Diese Seminararbeit ist aus dem sehr interessanten Hauptseminar ´Bert Brechts : Lyrik und Dramen´ heraus entstanden.
Den Vorschlag Bert Brechts ´Andreas Kragler` mit Ernst Tollers `Eugen Hinkemann` bezüglich ihrer charakteristischen Heimkehrermerkmale zu vergleichen fand ich und finde ich immer noch sehr spannend, denn die Thematik des ´Kriegsheimkehrers´ hat mich von Anfang an fasziniert.
0.1. Überblick
1.1. Vorwort
1.2. Einleitung
1.3. Entstehungsgeschichte der Dramen
2.1. Der Heimkehrer in der Literatur
2.2. Literaturwissenschaftliche Merkmale des Heimkehrers
3.1. Verfahren der Figurendarstellung
3.2. Sprechende Namen
3.3. Interpretation
4.1. Ausblick
4.2. Kulturanthropologischer-psychologischer Ausblick
4.3. Schlusswort
5. Bibliografie
1.1. Vorwort
Diese Seminararbeit ist aus dem sehr interessanten Hauptseminar ´Bert Brechts : Lyrik und Dramen´ heraus entstanden.
Den Vorschlag Bert Brechts ´Andreas Kragler` mit Ernst Tollers `Eugen Hinkemann` bezüglich ihrer charakteristischen Heimkehrermerkmale zu vergleichen fand ich und finde ich immer noch sehr spannend, denn die Thematik des ´Kriegsheimkehrers´ hat mich von Anfang an fasziniert.
1.2. Einleitung
Der Heimkehrer (1945)
Es steht kein Haus mehr in der Stadt,
in dem ich werde wohnen können.
Die Straßen, die man begangen hat,
sagen alle, sind nicht mehr zu erkennen.
Den Markplatz sieht man: ein schleimiges Loch
Niemand wartet im Garten.
Vielleicht ist die ganze Stadt nur noch
ein Name auf den Landkarten.
Ich werde durch das Todesgrauen
der Heimat weiter wandern.
Immer wieder muß ich mit den anderen
alles aufbauen.
Dieses Gedicht von Rudolf Leonhard (1889-1953)[1] aus dem Jahre 1945 macht deutlich, in welchen psychischen Zustand die Kriegsheimkehrer wieder zurück in ihre Heimat kamen. Obwohl –objektiv gesehen – das Leid, die Zerstörung und die Orientierungslosigkeit in der Gesellschaft nach dem 2. Weltkrieg größer war, kann man es auch auf die Kriegsheimkehrer des 1. Weltkrieges übertragen.
Um zwei (literarische) Heimkehrer soll es in dieser Arbeit gehen: Andreas Kragler und Eugen Hinkemann. In der zahlreichen literarischen Werken über Heimkehrer und deren Sekundärliteratur hat sich inzwischen ein gewissen Typus gebildet. Dass sich diese Merkmale sehr gut auf die Figuren Kraglers und Hinkemanns übertragen lassen, möchte ich in dieser Arbeit darstellen und diese literarischen Figuren bzw. deren Verhalten dadurch zu interpretieren und auch zu analysieren worin sie Gemeinsamkeiten besitzen.
