„Sie kreißen oder sie morden“1 – mit dieser Äußerung gegenüber ihrer
Schwester Chrysothemis benennt Elektra ihr psychisches Leiden. Die
Aussage bezieht sich auf die Mutter Klytämnestra und deren neuen Geliebten
Aegisth, die gemeinsam König Agamemnon getötet haben, um ihre erotische
Lust ungezügelt ausleben zu können, wie Elektra glaubt. Aus Trauer um den
geliebten Vater sinnt sie auf Rache und findet erst Ruhe, nachdem der
heimkehrende Bruder Orest den Mord an den beiden Mördern vollzogen hat.
Der Dichter Hugo von Hofmannsthal verfasste das Drama Elektra, das diesen
Ausschnitt des antiken Tantaliden-Mythos zum Inhalt hat. Am 30. Oktober
1903 kam es im Kleinen Theater in Berlin unter der Regie von Max
Reinhardt zur Uraufführung. Vor allem wegen der exzeptionellen
Schauspielkunst Gertrud Eysoldts, welche die Elektra darstellte, und eines
neuartigen Einsatzes bühnentechnischer Mittel erzielte die Inszenierung
einen durchschlagenden Erfolg. Mit insgesamt 90 Vorstellungen hielt sie sich
etwa zwei Jahre lang im Repertoire. Bis zum 10. November 1903 sollen drei
Auflagen des Buches verkauft worden sein.2
Drama und Inszenierung trafen den Nerv der Zeit. Im Gewand der Antike
steckt die Krise der Moderne. Hofmannsthal verwendete die Elektra-Fassung
des Sophokles als Vorlage, nahm aber einschneidende Veränderungen vor.3
Besonders auffällig ist die überwiegende Präsenz weiblicher Figuren. Auf
den Auftritt Orests mit Pylades und dem Pfleger zu Beginn des Dramas, in
dem die Intrige gegen Klytämnestra und Aegisth zur Sprache kommt (sie
geben Orest für tot aus), wird verzichtet. Der heimkehrende Bruder tritt erst
am Ende der Inszenierung auf und vollbringt den erlösenden Mord, den
Elektra in ihren Rache-Visionen vorwegnimmt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Pathologie des Weiblichen
2.1 Das dissoziierte Bewusstsein - Elektra und Klytämnestra
2.2 Sexualität - der weibliche Dämon
3. Das Verhältnis der Weiblichkeit zu geschlechtsspezifischen Normen
3.1 Die sexuellen Perversionen Elektras
3.2 Die Polarität der Geschlechter
3.3 Die Beziehung der Hysterikerin zur väterlichen Instanz
4. Weiblichkeit im Spannungsfeld von Natur und Kultur
4.1 Das dualistische Frauenbild: die gespaltene Natur
4.2 Die barbarische Urmutter Klytämnestra
4.3 Die gebändigte ,Mutter‘ Chrysothemis
4.4 Elektra: Verlust der Balance zwischen Natur und Kultur
5. Das weibliche Subjekt
5.1 Die Subjektlosigkeit der Frauenfiguren
5.2 Der Traum der Unmittelbarkeit: Lucie Höflich
5.2.1 Von der Außen- zur Innenkunst
5.2.2 ,Natürliches Subjekt‘
5.2.3 Die Mutter
5.3 Die Artistin als Hysterikerin: Gertrud Eysoldt
5.3.1 Eklatantes Gebärdenspiel
5.3.2 Männlicher Intellekt
5.3.3 Verlust der Persönlichkeit
6. Vom Theater der Repräsentation zur Avantgarde
6.1 Das literarisierte Theater
6.2 Der ,Niedergang‘ des Wortes
6.3 Die Autonomie des Theaters
6.4 Die Rückkehr des Dionysischen
7. Resümee
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Sie kreißen oder sie morden“[1] - mit dieser Äußerung gegenüber ihrer Schwester Chrysothemis benennt Elektra ihr psychisches Leiden. Die Aussage bezieht sich auf die Mutter Klytämnestra und deren neuen Geliebten Aegisth, die gemeinsam König Agamemnon getötet haben, um ihre erotische Lust ungezügelt ausleben zu können, wie Elektra glaubt. Aus Trauer um den geliebten Vater sinnt sie auf Rache und findet erst Ruhe, nachdem der heimkehrende Bruder Orest den Mord an den beiden Mördern vollzogen hat. Der Dichter Hugo von Hofmannsthal verfasste das Drama Elektra, das diesen Ausschnitt des antiken Tantaliden-Mythos zum Inhalt hat. Am 30. Oktober 1903 kam es im Kleinen Theater in Berlin unter der Regie von Max Reinhardt zur Uraufführung. Vor allem wegen der exzeptionellen Schauspielkunst Gertrud Eysoldts, welche die Elektra darstellte, und eines neuartigen Einsatzes bühnentechnischer Mittel erzielte die Inszenierung einen durchschlagenden Erfolg. Mit insgesamt 90 Vorstellungen hielt sie sich etwa zwei Jahre lang im Repertoire. Bis zum 10. November 1903 sollen drei Auflagen des Buches verkauft worden sein.[2]
Drama und Inszenierung trafen den Nerv der Zeit. Im Gewand der Antike steckt die Krise der Moderne. Hofmannsthal verwendete die Elektra-Fassung des Sophokles als Vorlage, nahm aber einschneidende Veränderungen vor.[3] Besonders auffällig ist die überwiegende Präsenz weiblicher Figuren. Auf den Auftritt Orests mit Pylades und dem Pfleger zu Beginn des Dramas, in dem die Intrige gegen Klytämnestra und Aegisth zur Sprache kommt (sie geben Orest für tot aus), wird verzichtet. Der heimkehrende Bruder tritt erst am Ende der Inszenierung auf und vollbringt den erlösenden Mord, den Elektra in ihren Rache-Visionen vorwegnimmt. Er ist „nichts als ein Requisit“[4] - wie Hofmannsthal Christiane Thun-Salm schreibt. Der Rezensent Julius Norden bemerkt:
Aigisthos ist ein Statist, Orestes ein Deklamator. Beide kommen von draußen in das Gedicht, sind nicht in seinem Herzen gezeugt; und wir wünschen sie fort aus dieser Welt. Nur Weiber sollten hier hausen.[5]
Eine „Weibersache“[6], ein „Frauenkrieg“[7] Elektras gegen ihre Mutter werde hier dargestellt. Das mit Klytämnestra assoziierte ,Kreißen und Morden‘, birgt die Vorstellung einer zyklischen Natur, welche die patriarchische Kultur des Abendlandes mit einem Paradigma von Weiblichkeit identifiziert und auszuschließen sucht. Elektra kämpft auf der Seite des Vaters gegen die mütterliche Weiblichkeit und beschwört dennoch eben diese Kräfte der Natur bei sich selbst herauf. Diese kommen in den starken Affekten der Sexualität und Aggression zum Vorschein. Die Protagonistin der Aufführung wird als Hysterikerin gekennzeichnet. Hofmannsthal ließ sich bei der Gestaltung des Dramas maßgeblich von den Studien über Hysterie[8] inspirieren, welche die Mediziner Josef Breuer und Sigmund Freud 1895 publizierten.
Seit ihrer Entdeckung in der Antike galt Hysterie als weibliche Krankheit, die sich wegen der vielfältigen Symptomatik einer eindeutigen nosologischen Klassifikation entzog.[9] Deshalb eignete sie sich für männliche Projektionen von Weiblichkeit und wurde häufig mit der Sexualität der Frau in Zusammenhang gebracht. Mit Breuers und Freuds Entdeckungen zur Hysterie lässt sich die pathologische Symptomatik durch einen dem (meist weiblichen) Subjekt innewohnenden Konflikt zwischen Natur und Kultur, zwischen Sexualität und Moral, entschlüsseln. Im sogenannten ,Zeitalter der Nervosität‘[10], wie Zeitgenossen die Jahre um 1900 bezeichnen, ging die Bedeutung der Hysterie[11] über Einzelfälle pathologischer Frauen hinaus und avancierte zur Diagnose eines Kulturzustandes.[12] Zum Wechsel des Jahrhunderts befürchtet die patriarchale Kultur ihre Zerrüttung durch den Ausbruch einer Natur, die sie unter Kontrolle zu haben glaubte. Der in dieser Zeit massiv geführte Diskurs über die nervösen Erkrankungen zeugt von der kulturellen Krise, in der die Beherrschbarkeit natürlicher Gewalten unsicher geworden ist. Die Inszenierung der Elektra reflektiert die Epoche, die sich als hysterisch respektive als nervös begreift.
Der Zeichnung Elektras als Hysterikerin entspricht eine veränderte Theaterästhetik, die sie als Teil der historischen Avantgarde ausweist. Zum einen reflektiert der dramatische Text einen Wandel der Ausdrucksmodi. Die hysterische Symptomatik manifestiert den Übergang von der rationalen Bedeutungsgenerierung der Verbalsprache zur sinnlich-emotionalen Metaphorik des Körpers. Zum anderen wird analog auf der Ebene der Inszenierung der Übergang von der Priorität der Literatur zu einer genuinen Sprache des Theaters vollzogen, welche die sinnliche Wirkung der Bühnenelemente berücksichtigt. Der bis dahin im naturalistischen Illusionstheater vorherrschende Darstellungsmodus der Repräsentation wird abgelöst durch jenen der Performativität. Körper und Sinne erhalten somit auch in der Rezeption wieder Einzug in das Theater der Avantgarde, nachdem zivilisatorische Bemühungen seit dem 18. Jahrhundert sie aus dem Theater zu eliminieren versucht hatten. Damit komme ich zum zweiten Teil des Titels meiner Arbeit: Die Geburt des Theaters aus der Natur des , Weibes‘. Die Ähnlichkeit mit der Schrift Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik[13], in der Friedrich Nietzsche das dionysische Kunstprinzip als Ursprung der griechischen Tragödie behauptet, ist kein Zufall. Die Aufführung Elektra, die wie andere Theaterformen der Avantgarde durch ihre Inszenierungsstrategie auf diese Abhandlung Bezug nimmt, impliziert die Rückkehr des Dionysischen, das laut Nietzsche mit dem Einfluss einer sokratischen Wissenskultur verloren gegangen sei. Da das dionysische Kunstprinzip - wie ich darlegen werde - dem zyklischen Naturgesetz entspricht, gründet sich die Reform des Theaters auf die Wiederkehr einer verdrängten Weiblichkeit, so meine These.
Drama und Inszenierung sind von dem Sujet der Weiblichkeit durchzogen. Sofern die Polarität der Geschlechter an den Dualismus von Kultur und Natur, von Geist und Körper gebunden ist, thematisiert die Diskussion von Geschlechternormen zugleich das Verhältnis der zivilisierten Kultur zur Natur. Indem die pathologische Weiblichkeit Demarkationslinien überschreitet, unterminiert sie die Setzungen einer patriarchalen Kultur und decouvriert deren Prämissen. Die Inszenierung Elektra demonstriert den Konstruktionscharakter von normierten Geschlechtervorstellungen, zeigt deren Funktion innerhalb der männlich dominierten Gesellschaft auf und gewährt dem ausgeschlossenen ,Anderen‘ wieder Einlass in eine krisengeplagte Kultur.
In meiner Analyse werde ich mich den antagonistischen
Weiblichkeitskonzeptionen zuwenden, die in der Aufführung zur Darstellung gelangten. Die Schwestern Elektra und Chrysothemis repräsentieren polar entgegengesetzte Modelle von Weiblichkeit, wobei letztere die zeitgenössische Norm des weiblichen Geschlechts verkörpert. In Charakter und Verhalten entspricht sie dem konventionellen Typus der Mutter, Hausund Ehefrau. Elektra figuriert einen aufbegehrenden Typus pathologischer Weiblichkeit, die durchaus mit der Vorstellung der emanzipierten Frau im Einklang steht - im beginnenden 20. Jahrhunderts wird entgegen dem Ruf nach gesellschaftlicher Gleichstellung der Frau die biologistische Argumentation der ,weiblichen Bestimmung‘ angeführt. Abweichungen von dem normierten, aber als natürlich angenommenen Weiblichkeitsmodell galten als pathologisch.
