Die Arbeit gibt einen wissenschaftlich fundierten Einblick in das sogenannte HTC-Verfahren. Dieses Verfahren wandelt jegliche Art von Biomasse in einem hydrothermalen Prozess in das Endprodukt Kohle um. So kann der natürliche Entstehungsprozess von Kohle simuliert werden. Die Arbeit geht auf den Stand der Technik ein, betrachtet mögliche Input- und Outputstoffe, macht eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung auf Basis von realen Werten und Annahmen, trifft Annahmen für Geschäftsmodelle und beschreibt die Möglichkeit der Anwendung von Klimaschutzprojekten. Als Ergänzung dient eine Beschreibung des Unternehmen Städtische Werke AG Kassel (STW AG) und seiner Aktivitäten im Bereich ‚Erneuerbare Energien‘, eine Energiebilanz des Verfahrens und die Inanspruchnahme öffentlicher Fördermittel im Sinne eines PuD-Vorhabens.
Wesentliches Element der Arbeit ist ein eigens entwickelter Fragebogen der STW AG, der den im Zuge einer Recherche ermittelten Unternehmen zugegangen ist, um standardisierte Daten zu generieren. Als da wären Angaben über Anforderungen an Inputstoffe, Durchsatzmengen, Anschaffungskosten der Anlage sowie Kosten des laufenden Betriebs. Diese Daten bilden die Grundlage für die bereits genannte Wirtschaftlichkeitsbetrachtung und geben Auskunft über den Stand der Technik.
Ergebnis des Fragebogens und dieser Arbeit ist, dass das HTC-Verfahren zurzeit über das Labor- und Technikumsstadium hinaus ist und deutschlandweit Pilot- und Demonstrationsanlagen in Bau oder Betrieb sind. Zwingend notwendig sind jedoch weitergehende, elementare Forschungen zu der energetischen Verwertung der HTC-Kohle und der Bodenverbesserungsfunktion des HTC-Mutterbodens.
So bildet diese Arbeit eine fundierte Grundlage für den Einstieg in die Thematik ‚Hydrothermale Karbonisierung‘ und soll helfen, das Verfahren in seiner Praktikabilität und Realisierung einzuschätzen. Darüberhinaus können durch die Angabe der am Markt tätigen Unternehmen neben diversen Forschungseinrichtungen weitergehende Informationen beschafft werden.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
2 Grundlagen
2.1 Das Unternehmen Städtische Werke AG Kassel
2.2 Erläuterung des HTC-Verfahrens
2.3 Beschreibung ausgewählter Inputstoffe und ihre HTC-Eignung
2.3.1 Gärreste
2.3.2 Straßenbegleitgrün
2.3.3 Landschaftpflegematerial
2.3.4 Weichorganik aus Grünabfall zur Kompostierung
2.4 Energiebilanz des HTC-Verfahrens
3 Anwendbarkeit des Verfahrens für die Städtische Werke AG
3.1 Stand der Technik von HTC-Anlagen
3.2 Betrachtung möglicher Produkte des HTC-Verfahrens
3.2.1 Industriekohle
3.2.2 Mittel zur Steigerung der Funktionalität von Böden
3.3 Anforderungen an Unternehmen und Auswahlverfahren
3.4 Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
3.5 Betrachtung möglicher Einsatzbereiche
3.6 Bewertung der Nutzung/ Inanspruchnahme öffentlicher Fördermittel
4 Betrachtung des Klima- und Ressourcenschutz
4.1 Nachhaltigkeit des HTC- Verfahrens
4.2 Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung der CO2- Einsparung
5 Diskussion und Fazit
6 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch in Deutschland
Abb. 2: Einfache Darstellung der Funktionsweise einer HTC- Anlage
Abb. 3: Schema des Prozesses der Inkohlung
Abb. 4: Auswahl von Aufspaltungsverfahren von Kohlehydraten
Abb. 5: Mögliche Wege der Nutzung von HTC-Produkten
Abb. 6: Schematischer Aufbau typischer Bereitstellungsketten zur End- bzw. Nutzenergiebereitstellung aus Biomasse
Abb. 7: Das Potenzial an Biomasse von Hessen
Abb. 8: Erfasste Bio- und Grünabfallmengen
Abb. 9: Grobes Schema der Energiebilanz unter Angabe des Wirkungsgrades H
Abb. 10: Weitergehendes Schema zur Energiebilanz
Abb. 11: Übersicht über die Anwendung des BImSchG
Abb. 12: HTC- Reaktor im Technikumsmaßstab
Abb. 13: HTC-Kohle
Abb. 14: Rangfolge organischer Materie sortiert nach ihrer Bandbreite an Humusäquivalenten
Abb. 15: Der Datenerfassungsbogen
Abb. 16: Der Kohlenstoffkreislauf
Abb. 17: Übersicht über das HTC-Potenzial von Biomassen in Deutschland
Abb. 18: Vereinfachtes Prozessablaufdiagramm der Durchführung von JI- und CDM- Klimaschutzprojekten
Abb. 19: Grafische Darstellung von JI- Projekten
Abb. 20: Aufbau einer HTC-Pilotanlage
Abb. 21: Die Organisations- und Konzernstruktur der Kasseler Verkehrs- und Versorgungs- GmbH
Abb. 22: Geldwertrechner
Abb. 23: Vereinfachtes Verfahrensbild des Herstellungsprozesses eines HTC- Produktes
Abb. 24: Einsatz von Energieträgern bei der Stromerzeugung von 1990 - 2008
Abb. 25: Gehalte an organischer Substanz
Abb. 26: Separierte Gärreste am Beispiel der Schwälmer Biogas GmbH & Co. KG
Abb. 27: Separationsanlage von Gärresten am Beispiel der Schwälmer Biogas GmbH & Co. KG
Abb. 28: Berechnung des Verkaufspreis einer Tonne HTC-Mutterboden mit einer kalkulatorischen Verzinsung von 5%
Abb. 29: Berechnung des Überschusses pro Jahr (Ergebnis nach Steuern) XXV
Abb. 30: Berechnung der Vorteilhaftigkeit der Investition
Abb. 31: Prozessablaufdiagramm vom Antrag bis zum Zuwendungsvertrag zum Erhalt öffentlicher Fördermittel durch die Hessen Agentur GmbH
Abb. 32: Projektverlaufsplan
Abb. 33: Prinzip des Emissionshandels in der EU anhand eines Beispiels
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Übersicht der wesentlichen Prozessparameter
Tab. 2: Nährstoffgehalte von beispielhaften Gärresten
Tab. 3: Mögliche Vergütungen für Straßenbegleitgrün nach EEG
Tab. 4: Mögliche Vergütungen für Grünabfall nach EEG
Tab. 5: Tendenzielle Verteilung der Kohlenstofffraktion in die HTC-Produktphase
Tab. 6: Mögliche Vergütungen für Biomasseheizkraftwerke nach EEG
Tab. 7: Szenario des Betriebs einer HTC-Anlage
Tab. 8: Potentielle Produkte ,HTC-Mutterboden‘
Tab. 9: Potentielle Produkte ,HTC-Kohle‘
Tab. 10: Potentielle Produkte aus dem Prozesswasser, Abwärme und Gase
Tab. 11: Vergleich der Anforderungen der Projektskizze mit der Projektidee
Tab. 12: Potentielle Produkte und derzeitig diskutierte Anwendungsfelder
Tab. 13: Berechnung des Kapitalwerts C0 mit Hilfe zweier Versuchszinssätze
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
In einer Mitteilung an den Europäischen Rat und das EU-Parlament namens ,Eine Energiepolitik für Europa‘ aus dem Jahr 2007 skizziert die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Energiepolitik der Zukunft.
