n der vorliegenden Arbeit wurde es sich zum Ziel gesetzt, die seit einiger Zeit in der Kritik
stehende und als “Strategiemodell” bezeichnete Konzeption des Lernens zu validieren. Zu
klären war, inwieweit der Gebrauch von Strategien tatsächlich einen exponierten Einfluss
gegenüber den anderen drei Gedächtnisdeterminanten Vorwissen, Metagedächtnis und
Gedächtniskapazität auf die Gedächtnisleistung besitzt. Anhänger dieses Paradigmas sehen
vor allem im ontogenetischen Wandel des strategischen Vorgehens bei Kindern die Erklärung
dafür, weshalb sich das Memorierverhalten im Verlauf des (Klein)Kindes- und Jugendalters
qualitativ und quantitativ verbessert.
Zum Zwecke einer Validierung des Strategiemodells wurden bei je 60 Zweit- und
Viertklä sslern unter Experimental- und Kontrollbedingung das Metagedächtnis mittels zweier
Metagedächtnisbatterien erfasst, das Vorwissen durch freie Produktion von Tier- und
Pflanzennamen und Bearbeitung des Kognitiven Fähigkeitstests (KFT) und Heidelberger
Sprachentwicklungstests (HSET) dokumentiert und die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses
mittels Wortnachsprech-Aufgaben festgestellt. Die Bewertung des Einflusses der Strategie
erfolgte durch eine MANOVA im Messwiederholungsdesign, die einen
Reproduktionsvergleich zog, und zwar zwischen der Experimentalgruppe, die bereits
vorkategorisierte Itemlisten zu lernen hatte, und der Kontrollgruppe, der die Items
randomisiert dargeboten wurde.
Zwar waren die Strategen den Nichtstrategen und die Viertklässler den Zweitklässlern
bezüglich der Memorierleistung überlegen, jedoch konnte keine Signifikanz bei den sich
ergebenden drei Wechselwirkungen aus Klasse, Experimentalbedingung und Stratege
nachgewiesen werden. Zusätzlich wurde eine multiple Regressionsanalyse gerechnet, in die
alle neun unabhängigen Variablen einflossen, die zur Erfassung der vier
Gedächtnisdeterminanten in oben genannten Tests generiert wurden. Es konnte hier der
Strategievariablen ein Effekt eingeräumt werden, der aber weder klassen- noch
materialspezifisch auftrat. Stattdessen lieferte die Variable des Vorwissens zu Tieren über alle
Kriterien hinweg den höchsten Erklärungsbeitrag für die Höhe der Gedächtnisleistung.
Dem Gebrauch von Strategien kann somit nicht ohne weiteres eine ausschlaggebende
Rolle für Gedächtnisleistung zugeschrieben werden. Es spricht Vieles dafür, dass eher eine
Interaktion der Gedächtnisdeterminanten für die Lernleistungen verantwortlich zu machen ist.
[...]
I. ZUSAMMENFASSUNG
In der vorliegenden Arbeit wurde es sich zum Ziel gesetzt, die seit einiger Zeit in der Kritik stehende und als “Strategiemodell” bezeichnete Konzeption des Lernens zu validieren. Zu klären war, inwieweit der Gebrauch von Strategien tatsächlich einen exponierten Einfluss gegenüber den anderen drei Gedächtnisdeterminanten Vorwissen, Metagedächtnis und Gedächtniskapazität auf die Gedächtnisleistung besitzt. Anhänger dieses Paradigmas sehen vor allem im ontogenetischen Wandel des strategischen Vorgehens bei Kindern die Erklärung dafür, weshalb sich das Memorierverhalten im Verlauf des (Klein)Kindes- und Jugendalters qualitativ und quantitativ verbessert.
Zum Zwecke einer Validierung des Strategiemodells wurden bei je 60 Zweit- und Viertklässlern unter Experimental- und Kontrollbedingung dasMetagedächtnismittels zweier Metagedächtnisbatterien erfasst, dasVorwissendurch freie Produktion von Tier- und Pflanzennamen und Bearbeitung des Kognitiven Fähigkeitstests (KFT) und Heidelberger Sprachentwicklungstests (HSET) dokumentiert und dieKapazität des Arbeitsgedächtnissesmittels Wortnachsprech-Aufgaben festgestellt. Die Bewertung des Einflusses der Strategie erfolgte durch eine MANOVA im Messwiederholungsdesign, die einen Reproduktionsvergleich zog, und zwar zwischen der Experimentalgruppe, die bereits vorkategorisierte Itemlisten zu lernen hatte, und der Kontrollgruppe, der die Items randomisiert dargeboten wurde.
Zwar waren die Strategen den Nichtstrategen und die Viertklässler den Zweitklässlern bezüglich der Memorierleistung überlegen, jedoch konnte keine Signifikanz bei den sich ergebenden drei Wechselwirkungen aus Klasse, Experimentalbedingung und Stratege nachgewiesen werden. Zusätzlich wurde eine multiple Regressionsanalyse gerechnet, in die alle neun unabhängigen Variablen einflossen, die zur Erfassung der vier Gedächtnisdeterminanten in oben genannten Tests generiert wurden. Es konnte hier der Strategievariablen ein Effekt eingeräumt werden, der aber weder klassen- noch materialspezifisch auftrat. Stattdessen lieferte die Variable des Vorwissens zu Tieren über alle Kriterien hinweg den höchsten Erklärungsbeitrag für die Höhe der Gedächtnisleistung.
Dem Gebrauch von Strategien kann somit nicht ohne weiteres eine ausschlaggebende Rolle für Gedächtnisleistung zugeschrieben werden. Es spricht Vieles dafür, dass eher eine Interaktion der Gedächtnisdeterminanten für die Lernleistungen verantwortlich zu machen ist. Die Höhe des individuellen Einflusses der Determinanten scheint dabei situativ dynamisch zu sein.
II. EINLEITUNG
Für das Zustandekommen von Gedächtnisleistungen und die Entwicklung des Gedächtnisses sind in den letzten Jahrzehnten vier sogenannte “Gedächtnisdeterminanten” identifiziert worden. Sie lauten: Gedächtniskapazität, Vorwissen, Gedächtnisstrategien und Metagedächtnis. In diversen Arbeiten wurde auf die fehlende Unabhängigkeit, d.h. eine Wechselwirkung zwischen diesen Größen hingewiesen, was schließlich zu der Idee des “Modell des guten Strategieanwenders” (Pressley, Borkowski & Schneider, 1987) führte. Darüber, dass alle diese Faktoren an gedächtnisbezogenen Ereignissen beteiligt sind, mag sich die Fachwelt einig sein, mit welcher Gewichtung jeder Parameter seinen Beitrag leistet, ist allerdings umstritten.