Um die hysterische Symptomatik Elektras zu spezifizieren, werde ich in Kapitel zwei zunächst die Parallelen dieser Figur zu Breuers und Freuds Studien über Hysterie, insbesondere zur Fallgeschichte der Anna O., kennzeichnen. Aus der Kongruenz mit diesem Erklärungsmodell der Hysterie lässt sich Elektras Beziehung zu Klytämnestra näher bestimmen und die Ursache der Krankheit ausmachen. Die Verschmelzung von Sexualität und Aggression in der Imagination und im Habitus Elektras ist hiermit assoziiert. Im dritten Kapitel werde ich auf die Abweichungen Elektras zu geschlechtsspezifischen Normen, sowohl in Hinsicht auf sexuelle Bestimmungen als auch bezüglich intellektueller Fähigkeiten, eingehen. Dazu werde ich einschlägige medizinische Traktate der Zeit wie Richard von Krafft-Ebings Psychopathia sexualis[14], Paul Möbius’ Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes[15] und Adam Anders Mutterschaft oder Emanzipation?[16] zu Rate ziehen. Gestützt auf den Vergleich mit der weiblichen Norm wird die Position der Hysterikerin im patriarchalen System eruiert.
In Kapitel vier untersuche ich die Verbindungen der konträren Weiblichkeitsmodelle zu unterschiedlichen Naturkonzepten: Klytämnestra, Chrysothemis und Elektra stehen jeweils für spezifische Bedeutungen von Natur für die zivilisierte Kultur. Während Klytämnestra das untergehende Matriarchat markiert, stellt Chrysothemis ein natürliches ,Refugium‘ innerhalb der Zivilisation und Elektra den Kontrollverlust der Moderne dar. Zentrale Texte für diesen Abschnitt sind Christina von Brauns Nicht ich[17] als Sekundärliteratur und die Abhandlung Geschlecht und Charakter[18] des zeitgenössischen Philosophen Otto Weininger.
Im nächsten Schritt werden die Schauspielstile Gertrud Eysoldts und Lucie Höflichs im Zusammenhang mit Subjektkonzeptionen diskutiert, nachdem ich anhand der weiblichen Figuren des Dramas und wiederum Weiningers Philosophie geschlechtsspezifische Subjektentwürfe der Zeit analysiert habe. Die beiden Schauspielerinnen reproduzieren die durch ihre Rollen verkörperten antagonistischen Weiblichkeitstypen ihrerseits durch adäquate Schauspielstile. Die zeitgenössischen Theaterrezensenten assoziieren mit dem psychologisch-realistischen Schauspielstil Lucie Höflichs eine naive und mit der stilisierenden Schauspielkunst Gertrud Eysoldts eine pathologische beziehungsweise emanzipierte Weiblichkeit, so dass sich an die Darstellerin der Chrysothemis hinsichtlich der Subjektvorstellung eine Sehnsucht vorzivilisatorischer Unmittelbarkeit heftet, während Eysoldt das Imago des modernen Ich-Verlustes weckt. Was die historischen Quellen angeht, lässt es sich nicht vermeiden, neben den Rezensionen zu der konkreten Inszenierung auch Monografien der Schauspielerinnen zu verwenden, die zum Teil erst Jahre nach der Uraufführung der Elektra angefertigt wurden. Hinweise in diesen Quellen selbst bezeugen allerdings, dass die Schauspielerinnen einen relativ konstanten Stil über lange Zeit beibehalten haben. Weiterhin werde ich anhand von Schauspiel- und Kulturtheorien die Differenzierungen untersuchen, die in Bezug auf Leistungen und Fähigkeiten der Geschlechter gemacht werden. Daraus ergeben sich Abweichungen respektive Entsprechungen der Schauspielkunst mit der weiblichen Norm. Als Texte sind zu nennen: Julius Bab: Die Frau als Schauspielerin[19] und Georg Simmel: Weibliche Kultur[20].
Schließlich geht es - wie oben bereits angedeutet - um die Transformation der theatralen Ästhetik, die durch bestimmte Methoden der Inszenierung, nicht zuletzt durch den sensationellen Schauspielstil der Eysoldt eine Sinnlichkeit evozierte, die durch das vergangene Theater der Repräsentation nicht gewährleistet worden war. In Kapitel sechs werde ich zunächst den Mechanismus der Repräsentation in der Ästhetik des naturalistischen Illusionstheaters, wie es im 18. Jahrhundert entstand und im 19. Jahrhundert seinen Höhepunkt erlebte, erläutern. Dann folgen die Ansätze ästhetischer Innovationen, die aus der Kooperation Gertrud Eysoldts, Max Reinhardts und Hugo von Hofmannsthals hervorgegangen sind. Alle drei Künstler suchten nach Möglichkeiten, das Theater von der Dominanz des Wortes zu befreien, um ihm eine eigene Sprache zurückzugeben. Hofmannsthal reflektiert seine Suche nach neuen ästhetischen Ausdrucksmöglichkeiten in seinem berühmten Chandos-Brief und dem Elektra-Drama selbst, zwischen denen es markante Parallelen gibt. Der Übergang vom Wort zum Körper, von der Literatur zum Theater, ist hier dokumentiert. Wesentliche Impulse zu einer neuen Theaterästhetik gehen auch von der zeichnerischen Schauspielkunst Eysoldts und der Regie Reinhardts aus. Inszenierungsstrategien und Rezeption der Inszenierung lassen sich aus Aufsätzen Reinhardts und Hofmannsthals sowie aus Rezensionen ableiten.
Aus der vorliegenden Gliederung wird ersichtlich, dass ich sowohl Dramentext als auch Elemente und Strategien der Inszenierung in die Analyse einbeziehe. Im Fach Theaterwissenschaft, das nicht das Werk des Dichters, sondern die theatrale Aufführung als seinen Untersuchungsgegenstand definiert, muss die Berücksichtigung des Dramentextes zumindest erklärt werden: Zum einen greift der ,Inhalt‘ der Aufführung die Modelle von Weiblichkeit auf, die mit den antagonistischen Theaterkonzeptionen - eines konventionellen Illusionstheaters und eines der Avantgarde - im Einklang stehen. Aus dem Bruch mit der normierten Weiblichkeit geht folglich die Reform des Theaters hervor: Dieses reflektiert sich selbst. Die Analogien in ,Inhalt‘ und Aufführung herauszufinden, gehört zur Aufgabenstellung dieser Arbeit. Zum anderen besteht die Neuerung des Inszenierungskonzepts gerade darin, Drama und Bühnenpräsenz nicht so stark zu separieren - hier gilt nicht mehr die traditionelle Vorstellung, dass die Theateraufführung lediglich eine Illustration des Dichterwortes sei. Im Gegenteil: Durch die enge Kooperation zwischen ,Theaterpraktikern‘ und Schriftsteller werden Text und Bühne enger miteinander verzahnt. Hofmannsthal lässt sich maßgeblich von der Schauspielkunst Gertrud Eysoldts und dem Regiestil des Kleinen Theaters anregen, um die Elektra zu schreiben.[21] Der Text Hofmannsthals bezeugt die Integration der Theatersprache: In den Authentischen Vorschriften[22] werden Aufbau der Bühne, Farbe, Licht, Kostüme, Maske genau angegeben, um die Charakteristika einer Figur und die ,Stimmung‘ zu zeichnen. Auch Bewegungen, Mimik und Gestik sowie Verwendung der Stimme werden im Drama festgelegt und dienen wie der gesprochene Text dazu, den ,Inhalt‘ zu vermitteln. Die Angaben Hofmannsthals stimmen mit den Beschreibungen in den Rezensionen zur Inszenierung überein. Eine Abgrenzung zwischen Drama und Inszenierung kann folglich kaum vorgenommen werden. Wenn ich diese Termini verwende, erfolgt dies nicht mit der Intention, eine literaturdominierte Theaterkonzeption zu proklamieren, sondern um den Bezug zum Fundort der Information herzustellen.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, das Jörg Wiesel in seiner Arbeit Zwischen König und Konstitution[23] einen ähnlichen Ansatz verfolgt wie ich in der vorliegenden Analyse. Er weist nach, dass bereits die Schauspielerin Charlotte Wolter das sprachlich dominierte Repräsentationstheater durch Verwendung einer hysterischen Körpersemiotik konterkariert hat. Insbesondere bezieht er sich auf die Kaiserinnendarstellung in Adolf Wilbrandts Arria und Messalina in der Regie von Franz Dingelstedt, die 1874 am Wiener K. u. K. Hofburgtheater erstmals aufgeführt wurde.[24] Mit der Auflösung ästhetischer Repräsentation durch die Hysterisierung des Körpers sei die Verweigerung der Repräsentation kaiserlicher Macht und der Zerfall politischer Einheit assoziiert. Den Wandel von einem literarischen Theater zu einer theatralen Ästhetik, die die Elemente der Bühne berücksichtigt - wesentlich verbunden mit der hysterisierten Schauspielkunst Wolters - verlegt Wiesel also bereits in die 70er-Jahre des 19. Jahrhunderts:
Wolters Schauspielkunst bezeichnet einen Paradigmenwechsel in der Theaterpraxis der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der als Übergang vom unter Heinrich Laube Burgtheater-Direktion logozentrisch bestimmten Theater (in der Tradition der Theorie Rötschers) zu einem den Logozentrismus außer Kraft setzenden, nicht-sprachliche Elemente einer Inszenierung gleichwertig einsetzenden und austestenden und die Perzeption des Publikums bewußt kalkulierenden Theater unter Dingelstedts leitender Verantwortung zu bestimmen ist[25]
Wiesels Überlegungen verlagern die von mir an die Elektra-Inszenierung geknüpfte Theaterentwicklung etwa um dreißig Jahre zurück. Dennoch halte ich Fragestellung und Ansatz der vorliegenden Analyse für gerechtfertigt.
Erstens setzt erst nach dem von Wiesel konstatierten „Paradigmenwechsel“ das Theater des Naturalismus in Berlin - etwa 1890 - ein, das meines Erachtens auf dem repräsentationistischen Modell der Illusionserzeugung beruht.[26] Hofmannsthals und Reinhardts Bemühungen zielten immerhin darauf ab, das Theater von den Bedingungen der Literatur zu lösen, um die Wandelbarkeit des Schauspielers und der Bühne in den Mittelpunkt zu stellen.[27] Das Wiener Burgtheater der Gründerzeit kann demzufolge zwar als Vorbote der Avantgarde betrachtet werden, aber die Notwendigkeit der Theaterreform ist aus der Perspektive von Künstlern des beginnenden 20. Jahrhunderts nach wie vor gegeben. Wenn sich der Bruch mit der Konvention um die Jahrhundertwende - wie im Fall der Elektra-Inszenierung - erneut nach dem Modell der Hysterie vollzieht, halte ich dies für eine Bestätigung der Ergebnisse Wiesels.
Zweitens stellt die um 1900 einsetzende Hysterisierung des Theaters einen konkreten Bezug zum Krisenempfinden der Jahrhundertwende her, insbesondere auf der Grundlage der neuen medizinischen Theorie von Breuer und Freud. Hier wurzelt Hysterie in einer Spannung zwischen Kultur und Natur, die sowohl durch die Figurenzeichnung Elektras als auch durch Gertrud Eysoldts Schauspielstil aufgegriffen wurde. Charlotte Wolter hingegen wird als Schauspielerin beschrieben, die sich in ihren Verwandlungen auf Instinkt und Natur verließ[28], Eysoldt galt als Intellektuelle. Insofern lässt sich eine Akzentverschiebung im Bild der weiblichen Schauspielkunst feststellen, die gendertheoretisch interessant und für die Zeichnung des Kulturzustandes bedeutsam ist.