Dem Inhalt sind folgende Zielformulierungen zu entnehmen:
1. Es soll die Versorgung mit Energie sichergestellt werden, da Energie nicht nur die Basis für jede wirtschaftliche Betätigung bildet, sondern auch zu den elementaren Grundbedürfnissen der individuellen Existenz zählt. Dabei gilt es, den Verbrauchern Energiesicherheit zu erschwinglichen Preisen zu bieten.
2. Gleichzeitig soll der Grundsatz der Nachhaltigkeit gewahrt und die Umwelt geschont werden. Dazu gehört, dass mit Ressourcen sparsam umgegangen wird und der Mensch sowie Luft, Wasser, Boden, Tiere, Pflanzen, biologische Vielfalt, Kultur- und Sachgüter vor Gefahren und sonstigen Beeinträchtigungen geschützt werden. Unter Umweltaspekten am bedeutsamsten ist neben der Schonung der Ressourcen vor allem der Klimaschutz.
3. Energiepolitische Maßnahmen sollen zudem die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft sichern. Es soll Energie zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung gestellt sowie Beschäftigung und Wachstum gefördert werden (vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2007).
Diese Zielformulieren finden Berücksichtigung in Gesetzen, vielmehr aber auch in der energiepolitischen, strategischen Ausrichtung von EU- Mitgliedsländern und ihren nachgelagerten Gebietskörperschaften.
Die hieraus geforderte Umstellung auf dezentral produzierte, erneuerbare Energieträger auf nachhaltiger Basis ist ein Prozess von langer Dauer. Abbildung 1 verdeutlicht, dass selbst im Jahr 2008 noch über 90% der verbrauchten Energie fossilen und atomaren Energieträgern zuzuschreiben ist, obwohl die Bundesrepublik Deutschland in hohem Maße private Investitionen in Windkraft-, Photovoltaik- oder Biogasanlagen mit dem Erneuerbare- Energien-Gesetz und seiner Einspeisevergütungen fördert. Fakt ist, dass ein Verfahren allein die bisherigen Energieträger nicht zu 100% substituieren kann. Neue Verfahrenstechni- ken werden benötigt, die auf regenerative und in großer Zahl verfügbare Energieträger vor Ort zurückgreifen können, gleichzeitig kostengünstig und klimaschonend sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch in Deutschland (vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit [1] 2009, S. 2)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1.2 Zielsetzung
Das von dem deutschen Chemiker Friedrich Bergius beschriebene Verfahren der Hydrothermalen Karbonisierung (vgl. Charisius 2010, S. 1) kann seinen Beitrag zu den unter 1.1 genannten Zielen leisten. Durch die Inkohlung von Biomasse ist es möglich ein Granulat herzustellen, das dem der Braunkohle in vielen Eigenschaften ähnlich ist. Der Prozess verläuft exotherm und benötigt als Inputstoff lediglich organische Masse, die im Gegensatz zu dem HTC-ähnlichen Pyrolyseverfahren einen hohen Feuchtegehalt aufweisen kann. Demnach sind als Inputstoffe neben speziellen Bioenergiepflanzen auch Bioabfälle aus dem privaten Bereich („Grüne Tonne") und industriellem Bereich (beispielsweise Schlachtabfälle) möglich. Der HTC-Prozess durchläuft in Abhängigkeit von der Dauer und den Prozessparametern verschiedene Stadien und generiert so unterschiedliche Zwischenprodukte: Nach wenigen Stunden eine Vorstufe von Erdöl, später Humus (Mutterboden) und als Endprodukt Braun- und Steinkohle (vgl. Antonietti 2006, S. 25).
Beispielhaft für eine weitere Veredelung des Kohlegranulats ist die Separation vom Prozesswasser, was einher geht mit einer Pelletierung oder Briketierung zur besseren Handhabung. Im Anschluss ist die Vermarktung des Produkts als Brennstoff denkbar. Die Kohlenstoffeffizienz beträgt nahezu 100%: Das bedeutet, dass sich fast der gesamte Kohlenstoffe des Edukts im Produkt befindet, was das Verfahren im Sinne einer CO2 - Senke ökologisch attraktiv macht (C-Sequestrierung) (vgl. Kapitel 4).
Motivation dieser Arbeit ist es, den Stand der Technik zu ermitteln, die Wirtschaftlichkeit einer ausgewählten HTC-Anlage unter definierten Rahmenbedingungen zu betrachten und den Einstieg in die Realisierung für ein Unternehmen wie der Städtische Werke AG Kassel wissenschaftlich fundiert zu bereiten. Die Fragestellung ist demnach, ob das HTC-Verfahren die in Kapitel 1.1 genannten Ziele erreichen kann, in welchem Zeitraum und zu welchen Kosten.