Seit der kognitiven Wende, während der eine Ablösung des vorherrschenden behavioralen Ansatzes zur Erklärung von Entwicklungs- und Lernphänomenen vonstatten ging, etablierte sich ein neues Paradigma in der Psychologie, welches Gedächtnisleistung durch das sogenannte “Strategiemodell” zu erklären versuchte. Dieses räumt dem Gebrauch von Strategien - im Gegensatz zu den drei übrigen Determinanten - einen hohen Einfluss auf die Gedächtnisperformanz ein.
Da das Modell in den letzten Jahren in die Diskussion geraten ist und einigen Widerspruch erfahren musste, der sich gegen seinen Status für oben genannten Zusammenhang wandte, beschäftigte sich diese Diplomarbeit mit der Überprüfung seiner Validität, d.h. mit der Frage, ob der Strategiegebrauch eines Menschen tatsächlich in Korrelation zum Ausmaß seiner quantitativen und qualitativen Lernleistung steht. Es werden daher die Ansätze zweier Vertreter dieses Modells dargelegt, die in ihren Forschungen die Theorie bekräftigen konnten, wonach vor allem die Kompetenz im Anwenden von Strategien bei Gedächtnisaufgaben die Reproduktionshöhe bestimmt. Es sind dies zum einen Hasselhorn, der Anfang der 1990er Jahre ein Entwicklungsmodell des Gedächtnisses ausgearbeitet hat, das bereits überprüfte und bestätigte Annahmen zur Informationsverarbeitung, -speicherung und -abruf zusammenfasst und das als “Integratives Rahmenmodell der Informationsverarbeitung” die theoretische Grundlage seiner 1996 veröffentlichten Strategie-Emergenz-Theorie bildet. Zum anderen soll auf das sogenannte “Good-Strategy-User”-Modell bzw. “Good-Information-Processer”-Modell von Schneider & Pressley (1987, 1990) eingegangen werden, welches alle vier Gedächtnisdeterminanten integriert und Attribute eines guten Informationsverarbeiters herausarbeitet.
Einen weiteren Kernpunkt dieser Arbeit bildet die Kritik am Strategiemodell, die in jüngster Zeit berechtigte Zweifel an der hohen Relevanz des Strategiegebrauchs für die Gedächtnisleistung anmeldet. Welche Argumente vorgebracht werden und wie stichhaltig diese sind, wird im dritten Teil dieses theoretischen Abschnitts behandelt werden.
1991 veröffentlichten Brown, Conover, Flores, & Goodman, einen Beitrag, der die Frage beinhaltete, ob Strategen (“high clusterer”) deshalb bessere Erinnerungsleistungen vollbrächten als Nichtstrategen (“low clusterer”), weil sie kategorisierten. Eine Übersicht über die Gedanken hinter dieser Studie und ihrer Ergebnisse wird das vierte Teilkapitel des Problemstandes beinhalten.
Der theoretischen Einführung in die Materie des Strategiemodells und dessen Für und Wider folgt die Beschreibung des experimentellen Designs und der Durchführung des Tests zur Überprüfung der Fragestellungen. Weiterhin findet neben der varianzanalytischen Auswertung der unten spezifizierten Hypothesen eine multiple Regressionsanalyse Raum. Mit ihrer Hilfe ließen sich den einzelnen, die vier Gedächtnisdeterminanten repräsentierenden Variablen individuelle Erklärungsbeiträge für das Konstituieren der Reproduktionsleistung zuordnen und die Inhalte der Daten differenzierter betrachten.
Zunächst aber möchte ich auf die angesprochenen vier Determinanten des Gedächtnisses eingehen und ihre Definitionen und Charakteristika erläutern. Diese Vorgehensweise ergab sich aus meinem Interesse, auch fachlichen Laien das Thema dieser Diplomarbeit verständlich zu machen. Daher empfinde ich es als unerlässlich, diesem Leserkreis zumindest die elementarsten Grundlagen dieser Fragestellung zu vermitteln, bevor ich in die eigentlichen “medias res” gehe.
In dieser einzelnen Diplomarbeit handelt es sich bei der experimentell relevanten Hauptsache um einen Vergleich zwischen lediglich zwei Bedingungen, nämlich der “geblockten Darbietung von Items” versus der “randomisierten Darbietung von Items”. Tatsächlich aber machte die Beantwortung der bereits kurz umrissenen Fragestellung die Kreation von tatsächlich insgesamt fünf Experimental- und zwei Kontrollbedingungen notwendig.
Aufgrund des Umfangs dieser Teilstudien war es möglich, neben meinem noch vier weitere Themen auszugeben, die von den Kommilitoninnen Angelika Gollbach, Katharina Mühlenhoff, Barbara Pfeuffer und Christiane Pohl bearbeitet wurden. Um sich also einen objektiven Gesamtüberblick zu diesem Thema zu verschaffen, ist es empfehlenswert, alle Studien in einer Zusammenschau zu beachten.
III. STAND DES PROBLEMS
III.1. Die Gedächtnisdeterminanten
Den Grundstock, sozusagen die konstituierenden Elemente, von Theorien zur kognitiven Entwicklung stellen die vier Gedächtnisdeterminanten dar. Mit ihrer Hilfe versuchen Wissenschaftler Reifungs- und Entwicklungsphänomene und -prozesse im Laufe des Heranwachsens von Menschen zu erklären.
Was die (neuere) Forschung zu Gedächtniskapazität, Vorwissen, Gedächtnisstrategien und Metagedächtnis an Erkenntnissen gewonnen hat und welche explorativen Defizite noch überwunden werden müssen, soll der nun folgende Abschnitt - aufgrund des zur Verfügung stehenden Platzes nur stark verkürzt - verdeutlichen.
III.1.1. Die Gedächtniskapazität
Im Allgemeinen wird die “Kapazität” als nicht näher definierter Begriff mit dem KZG gleichgesetzt. Dabei wird angenommen, dass diese Kapazität eine grundlegende Beschränkung bezüglich der Menge an Informationen erfährt, die in ihr synchron verfügbar gehalten und verarbeitet werden können.
Die Gedächtniskapazität lässt sich nun in zwei Untereinheiten aufteilen. Im sogenanntenArbeitsspeicherlaufen augenblicklich kognitiv verarbeitende Prozesse ab, imKurzzeitspeicherwerden die für die im Arbeitsspeicher ablaufenden Operationen notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt und die Ergebnisse dieser Prozesse gespeichert (Case, 1985).