2. Die Pathologie des Weiblichen
Langsam, nachdem die feierlichen Klänge der Gluckschen Ouvertüre verrauscht sind, teilt sich der Vorhang. Ein Schwarm Dienerinnen stiebt lärmend auseinander, als er die gefürchtete, verhaßte Tochter Klytemnestras [sic] nahen sieht. Aus einer Maueröffnung springt sie in den Hof: Eine kleine magere Koboltgestalt [sic] mit wirr hängendem Haare, irren, funkelnden Augen und Lippen, die sich leicht zu bösem, arglistigem Lächeln verziehen.[29]
Wie der angeführte Autor Conrad Schmidt[30] konstatieren die meisten Theaterkritiker, dass diese Inszenierung der Elektra vom humanistischen Griechenbild der Klassik abweicht. Sie überraschte damit diejenigen, die ein solches erwartet haben, weil das Drama den Titelzusatz „Frei nach Sophokles“[31] trug. Hofmannsthal jedoch verfolgte das Motiv, „etwas gegensätzliches [sic] zur Iphigenie [Goethes - J.D] zu machen, etwas worauf das Wort nicht passe: ,dieses gräcisierende Product erschien mir beim erneuten Lesen verteufelt human.‘ (Goethe an Schiller)“[32]. Indem Glucks Iphigenien-Ouvertüre zu Beginn der Elektra-Aufführung bei geschlossenem Vorhang ertönte, wurde diese klassische Vorstellung des guten, wahren und schönen Menschen zitiert. Doch die durch die Musik evozierte „priesterliche Stimmung“[33] sei erloschen, als sich der Vorhang öffnete und den Blick auf den engen, finsteren Hinterhof des Königspalastes[34] freigab. Der konventionellen „antikisierenden Banalitäten“[35] - Säulen, Tempel, Götterstatuen - beraubt, habe das Bühnenbild Assoziationen an „Schmutz, Unrat, verfaultes Stroh“[36] geweckt:
Die Bühne umschließen düstere, schreckliche Mauern, durch deren niedere Löcher man in schwarze, lichtlose Gänge und Verließe starrt. Es wäre zu milde, wollte man von Gefängnissen und Kerkern sprechen. Es sind Gräberhöhlen. Wohnstätten noch der alten Höhlenkultur, der Menschheit vor hunderttausend Jahren.[37]
An diesem urtümlichen Ort seien nicht die Heroen der hellenischen Hochkultur zu Hause, die im Auftrag höherer Schicksalsmächte handeln, sondern „barbarische Halbwilde“[38],
ein Urvolk von ungebrochener Kraft, elementar und - mit den Maßen der Kulturmenschen gemessen - überlebensgroß in seinen Leidenschaften und seinen Begierden, seinem Haß und seiner Trauer, seinen Schmerzen, seinem Wahn und seinen Verbrechen.[39]
Die Kulturferne der Bühnenfiguren wird körpersemiotisch im Modus des Tierähnlichen demonstriert, der sowohl den getragenen Pathos und die abgemessenen Bewegungen der klassischen Tragödie als auch den Alltagsrealismus des naturalistischen Theaters ablöste: „In hastigen Bewegungen schleichen, huschen, springen, kriechen diese Halbtiere. Kreischende Laute dringen an unser Ohr.“[40]
Der Blick auf diese vorzivilisatorische Zeit, die laut der Rezensenten vor der griechischen Hochkultur liegen müsste, ist dennoch nicht rückwärts gewandt, sondern stellt - aus Sicht der Antike - den Sprung nach vorn, ins Jetzt des beginnenden 20. Jahrhunderts dar. Denn auf der Oberfläche dieses ,barbarischen Urvolkes‘ spiegelt sich die Moderne. Den Konnex von der zivilisationsfernen Wildheit zur Moderne stellt die Färbung ins Pathologische her. Nach Einschätzung Siegfried Jacobsohns überführt Hofmannsthal die antike Dichtung ins „Zeitalter der Nervosität“[41] - ein Ausdruck, der synonym für ,Moderne‘ verwendet wird. Zwar bietet sich die Bühnenhandlung nach außen als Gang zurück in die Urzeit dar, doch knüpft sich an ihn zugleich die Erforschung der Seele des modernen Menschen. Die bloßgelegte Psyche der Dramatis Personae erweist sich als pathologisch. In offensichtlicher Kenntnis des zeitgenössischen medizinischen Diskurses wird Elektra als Nervöse, Neurasthenikerin respektive als Hysterikerin entlarvt.
Die Vielzahl der Rezensenten, die der Protagonistin des Dramas Hysterie attestiert, beweist die gesellschaftliche Präsenz dieser vorwiegend weiblichen Nervenkrankheit[42]. In den Studien über Hysterie publizierten die Wiener Ärzte Josef Breuer und Sigmund Freud 1895 ihre Entdeckungen Über den psychischen Mechanismus hysterischer Phänomene, die durch fünf Krankengeschichten veranschaulicht werden. Der medizinische Diskurs über eine Krankheit, die Ärzten so viele Rätsel aufgab, weil sie eine wechselnde Symptomatik ohne bekannte organische Ursache aufwies, erhielt durch diese Veröffentlichung einen entscheidenden Anstoß, der über die Naturwissenschaft hinaus bis in die Ästhetik Wellen schlug. Anstelle des vorwiegend neurologischen Erklärungsmusters bei Charcot[43] proklamieren Breuer und Freud dort einen psychischen Mechanismus, der auf der Dissoziation des Bewusstseins gründet. Hofmannsthal orientiert die Darstellung seiner Elektra nachweislich[44] an den Studien über Hysterie. Speziell zu der Krankengeschichte Anna O.s[45] lassen sich deutliche Parallelen zur Figurengestaltung Elektras und Klytämnestras feststellen.
2.1 Das dissoziierte Bewusstsein - Elektra und Klytämnestra
Genau wie Anna O.[46] leidet Elektra unter dem Verlust des geliebten Vaters. Elektra trauert um Agamemnon, der von ihrer Mutter Klytämnestra und dem neuen König Aegisth getötet wurde. Anna O. zeigte erstmals Symptome der Hysterie, als ihr Vater im Juli 1880 schwer erkrankte und im April 1881 starb.[47] Von der Pflege des kranken Vaters, der sie sich in den ersten Monaten intensiv widmete, musste sie abgezogen werden, weil ihr „Zustand von Schwäche, Anämie, Ekel vor Nahrung“[48] die zusätzliche psychische Belastung nicht mehr zuließ. In der Folge entwickelte Anna O. eine Reihe schwerer körperlicher Beeinträchtigungen, zu der Lähmungen und Kontrakturen von Muskeln gehörten sowie Anästhesien, Seh- und Sprachstörungen. Die Ähnlichkeit zu Anna O. lässt sich zunächst an Elektras Verweigerung von Nahrung und Sexualität, der körperlichen Schwäche und den Perzeptionsstörungen erkennen. Elektra nimmt keine Nahrung zu sich, weil sie lebenserhaltende Funktionen des Körpers mit der sexuellen Gier Klytämnestras und dem Mord ihres Vaters assoziiert.[49] Ihre Physis ist daher so geschwächt, „dass ihren traurigen verdorrten Armen“[50] die Kraft fehlt, den erlösenden Rachemord selbst zu vollbringen und sie die kräftige Schwester um Hilfe bitten muss.
Ihre Gedanken, permanent um den Mord des Vaters und die künftige Rache kreisend, isolieren sie von der Gesellschaft am Hof, so dass die Umgebung ihr fremd wird. Ihre Schwester Chrysothemis erkennt sie nicht sofort: „Ah, das Gesicht!“[51], sagt sie. Anna O. nannte es „recognising [sic] work“. Bei dieser mühsamen ,Erkennungsarbeit‘ habe sie sich sagen müssen, „die Nase sei so, die Haare so, folglich werde das der und der sein. Alle Menschen wurden ihr wie Wachsfiguren, ohne Beziehung auf sie“[52]. Elektra gegenüberstehend, wirkt Klytämnestra „fast wie ein Wachsfigurenbild“[53] - ein optischer Effekt, der die Beziehungslosigkeit Elektras für den Zuschauer erfahrbar macht. Anna O. kapselte sich durch ihre halluzinatorischen Absenzen von ihrer Umgebung ab[54]. Auch Elektra verliert den Bezug zur Realität, weil ihre Aufmerksamkeit auf innere Vorgänge fixiert ist. Ihr Taumeln, das Aufschrecken, wenn ihre Schwester sich naht und sie aus ihren Gedanken reißt[55], der Blick auf den Boden, ihre allgegenwärtigen Assoziationen an den Mord ihres Vaters[56] sind die physischen und verbalen Äußerungen, in denen Elektra ihre halluzinatorischen Absenzen kundtut. Dieses Auftreten abnormer, so genannter ,hypnoider‘ Bewusstseinszustände ist laut Breuer und Freud „Grundlage und Bedingung der Hysterie“[57]. Die intensiven Vorstellungen des hypnoiden Bewusstseinszustandes, die mit einem affizierenden Erlebnis der Vergangenheit zusammenhängen, sind „von dem Assoziativverkehre mit dem übrigen Bewusstseinsinhalt abgesperrt“[58], so dass zwei getrennte Bewusstseinszustände vorliegen - eine ,double conscience‘[59]. Breuer und Freud sprechen auch von einer Dissoziation des Bewusstseins[60]. Auslöser für eine Bewusstseinsspaltung sei ein psychisches Trauma, das entstehe, wenn auf einen starken Affekt keine Reaktion erfolge. Die mit dem Affekt in Verbindung stehende Vorstellung werde aus dem ,normalen Bewusstsein‘ verdrängt und als Erinnerung in der ,condition seconde‘, dem sich herausbildenden zweiten Bewusstsein, in voller Intensität aufbewahrt.[61] Einer der beiden Bewusstseinszustände übernehme jeweils die Vorherrschaft. Bei Anna O.
bestanden zwei ganz getrennte Bewußtseinszustände, die sehr oft und unvermittelt abwechselten und sich im Laufe der Krankheit immer schärfer schieden. In dem einen kannte sie ihre Umgebung, war traurig und ängstlich, aber relativ normal; im andern halluzinierte sie, war »ungezogen«, d.h. schimpfte, warf die Kissen nach den Leuten, soweit und wenn die Kontraktur dergleichen erlaubte, riß mit den beweglichen Fingern die Knöpfe von Decken und Wäsche u. dgl. mehr.[62]
Nach und nach entwickelte Anna O. eine sonderbare Tagesrhythmik alternierender Bewusstseinszustände: zunehmende halluzinatorische Absenzen mit Fortschreiten des Tages, nachmittags Somnolenz, tiefe Hypnose bei Sonnenuntergang. Die Nacht verbrachte sie wieder völlig klar und vernünftig.[63] In der Hypnose wälzte sie sich hin und her und klagte darüber, dass sie etwas quäle, beziehungsweise äußerte sie den Infinitiv: „Quälen, quälen“, denn sie beherrschte die deutsche Sprache nicht mehr.[64] Später war dies der Zeitpunkt, zu dem sie ihre fiktiven Geschichten und nachfolgend ihre Halluzinationen des Tages erzählte.
Der Sonnenuntergang leitet gleichfalls Elektras allabendliche Klagestunde ein: „Ist doch ihre Stunde, / die Stunde, wo sie um den Vater heult, / dass alle Wände schallen.“, ruft die Dienerin zu Beginn des Dramas in Erwartung Elektras.[65] Die „Flecken roten Lichtes, die aus den Zweigen des Feigenbaums schräg über den Boden und auf die Mauern fallen“[66] - so die Regieanweisung vor ihrem Monolog - zeigen die Koinzidenz der Tageszeit mit den wiederkehrenden Erinnerungen an, da jene aussehen „wie Blutflecke“[67]. In ihrer periodisch wiederkehrenden ,condition seconde‘, die den Zeitpunkt des Mordes markiert, repetiert Elektra gedanklich die schrecklichen Ereignisse und halluziniert die Anwesenheit des Vaters:
Wo bist du, Vater? hast du nicht die Kraft, dein Angesicht herauf zu mir zu schleppen? Es ist die Stunde, unsre Stunde ist’s!
Die Stunde, wo sie dich geschlachtet haben, dein Weib und der mit ihr in einem Bette, in deinem königlichen Bett schläft.
Sie schlugen dich im Bade tot, dein Blut rann über deine Augen, und das Bad dampfte von deinem Blut, dann nahm er dich, der Feige, bei den Schultern, zerrte dich hinaus aus dem Gemach [...]
Vater!
Ich will dich sehn, laß mich heut nicht allein!
Nur so wie gestern, wie ein Schatten, dort im Mauerwinkel zeig dich deinem Kind![68]
Elektras Leiden, ihr Ekel vor Essen und Sexualität, ihre körperliche Schwäche, ihre geistigen Absenzen, ihre Gedanken, die an dem Mord der Vergangenheit und dem der Zukunft hängen, speist sich aus ihrer Erinnerung. Der Verlust des geliebten Vaters und der resultierende Hass gegen die Mörder stellen das psychische Trauma dar, das Elektras Leben auf die vergangenen blutigen Ereignisse zentriert. Sie kann nicht vergessen. Ihre Symptomatik entspricht damit der Behauptung von Breuer und Freud, „der Hysterische leide größtenteils an Reminiszenzen“ [Hervorhebung im Original - J.D.][69].
