Die „Was ist…?“-Frage ist die philosophische Frage schlechthin. Welches Objekt auch immer erfragt wird, sei es abstrakt oder gegenständlich, sei es in unserem Fall der Begriff Krieg, alle Objekte werden das gleiche Schicksal erleiden: unbeantwortet zu sein.
Humboldt Universität zu Berlin, Institut für Geschichtswissenschaften
HS Der Hundertjährige Krieg SS10
Essay zum Thema „Was ist Krieg? Überlegungen zu einer Definitionsproblematik am historischen Beispiel des Hundertjährigen Krieges.
Sina Hofmann
Die „Was ist…?“-Frage ist die philosophische Frage schlechthin. Welches Objekt auch immer erfragt wird, sei es abstrakt oder gegenständlich, sei es in unserem Fall der Begriff Krieg, alle Objekte werden das gleiche Schicksal erleiden: unbeantwortet zu sein.
Der Hundertjährige Krieg wird in der neueren Forschung stets mit einer gewissen Vorsicht gleichnamig betitelt. Dies jedoch nicht wegen der naheliegenden Tatsache, dass es keine einhundert Jahre waren, nein. Die Vorsicht gilt der Bezeichnung als Krieg. Im Blick auf die endlos anmutenden Definitionen des Begriffs Krieg und seine Differenzierung in Kriegstypen wie Angriffs- und Eroberungskrieg, Blitzkrieg, Religionskrieg, „alte“ und „neue“ Kriege, aber auch Banden- und Bürgerkrieg ist diese Frage durchaus berechtigt. Der Krieg Frankreichs mit England zwischen 1337 bis 1453 umfasste u.a. drei den gesamten Verlauf entscheidende Schlachten (Crécy 1346, Poitiers 1356, Agincourt 1415), Belagerungen von Burgen und Städten (Orléans 1428/29), Eroberungszüge, in Nebenschauplätzen Aufstände und Bürgerkrieg. Doch gab es auch offizielle Perioden des Friedens bzw. des Waffenstillstandes zwischen den beiden Monarchien. Die Ansprüche der jeweiligen englischen Könige auf die französische Krone und, weit wichtiger, auf die Besitzungen in der Normandie, Gascogne und Guyenne und damit verbundene ökonomische Güter und Handelsrouten hielten den Konflikt in der Form aufrecht, dass die klassische Aussage von Carl von Clausewitz zuzutreffen scheint: Krieg ist die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln.
Ist das eine Definition? Ganz offensichtlich nicht, zumal Clausewitz eine solche auch nicht beabsichtigte. Ist überhaupt die Fülle von Definitionsversuchen gerechtfertigt, oder spezifischer gefragt: braucht der Historiker eine andere Definition von Krieg als die gegenwärtige Politik? Die Problematik dessen entsteht bereits im Anfang. Wenn wir fragen „was ist..?“, fragen wir nach dem Wesen von etwas. Eine Wesensbestimmung des Krieges anzugeben, ist jedoch schier unmöglich, da wir schlicht das Spektrum des Wesens in all seinen Akzidenzien nie vollständig erfassen können. Die inter- und intradisziplinären Definitionen sind der Beweis dieses Missverständnisses. Dabei liegt die Lösung im Wort: definieren bedeutet nichts anderes als abgrenzen.
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- Sina Hofmann (Autor), 2010, Was ist Krieg?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153512