Die Anzahl der im KZG gleichzeitig aktiv gehaltenen Informationen liegt im Bereich von 7 +/- 2 Einheiten bei Erwachsenen (Miller, 1956). Die in diesem Zusammenhang zu erwähnenden sogenannten “Chunks” sind zu Sinneinheiten verbundene Einzelelemente. Somit kann jeder Chunk die effektive Behaltensleistung unter Umständen enorm steigern (vgl. Gedächtniskünstler).
III.1.1.1. Gedächtnisspanne
Eine Hauptthese der entwicklungspsychologischen Forschung ist, dass sich die Kapazität des Gedächtnisses mit dem Heranwachsen des Kindes nicht verändert. Stattdessen werden kognitive Prozesse im Verlauf der Kindheit zunehmend automatisiert und effizienter. Somit benötigen kognitive Aufgaben zu ihrer Verarbeitung weniger Kapazität. Die dadurch freigestellten Ressourcen des Arbeitsspeichers stehen schließlich dem Kurzzeitspeicher für die Aufnahme weiterer Informationen zur Verfügung (Case, 1985) - die Gedächtnisspanne vergrößert sich.
Die folgende Abbildung 1 soll diesen Zusammenhang zwischen Lebensalter und Gedächtnisspanne (= Kapazität des KZG) darstellen.
Abbildung 1:
Die Entwicklung der Gedächtnisspanne im Verlauf des Kindesalters (nach Dempster, 1981)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wie zu erkennen ist, muss die Entwicklung trotz ähnlichen Verlaufs nach Materialart (d.h. Zahlen, Buchstaben, Wort) differenziert betrachtet werden. So steigt zwar die Fähigkeit, Zahlen, Buchstaben und Wörter zu erinnern, während der Entwicklung nahezu parallel an. Das quantitative Vermögen Zahlen zu reproduzieren, ist im Mittel jedoch immer höher.
Aber auch die Sprechgeschwindigkeit (Artikulation) und der Wortlängeneffekt sind wichtige Parameter bezüglich des Ausmaßes der Gedächtnisspanne. Unter diesem Aspekt zeigt das Modell von Case Schwächen, da es beispielsweise nicht erklären kann, warum eine Unterdrückung der Artikulation auch den Wortlängeneffekt reduziert. Das Modell des Arbeitsgedächtnisses[i] nach Baddeley & Hitch (1990) leistet hier Abhilfe, da es unterstellt, dass nicht die Identifikationsgeschwindigkeit der Items, sondern die Artikulations-geschwindigkeit Entwicklungsveränderungen in der Gedächtnisspanne bedingt. Das bedeutet, Zuwächse in der Sprechgeschwindigkeit sind verantwortlich für altersabhängige Zuwächse der verbalen Gedächtnisspanne. Die Artikulationsrate dient als Maß für die Geschwindigkeit von Enkodier- und Wiederholungsprozessen im Subsystem der phonologischen Schleife, die Sequenzen gesprochener Information aktiv zu halten versucht. Je mehr Informationen in einem gleichbleibenden Zeitraum artikuliert werden können, desto länger kann diese Sequenz auch erinnert werden.
III.1.1.2. Verarbeitungsgeschwindigkeit
Neben der altersbedingten wirkungsvolleren Nutzung der Verarbeitungskapazität ist auch belegt, dass die Verarbeitungsgeschwindigkeit der Information selbst mit der fortschreitenden Entwicklung zunimmt. So vermindern sich die Unterschiede in der Gedächtnisspanne zwischen Erwachsenen und Kindergartenkindern drastisch, wenn die Präsentationszeit für die Erwachsenen halbiert und somit der Geschwindigkeitseffekt verringert wurde (Chi, 1977). Case et al. (1982) ermittelte eine monotone und fast lineare Beziehung zwischen Reaktionszeit und Gedächtnisspanne, wobei diese unabhängig vom Alter existiert. Wer Informationen schnell verarbeitet, hat eine relativ große Gedächtnisspanne. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass Kurzzeit- und Arbeitsspeicher bei dieser Person mehr Informationen in der gleichen Zeit abhandeln als bei jemandem, der, z.B., durch permanentes Vorsagen, nur langsam verarbeiten kann.
Kail (1992) beobachtete, dass sich die Verarbeitungsgeschwindigkeit für einfache oder komplexe Aufgaben und für neue oder schon bekannte Aufgaben analog entwickelt. Daher schloss er auf einen allgemeinen Pool kognitiver Ressourcen, der sich im Laufe der Entwicklung vergrößert und die Verarbeitungsgeschwindigkeit bei Kindern noch begrenzt. Indizien für die Richtigkeit dieser Annahme lieferte die statistische Kontrolle der altersbezogenen Varianz sowie die Tatsache, dass die Reaktionszeiten der Kinder oft in lediglich multiplikativem Zusammenhang mit denen der Erwachsenen stehen. Möglicherweise wirkt sich die Vergrößerung dieses Pools direkt auf die Verarbeitungsgeschwindigkeit aus. Deren Steigerung erlaubt dann, dass Prozesse, die zuständig für die Durchführung einer bestimmten Aufgabe sind, ebenfalls schneller ausgeführt werden. Ergebnis: Eine höhere Leistung.
Gedächtnisspanne und Verarbeitungsgeschwindigkeit sind zwar als einflussreiche Faktoren bei der Gedächtnisentwicklung bestätigt worden, jedoch ergaben sich in der neueren Forschung auch durch Komponenten des LZG wie Vertrautheit des Wortmaterials Effekte auf die Gedächtnisspanne.
III.1.2. Das Vorwissen
Unter “Wissen” versteht man ganz allgemein das Besitzen von Informationen zu den ver-schiedensten Aspekten der Welt. Nach Mandl & Spada (1988) stellt Wissen eine der wesentlichen Bedingungen für den Erwerb neuer Information dar. Eine Kausalkette scheint sich zu ergeben: Durch bereits vorhandene Daten kann man neue Information besser und schneller erwerben und integrieren, was wiederum dazu führt, dass sich Wissen vergrößert.
III.1.2.1. Semantisches Netzwerk
Organisiert wird Wissen in einer theoretischen Struktur, die alssemantisches Netzwerkbezeichnet wird. Dieses wird als eine Art Lexikon angesehen, das sich im Laufe der Entwicklung mit Wörtern, Regeln und Konzepten füllt. Jeder Begriff wird als Knoten angenommen, der mit anderen Knoten verknüpft - “assoziiert” - ist. So sollen, je nach inhaltlichem Assoziationsgrad des Materials, die Verbindungen im Netzwerk mehr oder minder stark ausgeprägt sein. Im Laufe des menschlichen Heranwachsens tragen alltägliche Erfahrungen dazu bei, das Verständnis und Wissen über Objekte und Konzepte zu vermehren. Folglich wächst mit dem Alter die Zahl der Knoten wie auch die Anzahl und Stärke ihrer Verbindungen an. Mit der zunehmenden Verästelung des Netzes steigt somit die Wahr-scheinlichkeit der Aktivierung von Knoten benachbarter Bereiche. Der Zusammenhang zwi-schen der Gedächtnisleistung für Objekte aus einem bestimmten Inhaltsbereich und dem Ausmaß des Vorwissens in dieser Kategorie kann also als positiv angenommen werden.