Aus den blutigen Bildern der Erinnerung übernimmt der angestaute Affekt - der Hass gegen die Mörder Agamemnons - die Färbung der Rachephantasien:
Vater! dein Tag wird kommen! Von den Sternen stürzt alle Zeit herab, so wird das Blut aus hundert Kehlen stürzen auf dein Grab!
So wie aus umgeworfenen Krügen wird’ s aus den gebundnen Mördern fließen, rings wie Marmorkrüge werden nackte Leiber von allen ihren Helfern sein, von Männern und Frauen, und in einem Schwall, in einem geschwollnen Bach wird ihres Lebens Leben aus ihnen stürzen [...][70]
Die Zukunftsvisionen erweisen sich so als Projektionen der Vergangenheit. Elektra verharrt gedanklich in der affektauslösenden Situation und nimmt imaginär den erlösenden Rachemord vorweg. Die adäquate Reaktion auf die ungeheuerliche Tat ist nicht erfolgt.[71]
Aus der Analogie des Krankheitsbildes Anna O.s mit der Figurenzeichnung Elektras schlussfolgert Michael Worbs, dass diese sich tagsüber relativ normal verhalte und erst abends in den hypnoiden Zustand übergehe.[72] Jedoch scheint Elektras Bewusstseinszustand am Tag nicht relevant zu sein, da die Tragödie erst bei Sonnenuntergang beginnt und in der Nacht mit dem Mord an Klytämnestra und Aegisth endet. Für plausibel halte ich es dagegen, dass die Tag-Seite der Anna O. durch Klytämnestra repräsentiert wird. Die „drei Frauengestalten“, schreibt Hofmannsthal einige Jahre nach der Uraufführung, „sind mir wie die Schattierungen eines intensiven und unheimlichen Farbtones gleichzeitig aufgegangen“[73]. Elektra, Klytämnestra und Chrysothemis sind komplementär zueinander konzipiert, sowohl in Hinblick auf Dimensionen des Weiblichen[74] als auch auf die Zeit. Jede von ihnen hält sich an einem anderen Abschnitt des Zeitkontinuums fest: Chrysothemis kann ihr zukünftiges „Weiberschicksal“[75] nicht erwarten, Elektra kann die zurückliegenden Ereignisse nicht vergessen und für Klytämnestra scheint die Zeit still zu stehen[76]. Letztere bemerkt bei sich wie Anna O., wenn sie von dem hypnoiden in den normalen Bewusstseinszustand zurückkehrte[77], eine Lücke im Ablauf der Zeit:
Da stand er, von dem du immer redest, da stand er und da stand ich und dort Aegisth und aus den Augen die Blicke trafen sich: da war es doch noch nicht geschehn! und dann veränderte sich deines Vaters Blick im Sterben so langsam und grässlich, aber immer noch in meinem hängend - und da war’s geschehn: dazwischen ist kein Raum! Erst war’s vorher, dann war’s vorbei - dazwischen hab’ ich nichts getan.[78] [79]
Klytämnestras Gedächtnislücke entspricht der ,Tatzeit‘, die Elektra in ihrer Geistesabwesenheit fortwährend vor ihrem inneren Auge ablaufen lässt. Mutter und Tochter verkörpern die beiden Bewusstseinszustände - die Tag- und Abendseite - der Anna O. Korrelierend zur Aktivität des hypnoiden Zustandes bei Sonnenuntergang - Elektra - weist Klytämnestra Anzeichen von Müdigkeit auf: „Die Lider ihrer Augen scheinen übermäßig groß und es scheint ihr eine furchtbare Anstrengung zu kosten, sie offen zu halten.“[80] Die Bühne bildet das Seelenleben der Figuren durch ihre „Enge, Unentfliehbarkeit, Abgeschlossenheit“[81] metaphorisch ab. Das dissoziierte Bewusstsein wird mit Hilfe der bevorzugten Aufenthaltsorte Klytämnestras und Elektras räumlich repräsentiert. Während jene als weibliches Oberhaupt des Hofes überwiegend in dem (heruntergekommenen) Palast anzutreffen ist, wohnt Elektra wie eine Ausgestoßene draußen auf dem Hinterhof, der bei Untergang der Sonne von roten Flecken bedeckt und danach in tiefes Schwarz getaucht ist.[82]
Auch Klytämnestra ist durch ein hysterisches Leiden gekennzeichnet. Wie Anna O. „in ganz klaren Momenten“[83] über die „tiefe Finsternis ihres Kopfes“[84] klagte und sich bei ihr eine „Desorganisation der Sprache“[85] einstellte, die damit begann, dass „ihr Worte fehlten“[86], leidet Klytämnestra an der Zersetzung ihres Denk- und Sprachvermögens:
Ich denke, aber alles türmt sich mir eins übers andre. Und tu’ ich den Mund auf, da schreit Aegisth, und was er schreit, das ist mir verhaßt, aufbäumen will ich mich und stärker als seine Worte sein - und finde nichts.[87]
Obwohl Klytämnestra für das primäre Bewusstsein der gespaltenen Persönlichkeit steht, weist sie Merkmale der Hysterie auf. Entsprechend der Beobachtung Breuers und Freuds sind die dissoziierten Bewusstseinsteile nicht vollständig voneinander separiert. Die ausgesperrte Erinnerung rage wie ein Fremdkörper in das primäre Bewusstsein hinein.[88] Bei Klytämnestra bewirkt der abgetrennte Gedächtnisinhalt die Auflösung der Ratio. In der Beurteilung Elektras wandele sie im Traum:
Du bist nicht mehr du selber. Das Gewürm hängt immerfort um dich. Was sie ins Ohr dir zischen, trennt dein Denken fort und fort entzwei, so gehst du hin im Taumel, immer bist du als wie im Traum.[89]
Die ausgelagerte Erinnerung verhält sich dem primären Bewusstsein gegenüber wie ein Vampir, der dem Organismus die Essenz des Lebens entzieht. Dass ein blutsaugender Dämon die Ursache ihres Leidens darstellt, bezeugt die Vertraute Klytämnestras:
Klytämnestra:
[...] Schreist nicht du,
[...] daß du Dämonen
gesehen hast mit langen spitzen Schnäbeln, die mir das Blut aussaugen? zeigst du nicht die Spuren mir an meinem Fleisch [...][90]
Klytämnestras anämisches Gesicht[91] ist ein Indiz für die Anwesenheit des zehrenden Blutsaugers. Vor dem Dämon, der ihr die Albträume schicke und so den Schlaf raube, versucht sich Klytämnestra magisch durch Edelsteine und Talismane, mit denen sie über und über bedeckt ist,[92] zu schützen. Nach archaischem Brauch sucht sie das richtige Opfer, um ihre Angst vor dem unbekannten Wesen zu bannen. Der Dämon indes ist ein Teil ihrer selbst - die aus dem Bewusstsein gedrängte Erinnerung an den Mord. Der Dämon heißt Elektra.[93]
Der vorliegende Nexus zwischen Medizin und Mythos, der an mittelalterliche Vorstellungen der Dämonenbesessenheit als Krankheitsursache anknüpft, wurde im 19. Jahrhundert durch den französischen Mediziner Jean-Martin Charcot erneut gezogen, indem er Anleihen aus der Ästhetik zur Stabilisierung seines medizinischen Wissens nahm. Celina, eine Insassin der Salpetriere, die im ersten Band der Iconographie photographique de[94] la Salpetriere (1876) abgebildet ist, verweigerte die Produktion von Körperbildern, die das von Charcot und seinen Mitarbeitern entwickelte Ablaufschema des ,großen hysterischen Anfalls‘ bestätigen sollten. Ihre pathologischen Äußerungen ließen sich nicht beschreiben, darstellen oder reproduzieren. Also versahen die Ärzte ihren Körper mit dem Begriff ,dämonisch‘ und verglichen ihn mit einem Gemälde von Rubens, auf dem die Szenerie einer Besessenen dargestellt ist.[95] Der Rekurs auf diese mittelalterlichen Vorstellungen machte Celinas Körper klassifizierbar. Das Heranziehen mythologischer Darstellungen in der Ästhetik zur Sicherung wissenschaftlicher Kenntnisse ebnete den Weg zu einem dauerhaften Zusammenschluss von Medizin und Kunst gegen Ende des 19. Jahrhunderts.[96] 1887 veröffentlichten Charcot und Richer Les Demoniaques dans l’art, eine medizinische Studie über Kunstwerke, und beschäftigten sich fortan mit Darstellungen von aus ihrer Sicht psychopathologischen beziehungsweise hysterischen Körpern der Kunstgeschichte. Umgekehrt ließen sich Künstler von medizinischen Darstellungen psychischen Leidens inspirieren.[97]
Die Vorstellung von der Hysterie als säkularisierter Variante des Dämonismus übernimmt Breuer für die Theorie der dissoziierten Persönlichkeit:
Die abgespaltene Psyche ist jener Dämon, von dem die naive Beobachtung alter, abergläubischer Zeiten die Kranken besessen glaubte. Daß ein dem wachen Bewusstsein des Kranken fremder Geist in ihm walte, ist richtig; nur ist es kein wirklich fremder, sondern ein Teil seines eigenen.[98]
Als veräußerter Part Klytämnestras, nicht nur in biologischer, sondern vor allem in psychischer Hinsicht, bleibt Elektra als innerer Dämon unauflöslich mit Klytämnestra verbunden und muss am Ende mit ihr untergehen.
2.2 Sexualität - der weibliche Dämon
Elektras Hass auf die Mutter ist gepaart mit einer fundierten Ablehnung der Sexualität. Im Gegensatz zur Darstellung Klytämnestras bei Sophokles verteidigt diese ihre Tat bei Hofmannsthal nicht. In dem antiken Drama behauptet Klytämnestra, den Mord aus Rache an Agamemnon begangen zu haben, da er die Tochter Iphigenie der Göttin Artemis opferte.[99] Bei Hofmannsthal gilt allein das von Elektra vorgebrachte Motiv der sexuellen Gier, so dass der Tod des Vaters in ihrer Imagination stets mit sexuellen Metaphern konnotiert ist:
Mach keine Türen auf in diesem Haus! Gepreßter Atem, pfui! und Röcheln von Erwürgten, nichts andres gibt’s in diesen Kammern! Laß die Tür, dahinter du ein Stöhnen hörst: sie bringen ja nicht immer einen um, zuweilen sind sie auch allein zusammen![100]
Die Assoziation des Mordes an Agamemnon mit der Sexualität ihrer Mutter hat zur Folge, dass Elektra weibliche Sexualität negiert. Im Gegensatz zu ihrer Schwester Chrysothemis verweigert jene die Entwicklung weiblicher Geschlechtsidentität, die in dem Drama gleichbedeutend ist mit Mutterschaft. Das von Chrysothemis gewünschte ,Weiberschicksal‘ wird bei Elektra überschattet von dem Bild der eigenen Mutter, so dass für sie der Wunsch, Kinder zu gebären, einem Verrat an dem eigenen Vater gleichkäme. Das weibliche Begehren ihrer Schwester kommentiert Elektra wie folgt:
Pfui, die’s denkt, pfui, die’s mit Namen nennt! Die Höhle zu sein, drin nach dem Mord dem Mörder wohl ist; das Tier zu spielen, das dem schlimmen Tier Ergetzung bietet. Ah, mit einem schläft sie, presst ihre Brüste ihm auf beide Augen und winkt dem zweiten, der mit Netz und Beil hervorkriecht hinter’m Bett.[101]
Die sexuelle Ätiologie der Hysterie ist eine Erkenntnis Sigmund Freuds. Beim Verfolgen der Erinnerungsspuren seiner Patientinnen und Patienten sei er endlich „unfehlbar auf das Gebiet des sexuellen Erlebens“[102] gelangt. Das psychische Trauma sei auf frühzeitige sexuelle Kontakte in der Kindheit zurückzuführen, wobei diese meist von Erwachsenen initiiert und folglich für Kinder unfreiwillig geschehen würden.[103] Der psychische Konflikt, der durch die Kollision moralischer Vorstellungen mit der Erinnerung sexuellen Inhalts verursacht werde, löse den hysterischen Mechanismus aus. Die Abwehr des Ich dränge die unangenehmen Vorstellungen ins Unbewusste. Sexualität werde aus diesem Grund von Hysterikerinnen tabuisiert. Bei Anna O. fiel Breuer auf, dass „das sexuale Element erstaunlich unentwickelt“[104] war:
die Kranke, deren Leben mir durchsichtig wurde, wie selten das eines Menschen einem andern, hatte noch nie eine Liebe gehabt, und in all den massenhaften Halluzinationen ihrer Krankheit tauchte niemals dieses Element des Seelenlebens empor.[105]
Wenn Anna O. sexuelle Gedanken, auch in dem hypnoiden Bewusstsein, nicht verlauten ließ, dann wäre dies für Freud der Beweis einer ,erfolgreichen‘ Verdrängung, da sich das sexuelle Trauma am Grund der übereinander geschichteten Erinnerungen verberge. Demzufolge hat Breuer nicht tief genug gegraben.[106] Nach dieser Theorie lässt sich für Elektras pathologische Symptomatik eine traumatische Erfahrung mit Sexualität als Ursache bestimmen. Neben der sexuellen Maßlosigkeit ihrer Mutter, die den Grund für den Mord an Agamemnon bilde, deutet Elektra ein weiteres wirksames Moment für ihre Entwicklung an. Ihren Wandel hinsichtlich der sexuellen Orientierung beschreibt sie im Bild des Inzests:
Meinst du,
wenn ich an meinem Leib mich freute, drangen
nicht seine Seufzer [des Vaters - J.D.], drang sein Stöhnen nicht
bis an mein Bette? Eifersüchtig sind
die Toten: und er schickte mir den Haß,
den hohläugigen Haß als Bräutigam.
