Für Hans Erich Feine ist der Kampf Ludwigs des Bayern um die Anerkennung seiner Herrschaft durch den Heiligen Stuhl "der große Zusammenstoß [...] kurialer undreichsrechtlicher Auffassung über die Stellung des Deutschen Königs und Römischen Kaisers [...]". Kann man gar soweit gehen und den Kampf Ludwigs als eine strategische Maßnahme zur Stärkung der Legitimation des Königtums in Deutschland begreifen?
Ist der Kampf Ludwig des Bayern eine Maßnahme zur Stärkung der Legitimation des Königtums in Deutschland?
Für Hans Erich Feine ist der Kampf Ludwigs des Bayern um die Anerkennung seiner Herrschaft durch den Heiligen Stuhl "der große Zusammenstoß [...] kurialer und reichsrechtlicher Auffassung über die Stellung des Deutschen Königs und Römischen Kaisers [...]". (Feine: S. 392) Kann man gar soweit gehen und den Kampf Ludwigs als eine strategische Maßnahme zur Stärkung der Legitimation des Königtums in Deutschland begreifen?
Zunächst muss geklärt werden, was Legitimation überhaupt bedeutet und welche Strukturen mit der des deutschen Königtums zur Zeit Ludwigs verbunden waren. Legitimation ist die Anerkennung von Herrschaft und Autorität einer Institution oder Person durch die Beherrschten und andere Herrschaftsträger, die systemisch mit dieser verbunden sind. Die Ernennung oder Wahl einer Person und die Akzeptanz der involvierten Kräfte legitimiert ihre Wahrnehmung eines Amtes. In einer "modernen" Gesellschaft ließe sich diese Frage noch am ehesten klären, doch war das Herrschaftsprinzip des Mittelalters der Konsens, die Herrschaft konstituierte sich nicht aus einem abstrakten Gesellschaftsvertrag. Zur Zeit Ludwigs des Bayern gab es zwei verschiedene Stufen, welche die Herrschaft eines deutschen Königs legitimierten bzw. zwei Ebenen die Anspruch darauf erhoben: die weltliche, reichsinterne (Wahl) und die geistliche (Approbation durch den Papst). Bei einer Doppelwahl wie der von 1314 sollte das Gottesurteil als "sinnfälliger Beweis der Macht" (Schubert: S. 329) des überlegenen electus entscheiden, der heilige Stuhl allein als Schiedsrichter zwischen den Kontrahenten fungieren. Folgt man Schubert, so war die Frage des Gottesurteils mit der Schlacht von Mühldorf 1322 für die meisten Beteiligten im Reich geklärt worden, denn auch zuvor neutrale Kräfte akzeptierten das Ergebnis und reihten sich in Ludwigs Gefolgschaft ein. (Ebd. u. S. 304) Nur einer wollte nicht mitspielen: Johannes XXII.
Ab welchem Zeitpunkt der König nun eigentlich König war, von wem die Reichsgewalt ausging, wer diese im Fall einer Doppelwahl oder Thronvakanz innehaben sollte und die Frage nach der Zugriffsgewalt auf Reichsitalien in dieser Zeit - das war der Kern der Auseinandersetzung der deutschen Reichsglieder, allen voran der König, mit Johannes XXII. und dessen Nachfolgern. Meine Ausgangsfrage unterstellt Ludwig in diesem Kontext zwei Dinge: (1) allgemein gezielte Maßnahmen zur Stärkung des deutschen Königtums und (2) eine Art Master-Plan, die sein Handeln im Zuge der Auseinandersetzung bestimmt hat. Johannes XXII. und sein Unwille, Ludwig 1322 mit allen Konsequenzen anzuerkennen, stehen am Anfang dieses Streits. Schütz geht sogar so weit und folgert, dass es schlussendlich egal gewesen wäre, wer bei Mühlheim siegreich war - Johannes hätte in seiner Situation gar kein Interesse an einem rechtmäßigen König- oder gar Kaisertum gehabt. Selbst unter den Kardinälen war man mit seiner Entscheidung keineswegs einer Meinung. (Schütz: S. 259, Schubert: S. 304)