III.1.2.2. “Weltwissen” und “bereichsspezifisches Wissen”
Der Oberbegriff “Wissen” lässt sich in zwei verschiedene Typen unterteilen, mit deren Hilfe die Bedeutung von Wissen für das Gedächtnis untersucht und belegt werden kann: Zunächst ist dasallgemeine Wissenoder “Weltwissen” zu nennen, das sich auf die Gesamt-zahl an Informationen bezieht, welche in einem Netzwerk gespeichert sind. Daneben gibt es dasWissen über spezifische Inhalteoder “bereichsspezifisches Wissen”, das einen speziellen Inhaltsbereich semantischen Wissens umfasst (wie etwa Wissen zu Fußball oder Wissen zur kognitiven Entwicklung). Beide Typen basieren auf denselben Mechanismen. Experten auf einem bestimmten Gebiet beschaffen sich Informationen aus ihrem bereichsspezifischen Netz, das über eine hohe Anzahl an Knoten und starke und vielfältige Assoziationen zwischen diesen verfügt. Die Dichte dieses Netzwerks und der Umfang an Wissen beeinflussen außer-dem die Geschwindigkeit und die Genauigkeit von Gedächtnisprozessen. Dieses Bild kann sich ins Gegenteil verkehren, wenn die gleichen Experten Informationen erinnern sollen, die Bereichen entstammen, in denen sie über wenig Wissen verfügen. Aufgrund der geringeren Anzahl an Knoten und deren Verbindungen untereinander verringern sich die Informa-tionsverarbeitungsgeschwindigkeit und die Genauigkeit der Gedächtnisleistungen beträcht-lich.
III.1.2.3. “Wissenshypothese” und “Experten-Novizen-Paradigma”
Es ist klar, dass beide Wissensarten im Verlaufe der Entwicklung erst allmählich erworben und erweitert werden (Weinert & Waldmann, 1988). Somit lassen sich Schwächen in Lern- und Erinnerungsleistungen bei jüngeren Kindern oftmals einfach auf Wissensdefizite zurückführen. In der “Wissenshypothese” (Chi, 1985; Chi & Ceci, 1987; Ornstein & Naus, 1985) wurde daher die Annahme formuliert, die Entwicklung des Wissens sei die zentrale Bedingung für die Verbesserung der Gedächtnisleistung im Kindesalter. Bjorklund & Buchanan konnten dies in einer Studie 1989 eindrucksvoll nachweisen: Dritt-, Fünft- und Siebtklässler sollten mit Hilfe einer kategorialen Organisationsstrategie Wörter lernen. In einer anschließenden Testbedingung bekamen die Kinder Wortserien vorgelegt, die entweder für diese Kategorie typische Items enthielten - beispielsweise Katze, Pferd, Hund – oder atypische Items wie Hirsch, Giraffe, Eichhörnchen. Das Resultat: Während sich die Klassen bei der Organisation der typischen Items nicht unterschieden, waren die Organisa-tionsstrukturen der älteren Kinder bei den atypischen Items weit besser als die jüngeren Kinder. Die Annahme, dass mit zunehmendem Alter eine ausreichende Wissensbasis erwor-ben wird und sich somit ein effektiveres Lernen einstellt, bewährte sich.
Mit der Wissenshypothese verwandt ist das “Experten-Novizen-Paradigma”: Hierbei wird davon ausgegangen, dass, relativ unabhängig von Alter und Intelligenz, Vorwissen Expertentum schafft. So sindkindlicheSchachexpertenerwachsenenSchachnovizenim Bereich des Schachspiels überlegen. Sie sind Anfängern gegenüber deswegen im Vorteil, weil sie Konstellationen auf dem Schachbrett erkennen können, die auf bestimmt Spielzüge zurückzuführen sind. Wissen erzeugte hier spezifische Lern- und Erinnerungsstrategien, die es den Experten ermöglichen, schachbezogenes Material zu strukturieren. Dieser Vorteil geht allerdings dann verloren, wenn man sinnlose Anordnungen von Holzklötzchen auf unüblichen geometrischen Formen verwendet (Chi, 1978).
Auch im Bereich des Textlernens konnte eine Umkehrung des üblichen Alterseffekts demonstriert werden: Dritt-, Fünft- und Siebtklässler sollten sich mit einem auch für Novizen verständlichen fußballbezogenen Text beschäftigen. Die Kinder jeder Altersstufe setzten sich zu gleichen Teilen aus Fußballexperten und Fußballnovizen zusammen. Bei der korrekten Reproduktion zeigten sich keine Unterschiede hinsichtlich der Behaltens- und Verständnis-leistung zwischen Drittklässler-Experten und Siebtklässler-Novizen. Verantwortlich für die Leistungen der Drittklässler-Experten war der Einfluss von deren größerem Vorwissen (Schneider et al., 1989).
Analogien zu den Befunden im Kindes- und Jugendalter lassen sich ebenfalls im mittleren und höheren Erwachsenenalter zeigen. Auch hier ist noch die Fähigkeit vorhanden, sich durch bereits vorhandenes Wissen neues Wissen anzueignen, wobei aber der Wissens-effekt nun Alterseffekte nicht immer eliminieren kann (Charness & Bosman, 1990; Gold, 1995; Knopf, Preußler & Kolodzij, 1990). Lediglich beim Erlernen neuer Materialien, die sich direkt auf das Vorwissen beziehen, manifestieren sich ein Einfluss des Alters. Die kognitiven Möglichkeiten des Erwerbs völlig neuen Wissens lassen zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr zunehmend nach (Knopf, 1987).
III.1.3. Die Gedächtnisstrategien
Strategien werden generell aufgefasst als “potentiell bewußte, intentionale kognitive Aktivitäten [...], die dabei helfen sollen, eine Gedächtnisaufgabe besser zu bewältigen. (Schneider & Büttner, 1998, S. 672) Sie werden durch das Individuum kontrolliert ausgeführt und sind mental anstrengend.
Unterteilbar sind Strategien inEnkodierstrategien, die beim Lernen aktiv sind, undAbrufstrategien, die bei Erinnerungsprozessen in Kraft treten.