Da mußte ich den Gräßlichen, der atmet wie eine Viper, über mich in mein schlafloses Bette lassen, der mich zwang alles zu wissen, wie es zwischen Mann und Weib zugeht.[107]
Die Vorstellung einer Brautnacht mit dem personifizierten Hass, welche die Verknüpfung des Vatermordes mit der mütterlichen Sexualität konsequent weiterführt, legt die Basis für die Verschmelzung von Aggression und Sexualität in der Körpersprache Elektras. Den Studien zufolge entgingen die verdrängten Erinnerungen zwar dem moralischen Konflikt mit bewussten Vorstellungen, aber sie blieben latent vorhanden. In pathologischen Dauersymptomen oder in hysterischen Anfällen bemächtige sich das hypnoide Bewusstsein der Körperinnervation.[108] In diesem Zustand, wenn das primäre Bewusstsein ,ausgeschaltet‘ sei, werde die pathogene Erinnerung bloßgelegt. Breuer und Freud rekurrieren auf die attitudes passionelles, die dritte Phase des von Charcot beschriebenen ,großen hysterischen Anfalls‘, in der die Hysterikerin halluziniere und leidenschaftliche Posen einnehme. Weil die Patientin in dieser Phase ihr psychisches Trauma in ein persönliches Drama verwandele, hielt Charcot sie für bedeutsam.[109] Elektras leidenschaftliche Gesten lassen sich als der Teil des hysterischen Anfalls deklarieren, der die traumatische Erinnerung offenbart. Die aus dem Bewusstsein gedrängte Vorstellung der Sexualität wird in Körpergestik und verbal geäußerte Halluzinationen konvertiert. Die Fantasie der Rache an den Mördern ihres Vaters geht einher mit Körperzeichen der sexuellen Passion, die Gertrud Eysoldt den Kritiken zufolge deutlich hervorbrachte. Paul Lerch beispielsweise sieht in Elektra
ein Weib, das in dem Gedanken an die Zerfleischung der gattenmörderischen Mutter, an das Baden in ihrem verbrecherischen Blute eine tierische Wollust findet, nach deren Befriedigung sie lechzt, wie der Tiger nach dampfendem Menschenblute.[110]
Wie Silvia Kronberger richtig bemerkt, führt die Unterdrückung der Weiblichkeit zu einer Sexualisierung der Rachegefühle[111], so dass nach der Logik des von Breuer und Freud entdeckten hysterischen Mechanismus auf eine Gleichsetzung von Sexualität und Weiblichkeit geschlossen werden kann. Die Verdrängung der Sexualität, die sich in der Negation weiblicher Geschlechtsidentität äußert, bewirkt eine Versinnlichung ihrer aggressiven Wünsche.
Insofern folgt die Aufführung dem roten Faden, der sich durch die Geschichte der Hysterie zieht. Sie führt die Verknüpfung von Weiblichkeit und Sexualität als eine jahrtausendealte Tradition vor Augen. Im Traktat des Hippokrates Von den Krankheiten der Frauen wird Hysterie erstmals mit dem weiblichen Fortpflanzungsorgan in Verbindung gebracht.[112] Die Gebärmutter, wie der aus dem Griechischen abgeleitete Name der Krankheit (hystera = Gebärmutter) vermuten lässt, verursache die vielfältigen Symptome. Hippokrates hielt sie für ein kleines gefräßiges Tier, das auf der Suche nach Nahrung durch den Körper sexuell vernachlässigter Frauen, Jungfrauen und Witwen, wandere und eine Bandbreite von Krankheitssymptomen herrufen könne, indem es sich an verschiedenen Stellen im Körper niederlasse. Als Therapie wurde die Ausräucherung des Uterus oder die Ehe vorgeschlagen. Im Mittelalter hingegen galt Hysterie als Seelenkrankheit. Nach christlichen Vorstellungen wurde sie als Besessenheit durch böse Geister gedeutet. Elisabeth Bronfen zufolge ließen sich im Laufe der Hysteriegeschichte diese beiden Auffassungen destillieren: einerseits die Annahme einer organischen Ursache wie in der Antike, andererseits die einer psychischen Störung, die sich von einem fremden Wissen oder Geist herleite, welcher sich des rationalen Selbsts bemächtige.[113] Im 17. Jahrhundert seien beide Ansichten verschmolzen, denn als Ursache wurde die Gebärmutter angesehen, die durch aufsteigende Dämpfe oder sympathetische Verbindungen zu anderen Organen hysterische Symptome hervorrufe. Das am meisten affizierte Organ sei das Gehirn, so dass der fremde Einfluss der Gebärmutter auf den Sitz von Vernunft und Gedächtnis eine Entfremdung des Geistes evozieren müsse. Unabhängig davon, welche Erklärung der Hysterie prävalierte, ob es sich bei ihr um ein von dem Fortpflanzungsorgan verursachtes Leiden, um eine Verfremdung der Seele, eine Mischung aus beidem oder wie im 18. Jahrhundert um eine reine Nervenkrankheit handelte, immer wurde diese Krankheit mit Vorstellungen vom weiblichen Körper verknüpft. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts tauchte schließlich die Theorie der wandernden Gebärmutter wieder auf[114], welche die Linie zur weiblichen Sexualität am deutlichsten zieht. Selbst Charcot, der sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts um eine neurologische Erklärung bemühte und die Krankheit von Bedingungen des weiblichen Geschlechtes loszulösen suchte[115], bestätigte die Identität von Hysterie und Weiblichkeit. In seiner Iconographie Photographie de la Salpetriere, erschienen 1875-1880, sind nur pathologische Frauen fotografisch dokumentiert, obwohl die Salpetriere voll von hysterischen Männern war.[116] Auch Sigmund Freud, der die Verbindung zur Sexualität in Abkehr zu Charcot wieder gelten ließ, suggerierte speziell den Konnex zum weiblichen Geschlecht, indem alle in den Studien veröffentlichten Krankengeschichten von Frauen berichten. Zur Jahrhundertwende lebt die Tradition der Hysterie als Frauenkrankheit also fort. Ihre Symptome respektive das durch die Krankheit evozierte Körperbild werden offensichtlich als Eigenarten des weiblichen Geschlechts aufgefasst. Die Geschichte der Hysterie zeigt, dass sich die Krankheitszeichen fortwährend änderten, sich an wissenschaftliche Trends und medizinische Paradigmen anpassten sowie von dem jeweiligen Frauenideal beeinflusst wurden.[117] So erweist sie sich als integraler Bestandteil eines Weiblichkeitskonstruktes. In der Regel waren die Symptome Übertreibungen angeblich weiblicher Eigenschaften wie - gegen Ende des 19. Jahrhunderts - Launenhaftigkeit, Verstellung, extreme Empfindlichkeit, Streitsucht und Emotionalität. In die variierenden Ausprägungen der Hysterie flossen die jeweils zeitgenössischen Vorstellungen der Ärzte bezüglich des weiblichen Körpers ein, die sie auf die Patientinnen projizierten, aber auch die Realisierungen des Weiblichkeitsphantasmas durch die Patientinnen selbst. Didi-Huberman hat die Erfindung der Hysterie[118] am Beispiel der Vorgehensweise in der Salpetriere unter Charcot ausführlich dargelegt. Bronfen betrachtet diesen Mechanismus als „unsaubere Verquickung von wechselseitigem Einvernehmen, wechselseitiger Täuschung und wechselseitigem Begehren seitens des Analytikers, seitens seiner Patientin und seitens der Künstler, die diesen Vorgang darstellten“[119]. Bei der Ausbildung und Weitergabe eines spezifischen weiblichen Körperbildes kommt den Interferenzen von Ästhetik, Mythos und Medizin eine große Bedeutung zu. Hysterische Zeichen „entstammen“, so die These von Manfred Schneider, „der Literatur und Ikonographie des Abendlandes“[120]. Der zum Repertoire von Charcots ,großem hysterischen Anfall‘ gehörende ,arc de cercle‘ gleicht dem Bewegungsmuster der antiken Mänaden, der wilden Frauen im Gefolge des Dionysos. Das Kennzeichen des ,hysterischen Bogen‘ ist die kreisförmige Biegung des Rückens nach hinten, so dass lediglich Kopf und Füße das Bett berühren und der Bauch den höchsten Punkt der Kurve bildet.[121] Die Ähnlichkeit mit dem Körperbild der Mänade, dessen Charakteristika Gabriele Brandstetter anhand von antiken Abbildungen folgendermaßen in Worte fasst, ist evident: „Der bewegte, oft weit ausholende Schritt, die tiefe Beugung des Oberkörpers nach rückwärts, manchmal verbunden mit einer Torsion aus der Körpermitte; der weit zurückgebogene, in den Nacken geworfene Kopf mit fliegenden Haaren [...]“[122] Wenn Elektra zu ihrem letzten Tanz am Ende der Aufführung den Kopf in den Nacken wirft „wie eine Mänade“[123] - ich komme zur untersuchten Aufführung zurück - wird ein Weiblichkeitsparadigma zitiert, das gleichermaßen in dem hysterischen Bewegungsmodus wie in dem Körperbild der Mänade präsent ist. Es handelt sich um die Darstellung der Ekstase, eines Zustandes außerhalb rationaler Kontrolle, in dem sich Affekte und Triebe ungezügelt offenbaren. In seiner 1898 erschienenen Untersuchung Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen betont Erwin Rohde den „orgiastischen Charakter“[124] des Kultes, bei dem die Begleiterinnen des Dionysos zu Ehren ihres Gottes nachts im Schein der Fackeln über die winterlichen Bergrücken tanzten. Dabei sei nicht der „gemessen bewegte Tanzschritt“ nach der Griechen-Darstellung Homers zum Einsatz gekommen:
Sondern im wüthenden, wirbelnden, stürzenden Rundtanz eilt die Schaar der Begeisterten über die Berghalden dahin. Meist waren es Weiber, die bis zur Erschöpfung in diesen Wirbeltänzen sich umschwangen; [...] Wild flattern die Haare, Schlangen, dem Sabazios heilig, halten die Hände, sie schwingen Dolche, oder Thyrsosstäbe, die unter dem Epheu die Lanzenspitze verbergen. So toben sie bis zur äussersten Aufregung ihrer Gefühle, und im „heiligen Wahnsinn“ stürzen sie sich auf die zum Opfer erkorenen Thiere, packen und zerreissen die eingeholte Beute, und reissen mit den Zähnen das blutige Fleisch, das sie roh verschlingen.[125]