2 Grundlagen
2.1 Das Unternehmen Städtische Werke AG Kassel
Die Städtische Werke AG Kassel ist ein mittelständisches Unternehmen in der Branche Energieerzeugung, -dienstleistungen und -vertrieb mit Sitz in Kassel. Eigentümer ist zu 75,1% die Kasseler Verkehrs- und Versorgungs- GmbH, die als Konzernmutter die elementaren Energieversorgungsaufgaben für die Stadt Kassel wahrnimmt und vollständig in deren Besitz ist (vgl. Abb. 21). Die Einwohnerzahl Kassels beträgt 192.241 Einwohner (vgl. Stadt Kassel 2010). Neben der Städtischen Werke AG ist die Kasseler Verkehrs- und Versorgungs- GmbH Haupteigentümer anderer bürgernaher Dienstleistungsunternehmen. So zum Beispiel im Bereich Öffentlicher Nahverkehr mit der Kasseler Verkehrsgesellschaft AG und im Bereich Abfallwirtschaft mit der Müllheizkraftwerk Kassel GmbH. Die restlichen 24,9 % am Stammkapital der Städtischen Werke AG hält der schwedische Energiekonzern Vattenfall mit seiner deutschen Tochter Vattenfall Europe Hamburg AG. Zum besseren Verständnis des Unternehmensprofils dienen Unternehmensdaten der STW AG: Im Jahr 2008 belief sich das gezeichnete Kapital auf 48,7 Mio. Euro. Die Bilanzsumme betrug im gleichen Jahr 414,8 Mio. Euro; mit seinen Produkten und Dienstleistungen erwirtschafteten 919 Beschäftigte und 40 Auszubildende einen Umsatzerlös von 384,2 Mio. Euro. Klassisches, operatives Kerngeschäft der STW AG ist die Versorgung der angeschlossenen Haushalte im Kasseler Stadtgebiet mit Wasser, Strom, Gas und Wärme. Außerhalb von Kassel können Privatkunden die STW AG als Stromlieferant wählen. Die Stromerzeugung erfolgt zum großen Teil in betriebseigenen Kraft- Wärme- Kopplungsanlagen mittels dreier Heizkraftwerke und vier Heizwerken. Die entstandene Wärme dient als Fernwärme. Als weitere Aufgaben sind unter anderem die Trinkwassergewinnung und -verteilung sowie der Betrieb der Schwimmbäder zu nennen (vgl. Kasseler Verkehrs- und Versorgungs-GmbH 2009 [1], Anhang).
Mit der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes ist die STW AG bis 2011 verpflichtet, eine Trennung der Wertschöpfungsstufen in zwei Unternehmen vorzunehmen:
- Netz: Bau, Instandhaltung und Durchleitung sowie
- andere Tätigkeiten: Vertrieb, Handel, Erzeugung von Energie.
Ziel ist ein verstärkter Wettbewerb zwischen Energieerzeugern- und dienstleistern beziehungsweise -vertrieb.
Geänderte gesetzliche Rahmenbedingungen in Bezug auf erneuerbare Energien sowie der Kundenwunsch nach nachhaltig und umweltgerecht produzierter Energie führten vor einigen [4] Jahren zu einer Ergänzung der Geschäftstätigkeit der STW AG. Vorgabe des Vorstandes ist es, die Eigenerzeugung soweit voranzutreiben, dass im Jahr 2020 ein Großteil der in Kassel benötigten Energie selbst und möglichst lokal erzeugt wird. Den Markt der nachhaltigen und umweltgerechten Energieerzeugung teilen sich dann Windkraft, Wasserkraft, Solarenergie und Energie aus Biomasse (vgl. Kasseler Verkehrs- und Versorgungs-GmbH 2010 [2], S. 7).
Für letztere wurden personelle Ressourcen für den Bereich ,Erneuerbare Energien‘ geschaffen, was zur Folge hat, dass die STW AG seit 2009 als Planer, Bauherr und Betreiber von Vergärungsanlagen auftritt. Erstes Projekt war die Errichtung einer Biogasanlage in Hom- berg/Efze (Hessen). Deren Besonderheit ist es, dass sie den Großteil des Bioerdgases in das allgemeine Erdgasnetz einspeist und nicht, wie sonst bei einem Großteil der Biogasanlagen üblich, vollständig gemäß EEG vor Ort verstromt. Ein angeschlossenes Blockheizkraftwerk mit einer elektrischen Einspeisekapazität von 1,3 Mio. kWh/ Jahr nutzt lediglich einen kleinen Teil des Rohgases. Folgende Unterscheidungen werden bei einer Biogasanlage mit Gaseinspeisung gemacht, um bestimmen zu können, in welchem Stadium sich das Gas befindet:
- Rohgas - Das Gas direkt nach der Gärstrecke,
- Biomethan - Das Gas nach der Gasaufbereitungsanlage und
- Bioerdgas - Das Gas nach der Übergabe-/Einspeisestation (vgl. Städtische Werke AG Kassel [1] 2009, S. 7)
Die Abwärme des BHKW wird in der Prozesstechnik der anaeroben Vergärung energetisch genutzt (Fermenterbeheizung) (vgl. Städtische Werke AG Kassel [1] 2009, S. 5). Geplant ist, innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren bundesweit zehn Biogasanlagen jeweils in einer Größenordnung von 1,5 - 2,5 MWel Leistung/ Anlage und 30 Mio. kWh/Jahr Gaseinspeisung zu errichten und damit theoretisch 40.000 Haushalte mit Bioerdgas und 10.000 Haushalte mit elektrischem Strom zu versorgen. Denkbar ist, die Aktivitäten im Bereich ,Erneuerbare Energien‘ in einem mittel- bis langfristigen Zeitraum zu erweitern und beispielsweise die Reste der Vergärungsprozesse mittels Verfahren wie der Hydrothermalen Karbonisierung energetisch zu verwerten und als Produkt am Energiemarkt zu vertreiben. In diesem Zusammenhang ist auch das sogenannte ,Pyrolyseverfahren‘ zu nennen (vgl. Kasseler Verkehrs- und Versorgungs-GmbH 2010 [2], S. 7).