III.1.3.1. Enkodierstrategien
III.1.3.1.1. Rehearsal
Die ersten Arbeiten zur Forschung über strategisches Verhalten bei Kindern bezogen sich auf die Technik des Wiederholens (“Rehearsal”). Flavell, einer der Pioniere der Strategiefor-schung, und Kollegen (1966) schlussfolgerten, dass verbales Rehearsal wesentlich an Speicherungsprozessen im Gedächtnis beteiligt ist und dass sich Kinder desto mehr merken können, je mehr sie wiederholen.
Mitte der 1970er Jahre begannen Ornstein et al. Flavells Frequenz-Hypothese ("je mehr, desto") infrage zu stellen (vgl. zusammenfassend Ornstein, Baker-Ward & Naus, 1988). Die Erkenntnisse, die sich aus ihren Experimenten ergaben, deuteten darauf hin, dass nicht so sehr dieQuantität, als vielmehr dieQualitätvon Rehearsal für verbesserte Gedächtnisleistungen relevant ist.
Der Wiederholungsstil bei jüngeren Kindern wurde von ihnen als "passiv" charakterisiert, d.h. in ein Rehearsal-Set werden lediglich ein oder zwei Wörter gepackt, während ältere Schüler eine "aktive" bzw. "kumulative" Strategie verwenden, bei der ein Rehearsal-Set mehrere Items umfasst. Durch das Trainieren des kumulativen Wiederholens konnte dadurch auch bei jüngeren Kindern die Erinnerungsleistung überzufällig gesteigert werden.
III.1.3.1.2. Organisieren, Kategorisieren
Studien, die sich auf die Untersuchung dieser Strategie konzentrieren, arbeiten im Allgemeinen mit dem zufälligen Präsentieren von Items, die in Kategorien organisiert werden können, wie etwa Tiere, Werkzeuge oder Früchte (s., z.B., “sort recall”). Dabei soll überprüft werden, ob Kinder Objekte derselben Kategorie erinnern, auch wenn diese ungeblockt präsentiert wurden, d.h. ob sie desClusterns, des Sortierens nach Oberbegriffen, fähig sind. Wenn während des Einspeicherns und Abrufens ein solches Clustering durchgeführt wird, sind besonders hohe Reproduktionsraten zu erwarten. Ergebnisse diverser Tests deuteten darauf hin, dass es Vorschülern nur auf Zufallsniveau zu clustern gelingt, und dass mit zunehmendem Alter die Cluster-Häufigkeit ansteigt.
Eine Methode, um direkt das Organisieren zu erfassen, erhält man durch erwähntesort-recall-Aufgaben. Hier sollen sich die Kinder möglichst viele der ihnen randomisiert dargebotenen Bildkärtchen merken, die nach Kategorien ordenbar sind. Während des Intervalls zwischen Präsentation und Erinnerung Items können sich die Versuchspersonen aktiv mit dem Material auseinandersetzen, das sie in der Reproduktionsphase schließlich in Kategorien einsortieren müssen. Die folgende Abbildung 2 zeigt den Zusammenhang zwischen Organisierungsgrad und Alter.
Abbildung 2:
Ausmaß der Organisation des Lernmaterials beim Sortieren als Funktion des Alters (Moely et al., 1969)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Offenbar wenden erst Kinder ab 10 Jahren diese Strategie spontan und effektiv an, was auf ein Produktionsdefizit, d.h. einnicht spontanesEinsetzen, in jüngeren Jahren hindeutet, welches aber zum großen Teil durch entsprechendes Training (zumindest zeitweise) verringert werden kann.
III.1.3.1.3. Elaboration
Elaboration baut ähnlich der Organisationsstrategie darauf auf, semantische Relationen (bildlich und sprachlich) zwischen Objekten herzustellen. Der wesentliche Unterschied besteht nun darin, dass beim Elaborieren eine Assoziation zwischen Items dadurch erzeugt wird, dass für diese Items eine Repräsentation (Bild, Satz oder Wort) erschaffen wird, die sie miteinander verknüpft.
Die Forschung zum Elaborieren konzentriert sich auf Effekte beim Paar-Assoziations-Lernen, bei dem sich Versuchspersonen Paare von nicht verbundenen Items einprägen. Hier werden sogenannte Reizitems, die also die Rolle des Stimulus innehaben, mit je einem Antwortitem verbunden. In der Erinnerungsphase wird den Versuchspersonen dann das Reizitem gezeigt und das Antwortitem soll von ihnen reproduziert werden.
Diese hochentwickelte Strategie wird spontan kaum vor der Adoleszenz verwendet.
III.1.3.2. Abrufstrategien
Erinnerung, definiert als “mentally effortful, goal-directed processes that are adopted to enhance memory performance” (Bjorklund & Douglas, 1997, S. 201), ist nicht gleich Erinnerung. Zu unterscheiden ist zwischen dem einfachenWiedererkennen(recognition) eines bekannten Reizes und dem schwierigenReproduzieren(recall). So gehen viele Autoren (etwa Ackerman et al., 1985) davon aus, dass der Dreh- und Angelpunkt, der zu altersabhängiger Gedächtnisleistung führt, nicht im Bereich der Enkodier-, sondern bei den Abrufstrategien zu suchen ist. Kobasigawa (1977) benennt drei Abrufdefizite, die jüngeren Kindern gemein sind und die zu schwächeren Gedächtnisleistungen führen können: 1.) externe und interne Cues werden nicht als Erinnerungshilfen erkannt. 2.) unterentwickelte Strategien, um Informa-tionen im Gedächtnis zu finden. 3.) Unerfahrenheit mit Problemen, die zur schlechten Evaluation von Suchprozessen führt. Diese Defizite scheinen zum einen die Abhängigkeit junger Kinder vom originalen Enkodierungskontext und zum anderen ihre Schwierigkeiten zum Generalisieren (Elaboration u.ä.) aufzuzeigen. Das heißt, junge Kinder können zwar Wissen ins LZG einspeichern; der Abruf erfordert jedoch mehr explizite Cues als bei älteren Kindern.
Die Hinweise auf altersabhängige Unterschiede im Abrufen und die Schwierigkeiten junger Kinder, externe Cues zu verwenden, wurden von Kobasigawa (1974) in einem Experiment verdeutlicht, dessen Ergebnis nachfolgend in Abbildung 3 illustriert ist.
Hier mußten Erst-, Dritt- und Sechstklässler kategorisierbare Bilder lernen. Zusätzlich wurde ihnen eine Cue-Karte präsentiert, die sie als kategoriale Informationsquelle nutzen sollten. In einerFree recall-Erinnerungsbedingung reproduzierten die Schüler die gelernten Items in beliebiger Reihenfolge. UnterAvailable cue(hier: “verfügbarer Hinweis”) nahmen die Kinder bei Wunsch die Cue-Karte als Gedächtnisstütze zu Hilfe.Directive cue(hier: “dirigierender Hinweis”) beinhaltete ein einmaliges Präsentieren der Cue-Karte plus Nennen der Anzahl der Items pro Kategorie bevor die Versuchspersonen zum Reproduzieren aufgefordert wurden.