Die Attribute der Mänaden - der mit Efeu umwundene Thyrsosstab, Tierfelle und Schlangen - verweisen auf die ungebändigte Natur, in der zerstörerische wie schöpferische Kräfte zu gleichem Recht gelangen. Neben der zügellosen Sexualität, welche sie in ihrem ekstatischen Rausch ausleben[126], verkörpern sie raubtierhafte Grausamkeit, die sich in dem Zerreißen und RohVerschlingen (Omophagia[127] ) ihrer Beute zeigt. Die Vereinigung der gegensätzlichen Triebe Eros und Thanatos kommt analog in der Figur Elektra, insbesondere in den von sexuellen Regungen begleiteten Mordphantasien zum Ausdruck. Diese ins Reich der Natur verwiesene Wildheit in Kombination mit der affektiven Exaltation spiegelt sich im Körperbild und Bewegungsmuster der rasenden Mänade sowie in dem letzten Tanz Elektras. Das Bewegungsmuster des Dionysischen im Unterschied zu Balance und Mäßigung, das dem Griechenbild der Klassik entspricht, machten Walter Pater in den Greek Studies[128] (1895) und Erwin Rohde in der oben zitierten Publikation bekannt. Neben dieser kannte Hofmannsthal auch die Abbildungen der Mänaden in Thomas Taylors The Eulisinian and Bacchic Mysteries (1891) Die Figurengestaltung der Elektra verdankt sich diesen Anregungen ekstatischer Bewegungsmodi. Außer der von Hofmannsthal angewiesenen und in den Kritiken bestätigten Raubtiergestik Elektras[129] gibt es weitere Hinweise darauf, dass ihre Bewegungen maßlos und unkoordiniert wirken: „Sie taumelt.“[130], heißt es im Dramentext, gebärdet sich „wie von Sinnen“[131] und „in wildester Trunkenheit“[132]. Den Höhepunkt ekstatischer Gestik bildet der Mänadentanz am Schluss der Aufführung, „ein namenloser Tanz“[133], der auch als hysterischer Anfall bezeichnet werden könnte. Der leidenschaftlich empfundene Triumph spiegelt sich in der Spannung der Bewegungen, in der Elektra den Kopf in den Nacken, die Knie in die Höhe wirft und mit ausgestreckten Armen nach vorn schreitet.[134] Die Verbindung der mänadischen Zeichen mit den krampfhaft konvulsivischen Äußerungen der Hysterie kommt in der Kritik von Conrad Schmidt zum Ausdruck:
Wie sie [Elektra - J.D.] in visionärer Verzückung des Hasses immer das Bild des blutigen Beils, mit dem die Mutter einst den Vater erschlug vor Augen, das Haupt nach hinten geworfen, in die Lüfte starrt; wie sie lauernden Blickes sich an dem Schmerzensausbruch Klytemnestras [sic] weidet, den heimkehrenden Aegisth, die Fackel in den Händen, katzenhaft umkreist, und dann, als die Schuldigen gefallen, in taumelnd zuckenden Bewegungen zusammenbricht, das wird ihr [Gertrud Eysoldt - J.D.] so niemand nachspielen.[135]
Der Tanz, von Alfred Kerr „steiler Totenrasetanz“[136] genannt und zum Zentrum der Aufführung erklärt, ist das Bild äußerster Leidenschaft, Gipfel der Ekstase, in der die Lust am Grausamen in orgiastischer Erotik kulminiert. Er ist zugleich die Metapher eines Weiblichkeitskonstruktes, das sich über Jahrtausende tradiert hat. Nach dieser Konstruktion beinhaltet Weiblichkeit nicht nur unkontrollierte Affektivität, sondern in der Demonstration durch die Hysterikerin zugleich auch Krankheit.
3. Das Verhältnis der Weiblichkeit zu geschlechtsspezifischen Normen
3.1 Die sexuellen Perversionen Elektras
Obwohl Weiblichkeit in der patriarchischen Kultur des Abendlandes mit Sexualität und Leidenschaft konnotiert ist, entspricht Elektras Habitus nicht der weiblichen Norm um 1900. Hinsichtlich ihres Sexualverhaltens bezeichnet Gustav Zieler sie als „dekadente Sadistin“, „die sich an ihren blutrünstigen Phantasievorstellungen wollüstig berauscht und in diesem ekstatischen Zustande ihre Schwester Chrysothemis mit sapphischer Brunst umarmt“[137]. Die von Zieler bemerkten sexuellen Neigungen Elektras, namentlich Sadismus und Homosexualität, zählen zu den Perversionen des Sexualtriebes, die der Mediziner Richard von Krafft-Ebing in seiner um 1900 einem breiten Lesepublikum bekannten Psychopathia sexualisus[138] unter anderen beschreibt. In der „medizinisch-gerichtliche[n] Studie für Ärzte und Juristen“, so der Untertitel, beschreibt Krafft-Ebing „die psychopathologischen Erscheinungen des Sexuallebens“ und versucht sie auf „gesetzmäßige Bedingungen“[139] zurückzuführen. Auf der Grundlage dieser Abhandlung lassen sich Aussagen darüber treffen, welche Formen der Sexualität - vor allem hinsichtlich ihrer geschlechtsspezifischen Kodierungen - zur gesellschaftlichen Norm gehörten und welche als pathologische Abweichungen galten. Insofern Krafft-Ebing einen auf den Zweck der Fortpflanzung konzentrierten Sexualitätsbegriff postuliert, wird „jede Äußerung des Geschlechtstriebes“, „die nicht den Zwecken der Natur, i.e. der Fortpflanzung entspricht“[140] als „pervers“ definiert. Unter dem Terminus ,Sadismus‘ sei eine Perversion zu verstehen, bei der sexuelle Erregungen auftreten, wenn anderen Lebewesen (Tieren oder Menschen) meist von dem Träger dieser Perversion selbst Demütigung und Schmerz zugefügt werde.[141] Zum Zeitpunkt der Theateraufführung galt Elektra aus medizinischer Sicht als Perverse. Die Koinzidenz von Gewalt und Sexualität leitet Krafft-Ebing von der Ähnlichkeit der Affekte Liebe und Zorn hinsichtlich ihrer Intensität her. Es handele sich um „die beiden stärksten Affekte“[142] mit ähnlichem Ziel und derselben Reaktion des Körpers:
Beide suchen ihren Gegenstand auf, wollen sich seiner bemächtigen und entladen sich naturgemäß in einer körperlichen Einwirkung auf denselben; beide versetzen die psychomotorische Sphäre in die heftigste Erregung und gelangen mittelst dieser Erregung zu ihrer normalen Aeusserung.[143]
Trotz der Parallelität dieser Beschreibung zu dem mänadischen respektive hysterischen Weiblichkeitsparadigma, das ich im letzten Kapitel erläutert habe, kommt Sadismus Krafft-Ebing zufolge häufiger bei Männern vor. Die geschlechtsspezifische Zuordnung der Perversion schlussfolgert er aus dem wesensgemäßen Verhalten der Geschlechter beim Akt der Fortpflanzung. Während „dem Manne die aktive, selbst aggressive Rolle zukomme“[144], verhalte sich das Weib bis zum Zeitpunkt der Eroberung passiv und defensiv. Nach dem Räuber-Beute-Schema, das der Autor in einer Fußnote auf den Sexualakt anwendet,[145] wird dem Mann der aggressive, der Frau entsprechend der defensive Charakter in der Sexualität als natürliche Gegebenheit ausgelegt. In der Konsequenz stelle der Sadismus eine pathologische Steigerung des männlichen Sexualtriebes „ins Maßlose und Monströse“[146] dar, der Masochismus als Komplement des Sadismus hingegen eine krankhafte Intensivierung weiblicher Sexualität. Das Auftreten sadistischer Lust bei Frauen nimmt demnach die Bedeutung einer wirklichen Umkehr - einer Pervertierung - des Sexualverhaltens an und lässt sich als ,Vermännlichung‘ deuten.
Elektras ,männlicher Charakter‘ wird durch die andere in den Kritiken genannte sexuelle Perversion, die Homosexualität, oder um den Terminus Krafft-Ebings zu verwenden, die ,konträre Sexualempfindung‘ unterstrichen. Die Liebe zum gleichen Geschlecht resultiere aus der physischen und psychischen Abweichung von der anatomisch determinierten Geschlechtsidentität. Nach der von dem Autor vorgenommenen graduellen Abstufung der Perversion reicht die Bandbreite der Phänomene von dem bloßen sexuellen Interesse am eigenen Geschlecht bis hin zur Androgynie, bei der „nicht nur der Charakter und das ganze Fühlen der abnormen Geschlechtsempfindung kongruent sind“[147], sondern auch Merkmale des Körperbaus mit dem entgegengesetzten Geschlecht übereinstimmten. Elektras Homosexualität macht sich in der Art bemerkbar, mit der sie ihre Schwester umgarnt, um sie zu dem Rachemord anzustiften:
[...]
Dicht an ihr Wie stark du bist! dich haben
die jungfräulichen Nächte stark gemacht.
Wie schlank und biegsam deine Hüften sind!
Du windest dich durch jeden Spalt, du hebst dich durch’ s Fenster! Laß mich deine Arme fühlen: wie kühl und stark sie sind! Wie du mich abwehrst, fühl ich, was das für Arme sind. Du könntest erdrücken, was du an dich ziehst. Du könntest mich, oder einen Mann mit deinen Armen an deine kühlen festen Brüste pressen, dass man ersticken müßte! [...][148]
Ohne Zweifel sind die homosexuellen Andeutungen unterlegt mit den euphorisierenden Gedanken an den Rachemord. Die homosexuellen und aggressiven Tendenzen sowie ihr Tatendrang verleihen Elektra Charakter- und Gefühlseigenschaften, welche der Definition von ,Männlichkeit‘ obliegen. Die Androgynität wird durch die knabenhafte Physis Gertrud Eysoldts[149] untermauert.
3.2 Die Polarität der Geschlechter
Die geschlechtsspezifische Zuordnung von Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen geschieht vor dem Hintergrund der sich seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts herausbildenden ,Geschlechtscharaktere‘.[150] Mit diesem Begriff verbindet sich ein Konzept, das den Anspruch hat, die Geschlechter ihrem Wesen nach zu erfassen, indem den unterschiedlichen körperlichen Merkmalen von Mann und Frau korrespondierende psychische Eigenschaften zugewiesen werden. Unter dem Stichwort ,Geschlechtseigenthümlichkeiten‘ heißt es in Meyers Konversations-Lexikon von 1876 nach der Aufzählung der physischen Differenzen von Mann und Frau:
Beim Weibe behauptet das Gefühl, das Gemüth, beim Manne dagegen die Intelligenz, das Denken die Oberhand. Auf äußere Eindrücke reagiert der Mann energischer als das Weib; daher erscheint das letztere sanfter, mehr zum Dulden geschaffen, während der Mann die Initiative ergreift und mehr zu selbständigem Handeln angelegt ist. Die Phantasie des Weibes ist lebhafter als die des Mannes, aber sie erreicht selten die Höhe und Kühnheit wie bei letzterem. In Bezug auf die Schärfe der Unterscheidung, auf die Tiefe des Urtheils ist der Mann entschieden bevorzugt; er ist daher auch zu abstrakten Forschungen mehr geeignet als das Weib. Der Mann charakterisiert ein gewisser Egoismus; das Weib dagegen ist geneigt zur Hingebung, welche nicht selten bis zur Aufopferung des eigenen Selbst geht. Während der Mann fester, beständiger, muthiger und eines bestimmten Entschlusses fähig ist, zeigt sich der Charakter des Weibes mehr schwankend; in Leiden ist es aber in der Regel gefasster und duldet im allgemeinen die Drangsale und Widerwärtigkeiten mit größerer Standhaftigkeit als der Mann. Daher ist denn wohl auch der Selbstmord bei diesem Geschlecht seltener als beim männlichen.[151]
[...]
[1] Hugo v. Hofmannsthal (1997): Elektra. [Erstpublikation 1903]. In: Hugo von Hofmannsthal. Sämtliche Werke VII. Dramen 5. Hg. v. Klaus Bohnenkamp u. Mathias Mayer. Frankfurt am Main. S. 63-110, hier S. 73.