Ludwig war also gezwungen seine Herrschaft aus dem Reich heraus zu begründen. Wenn er herrschen wollte, musste er in letzer Konsequenz Weltlichkeit und Geistlichkeit verfassungsrechtlich enftlechten - diplomatisch formuliert. Sein Vorgehen lässt sich hierbei in zwei Phasen einteilen: (1) Von Mühldorf bis zur Kaiserkrönung 1322-1328 und (2) von der Kaiserkrönung bis Licet Iuris und Fide Catholicam 1338. Obgleich König- und Kaisertum spätestens mit den Dokumenten von 1338 (Zeumer: S. 105) gleichgesetzt wurden, endet dort meine Betrachtung, denn die Konfrontations- und Handlungsmuster waren zu diesem Zeitpunkt bereits in aller Schärfe erkennbar. In der ersten Phase sind die Jahre 1323/24 aufgrund der Eskalation am bedeutendsten. Auf den von Avignon bemühten Prozess reagierte Ludwig mit Appellationen, in denen er u.a. die Rechtmäßigkeit seiner Wahl in concordia zu beweisen versuchte. Er kümmerte sich aber nicht um die allgemeine Verbreitung dieser Schriften, auch nicht bei der nach dem Bann 1324 veröffentlichten dritten, der Sachsenhäuser Appellation. (Schütz: S. 252, Mitteis: S. 215f) Offensichtlich sah Ludwig hier sein Königtum durch Johannes XXII bedroht, daher konzentrierten sich seine Angriffe auf dessen Person, nicht auf die Funktion des Papsttums im allgemeinen. Eindeutige verfassungsrechtliche Maßnahmen zur Stärkung des deutschen Königtums im Reich gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine, es sei denn man folgt der Lesart von Schütz, der Ludwigs Einsatz für die Ghibellinen darauf hinorientert sah, "den Papst ja letztlich [zu] zwingen, [...] daß die staatsund kirchenrechtlich relevante Frage nach der Rechtswirksamkeit von Königswahl und päpstlicher Approbation [...] nun im Rahmen eines kanonischen Strafprozesses zur Debatte stehen würde.". (Schütz: S. 260) Auf jedenfall kann man Ludwigs Vorgehen in Johannes' Prozess noch als juristisches Taktieren verstehen, um dessen Unrechtsposition nachzuweisen, was ihm bekanntermaßen nicht gelingen sollte. Exkommunikation, Kirchenbann und das Absprechen aller aus Wahl und Krönung abgeleiteten Königsrechte durch den Papst warfen Ludwig zurück in die Arme seiner Untertanen und Fürsten. Die Türen von Avignon blieben verschlossen. Der erste aktive Schritt zur Legitimation aus dem Reich heraus war der Griff nach dem Kaisertitel 1328, mit der er effektiv und öffentlichkeitswirksam die Legitimität seiner durch Wahl aus dem Reich hervorgegangenen Herrschaft unterstrich.
Relevant für die Binnenlegitimation des Königtums werden erst wieder die Jahre 1337-39, in denen klar wurde, wie weit sich die Fronten verhärtet hatten. (Klar auch nach innen formuliert, vgl. Einladung einer Reichsstadt zum Reichstag, in: Weinrich: S. 287). Das Weistum über die Königswahl von Rense, Licet Iuris und Fidem Catholicam schufen bzw. verdichteten einen Legitimationskreislauf zwischen König- und Kaisertum auf der einen, Kurfürsten und "aller Getreuer und Lehnsleute" auf der anderen Seite, aus dem das Papsttum komplett ausgeschlossen wurde. (vgl. Weinrich: S. 287ff) Gleichzeitig stellte sich Ludwig mit anderen Kräften im Reich gut, vor allem den Städten. Das viel diskutierte Renser Weistum bestätigte, dank später erfolgter Anerkennung des Königs auch rechtskräftig, die Rechte der Kurfürsten, das Majoritätsprinzip aus dem sich die Bestimmung von concordia fortan ableitete, den Primat des Königserzeugenden Wahlaktes und die Theorie, dass "Güter und Rechte des Reiches" aus dem Reich selbst hervorgehen. Dem apostolischen Stuhl käme demnach höchstens eine unverbindliche Statistenrolle zu (Ebd. S. 289), das Weistum bildet in diesem Punkt eine direkte Antithese zu Johannes' 'discordia-Vorbehalt' von 1322/23. Licet Iuris wiederum stellt die Kurfürsten an zweite Stille direkt hinter Kaiser und König und trägt die legitimatorisch relevante Essenz des Weistums fort: Mehrheitswahl durch die Kurfürsten als einzig entscheidend über Königtum. Ludwig ging sogar noch weiter und verband auch das Kaisertum direkt mit dem kurfürstlichen Wahlakt.
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- Citar trabajo
- Arian Teltschow (Autor), 2010, Ist der Kampf Ludwig des Bayern eine Maßnahme zur Stärkung der Legitimation des Königtums in Deutschland?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153389