Mit ihren Aktivitäten im Bereich ,Erneuerbare Energien‘ nimmt die STW AG eine Vorreiterrolle im Kreis der Stadtwerke in Deutschland ein.
2.2 Erläuterung des HTC-Verfahrens
Die Hydrothermale Karbonisierung ist eine Methode zur vollständigen Umwandlung von Biomasse in Kohlenstoff und Wasser, die den natürlichen Entstehungsprozess von Kohle nachbildet. Der verfahrenstechnische Prozess der HTC läuft wie folgt ab: Ein Gemisch aus Biomasse, Wasser und einer Katalysatorflüssigkeit wird unter Sauerstoffausschluss in einem geschlossenen Druckbehälter auf Temperaturen von etwa 200°C erhitzt, wobei der Druck auf etwa 20 bar steigt. Unter diesen Bedingungen wird eine exotherme Reaktion ausgelöst, durch die nach zwölf Stunden ein Kohleslurry entsteht - ein schlammartiges Gemisch aus Wasser und kohleartigen Partikeln (vgl. Greve 2009, S. 2). Der Begriff „Karbonisierung“ (engl. „hydrothermal carbonization“) bezeichnet die Anreicherung von Kohlenstoff.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.2: Einfache Darstellung der Funktionsweise einer HTC- Anlage (Neumann 2009, S. 6)
Historisch begründet wurde das HTC-Verfahren durch den deutschen Chemiker Friedrich Bergius, der 1913 Pionierarbeit mit dem Ziel leistete, die natürliche Kohlebildung aus Biomasse (Inkohlung) mechanistisch zu verstehen und gegebenenfalls technisch nutzbar zu machen. Hintergrund seiner Arbeit war bereits damals die Forschung an Verfahren um Deutschlands Knappheit an Öl zu kompensieren (vgl. Charisius 2010, S. 1). In den Zeiten der konjunkturellen Hochphase der 50er und 60er Jahre standen große Mengen an preiswerten, fossilen Brennstoffen zur Verfügung, die das Verfahren in Folge dessen als nicht wirtschaftlich klassifizierten. Diverse Forschungsansätze verliefen im Sande. Erst 2006 wurde das Verfahren durch den Chemiker Professor Dr. Dr. h. c. Markus Antonietti, Direktor am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam, wieder aufgegriffen.
Der Begriff ,Inkohlung‘ rührt aus dem natürlichen Entstehungsprozess von Kohle, der sich in der erdzeitlichen Geschichte über Jahrmillionen hinweg gezogen hat (vgl. Abb. 3). Allerdings ist auch hier die Prozessdauer von entscheidender Bedeutung: Torf benötigt 5005000 Jahre zur Entstehung, Braunkohle 50.000 Jahre bis 50 Mio. Jahre und Steinkohle 150 Mio. Jahre. Kohle ist damit ein aus abgestorbenen Pflanzen entstandenes, heterogenes Sedimentgestein im Endstadium. Bei der Inkohlung wächst der Kohlenstoffgehalt des Inkohlungsproduktes stetig an (vgl. Greve 2009, S.21f.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Schema des Prozesses der Inkohlung: Über die Faktoren Druck (pressure) und Wärme (heat) entsteht aus abgestorbenen Pflanzen mit zunehmender Dauer (time) unter Abgabe von Wasser erst Torf (peat), dann Braun- (lignite) und Steinkohle (coal) (vgl. Greve 2009, S. 26 nach Montana State University)
Die Dauer des Verfahrens entscheidet über den Grad der Inkohlung (Inkohlungsgrad). Das chemische Verfahrensprinzip basiert auf der Abspaltung von Wassermolekülen aus Kohlehydraten in mehreren Stufen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Biomasse ist der Inputstoff für das HTC-Verfahren, welches sich aus Kohlehydraten, wie zum Beispiel Zellulose, Stärke oder Zucker zusammensetzt (C6H12O6) (vgl. Gleichung 1). Die Gleichungen 1 und 2 sind Zwischenschritte zum Endprozess (vgl. Gleichung 3), der die Reaktionsenthalpie AH von 1105 kJ/mol (vgl. Bergius 1928, o.S.) aufweist. Demnach sind Kohlehydrate Energiespeichermoleküle.
Abbildung 4 verdeutlicht, dass es mit der alkoholischen Gärung bis hin zur Verbrennung unterschiedliche Aufspaltungsverfahren mit unterschiedlichen Energieeffizienzen gibt. Bei der hydrothermalen Karbonisierung beispielsweise entsteht aus 3240 kJ/mol Brennwert des Inputstoffs, Braunkohle mit 2135 kJ/ mol Brennwert. Bei der Differenz (= 33%) handelt es sich neben Verlusten um Prozesswärme, die man allerdings verfahrenstechnisch im Sinne eines Abwärmekonzeptes nutzen oder der Anlage zurückführen kann. Beim CE-Wert handelt es sich um den Kohlenstoffeffizienz- Koeffizienten. Er beschreibt, wie hoch der Anteil des Kohlenstoffs des Ausgangsmaterials zum Eingangsmaterial ist. Beim HTC-Verfahren und einem CE- Wert von eins befinden sich 100% der Kohlenstoffe des Eingangsmaterials im Ausgangsmaterial.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Auswahl von Aufspaltungsverfahren von Kohlehydraten
(vgl. Antonietti 2006, S.26)
Schlussfolgerung aus Abbildung 4 ist, dass das HTC-Verfahren unter dem Gesichtspunkt der Energieverwertung dem der anaeroben Vergärung vorzuziehen ist. Produkt des Verfahrens ist, wie in der obigen chemischen Gleichungen ersichtlich, Wasser und Kohlenstoff, der in Partikelgröße vorliegt. Das Verfahren läuft in vier Phasen ab:
1. Erhitzen
2. Exotherme Reaktion
3. Temperatur halten
4. Abkühlen