1.3. Kurze Entstehungsgeschichte der beiden Dramen
Nach dem Ende des ersten Weltkrieges und der gescheiterten bayerischen Revolution unter der Führung der USPD, in die der junge Bertolt Brecht große Erwartungen gesetzt hatte, schrieb er 1919 das Drama ´Spartakus´, welches er Lion Feuchtwanger, dem damaligen Dramaturgen der Münchner Kammerspiele, übergab. Nach mehrfacher Überarbeitung nannte Brecht das Drama schließlich ´Trommeln in der Nacht´[2]. Dieser Titel soll angeblich von Lion Feuchtwangers Gemahlin Martha Feuchtwanger stammen.[3]
Am 23. September 1922 fand unter der Regie von Otto Falckenberg die Uraufführung von ´Trommeln in der Nacht´ statt. Im Zuschauerraum hingen Plakate mit der Aufschrift ´Jeder Mann ist der Beste in seiner Haut´ und ´Glotzt nicht so romantisch!´[4] Das Stück war für den damals unbekannten Brecht ein großer Erfolg: Es fand großen Beifall beim bürgerlichen Publikum und Brecht erhielt im selben Jahr für ´Trommeln in der Nacht´ den ´Kleist-Preis´[5]. Brecht bearbeitete ´Trommeln in der Nacht´ (v.a. die Schlussszene) mehrfach bis zu ersten Buchausgabe 1922, welche wiederum 1953 Grundlage einer weiteren kritischen Revision war. Hier lässt sich sehr gut der Schaffensprozess Brechts nachvollziehen. Zur Analyse der Heimkehrerfigur wird aber die erste Fassung verwendet.
Im selben Zeitraum wie Brechts ´Spartakus´ bzw. ´Trommeln in der Nacht´ entstand auch Ernst Tollers ´Der Deutsche Hinkemann´ im Jahre 1921/22[6]. Zu diesem Zeitpunkt saß Toller wegen Hochverrats zu 5 Jahren Haft verurteilt in der Festungshaftanstalt Niederschönenfeld[7]. Noch während seiner Haft wurde das Stück am 19. September 1923 im Alten Theater in Leipzig uraufgeführt, Regie führte Alwin Kronacher[8]. Im ersten Nachdruck des Stückes wurde der Titel in ´Hinkemann´ geändert. Es gilt als Tollers erfolgreichstes und auch umstrittenstes Stück. Es wurde in über zehn europäischen Ländern, Russland und den USA aufgeführt[9].
Die Lebenswege und die politischen Ideologien Bertolt Brechts und Ernst Tollers liegen eng beieinander: Beide wurden im ersten Weltkrieg verletzt, beide lebten zur selben Zeit in oder in der Nähe von München, beide waren politisch aktiv in der bayerischen Räterepublik und stützen Kurt Eisners Ideen und beide schrieben ein Drama über einen Kriegsheimkehrer, welche Gegenstand dieser Arbeit sein sollen.
2.1. Der Heimkehrer in der Literatur
Die in den deutschen Dramen der 20er und 30er immer wieder auftauchende Figur des (Kriegs-)Heimkehrers lässt sich wirkungsgeschichtlich auf die Quellen der Weltliteratur zurückführen.[10] Sehr oft wird der Einfluss von Homers altgriechischer Sage ´ Odyssee ´ vermutet.
In vielen Werken spielt die Figur des Kriegsheimkehrers bzw. des Revolutionärs eine zentrale Rolle: Heinrich Lilienfein veröffentlichte 1919 den Bühnenzyklus ´ Das Gericht der Schatten ´ und 1920 das Nachkriegsdrama ´Die Überlebenden´. 1922 erschien Bertolt Brechts ´ Trommeln in der Nacht ´ erstmals in Buchform, 1923 erschien dann Ernst Tollers ´ Der Deutsche Hinkemann ´ als Buchdruck.
Aber erst ein Jahrzehnt nach dem Ende des 1. Weltkriegs erlebte die Heimkehrerthematik ihren Höhepunkt: 1929 erschien Ödön von Horváths ´ Sladek, der schwarze Reichswehrmann ´, Leonhard Franks ´Karl und Anna´ und Eberhard Wolfgang Möllers ´ Douaumont oder die Heimkehr des Soldaten Odysseus ´ um nur einige zu nennen.
In en 30er Jahren erschienen dann Hans Chlumbergs ´ Wunder um Verdun ´ (1932), Maxim Zieses ´ Siebenstein (1932), Sigmund Graffs ´ Die Heimkehr des Matthias Bruck ´ (1933), Hanns Johsts ´ Schlageter ´ (1933), Edwin Erich Dwingers ´ Wo ist Deutschland ´ (1934) und Gustav Frenssens ´ Gert Brügge ´ (1935).[11]
Aber auch durch die traumatischen Erlebnissen im und nach dem zweiten Weltkriegs entstanden zahlreiche literarische Werke, in denen wiederum Kriegsheimkehrer eine tragende Rolle spielen.