Abbildung 3:
Das mittlere Niveau des Recalls nach Klasse und Erinnerungsbedingung (Kobasigawa, 1974)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Unter “dirigierendem Hinweis”, im Gegensatz zu den zwei übrigen Abrufbedingungen, war das Performanzniveau für jede Klasse recht hoch und der Alterseinfluss niedrig. Die Resultate lassen den Schluss zu, dass die Erst-, Dritt-, und Sechstklässler etwa gleich viel Informationen abspeichern konnten (s. “dirigierender Hinweis”), wobei die Erstklässler jedoch Schwierigkeiten hatten, diese auch wieder abzurufen (s. “free recall” / “verfügbarer Hinweis”).
III.1.3.3. Defizite beim Strategiegebrauch
III.1.3.3.1. Mediationsdefizit
Bei einigen Problemlöseaufgaben fällt auf, dass viele junge Kinder aus einer Strategie keinen Nutzen ziehen können, auch wenn ihnen dieseexplizit demonstriertwird. 1962 beschrieb Reese dieses Phänomen erstmals als “Mediationsdefizit”.
III.1.3.3.2. Produktionsdefizit
Von der beobachteten quantitativen Diskrepanz beim Rehearsal zwischen Fünftklässlern und Kindergartenkindern (Flavell, 1966) ausgehend beschäftigte sich Flavell (1970) mit der Erscheinung des Produktionsdefizits, welches sich dahingehend äußert, dass Kinder eine Strategienicht spontanverwenden, dies aber nach ausführlicher Instruktion und Training durchaus bewerkstelligen können. Leider scheint ein kontinuierlicher Gebrauch von Strategien kein automatisches Nebenprodukt der Instruktion zu sein.
III.1.3.3.3. Nutzungsdefizit
Relativ neu ist dieses Konzept erst ab 1990 von Patricia Miller et al. beschrieben worden. Miller meinte, dass dieses Defizit in einer frühen Phase des Strategieerwerbs auftrete, wenn Kinder zwar spontan eine Strategie anwenden, jedoch nur gering oder sogar gar nicht davon profitieren.
In der gegenwärtigen Forschung zur Entwicklung des Strategiegebrauchs sind nicht nur diese Defizite ein Schwerpunkt, sondern auch Faktoren, die Kinder zur erstmaligen Nutzung von Strategien bewegen und die Umstände, unter denen Kinder aus einem solchen Gebrauch Vorteile ziehen.
Die moderne Forschung betont auch, dass es nicht nur einen einzigen Weg zu effektivem Strategiegebrauch gibt, sondern dass bezüglich einer solchen Nutzung eine größere Varia-bilität existiert - sowohl zwischen verschiedenen Kindern, als auch bei einem einzigen Kind -, als man bisher annahm.
III.1.4. Das Metagedächtnis
Das Metagedächtnis als “Gedächtnis vom Gedächtnis”, als Ort des gedächtnisbezogenen Wissens, spaltet sich in zwei Unterkategorien auf, die als “deklaratives Metagedächtnis” und “prozedurales Metagedächtnis” bezeichnet werden. Auch wenn das Metagedächtnis nicht profitabel (s. Nutzungsdefizit) oder ungenau sein kann, wird ihm bei der bewussten und aktiven Interpretation von eingehender Information ein große Rolle zugebilligt.
III.1.4.1. Deklaratives Metagedächtnis
Dieser Aspekt, der faktisch verfügbares und verbalisierbares Wissen um Lernen und Gedächtnis umfasst, unterscheidetWissen um Personenmerkmale(Kenntnisse bezüglich der Güte des eigenen Gedächtnisses sowie des Gedächtnisses anderer Personen),Aufgabenmerk-male(Wissen über die Merkmale unterschiedlicher Lern- und Gedächtnisaufgaben, d.h. Kenntnis dessen, was bestimmte Aufgaben schwieriger macht als andere) und schließlichStrategiemerkmale(Informationen zu verschiedenen Enkodier- und Abrufstrategien und deren Nutzen).
Nach Hasselhorn (1995) kann dieses Wissen per Befragung (etwa Interviews und Fragebögen) erfasst werden.
III.1.4.2. Prozedurales Metagedächtnis
Dieser Untertyp des Metagedächtnisses bezeichnet die Nutzung von gedächtnis-bezogenem Wissen bei der Bewältigung von Lern- und Gedächtnisaufgaben. Es ist also zu-ständig für dieKontrolle und Regulationvon Gedächtnisaktivitäten.
Das Modell des prozeduralen Metagedächtnisses von Nelson & Naren (1990) beispielsweise trennt hier dieSelbstüberwachungsfunktion(monitoring), welche das Wissen einer Person über ihre eigene aktuelle Verstehens- und Erinnerungsleistung meint, von der Funktion derSelbstregulation(control), die sich auf die Analyse von Selbstüberwachungsprozessen bezieht und Steuerungs- und Bewertungsaktivitäten einleitet.
Die Qualität des prozeduralen Metagedächtnisses lässt sich mit Hilfe von Indikatoren erfassen, wie sie bei der Bearbeitung von Gedächtnisaufgaben eingesetzt werden. Solche Indi-katoren sind etwa das retrospektive Beurteilen der Güte des Erlernten oder auch die Menge des Gelernten; weiterhin die prospektive Einschätzung des Umfangs an Wissen, das bei einer konkreten Aufgabe gelernt werden kann.
Die Metagedächtnishypothese sieht nun beide Subtypen als relativ eng miteinander verknüpft und nimmt an, dass strategisches Lernen und Erinnern um so besser ausfallen, je besser das Metagedächtnis insgesamt ist.
III.1.4.3. Die Entwicklung des Metagedächtnisses im Kindesalter
1975 führten Kreutzer, Leonard und Flavell eine Studie zur Entwicklung des deklarativen Metagedächtnisses durch, bei der Kindergartenkinder, Erst-, Dritt- und Fünftklässler zu verschiedenen Punkten ihres Gedächtnisses befragt wurden.