Unterstützt wird der Prozess durch Katalysatoren, also Reaktionsbeschleunigern wie Zitronensäure, sowie in der praktischen Anwendung durch Mess- und Regeltechnik (vgl. Abb. 2). Der Reaktor muss höherem Druck und Temperaturen standhalten. Auf eine Beschreibung der verfahrenstechnischen Umsetzung des HTC- Verfahrens wird jedoch in Kapitel 3.1 noch genauer eingegangen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Übersicht der wesentlichen Prozessparameter
(vgl. Greve 2009, S. 38)
Tabelle 1 veranschaulicht die wesentlichen Prozessparameter. Diese sind als Richtwerte anzusehen, da die Hersteller von HTC-Anlagen in der Lage sind, die Prozessparameter mit dem Ziel einer besseren Wirtschaftlichkeit zu variieren (vgl. Kapitel 3.1). Antonietti (2006) zeigt in Abbildung 5, wie in Abhängigkeit von der Prozessdauer (Vollständigkeit der Karbonisierung) die Produkte genutzt werden können:
- Mutterboden zur Verbesserung der Bodenfunktionalität (Humus)
- Kohle zur energetischen Nutzung (Verbrennung)
- Kohle zur Weiterverarbeitung in Kohlenstoff- Brennstoffzellen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Mögliche Wege der Nutzung von HTC-Produkten (vgl. Antonietti 2006, S.25)
Die folgenden Kapitel erläutern ausgewählte Inputstoffe und gehen auf die Eignung für das HTC-Verfahren ein, wobei auch juristische/rechtliche Belange zu berücksichtigen sind. Im Anschluss daran wird die Anwendbarkeit des Verfahrens für die Städtische Werke AG beschrieben. Wesentlicher Bestandteil dieser Betrachtung ist ein Datenerfassungsbogen der STW AG, der den Herstellern von HTC- Anlagen zugegangen ist und im Kapitel 3.3 beschrieben wird. Der Datenerfassungsbogen sammelt Angaben über Inputstoffe, Fraktionen der Outputmenge, Verarbeitungsmengen pro Jahr, dem Wirkungsgrad, Betriebs- und Prozesskosten, Betriebszeiten sowie Aufwendungen für Reparatur, Wartung und Unterhalt. Ziel ist es, Daten zu erhalten, die die Betrachtung der Anwendbarkeit möglich machen.
2.3 Beschreibung ausgewählter Inputstoffe und ihre HTC- Eignung
Der in Kapitel 2.2 genannte Inputstoff für das HTC- Verfahren wurde als ,Biomasse‘ bezeichnet und wird nun im Folgenden genauer beschrieben: „Die Abgrenzung der Biomasse gegenüber den fossilen Energieträgern beginnt beim Torf, dem fossilen Sekundärprodukt der Verrottung“ (Kaltschmitt et al. 2009, S. 2). Spricht man von Stoffen organischer Herkunft (kohlenstoffhaltige Materie), ist damit gleichzeitig Biomasse gemeint; also Phyto- und Zoomasse (Pflanzen und Tiere), deren Rückstände (Exkremente), abgestorbene Phyto- und Zoomasse sowie im erweiterten Sinne organische Produkte der stofflichen und energetischen Verwertung (Bioabfall, Papier, etc.) (vgl. Kaltschmitt et al. 2009, S. 2). Abbildung 6 zeigt, dass Biomassen hinsichtlich ihrer Bereitstellungskette unterschieden werden können. Demnach gibt es:
- Energiepflanzen = angebaute Biomasse,
- Ernterückstände,
- organische Nebenprodukte und
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6: Schematischer Aufbau typischer Bereitstellungsketten zur End- bzw. Nutzenergiebereitstellung aus Biomasse (Kaltschmitt et al. 2009, Abb. 1.2 S. 4)
Energiepflanzen sind zu differenzieren hinsichtlich ihres Lignocellulosegehalts sowie ihrem Ölgehalt beziehungsweise Zucker- und Stärkegehalt. Lignocellulose ist der Stoff, der (Holz-) Pflanzen zu ihrem Strukturgerüst verhilft und über die Wiederverwendbarkeit von Papier und Pappe sowie deren Eigenschaft als Bau- und Brennstoff entscheidet. Pflanzen mit einem hohen Ligoncellulosegehalt sind auszugsweise
- Laub- und Nadelbäume aus forstwirtschaftlicher Nutzung und
- Schnellwachsende Baumarten aus Kurzumtriebsplantagen, Miscanthus, Rutenhirse,
Rohrglanzgras, Futtergräser und Getreideganzpflanzen aus agrarwirtschaftlicher Nutzung.
Dagegen sind folgende Pflanzen aus Sicht der stofflichen Verwertung interessant:
- Ölpflanzen wie Raps und Sonnenblumen,
- Zuckerpflanzen wie Zuckerrüben und Zuckerhirse und
- Stärkepflanzen wie Kartoffeln, Topinambur, Getreide und Mais.
Grundsätzlich gilt, dass sich Pflanzentrockenmasse zu 42- 47% aus Kohlenstoff und zu 4044% aus Sauerstoff zusammensetzt. Weitere Elemente sind Wasserstoff, Stickstoff, etc. (vgl. Kaltschmitt et al. 2009, Abb. 2.1 S. 42). Da die Menge und der Ertrag aus Pflanzen pro Flächeneinheit begrenzt ist, ist eine Steigerung der Biomasseträge durch auf vegetatives Wachstum konzentrierte Züchtung Ziel. Ein weiterer Ansatz verfolgt die Selektion von speziellen standortangepassten Pflanzenarten und -sorten als auch die Entwicklung von stand- ortangepassten Zwischenfruchtanbausystemen (vgl. Costa Gomez 2009, S. 24). Bei Energiepflanzen handelt es sich um die sogenannten ,Nachwachsende Rohstoffe‘. Dieses Kapitel und die folgenden Kapitel sollen allerdings die Gruppe der organischen Abfälle näher beschreiben; hier sind zu nennen Straßenbegleitgrün, Landschaftpflegematerial und Weichorganik aus der Grünabfallkompostierung. Gärreste aus der anaeroben Umsetzung in Biogasanlagen gehören zur Gruppe der organischen Nebenprodukte, da sie u. a. als vollwertiger Dünger bisher stofflich verwertet werden können.