[2] Vgl. Klaus E. Bohnenkamp. u. Mathias Mayer (1997): Elektra. Entstehung. In: Hugo von Hofmannsthal. Sämtliche Werke VII. Dramen 5. Hg. v. dens. S. 303-315, hier S. 310.
[3] Markante Veränderungen sind beispielsweise: der Verzicht auf den Prolog und den Chor, die Ausblendung der Götterwelt, das Fehlen der Rechtfertigung Klytämnestras bezüglich des Mordes an Agamemnon. Hinzugekommen sind die Mägdeszene und die Rache-Phantasien Elektras. Der Schluss wurde neu gestaltet. Vgl. ebd.
[4] Hugo von Hofmannsthal: Brief an Christiane Thun-Salm vom 12. Oktober 1903. In: Hofmannsthal: Sämtliche Werke VII, S. 376-377, hier S. 376.
[5] Norden, Julius (1904). In: Die Zukunft. 12.Jg. (27.8.1904), Bd. 48. S. 349-358, hier S. 351352.
[6] Ebd., S. 358.
[7] Ebd.
[8] Vgl. Josef Breuer u. Sigmund Freud (2007): Studien über Hysterie. [Erstpublikation 1895]. Einleitung v. Stavros Mentzos. 6. unveränd. Aufl. Frankfurt am Main.
[9] Vgl. Elisabeth Bronfen (1998): Das verknotete Subjekt. Hysterie in der Moderne. Aus dem Englischen von Nikolaus G. Schneider. Berlin, S. 109-115.
[10] Das ,Zeitalter der Nervosität‘ war geprägt von einem ausgedehnten Diskurs über die Nerven. Es dauerte etwa von 1880 bis kurz vor 1914. In dem Zeitrahmen wurde eine Flut von Literatur über Nervenschwäche, Nervosität respektive Neurasthenie publiziert. Zuerst erschien die Schrift ,American Nervousness‘ (1880) des New Yorker Nervenarztes George
M. Beard. Vgl. Joachim Radkau (1998): Das Zeitalter der Nervosität. Deutschland zwischen Bismarck und Hitler. München, Wien, S. 9-10.
[11] Der unspezifische Begriff ,Nervosität‘ schließt nicht genau determinierte Krankheiten wie Neurasthenie und Hysterie ein. Er beruht auf der Annahme, dass eine Erkrankung der Nerven vorliegt. Vgl. ebd., S. 124.
[12] Vgl. ebd., S. 13.
[13] Vgl. Friedrich Nietzsche (1987): Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik. [Erstpublikation 1871]. Mit einem Nachwort von Peter Sloterdijk. Frankfurt am Main, Leipzig (= Insel Taschenbuch; 2679).
[14] Vgl. Richard von Krafft-Ebing (1984): Psychopathia sexualis. Fotomechan. Nachdruck d. 14. Aufl. Wien 1912. [Erstpublikation 1886]. Mit Beiträgen von Georges Batailles u.a. München.
[15] Vgl. Paul Julius Möbius (1922): Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 12. veränd. Aufl. Halle (Saale) 1922. [1. Auflage 1900].
[16] Vgl. Adam Ander (1913): Mutterschaft oder Emanzipation? Eine Studie über die Stellung des Weibes in der Natur und im Menschenleben. Berlin.
[17] Vgl. Christina von Braun (1990): Nicht ich. 3.Aufl. Frankfurt am Main. [1. Aufl. 1985].
[18] Vgl. Otto Weininger (1997): Geschlecht und Charakter. Eine prinzipielle Untersuchung. Nachdruck der 1. Aufl. Wien 1903. Im Anhang Weiningers Tagebuch, Briefe August Strindbergs sowie Beiträge aus heutiger Sicht von Annegret Stopczyk, Gisela Dischner und Roberto Calasso. München.
[19] Vgl. Julius Bab (1915): Die Frau als Schauspielerin. Ein Essay von Julius Bab. Berlin.
[20] Vgl. Georg Simmel (1998): Weibliche Kultur. In: Philosophische Kultur. Über das Abenteuer, die Geschlechter und die Krise der Moderne. Gesammelte Essais. Mit einem Vorwort von Jürgen Habermas. 3. Aufl. (= Wagenbachs Taschenbuch; 324). [nach der Ausgabe Potsdam 1923]. S. 219-253.
[21] Vgl. Kapitel 6.2.
[22] Vgl. Hugo von Hofmannsthal (1997): Authentische Vorschriften für die Inscenierung Elektra. [Erstpublikation 1903] In: Hugo von Hofmannsthal. Sämtliche Werke VII. Dramen 5. Hg. v. Klaus Bohnenkamp u. Mathias Mayer. Frankfurt am Main. S. 379-381.
[23] Jörg Wiesel (2001): Zwischen König und Konstitution. Der Körper der Monarchie vor dem Gesetz des Theaters. Wien.
[24] Vgl. ebd., S. 25-32.
[25] Ebd., S. 220.
[26] Vgl. Kapitel 6.1.
[27] Vgl. Kapitel 6.3.
[28] Vgl. Wiesel (2001), S. 222.
[29] Rezension zu Elektra: dt. [Conrad Schmidt] (1903). In: Vorwärts. (1.11.1903).
[30] In Bezug auf die Namen der Rezensenten, die in der jeweiligen Erstpublikation nicht oder nur verkürzt angegeben sind, habe ich mich auf die Recherche Norbert Jarons, Renate Möhrmanns und Hedwig Müllers verlassen. Vgl. Berlin - Theater der Jahrhundertwende. Bühnengeschichte der Reichshauptstadt im Spiegel der Kritik (1889-1914). Hg. v. Norbert Jaron, Renate Möhrmann und Hedwig Müller. Tübingen 1986. In diesem Buch wird zu jeder erfassten Aufführung eine Liste aller erschienenen Kritiken mit den entsprechenden Namen angegeben. Zu Elektra vgl. S. 531.
[31] Vgl. Bohnenkamp/Mayer (1997): Elektra. Entstehung, S. 310. Hofmannsthal reagierte zügig auf die in der Presse häufig geäußerte Irritation, indem er den Untertitel bereits für die 2. Auflage (Anfang November 1903) strich.
[32] Hugo von Hofmannsthal: Tagebuchaufzeichnung vom 17. Juli 1904. In: Hofmannsthal: Sämtliche Werke VII, S. 399-400, hier S. 400.
[33] Rezension zu Elektra: Fritz Engel (1986). [Erstpublikation in: Berliner Tageblatt. Nr. 555 vom 31.10.1903]. In: Berlin - Theater der Jahrhundertwende, S.533-535, hier S. 533.
[34] Vgl. Hofmannsthal (1997): Authentische Vorschriften, S. 379.
[35] Ebd.
[36] Rezension zu Elektra: Julius Hart (1986) [Erstpublikation in: Der Tag. Nr. 513 vom 1.11.1903]. In: Berlin - Theater der Jahrhundertwende. S. 539-540, hier S. 539.
[37]
[38]
[39] Rezension zu Elektra: John Schickowski (1903). In: Leipziger Volkszeitung. Nr. 258 (7.11.1903).
[40] El,,)
[41] Rezension zu Elektra: Siegfried Jacobsohn (1987) [Erstpublikation in: Die Welt am Montag. Nr. 44 vom 2.11.1903]. In: Von der Freien Bühne zum Politischen Theater. Drama und Theater im Spiegel der Kritik. Hg. v. Hugo Fetting. Bd. 1 (1989-1918). Leipzig. S. 228234, hier S. 232.
[42] In Meyers Konversationslexikon von 1906 wird die Hysterie als „eine Krankheit des Zentralnervensystems“ definiert, „bei der keinerlei wahrnehmbare Veränderungen des Nervensystems gefunden werden. Da die Hysterie am häufigsten (es gibt auch männliche Hysterie) beim weiblichen Geschlecht, und zwar vorzugsweise von der Zeit der Pubertätsentwicklung an bis zum Erlöschen der Geschlechtsfunktionen beobachtet wird, und da in vielen Fällen Krankheiten der Geschlechtsorgane die H. begleiten, so hat sich die Ansicht gebildet, daß die H. eine von den Nerven der Geschlechtsorgane ausgehende Störung des gesamten Nervensystems sei.“
Artikel ,Hysterie‘. In: Meyers Großes Konversationslexikon. Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens. 9. Bd. [ohne Angabe zu Herausgebern]. 6. neubearb. u. vermehrte Aufl. Leipzig u. Wien 1906. S. 719-721, hier S. 719.
[43] Jean-Martin Charcot, der für die intensive Erforschung der Hysterie bekannte Arzt der Pariser Salpetriere, ging von einer organisch bedingten Störung des Zentralnervensystems aus. Freud bekam bei seinem mehrmonatigen Aufenthalt in der Salpetriere 1885 Einblick in die Forschung Charcots. Vgl. Lisa Appignanesi u. John Forrester (1996): Die Frauen Sigmund Freuds. Aus d. Engl. v. Brigitte Rapp u. Uta Szyszkowitz. München. [Original: Freud’s Women. London 1992], S. 91-92.
[44] Hofmannsthal erwähnt die Studien über Hysterie als Anregung für die Elektra in einem Brief an Ernst Hladney. Vgl. Klaus E. Bohnenkamp u. Mathias Mayer (1997): Elektra. Erläuterungen. In: Hugo von Hofmannsthal. Sämtliche Werke VII, S. 476-502, hier S. 476 zu Punkt 63, 19 ff.
[45] Breuer und Freud verwendeten Pseudonyme, um das Privatleben ihrer Patientinnen von der Öffentlichkeit abzuschirmen. Vgl. Breuer/Freud (2007): Studien, Vorwort zur ersten Auflage, S. 23. Hinter Anna O. verbirgt sich in Wirklichkeit die spätere Frauenrechtlerin Bertha Pappenheim. Vgl. Appignanesi/Forrester (1996), S. 104.
[46] Einen ausführlichen Vergleich zwischen Elektra und Anna O. nimmt Michael Worbs vor. An seinen Ergebnissen orientieren sich die folgenden Ausführungen. Vgl. Michael Worbs (1999): Mythos und Psychoanalyse in Hugo von Hofmannsthals Elektra. In: Psychoanalyse in der modernen Literatur. Kooperation und Konkurrenz. Hg. v. Thomas Anz in Zusammenarbeit mit Christine Kanz. Würzburg. S. 3-16.
[47] Vgl. Breuer: Krankengeschichte des Frl. Anna O. In: Breuer/Freud (2007): Studien, S. 43.
[48] Ebd.
[49] Vgl. Elektras Aussage in der Wiedergabe der vierten Dienerin: „’Geht ab, verkriecht euch’, / schrie sie uns nach. ,Esst Fettes und Süßes / und kriecht zu Bett mit euren Männern’ []“ Hofmannsthal (1997): Elektra, S. 64.
[50] Ebd., S. 93.
[51] Ebd., S. 68.
[52] Breuer: Krankengeschichte des Frl. Anna O. In: Breuer/Freud (2007), Studien: S. 46.
[53] Hofmannsthal (1997): Authentische Vorschriften, S. 380.
[54] Vgl. Breuer: Krankengeschichte des Frl. Anna O. In. Breuer/Freud (2007): Studien, S. 47.
[55] Vgl. Hofmannsthal (1997): Elektra, S. 68. Regieanweisung: „Elektra fährt zusammen, wie der Nachtwandler, der seinen Namen rufen hört. Sie taumelt. Ihre Augen sehen um sich, als fänden sie sich nicht gleich zurecht. [...]“
[56] Vgl. ebd., S. 73. Elektra erwidert im Gespräch mit Chrysothemis, die sie zu überzeugen versucht, dass die schrecklichen Ereignisse der Vergangenheit angehören: „Vorbei? Da drinnen geht’s aufs neue los! / Meinst du, ich kenn’ den Laut nicht, wie sie Leichen / herab die Treppe schleifen, wie sie flüstern / und Tücher voller Blut auswinden.“
[57] Josef Breuer u. Sigmund Freud (2007): Über den psychischen Mechanismus hysterischer Phänomene (Vorläufige Mitteilung). [Erstpublikation 1893]. In: Breuer/Freud (2007): Studien, S. 27-41, hier S. 36.
[58] Ebd.
[59] Vgl. ebd., S. 35.