Die Resultate: Im Zuge der Entwicklung nimmt die Qualität und Quantität des gedächtnisbezogenen Wissens immer mehr zu. Es wird umfangreicher und das Phänomen des falschen Optimismus wird von der realistischen Einsicht in die begrenzte Leistungsfähigkeit des eigenen Gedächtnisses immer stärker abgelöst: Während 1/3 der Kindergartenkinder davon überzeugt waren, niemals etwas zu vergessen, fand sich unter der Fünftklässlern keiner, der dies glaubte. Des Weiteren wird in diesem Zeitraum - vom Kindergarten bis zur fünften Klasse - Wissen erworben, das die Rolle der Zeit für das Lernen umfasst, die Bedeu-tung des Neulernens gegenüber der des Wiederholens oder die Funktion von strategischem Vorgehen (s. “Kategorisieren”) für den Lernerfolg. Schließlich erweitert sich das gedächtnis-bezogene Wissen der Kinder während der Grundschulzeit um das Verständnis vom Zusammenwirken der einzelnen deklarativen Komponenten (z.B. dass mit dem Umfang des Lernmaterials auch der Lernaufwand erhöht werden muss; vgl. Justice, 1986; Wellman, 1978, 1983; für einen Überblick s. Schneider & Pressley, 1989).
Für das prozedurale Metagedächtnis ergibt sich ein ähnlicher entwicklungsbezogener Verlauf. Ältere Kinder geben eine präzisere Einschätzung ihres Lern- und Erinnerungs-prozesses ab als jüngere. Beispielsweise unterschätzen Vorschüler und Kinder der ersten Schuljahre die benötigte Lernzeit für ein bestimmtes Material, oder sie erkennen Unterschiede in der Schwierigkeit von Lernmaterial kaum (z.B. kategorisierbare vs. nicht-kategorisierbare Itemlisten). Erst in der Grundschule bzw. höheren Klassen werden diese Defizite ausgegli-chen. (s. Hasselhorn, 1996; Schneider & Pressley, 1989; für einen Überblick Wellman, 1983)
In einer Metaanalyse mit mehr als 60 Studien und 7000 Probanden ergab sich eine mittlere Korrelation von .41 zwischen der Leistungsfähigkeit des Gedächtnisses und dem jeweiligen Metagedächtnismaß (Schneider & Pressley, 1989). Im Allgemeinen wird dieser Zusammenhang als Hinweis darauf gesehen, dass die Ausbildung des Metagedächtnisses eine wichtige Bedingung für die Entwicklung des strategischen Lernens und Erinnerns ist. Doch wäre eine Parallelentwicklung ebenso denkbar.
III.2. Konzepte für das Strategiemodell
Die im vorangegangenen Teilkapitel mittels diverser Untersuchungen vorgestellten Gedächtnisdeterminanten sind jeweils für sich plausible Größen, deren Entwicklung kognitive Reifungsvorgänge nachvollziehbar machen.
Je nach persönlichem Forschungsparadigma sehen die Wissenschaftler jedoch die eine oder andere Determinante als maßgebend für verbesserte Lern- und Gedächtnisleistung an.
Das Strategiemodell weist nun, wie bereits angemerkt, dem Gebrauch von Strategien die Schlüsselrolle für eine gute Gedächtnisperformanz zu. Unter “Strategiemodell” soll hierbei aber nicht ein konkret vorliegendes Konzept mit Autor und Entstehungsjahr verstanden sein, sondern ein Paradigma - also eine Forschungsleitlinie -, das als Oberbegriff für verschiedene Ansätze zur Erklärung des genannten Zusammenhangs dient.
Zwei von diesen Ansätzen werden im Folgenden näher erläutert: Die Strategie-Emergenz-Theorie und das “Good-Strategy-User”-Modell.
III.2.1. Die Strategie-Emergenz-Theorie (SET)
Zu Beginn der 1990er Jahre entwickelte Marcus Hasselhorn als alternative theoretische Position zur “Theorie vom automatischen Vorteil eigenen Wissens” David Bjorklunds (1985, 1987) die sogenannte Strategie-Emergenz-Theorie (SET). Sie sei “aus dem Unbehagen [...] an den theoretischen und pädagogisch-praktischen Implikationen” (Hasselhorn, 1996, S. 5) Bjorklunds heraus erarbeitet worden. So scheint es beispielsweise eine Tatsache zu sein, dass (Grundschul-)Kinder viel früher als im ursprünglich angenommenen Alter von 13 Jahren die Fähigkeit und Bereitschaft zum kategorialen Organisieren erwerben, nämlich bereits zwischen dem achten und zehnten Lebensjahr.
Ohne nun allzusehr ins Detail bezüglich der Theorie Bjorklunds gehen zu wollen, ergeben sich zur SET diese bedeutungsvollen Unterschiede (Hasselhorn, 1996):
1. Im Gegensatz zur “Theorie vom automatischen Vorteil eigenen Wissens”, die für das kategoriale Organisieren während der GrundschuljahrequantitativeVeränderungen im konzeptuellen Wissen bzw. der Wissensbasis unterstellt, geht die SET auch aufqualitative(d.h. mechanische) Entwicklungsprozesse ein.
2. Außer der Vermehrung konzeptuellen Wissens misst die SET zusätzlich dem Erwerb von Metawissen (= Wissen über das eigene Wissen und seine Nutzungsmög-lichkeiten) erhebliche Bedeutung zu.
3. Neben den Fertigkeiten und Fähigkeiten des Lerners werden außerdem die (Aufgaben)Kontexte und die sich daraus ergebenden Restriktionen ihrer Verwendung berücksichtigt.
4. Darüber hinaus betont die SET denmehrdimensionalenEntwicklungscharakter des Gedächtnisverhaltens mit der Beziehung zwischen der internen Situation des Lerners und den externen Bedingungen der Aufgabe sowie der wechselseitigen Beeinflussung verschiedener interner Entwicklungsdeterminanten des kategorialen Organisierens. Demgegenüber baut Bjorklunds Ansatz auf der traditionellen Vorstellung eines eindimensionalen Entwicklungsmechanismus mit lediglicheinemHauptfaktor auf.
5. Schließlich geht Bjorklund von einerrein automatischablaufenden Wissens-aktivierung bei Kindern aus, wohingegen die SET auch einen aufstrategischem Vorgehenbasierenden Prozess der Wissensaktivierung für möglich hält.
III.2.1.1. Theoretische Grundannahmen
Seit dem Paradigmenwechsel Ende der 1960er Jahre lassen sich zwei Hauptströmungen verfolgen, die unterschiedliche Annahmen darüber machen, wie Informationen verarbeitet werden. Die eine postuliert automatische Prozesse, die unabhängig von den Planungsabsichten einer Person sind, wobei deren Informationsverarbeitungssystem nicht auf Kosten der Gedächtniskapazität funktioniert. Darüber hinaus herrscht Passivität im Zusammenhangs zwischen Reiz und Handlung. Die andere ist vom Vorherrschen aktiver und intentional kontrollierter Verarbeitungsprozesse überzeugt.