Über die Verwendungsmöglichkeit der jeweiligen Biomasse zur Verwertung in umwelttechnischen Anlagen entscheidet aber in hohem Maße dessen Feuchtigkeitsgehalt. Biomasse hat stets eine gewisse Feuchtigkeit, was folgendes Beispiel verdeutlicht: Frischholz hat ein Wassergehalt von 40 - 60%, getrocknetes Holz nur 15 - 20% (vgl. Zelinski 2009, Laborversuche). Wasser ist wegen seiner Verdampfungsenthalpie, die nur mit einem hohen Energieinput überwunden werden kann, von Bedeutung für die Energiebilanz. Bei der Hydrothermalen Karbonisierung werden die Inputstoffe einer thermochemischen Umwandlung unterzogen, bei der Wasser dagegen ein wesentlicher Prozessparameter ist. Wasser bildet neben Druck und Temperatur die Grundlage für den Inkohlungsprozess, weswegen der Inputstoff beispielsweise im Vergleich zum Pyrolyseverfahren vorher nicht getrocknet werden muss (vgl. Kapitel 3.1).
Die Eignung von Biomassen für eine HTC-Anlage bestimmen verfahrenstechnische und biologisch-chemische Eigenschaften, aber auch deren juristische/rechtliche Einordnung. Die Art des Inputstoffs, also ob es sich um Bioabfälle zur stofflichen oder energetischen Verwertung handelt oder Nachwachsende Rohstoffe, entscheidet über die technische Anforderungen an eine umwelttechnische Anlage. So müssen gemäß der BioAbfV und der EU- Verordnung 1774/2002 Biomassen als Abfallstoffe einer Hygienisierung unterzogen werden, sie müssen bei der Ausbringung als Kompost auf landwirtschaftlichen Nutzflächen Schwermetallgrenzwerte einhalten und von Fremd- und Störstoffen befreit werden (Wallmann [1] 2009, S. 143). Bioabfall kann deswegen ein Gefährdungspotential aufweisen, da er human-, veterinär- und phytopathogene Mikroorganismen enthalten könnte. HTC-Anlagen sind solche Anlagen zur Hygienisierung (Buttmann i.V.m. TerraNova Energy GmbH 2010). Als Schlussfolgerung dessen macht es keinen Unterschied hinsichtlich der Verfahrenstechnik, ob Nawaro‘s oder Bioabfälle einer HTC-Anlage zugeführt werden. Die Auflagen nach BImSchG muss die Anlage in beiden Fällen erfüllen (vgl. Kapitel 3.1). In den Kapiteln 3.2.1 und 3.2.2 wird bei der Beschreibung der Outputstoffe darauf eingegangen, welche Rechtsnorm bei der weiteren Verwendung der Produkte zu beachten ist.
Die folgenden Kapitel betrachten Gärreste, Straßenbegleitgrün, Landschaftpflegematerial und Weichorganik aus der Grünabfallkompostierung als mögliche Inputstoffe für eine HTC- Anlage. Ergänzend wird eine Betrachtung der Möglichkeit der Vergütung des jeweiligen Inputstoffes nach EEG vorgenommen. Bei dieser Betrachtung geht man davon aus, dass die HTC-Anlage dem Ort der Biomasse und einer Anlage zur energetischen Verwertung, sprich: Verbrennungsanlage, zwischengeschaltet ist. Allein die Verbrennungsanlage kann mit der HTC-Kohle Strom produzieren und eine EEG-Vergütung erhalten, nicht die HTC-Anlage selbst. Hier findet keine Stromproduktion im Sinne des EEG statt. Das EEG ist eine Erweiterung des Stromeinspeisegesetzes von 1991 und fördert die Weiterentwicklung von Technologien zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen. Dem Betreiber einer Anlage zur regenerativen Stromerzeugung wird demnach für den Zeitraum von 20 Jahren ab Inbetriebnahme ein degressiver Vergütungssatz pro Kilowattstunde eingespeistem Strom durch den lokalen Netzbetreiber gezahlt und durch § 16 EEG garantiert (vgl. Bundesministerium der Justiz i.V.m. juris GmbH [3] 2010). Welche Inputstoffe EEG-konform sind, reglementiert die BiomasseV mit Verweisen unter anderem zur BioAbfV.
2.3.1 Gärreste
Unter den Begriff Gärreste fallen die Stoffe, die nach Vergärungsprozessen Zurückbleiben. Biogasanlagen nutzen dieses Prinzip. Im Verlauf des anaeroben Gärprozesses wird die organische Trockenmasse der Eingangsmaterialien abgebaut und ein Teil der Kohlenstoffverbindungen wird in Methan und Kohlendioxid verwandelt. In Abhängigkeit von Menge und Art des eingesetzten Ausgangssubstrates, der Verweildauer und der Temperatur in den Fermentern schwanken die Abbauraten. Als Richtwerte für den Masseverlust können 3% bei Gülle, 20 bis 30% bei Silagen und 70 bis 80% bei Getreidekörnern angenommen werden. Zusätzlich beeinflussen Wasserzugaben den Trockenmassegehalt des Gärrückstandes (vgl. Wendland 2009, S. 4). Insgesamt liegt der Trockenmassegehalt deutlich unter dem des Eingangsmaterials, in der Praxis werden TM-Gehalte von 5 bis 11% gemessen (vgl. Tab. 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 2: Nährstoffgehalte von beispielhaften Gärresten (vgl. Kaltschmitt et al. 2009, S. 921)
Die Auswertung der an die HTC- Anlagenhersteller verschickten Datenerhebungsbögen ergab ein fast übereinstimmendes Bild: Alle schließen Gärreste als möglicher Inputstoff für eine HTC-Anlage nicht aus, einige Unternehmen führen sie sogar explizit als Inputstoff auf. Darüberhinaus haben einige der Unternehmen angeboten, die Gärreste aus Biogasanlagen, an der die STW AG beteiligt sind, labortechnisch zu untersuchen um so den Einsatz in der jeweiligen HTC-Anlage bewerten zu können. Wie in den folgenden Kapiteln untersucht wird, ist die Eignung von Stoffen für eine HTC- Anlage von folgenden verfahrenstechnischen Kriterien abhängig:
- Ligoncellulosegehalt
- Verhältnis des Trockenmasse- / Feuchtigkeitsgehalt
- Korngröße
Gärreste sind überall dort verfügbar, wo Biogasanlagen adäquate Gärreste produzieren. Hierbei steht die Verwertung in HTC-Anlagen in Konkurrenz zur Verwertung als Dünger auf Äckern. Dies ist insbesondere für landwirtschaftliche Betriebe von Bedeutung, die Substratlieferanten für Biogasanlagen sind und auf Gärreste als Düngemittel für landwirtschaftliche Nutzflächen angewiesen sind. Die heutige, oft angewandte Praxis, dass Gärreste unentgeltlich an die Substratlieferanten ausgegeben werden, muss zukünftig hinterfragt werden. Wie Abbildung 22 verdeutlicht, kann bereits heute ein Geldwert für Gärreste als organische Dünger unter Berücksichtigung von aktuellen Düngermarktpreisen und deren Inhaltsstoffen gebildet werden.
