und Sensibilisierung von Führungskräften.
- Schulung und Training von Führungskräften.
Ad 5) Schulung und Training:
- Planung und Organisation der betrieblichen Gesundheitsförderung.
- Workshops zur Verbesserung der Teamzusammenarbeit.
- Workshops zum Thema Work-Life-Balance.
Ad 6) Familie:
- Beratung und Vermittlung bei Trennungs- und Scheidungssituationen.
- Elternberatung bei Erziehungsproblemen.
- Childcare / Eldercare.
Ad 7) Finanzen:
- Beratung bei Überschuldung.
- Unterstützung bei Lohn- und Gehaltspfändungen.
- Hilfe bei Wohnungsfragen.
- Unterstützung bei Fragen zur Finanzierung. (Jaeppelt/Görcke 2009, S.30f)
BetriebssozialarbeiterInnen können sich mit den angeführten Themenfeldern befassen, sind jedoch nicht in allen Gebieten ExpertInnen. Hier geht es vielmehr darum, als CasemanagerIn bestmögliche Angebote und Unterstützungsleistungen herzustellen und diese an die KlientInnen zu vermitteln. (Vgl. Jaeppelt/Görcke 2009, S.30)
2.5 Wer profitiert von der betrieblichen Sozialarbeit?
Wie sehr sich die organisatorische Einbindung der betrieblichen Sozialarbeit etabliert hängt wesentlich davon ab, ob sich die Profession als verlängerter Arm der Geschäftsführung oder als eigene fachlich anerkannte Profession im Unternehmen entwickeln kann. Eine positive Veränderung der Sozialatmosphäre ist nur dann möglich, wenn die betriebliche Sozialarbeit eigenständig präventive Maßnahmen setzen kann. (Vgl. Kirchen 2004, S.53)
2.5.1 ArbeitnehmerInnen
Der mögliche Nutzen für ArbeitnehmerInnen kann auf drei Bereiche aufgeteilt werden:
1. Der Nutzen in einer Krisensituation
2. Präventiver Nutzen
3. Nutzen der persönlichen Information und Weiterbildung
Da ArbeitnehmerInnen einen Großteil ihrer Lebenszeit bei der Arbeit verbringen, kann eine präventiv- prophylaktische Ausrichtung der Betriebssozialarbeit drohende physische als auch psychische Krankheiten verhindern. Dies wiederum steigert die Motivation von MitarbeiterInnen und fördert ein positives Arbeitsklima. Zudem trägt diese Maßnahme dazu bei, dass die Sicherung und der Erhalt des Arbeitsplatzes gefördert werden und dies wiederum steigert das Selbstvertrauen von MitarbeiterInnen, da das Unternehmen in Wertschätzung und Nachhaltigkeit investiert. (Vgl. Kirchen 2004, S.54)
2.5.2 UnternehmerInnen
Belastete und problembeladene MitarbeiterInnen erbringen weniger Leistung. Beispielsweise könnten Lohnnebenkosten reduziert werden indem eine Senkung der Krankenstandstage erreicht wird. Weiters werden durch die Herabsetzung von Fluktuation, Ausschuss und Betriebsmittelzerstörungen hohe und teilweise schwer einzuschätzende Kosten verringert. Als legitime Erwartung des Arbeitgebers an die Betriebssozialarbeit kann eine entsprechende Personalkostenreduzierung eingefordert werden. Natürlich darf es zu keiner einseitigen Interessensauslegung kommen, deshalb müssen bei der Implementierung der betrieblichen Sozialarbeit entsprechende Voraussetzungen für beide Seiten geschaffen werden. (Vgl. Kirchen 2004, S.56f)
2.6 Zwischenfazit zur betrieblichen Sozialarbeit
Im Zentrum der betrieblichen Sozialarbeit steht die Gesundheit von MitarbeiterInnen sowie deren Möglichkeit, ungehindert von gesundheitlichen Einschränkungen, ihrer Arbeit nachgehen zu können. Wird in einem Unternehmen solch ein Gesundheitsmanagement eingeführt, muss eine klare Vorstellung existieren, was mit dem Begriff der Gesundheit sowie der positiven Umsetzung der Konzeption gemeint ist. Soziale Unterstützung als Ressource ist eine ganz wesentliche Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens. Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass Personen welche eine soziale Unterstützung erhalten weniger physische und psychische Krankheiten aufweisen. (Vgl. Ulich/Wülser 2009, S.40f)
3 Betriebliche Gesundheitsförderung
Was die Gesundheit am Arbeitsplatz betrifft, so sind sich 87% der befragten ÖsterreicherInnen einig, dass die ArbeitgeberInnen die Verantwortung tragen, damit sich MitarbeiterInnen bei der Arbeit wohl fühlen. Der Westen Österreichs war sich sogar mit 95% an Stimmen gewiss, dass ArbeitgeberInnen dafür die Verantwortung zu tragen haben. (Vgl. Merkur Marktforschung - Gesundheit am Arbeitsplatz). Aufgrund der sich verändernden Arbeitswelt durch Globalisierung, Personalabbau, neuer Arbeitsformen, als auch stärkerer Dienstleistungsorientierung, gab es im Laufe der Zeit eine Minderung des Wohlbefindens am Arbeitsplatz. Gekennzeichnet durch sinkende Arbeitsfähigkeit, geringere Leistungsbereitschaft als auch durch verschiedenste physische als auch psychische Krankheiten, schlagen sich diese Belastungen auch auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Innovationskraft von Unternehmen nieder. Phänomene wie Mobbing, Stress und Burnout werden weiterhin steigen. (vgl. BKK Bundesverband der Betriebskrankenkassen 2004, S.8ff). In Österreich existiert die betriebliche Gesundheitsförderung seit dem Jahre 1993. Veranlasst durch die Gebietskrankenkasse in Oberösterreich (OÖGKK), wurde gemeinsam mit dem Landesverlag Linz ein Kooperationsvertrag geschlossen, welcher die Grundlage für das Projekt „Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt“ bildete. Finanzielle Unterstützung gab es durch das Ministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz. Nach zwei Jahren intensiver Bemühungen, konnte das Projekt erfolgreich zum Abschluss gebracht werden. Auch heute noch zählt diese Konzeption, angesichts der gut dokumentierten Ergebnisse, als Vorbild zahlreicher Folgeprojekte. (Vgl. Suntinger 2006, S.20)