Neumann (1984, 1989) hält nun diese strenge Trennung zwischen automatischen und nichtautomatischen (d.h. kontrollierten) Vorgängen für überkommen und schlägt stattdessen eine Art “Kontrollgradienten” vor, d.h. an die Stelle einer Dichotomisierung tritt das Konzept einer generell vorhandenen Kontrolle, die bei automatischen Prozessen weniger intensiv ausgeübt wird als bei kontrollierten. Auf diese neue Art soll auch das nachfolgend verwendete Attribut “automatisch” verstanden werden.
Die SET selbst konstituiert sich aus drei empirisch überprüften und anerkannten Einzelmodellen zu Fragen der Informationsaufnahme, -verarbeitung und -abruf. Es sind dies: das Modell des semantischen Netzwerks nach Anderson und Priolli (1984), Collins und Loftus (1975) sowie Rabinowitz und Chi (1987), das eine automatische Aktivations-ausbreitung unterstellt, weiterhin das Modell des Arbeitsgedächtnisses nach Baddeley (1986) und schließlich das “Synergistic Ecphory”-Modell nach Tulving (1982, 1983), das Annahmen zu Abrufprozessen macht.
III.2.1.1.1. Das Modell des semantischen Netzwerks.
Die bereits auf Seite 12 erläuterte Idee vom semantischen Netzwerk soll hier nur noch um folgende Punkte nach Rabinowitz und Chi (1987) erweitert werden.
Zum einen ist es nicht nur möglich, Assoziationen nach ihrer relativen Stärke zu unter-scheiden, sondern auch danach, ob es sogenannte “exzitatorische” Verknüpfungen sind, die die Aktivationsausbreitung fördern oder “inhibitorische” Verknüpfungen, die die Ausbreitung hemmen. Weiterhin wird davon ausgegangen, dass es erst dann zu einer Aktivationsausbrei-tung kommt, wenn ein bestimmter Schwellenwert der Aktivation überschritten wird. Drittens wird das Ausmaß der Aktivationsausbreitung nicht nur durch die Stärke der Assoziationen festgelegt, sondern auch durch das erreichte Aktivationsniveau des Ausgangsknotens. Und schließlich sehen Rabinowitz und Chi eine prinzipielle Tendenz zur Deaktivierung eines gerade aktivierten aktiven Knotens, der aber durch wiederholte Reaktivierung entgegen-gewirkt werden kann.
Außerdem zieht Hasselhorn hier nicht nur das Faktenwissen in Betracht, sondern auch das Metagedächtnis.
III.2.1.1.2. Das Arbeitsgedächtnis nach Baddeley
Auch dieses Modell wurde bereits auf Seite 11 erläutert, sodass hier nun auf eine wiederholende Ausführung verzichtet werden kann. Es soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass das für die SET wichtige Untersystem des “phonological loop” ist, welches bekannter-maßen aus zwei Komponenten besteht: demphonetischen Speicher, der für das kurzzeitige (d.h. ca. 2 sekündige) Zwischenspeichern von verbaler Information zuständig ist, und demartikulatorischen Kontrollprozess, der per Rehearsal-Aktivität die im phonetischen Speicher festgehaltene Information wieder auffrischt.
Des weiteren werden die von Baddeley eigentlich für den Vorgang der Informations-aufnahme und -verarbeitung konzipierten Prozesse durch Hasselhorn auch zur Beschreibung von Abrufprozessen verwendet, beispielsweise wenn es darum geht, kategoriales Organi-sieren bei der Reproduktion von gelernten Items zu erklären.
III.2.1.1.3. Das Synergistic-Ecphory-Modell
Dieses Modell, das den Abruf von Informationen thematisiert, setzt sich im Wesentlichen aus demekphorischen Prozessund demKonversionsprozesszusammen. Während der ekpho-rische Prozess zunächst die für das Erfüllen einer Aufgabe potentiell wichtigen Informationen in der Wissensbasis aktiviert, prüft der Konversionsprozess diese “ekphorische Information” (Tulving, 1982; 1983) auf ihre tatsächliche Relevanz und steuert das weitere Verhalten. Die Qualität des Konversionsprozesses und schließlich dessen erfolgreiches bzw. erfolgloses Steuern, etwa eines Reproduktionsvorgangs, wird durch die Qualität der ekphorischen Information bestimmt. Werden also, z.B., zu wenige Merkmale eines Gegenstandes, an den man sich erinnern soll, aktiviert, mag ein Konversionsprozess im Sande verlaufen. Das berühmte “Es liegt mir auf der Zunge!” ist möglicherweise die Folge.
III.2.1.2. Das Integrative Rahmenmodell
Da die SET spezifische Annahmen darüber macht, wie Information aufgenommen wird, wie die Aktivierung der eigenen Wissensbasis stattfindet und Informationen für die Bearbeitung von episodischen Gedächtnisaufgaben abgerufen werden, ist eine Syntheti-sierung der drei Modelle zum “Integrativen Rahmenmodell der Informationsverarbeitung” sinnvoll. Unter Abbildung 4 ist das Schema dieses Rahmenmodells zu sehen.
Abbildung 4:
Strukturen und Mechanismen des Integrativen Rahmenmodells der Informationsverarbeitung (IRI, aus Hasselhorn, 1996)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Annahmen, die das IRI hinsichtlich der Informationsaneignung und des Informationsabrufs macht, lauten wie folgt:
Kontextabhängige Information trifft auf einen sensorischen Speicher, der nur einen sehr geringen Teil derselben bis ins Arbeitsgedächtnis passieren lässt und damit der bewussten Verarbeitung durch zentrale Exekutive und phonetischen Speicher zuführt. (Ein anderer Teil fließt ohne bewusste Kontrolle direkt ins semantische Netzwerk, wo automatisch Wissen, d.h. Knoten, aktiviert wird. Die restliche Information fällt schließlich dem sogenannten Spurenzerfall anheim, sie wird also nicht verwendet und eliminiert.) Wird sie lange und intensiv genug durch das phonological loop behandelt, bildet sich ein neuer Repräsentationsknoten im semantischen Netzwerk heraus bzw. es werden bereits vor-handene, für eine Aufgabe relevante Knoten aktiviert.
[...]
[i] Eine zentrale Exekutive steuert zwei Untersysteme, die, nach Modus (visuell vs. auditiv) getrennt, der Informationserhaltung dienen. Für visuelle Stimuli ist der “räumlich-visuelle Schmierblock” (engl. spatio-visual scratchpad), für auditive Stimuli die “phonologische Schleife” (engl. phonological loop) zuständig. Das gesamte System ist der essentielle Bestandteil des KZG.
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