Geht man von dem in Kapitel 3.4 beschriebenen Szenario aus, dass eine HTC-Anlage Gärreste karbonisiert, wäre es unerheblich, ob die Biogasanlage mit Nachwachsenden Rohstoffen oder Bioabfällen beschickt wurde. Eine Hygienisierung im Sinne einer seuchenhygienischen Unbedenklichkeit, wie sie in der Verordnung über die Verwertung von Bioabfällen auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich und gärtnerisch genutzten Böden (Bioabfallverordnung - BioAbfV) vorgegeben wird, kann in der Anlage vollzogen werden. Betrachtet man die Verwertung nach EEG ist festzustellen, dass Gärreste weder im EEG noch in der BiomasseV und der BioAbfV aufgeführt sind. Demnach kann keine Vergütung bei der energetischen Verwertung von HTC-Kohle in einer Anlage zur Stromerzeugung wie einem Biomassekraftwerk generiert werden.
Wirtschaftliche Kennzahlen einer HTC-Anlage sind im Übrigen:
- Verfügbarkeit von Biomassen,
- Preis der Biomassen und
- Rentabilität der Anlage/der Investition.
2.3.2 Straßenbegleitgrün
Straßenbegleitgrün, auch als Wegbegleitgrün oder Verkehrsbegleitgrün bezeichnet, umfasst die zur Straße gehörenden Rasenflächen, Gehölzpflanzungen und Bankette. Zum deutschen Straßennetz gehören Bundesautobahnen, Bundesstraßen, Landesstraßen, Kreisstraßen und Gemeindestraßen mit einer Gesamtstreckenlänge von 627.000km. „Die Grünanlagen des Straßenraumes dienen neben dem Schutz gegen Wind- und Wassererosion auch landschaftsgestalterischen Zielen, haben umweltdienende Funktionen, helfen den Verkehrsteilnehmern bei der optischen Orientierung am Straßenverlauf und verhindern Blendung und Schneeverwehungen“ (Eisner (BAST) 2006, S. 13). Zum Straßenbegleitgrün zählen insbesondere:
- „Rasenflächen auf Mittelstreifen, Trennstreifen und Seitenstreifen,
- Rasenparkplätze der Park- und Rastplätze,
- übrige Rasenflächen,
- Entwässerungsgräben und -mulden, Regenrückhaltebecken und Ölabscheider in Erdbauweise,
- Gehölzflächen und Einzelbäume,
- Biotope und
- bepflanzte Sonderstandorte wie Lärmschutzwälle, Hangsicherungen und Stützwände“ (Eisner (BAST) 2006, S. 20).
Für die Pflege sind in aller Regel Autobahnmeistereien, Straßenmeistereien oder von der zuständigen Behörde beauftragte Privatuntenehmen zuständig. Bisher stand die ,klassi- sche‘ Entsorgung dieser Biomassen im Vordergrund; nun ist eine Verwertung in Biogasanlagen (für Grünschnitt) oder Hackschnitzelheizwerken (Holz) mit kleineren Gehölzmassen realisierbar (vgi. Eisner (BAST) 2006, S. 22).
Straßenbegleitgrün ist als Inputstoff für eine HTC-Anlage ebenso möglich. Nach Auswertung der Fragebögen ist Straßenbegleitgrün explizit als Inputstoff von mehreren Herstellerfirmen angegeben. Problematisch könnten allenthalben Störstoffe sein, die an Autobahnraststätten anfallen, wie beispielsweise Reifen, Kanister oder Baumaterial wie Schrauben, Bausteine und ähnliches. Grundsätzlich dürfen nur organische Stoffe der Anlage zugeführt werden.
Biomasse aus der Straßenbegleitpflege oder Straßenbegleitgrün ist weder im EEG noch in der BiomasseV namentlich aufgeführt (vgi. Bundesministerium der Justiz i. V.m. juris GmbH
[3] 2010). Allerdings sind sie von Ihrer Art dem Landschaftspflegematerial zuzuordnen und haben Anspruch auf Vergütungen nach EEG wie in Tabelle 3 aufgeführt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 3: Mögliche Vergütungen für Straßenbegleitgrün nach EEG
Das KrW-/ AbfG wird wie folgt berücksichtigt: „Die Vorgabe des Heizwertes bei einer energetischen Verwertung von Abfällen von mindestens 11.000 kJ/kg findet aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes keine Anwendung und muss auch von [...] Straßenbegleitgrün nicht eingehalten werden" (vgl. BAST2006, S. 20).
Wird das Straßenbegleitgrün in einer HTC-Anlage dagegen karbonisiert um als Bodenverbesserer genutzt zu werden, kommen andere Regelungen zum Tragen: Die Biomasseverordnung zählt in § 2 Abs. 1 und 2 „Pflanzen und Pflanzenbestandteile" auf und verweist auf § 2 Nr. 1 der BioAbfV, wo die Begriffe Bioabfälle, Behandlung, unbehandelte Bioabfälle, behandelte Bioabfälle, Gemische und Eigenverwertung definiert werden. Anhang 1 der BioAbfV listet die für eine Verwertung auf Flächen grundsätzlich geeigneten Bioabfälle auf. Unter Satz 20 02 01 ist sogenannter ,Grün- und Strauchschnitt von Straßenrändern (Stra- ßenbegleitgrün)‘ aufgeführt, der nur dann einer Verwertung zugeführt werden darf, „wenn durch Untersuchungen festgestellt worden ist, dass die in der Verordnung genannten Schwermetallgehalte nicht überschritten werden" (vgl. Anhang 1 zur BioAbfV). Somit kann der HTC-Mutterboden auf land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen ausgebracht werden, sofern die Grenzwerte eingehalten werden können.