Das wohl heute bekannteste ist Wolfgang Borcherts ´ Draußen vor der Tür ´. Aber auch ´ Als der Krieg zu Ende war ´ von Max Frisch und ´ Heimkehr ´ von Curt Langenbeck beschäftigen sich mit der Figur des Heimkehrers.[12]
2.2. Merkmale des Heimkehrers
In der Sekundärliteratur finden sich zahlreiche Artikel und Hinweise zum Typus des Kriegsheimkehrers; einige, mehrmals genannte Merkmale (aus verschiedenen Publikationen) seien hier in diesem Abschnitt zusammengefasst und dienen als Grundlage der späteren Anwendung auf die Figuren Andreas Kragler und Eugen Hinkemann.
Der Kriegsheimkehrer als Opfer des Krieges:
M. Helena Gonçalves da Silva charakterisiert Kriegsheimkehrer im Allgemeinen und Hinkemann im besonderen kurz und treffend als hoffnungsloses Opfer des Krieges und der Gesellschaft und zieht gar einen Vergleich zum Helden-Typus des klassischen Theaters[13]:
The main character is a victim of war and society´s indifference, scourged pitilessly, not by anyone in particular but by a whole social and cultural system, so that, in the end, his suffering appears as the result of a faceless destiny. He consequently has something of the tragic dimensions of the classic hero.
Selbsterkenntnis bzw. Wiedererkennung:
Konrad Feilchenfeldt[14] schreibt dem Heimkehrer vor allem die Fähigkeit zur ´Selbsterkenntnis´ und zur ´Wiedererkennung´ zu.
Unter dem Stichwort der ´Massenpsychologischen Voraussetzungen´ beschreibt Feilchenfeldt[15] an Anlehnung Elias Canetti die Selbstfindung der Figur Andreas Kraglers als wichtiges Moment:
Im Verhältnis zur Masse ist das Individuum erst wieder durch die Heimkehr in die Lage versetzt, sich selbst zu sein, und dieser Zusammenhang erweist sich auch an Brechts Trommeln in der Nacht als sozialgeschichtlicher Kontext des Stückes.
Thomas Bütow[16] schreibt hierzu explizit über die Figur Hinkemanns:
Die faktischen Vorgänge haben nur eine geringe Bedeutung, gemessen an dem, was Hinkemann e r k e n n t [sic!]. Das innere, nicht das äußere Geschehen macht Hinkemanns Katastrophe aus.
Auch Cordula Grunow-Erdmann[17] skizziert eine Art Erkenntnisprozess als herausstechendes Merkmal der Figur Hinkemanns:
Die öffentliche Plätze motivieren die Zufälligkeiten der Begegnungen und die Menschenansammlungen. Eine Begleitperson fällt in diesem Stück ganz weg. Hinkemann durchläuft allein auf Grund der Erlebnisse einen Erkenntnisprozeß.
Wiedereingliederung in die Gesellschaft
Die Wiedereingliederung in das gesellschaftliche Leben ist ein weiterer Punkt in den Heimkehrerdramen. Die verschiedenen Figuren haben hierbei unterschiedliche Probleme zu lösen, exemplarisch seien zwei für die Figuren Andreas Kragler und Eugen Hinkemann hier zwei Probleme genannt, und zwar deren finanziellen Probleme und das Gefühl der Vereinsamung genannt:
Eugen Hinkemann, den seine Kriegsverletzungen zum Außenseiter gemacht hat, sucht den Anschluß an das Leben der Gemeinschaft, und er findet ihn in der Liebe seiner Frau. (...) Als er aber, in Hoffnung und Liebe getäuscht, seine Frau zu töten sucht, trifft ihn die Erkenntnis, dass sie ebenso hilflos und vereinsamt ist wie er. So wird das Gefühl des Ausgestoßenseins aus der Gesellschaft aufgehoben in er verbindenden Erkenntnis der Gleichartigkeit alles menschlichen Seins. Diese Erkenntnis freilich wirkt im Drama nur noch retardierend, denn das Gefühl der individuellen Einsamkeit wird von der Gewissheit der substantiellen Einsamkeit des Menschen abgelöst.[18]
und
Hinkemann ist, wie Brechts Kragler, zunächst und zuerst Allegorie der Frontgeneration, da dass Problem der Heimkehr der Fronttruppen und der Prozeß ihrer Eingliederung in den Wirtschaftskörper Nachkriegsdeutschlands eine der drängendsten Fragen in den zwanziger Jahren war.[19]
[...]