[60] Vgl. ebd.
[61] Vgl. ebd., S. 32-36.
[62] Breuer: Krankengeschichte des Frl. Anna O. In: Breuer/Freud (2007): Studien, S. 44.
[63] Breuer stellt einen Bezug dieses Tagesrhythmus’ zu der Zeit der Krankenpflege her, die durch Nachtwache und Schlaf am Nachmittag gekennzeichnet war. Vgl. ebd., S. 49.s
[64] Vgl. ebd.
[65] Hofmannsthal (1997): Elektra, S. 63.
[66] Ebd., S. 66, Regieanweisung.
[67] Ebd.
[68] Ebd., S. 66-67.
[69] Breuer/Freud (2007): Über den psychischen Mechanismus, S. 31.
[70] Hofmannsthal (1997): Elektra, S. 67.
[71] Zur Tat ist Elektra auch nicht fähig: Sie vergisst, Orest das Beil zu geben, das sie so lange für die Rache an den Mördern aufbewahrt hat. Vgl. ebd., S. 106.
[72] Vgl. Worbs (1999), S. 10.
[73] Hugo von Hofmannsthal: Mitteilungen an Ernst Hladny. In: Hofmannsthal. Sämtliche Werke VII, S. 459.
[74] Vgl. Kapitel 5.1.
[75] Hofmannsthal (1997): Elektra, S. 71.
[76] Vgl. Klytämnestra: „[...] und nicht der zehnte Teil der Wasseruhr / ist abgelaufen, und was unter’m Vorhang / hereingrinst, ist noch nicht der fahle Morgen [...]“ Ebd. S. 79.
[77] Vgl. Breuer: Krankengeschichte des Frl. Anna O. In: Breuer/Freud (2007), S. 45.
[78] Hofmannsthal (1997): Elektra, S. 82.
[79] Ebd. S. 74. Regieanweisung.
[80] Hofmannsthal (1997): Authentische Vorschriften, S. 379.
[81] Vgl. ebd., S. 380.
[82] Breuer: Krankengeschichte des Frl. Anna O. In: Breuer/Freud (2QQ7): Studien, S. 45.
[83] Ebd.
[84] Ebd.
[85] Ebd.
[86] Hofmannsthal (1997): Elektra, S. 78-79.
[87] Vgl. Breuer/Freud (2QQ7): Über den psychischen Mechanismus, S. 3Q sowie Breuer: Krankengeschichte des Frl. Anna O. In: Breuer/Freud (2QQ7): Studien, S. 65.
[88] Hofmannsthal (1997): Elektra, S. 75.
[89] Ebd., S. 77.
[90] Vgl. ebd., S. 74. Regieanweisung: „Ihr [Klytämnestras - J.D.] fahles, gedunsenes Gesicht, in dem grellen Licht der Fackeln, erscheint noch bleicher über dem scharlachroten Gewand.“
[91] Vgl. ebd.
[92] Elektra wird wirklich mehrfach als ,Dämon‘ bezeichnet, zum Beispiel vgl. ebd., S. 64.
[93] Didi-Huberman nimmt an, dass es zwischen Ärzten und Patientinnen der Salpetriere einen „figurativen Vertrag“ gegeben hat. Die Hysterikerinnen lieferten demzufolge die Darstellungen und Bilder ihres Körpers, welche die Wissenschaftler zur Bestätigung ihrer medizinischen Theorie benötigten. Beiden Seiten sei auf diese Weise ein Begehren erfüllt worden. Vgl. Georges Didi-Huberman (1989): Ästhetik und Experiment bei Charcot. Die Kunst, Tatsachen ins Werk zu setzen. Aus d. Franz. v. Jutta Legueil u. Elisabeth Madlener. In: Wunderblock. Eine Geschichte der modernen Seele. Hg. v. d. Wiener Festwochen. Wien. S. 281-295, hier, S. 285.
[94] Vgl. Didi-Huberman (1989), S. 289-294. Das Gemälde von Peter Paul Rubens trägt den Titel Der hl. Ignatius von Loyola heilt die Besessenen.
[95] Vgl. Wiesel (2001), S. 203-206.
[96] Vgl. ebd., S. 205-207. Jörg Wiesel weist die synonyme Verwendung der Begriffe ,dämonisch‘ und ,hysterisch‘ im Zusammenhang mit den Darstellungen dämonischer bzw. hysterischer Frauen durch die Schauspielerin Charlotte Wolter nach.
[97] Breuer (2007): Theoretisches. In: Breuer/Freud (2007): Studien, S. 269.
[98] Vgl. Sophokles (2006): Elektra. Übersetzung und Nachwort von Wolfgang Schadewaldt. Frankfurt am Main (= Reclams Universal-Bibliothek; 711). [uraufgeführt zu Athen um das Jahr 413 v. Chr.], S. 24-26 (2. Auftritt).
[99] Hofmannsthal (1997): Elektra, S. 69.
[100] Ebd., S. 71.
[101] Sigmund Freud (1971): Zur Ätiologie der Hysterie [Erstpublikation Wien 1896]. In: Sigmund Freud Studienausgabe. Hg. v. Alexander Mitscherlich, Angela Richards u. James Strachey. 3. korrig. Aufl. Bd. VI. Frankfurt am Main. S. 53-81, hier S. 60.
[102] Diese für seinen bürgerlichen Patientenkreis brisante Erkenntnis nahm Freud später zurück. Die Annahme eines tatsächlich erlebten sexuellen Übergriffs ersetzte er durch die Behauptung, diesbezüglicher Phantasien seiner Patientinnen. Seine gewandelte Auffassung vertrat er erstmals in Meine Ansichten über die Rolle der Sexualität in der Ätiologie der Neurosen von 1906. Vgl. Freud (1971): Ätiologie, Anm. S. 69.
[103] Breuer: Krankengeschichte des Frl. Anna O. In: Breuer/Freud (2007): Studien, S. 42.
[104] Ebd.
[105] Die Allegorie des Ausgrabens einer verschütteten Kultur verwendet Freud für die Arbeit des Therapeuten mit der Patientin. Vgl. Freud (1971): Ätiologie, S. 54.
[106] Hofmannsthal (1997): Elektra, S. 102.
[107] Vgl. Breuer/Freud (2007): Über den psychischen Mechanismus, S. 37-40.
[108] Vgl. Bronfen (1998), S. 270.
[109] Rezension zu Elektra: Paul Lerch (1986) [Erstpublikation in: Germania vom 1.11.1903]. In: Berlin - Theater der Jahrhundertwende, S. 536-537, hier S. 536.
[110] Vgl. Silvia Kronberger (2002): Die unerhörten Töchter. Fräulein Else und Elektra und die gesellschaftliche Funktion der Hysterie. Innsbruck u.a., S. 207.
[111] Vgl. Bronfen (1998), S. 116-117.
[112] Vgl. ebd., S. 120.
[113] Vgl. Appignanesi/Forrester (1996), S. 92.
[114] Vgl. ebd., S. 92-93.
[115] Vgl. Georges Didi-Huberman (1997): Erfindung der Hysterie. Die photographische Klinik von Jean-Martin Charcot. Aus dem Franz. übers. u. mit Nachwort von Silvia Henke, Martin Stingelin und Hubert Thüring. München, S. 94-96.
[116] Vgl. Bronfen (1998), S. 132.
[117] Vgl. Didi-Huberman (1997).
[118] Bronfen (1998), S.133.
[119] Manfred Schneider (1985): Hysterie als Gesamtkunstwerk. Aufstieg und Verfall einer Semiotik der Weiblichkeit. In: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken 39 (1985). 2. Halbj. S. 879-895, hier S. 883.
[120] Vgl. Bronfen (1998), S. 270.
[121] Gabriele Brandstetter (1995): Tanz-Lektüren. Körperbilder und Raumfiguren der Avantgarde. Frankfurt am Main, S. 187.
[122] Hofmannsthal (1997): Elektra, S. 110.
[123] Erwin Rohde (1991): Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Zwei Bände in einem Band. Reprografischer Nachdruck der 2. Aufl. Freiburg i. Br., Leipzig und Tübingen 1898. Bd. 1. Darmstadt (= Bibliothek klassischer Texte), S. 9.
[124] Ebd., S. 9-10.
[125] In Euripides’ Bakchen identifiziert Pentheus den Dionysos-Kult mit der ungehemmten Sexualität der Frauen.
Vgl. Euripides (2005): Die Bakchen. Tragödie. Übers., Nachw. u. Anm. v. Oskar Werner. Stuttgart (= Reclams Universal-Bibliothek; 940). [Erstaufführung vermutl. um 405 v. Chr.], S. 12 (1. Szene).
[126] Vgl. Artikel ,Bakchai‘ in: Otto Hiltbrunner (1995): Kleines Lexikon der Antike. Umfassend die griechisch-römische Welt von ihren Anfängen bis zum Beginn des Mittelalters (6. Jahrhundert n. Chr.). Unter Mitarbeit von Marion Lausberg. 6. völlig neubearb. u. erw. Auflage. Tübingen u. Basel, S. 92.
[127] Vgl. Brandstetter (1995), S. 198.
[128] Vgl. Bohnenkamp/Mayer (1997): Elektra. Erläuterungen, S. 493.
[129] Vgl. Hofmannsthal (1997): Elektra, S. 106. Nachdem Orest und sein Pfleger ins Haus gegangen sind, um Klytämnestra zu töten, gilt folgende Regieanweisung: „Sie [Elektra - J.D.] läuft auf einem Strich vor der Tür hin und her, mit gesenktem Kopf, wie das gefangene Tier im Käfig.“
[130] Ebd., S. 68.
[131] Ebd., S. 87.
[132] Ebd., S. 86.
[133] Ebd,, S. 110.
[134] Vgl. ebd., S. 110.
[135] Rezension zu Elektra: dt. [Conrad Schmidt] (1903)
[136] Alfred Kerr (1903). In: Die Neue Rundschau. 14. Jg. (11/1903). S. 1311-1317, hier S. 1316.
[137] Rezension zu Elektra: G[ustav] Z[ieler] (1903): In: Neue Preußische Zeitung. Nr. 512 (31.10.1903). Abendausgabe.
[138] Krafft-Ebing verfolgte die Intention, auf die juristische Beurteilung von sexuellen Perversionen durch Vermittlung medizinischer Kenntnisse Einfluss zu nehmen. Obwohl der Autor die pornografische und die auf Sensation zielende Lektüre zu verhindern suchte, indem er Fachtermini verwendete und anstößige Stellen in lateinischer Sprache schrieb, hatte das Buch einen großen Leserkreis. Die Psychopathia sexualis, 1886 erstmals veröffentlicht, wurde in den ersten Jahren fast jährlich neu aufgelegt und bis 1924 regelmäßig ediert. Vgl. Hugo Kupferschmidt (1989): Krafft-Ebings „Psychopathia sexualis“. In: Wunderblock. Eine Geschichte der modernen Seele. Hg. v. d. Wiener Festwochen. Wien. S. 481-484, hier S. 483.
[139] Krafft-Ebing (1984), Vorwort zur ersten Auflage, S. IV.
[140] Ebd., S. 68.
[141] Vgl. ebd., S. 69.
[142] Ebd., S. 72.
[143] CU
[144] Ebd., S. 73.
[145] Vgl. ebd., Fußnote 2.
[146] Ebd., S. 74.
[147] Ebd., S. 293.
[148] Hofmannsthal (1997): Elektra, S. 92-93.
[149] Vgl. Kapitel 5.3.3.
[150] Vgl. Karin Hausen (1976): Die Polarisierung der „Geschlechtscharaktere“ - Eine Spiegelung der Dissoziation in Erwerbs- und Familienleben. In: Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas: Neue Forschungen. Hg. v. Werner Conze. Stuttgart (= Industrielle Welt; 21). S. 363-393, hier S. 363.
[151] Artikel ,Geschlechtseigenthümlichkeiten‘ in: Meyers Konversations-Lexikon. Eine Encyklopädie des allgemeinen Wissens. [ohne Angabe zu Herausgebern]. 7. Bd. 3. gänzl. umgearb. Aufl. Leipzig 1876. S. 710.
- Citation du texte
- Janine Dahlweid (Auteur), 2009, "Sie kreißen oder sie morden" - Die Geburt des Theaters aus der Natur des 'Weibes', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153697
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