Mit der Einbindung der SozialpartnerInnen in das österreichweite Netzwerk, konnten wichtige UnterstützerInnen zum Projekt der betrieblichen Gesundheitsförderung gewonnen werden. Österreich besitzt somit eine flächendeckende Struktur, welche zur Erhaltung und Förderung gesundheitsrelevanter Bedingungen am Arbeitsplatz, einen erheblichen Beitrag leisten kann. (Vgl. Suntinger 2006, S.20)
3.1 Gesetzliche Grundlagen & ArbeitnehmerInnenschutz in Österreich
Gesetzliche Grundlage bildet dazu die im Jahre 1992 eingeführte Fassung des ASVG (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz). Laut § 116 Abs. 1 Z5 ASVG, muss die Krankenversicherung Vorsorge zur Gesundheitsförderung treffen. Auch wenn einzelne versicherte Personen derzeit noch keinen Rechtsanspruch auf individuelle Gesundheitsförderung haben, zählt es zur Pflichtaufgabe des jeweiligen Krankenversicherungsträgers, diese grundsätzlich zu erfüllen. Nach Verabschiedung des Gesundheitsförderungsgesetzes (GfG) im Jahre 1998, ist in Richtung betrieblicher Gesundheitsförderung ein weiterer wesentlicher Schritt gemacht worden. Ziel nach § 1 Abs.1 und 2 des Gesundheitsförderungsgesetzes (GfG) ist es, die Bevölkerung durch Erhaltung, Verbesserung und Förderung der Gesundheit ganzheitlich einschließlich aller Lebensphasen, zu informieren und aufzuklären. (Vgl. Suntinger 2006, S.21) Im Rahmen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) werden in Österreich durch die Regelungen des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), Gesundheitsschutz und Sicherheit bei der Arbeit, an die europäische Gemeinschaft angepasst. Aufgrund dieser gesetzlichen Basis wird die ArbeitgeberIn verpflichtet, für die Sicherheit sowie für den Gesundheitsschutz von MitarbeiterInnen zu sorgen. Damit gehen entstandene Kosten zu Lasten des Unternehmens. (Vgl. Suntinger 2006, S.21) Der Gesetzgeber sieht nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) § 76 Abs. 3 und § 81 Abs. 3 in weiterer Folge ebenso vor, entsprechend qualifizierte Fachkräfte aus den Disziplinen der Sozialwissenschaft, Psychologie, Chemie als auch aus anderen Bereichen je nach Situation einzubeziehen, wenn Präventivfachkräfte bestimmte Problemstellungen alleine nicht lösen können. (Vgl. Suntinger 2006, S.23)
3.2 Gesundheit als betriebliches Thema
Eine nachhaltige Strategie betrieblicher Gesundheitsvorsorge muss dazu führen, dass Führungskräfte und MitarbeiterInnen dahingehend sensibilisiert werden, Normen, Werte als auch Verhaltensweisen zu erarbeiten, welche bei der Implementierung als auch bei der täglichen Ausführung des Gesundheitsmanagements notwendig sind. Dies wird dadurch erreicht, dass entsprechende Instrumente als auch Methoden bei der Strategieumsetzung verwendet werden. (Vgl. Ulich/Wülser 2009, S.117) Solch ein systematisch-ganzheitlicher Ansatz wäre z. B. die Methodik der Balanced Scorecard (BSC), welche betriebliche Umstellungsprozesse maßgeblich unterstützen kann. Die entwickelten Betriebsstrategien schließen bei dieser Systematik auch die Krankenkassen sowie das strategische Management mit ein. Ein ganz wesentlicher Punkt bei diesem Veränderungsprozess ist die Frage, wie strategisch vorzugehen ist, damit Belastungen reduziert und Gesundheitspotenziale gefördert werden können. Da Gesundheitsförderung ein Eingriff in ein soziales System ist, muss die Führungsebene welche diese Integration vornimmt, sich nach den Grundsätzen der Organisationsentwicklung orientieren. Dies bedeutet vor allem:
- Denken und Handeln im ganzheitlichen Sinn.
- Zuerst Diagnosen stellen - dann Maßnahmen einleiten.
- Hilfe zur Selbsthilfe anregen.
- Integration und Partizipation von Betroffenen.
- Rollende Planung.
(Vgl. Suntinger 2006, S.37f)
Dieser Ansatz der Gesundheitsförderung und Entwicklung muss daher alle Abteilungen eines Unternehmens berücksichtigen und integrieren. Demzufolge müssen Arbeitsbedingungen so gestaltet werden, dass diese sich positiv auf die Gesundheit als auch auf die Ressourcen der MitarbeiterInnen auswirken können. (Vgl. Suntinger 2006, S.37)
[...]
- Quote paper
- BA Marcello Mauritius Ladinig (Author), 2010, Arbeitsplatzbezogene Stressprävention & Copingstrategien als Handlungsfeld betrieblicher Sozialarbeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/154924
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