[1] Aus www.wissen.de die Kurzbiografie von Rudolf Leonhard:
* 27. 10. 1889 Lissa bei Posen, † 19. 12. 1953 Ostberlin; Vater von Wolfgang Leonhard; begann mit expressionistischen Gedichten (´Barbaren´ 1914), dann Anhänger K. Liebknechts (´Spartakussonette´ 1922) und ständiger Mitarbeiter der Wochenzeitschrift Weltbühne; lebte zuletzt in Berlin (Ost).
[2] Werner Hecht/Hans-Joachim Bunge/Käthe Rülicke-Weiler: Bertolt Brecht. Sein Leben und Werk. 1969, Volk und Wissen (DDR). (Seite 27)
[3] Jan Knopf: Brecht Handbuch. Theater. 1988, Metzler. (Seite 19)
[4] Hecht/Bunge/Rülicke-Weiler. (Seite 27)
[5] ders. (Seite 28)
[6] Kirsten Reimers in: Dieter Distel/Stefan Neuhaus/Rolf Selbmann/John M. Spalek/Thorsten Unger: Die Bewältigung des Wirklichen. Untersuchungen zum dramatischen Schaffen Ernst Tollers zwischen den Weltkriegen. 2000, Königshausen & Neumann. (Seite 97)
[7] Wolfgang Frühwald (Hrsg): Ernst Toller. Hinkemann. 1971, Reclam. (Nachwort Seite 76).
[8] Dieter Distel/Stefan Neuhaus/Rolf Selbmann/John M. Spalek/Thorsten Unger (Seite 97)
[9] Dieter Distel/Stefan Neuhaus/Rolf Selbmann/John M. Spalek/Thorsten Unger (Seite 97
[10] Konrad Feilchenfeldt: Bertolt Brecht. Trommeln in der Nacht. 1976, Carl Hanser Verlag. ( Seite 111)
[11] ders. (Seite 110)
[12] ders. ( Seite 111)
[13] M.Helena Gonçalves da Silva: Character, Ideology, and Symbolism in the plays of Wedekind, Sternheim, Kaiser, Toller, und Brecht. 1985, The Modern Humanities Research Association, London (Seite 96).
[14] Konrad Feilchenfeldt: Bertolt Brecht. Trommeln in der Nacht. 1976, Carl Hanser Verlag. ( Seite 69 ff)
[15] ders (Seite 70)
[16] Thomas Bütow: Der Konflikt zwischen Revolution und Pazifismus im werk Ernst Tollers. Helmut Lüdke Verlag Hamburg (Seite 255).
[17] Cordula Grunow-Erdmann: Die Dramen Ernst Tollers im Kontext ihrer Zeit. 1994, Verlag C. Winter, Heidelberg. (Seite 130).
[18] Wolfgang Frühwald (Hrsg): Ernst Toller. Hinkemann. 1971, Reclam. (Nachwort Seite 86 und 87).
[19] Wolfgang Frühwald (Hrsg): Ernst Toller. Hinkemann. 1971, Reclam. (Nachwort Seite 81).
- Citar trabajo
- M.A. Nadine Elisabeth Müller (Autor), 2001, Kriegsheimkehrer im Drama Andreas Kragler (Bert Brecht: Trommeln in der Nacht) und Eugen Hinkemann (Ernst Toller: Hinkemann), Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15389
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