2.3.3 Landschaftpflegematerial
Durch Pflegemaßnahmen fallen in Landschaftsteilen außerhalb von Siedlungsbereichen sowohl krautige/halmartige als auch holzige Biomassen an: Krautige/halmartige Biomassen fallen vornehmlich beim Straßenbegleitgrün an, holzige Materialien entlang von Straßen und Bahnlinien sowie bei Maßnahmen an Feldgehölzen und in Obstbeständen. Laut Kaltschmitt (2009) fallen
- Landschaftpflegeholz,
- Straßenbegleitholz,
- Gehölze in der freien Landschaft,
- Baumschnitt aus Parks, Anlagen und Friedhöfen,
- Baumschnitt aus Obstplantagen, Streuobstwiesen und Rebflächen sowie
- Schwemmholz von Gewässern und Wasserwegen
unter den Begriff ,Landschaftspflegematerial‘ (vgl. Kaltschmitt et al. 2009, S. 137ff.). Biomassen aus Flora-Fauna-Habitaten, Brachgebieten und landwirtschaftliche Flächenstillegungsflächen fallen bisher nicht unter diese Definition, sind aber aufgrund ihrer ähnlichen Beschaffenheit zukünftig hinzuzufügen.
Die Qualität von Landschaftspflegeholz wird maßgeblich bestimmt vom Gehalt organischer Trockenmasse, die in mit zunehmendem Anteil krautiger Bestandteile (Laub) und Rinden abnimmt. Das Landschaftspflegegehölz wurde bisher meist am Ort der Entstehung gehäck- selt oder gemulcht beziehungsweise an kommunale Sammelplätze angefahren, wo es nach der Zerkleinerung als Rindenmulch zum Auftragen auf Gartenflächen vermarktet wird. Beauftragt sind in aller Regel städtische Bauhöfe und Straßenmeistereien.
Der Einsatz von Landschaftspflegematerial in HTC-Anlagen unterliegt nach Auswertung der Fragebögen Restriktionen. Inputstoffe mit einem hohen Ligoncellulosegehalt wie zum Beispiel Holzspäne wurden in HTC-Laborversuchen praktisch erprobt und erfolgreich karbonisiert. Demnach darf die Korngröße einen bestimmten Wert nicht überschreiten, was allerdings eine Vorkonfektionierung von Holz und Gehölzen notwendig macht. Landschaftspflegeholz von Häckselplätzen ist zu groß, sondern muss laut der Angabe mehrerer Hersteller auf eine Korngröße von kleiner/gleich 30mm reduziert werden (vgl. Kapitel 3.1). Grundsätzlich ist jedoch ein Inputstoff mit einem geringen Ligoncellulosegehalt laut den Anlagenherstellern vorzuziehen (vgl. Buttmann i.V.m. TerraNova Energy GmbH 2010). [18]
Landschaftspflegematerial ist im weiteren Sinne ein Abfallprodukt, das im Rahmen des EEG jedoch als Nachwachsender Rohstoff gewertet wird. Die energetische Verwertung wird mit einem ,Landschaftspflege-Bonus‘ im Sinne von § 27 Abs. 4 Nr. 2 i.V.m. Anlage 2 Abs. 3 Nr. 8 EEG des Jahres 2009 vergütet. Rechtlich war bisher nicht geregelt, welchen Anteil Landschaftspflegematerial am Gesamtinput einer Anlage zur Stromerzeugung haben muss, um die Vergütung des ,Landschaftspflege-Bonus‘ zu erhalten. Die ,Clearingstelle Erneuerbare- Energien-Gesetz‘ hat hierzu nun eine Klarstellung getroffen:
„Um das Kriterium des überwiegenden Einsatzes zur Stromerzeugung gemäß Anlage 2 Nr. 6 Satz 2 c) EEG 2009 zu erfüllen, müssen die im Rahmen der Landschaftspflege anfallenden Pflanzen oder Pflanzenbestandteile einen Anteil von mehr als 50% der zur Stromerzeugung eingesetzten Stoffe einnehmen“ (Clearingstelle EEG 2009, S. 1).
Die anderen Vergütungsmöglichkeiten können analog der Tabelle 3 entnommen werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 7: Das Potenzial an Biomasse von Hessen (vgl. Hessisches Ministerium [1], 2005, Abbildung 4 - 2)
Exemplarisch für Hessen und seinen drei Regierungsbezirken zeigt Abbildung 7 das Potential an Biomasse ausgedrückt in elektrischer Leistung. Das Potenzial von Landschaftpflegematerial (hier: Landschaftspflegeholz aggregiert mit holzigem Grünabfall) liegt im Durchschnitt bei ca. 300 GWh und ist in allen Bezirken ähnlich hoch.
2.3.4 Weichorganik aus Grünabfall zur Kompostierung
Dieses Kapitel zeigt eine weitere Quelle für Biomasse auf: Grünabfall zur Kompostierung im Rahmen der Siedlungsabfälle. Wie Abbildung 8 zeigt, werden durch Getrenntsammelsysteme jährlich rund 8 Mio. t Bio- und Grünabfallmengen in Deutschland erfasst.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 8: Erfasste Bio- und Grünabfallmengen
(vgl. Kern und Raussen nach ,Abfallbilanzen der Länder 1999-2001‘ 2005, S. 2-9)
Unter dem Begriff ,Grünabfälle‘ sind organische Abfälle mit dem Ziel einer Kompostierung gemeint, beispielsweise „Laub, Gartenabfälle, Baumschnitt, unbehandelte Säge- und Hobelspäne, Rasenschnitt, Stroh und Heu, Strauch- und Kleintierstreu (organisch) und Heckenschnitt“ (Stadtentsorgung Potsdam GmbH 2010). Bioabfälle meint dagegen Inputstoffe der sogenannten ,Biotonne‘, in der Pflanzenabfälle und Essensreste gesondert gesammelt werden können. Auch Bioabfälle haben das Ziel einer Kompostierung, müssen allerdings gemäß der BioAbfV von Störstoffen wie Restmüll, Verpackungen und dergleichen befreit sein und hygienisiert werden. Sie variieren in ihrer Zusammensetzung sehr stark von sozio- ökonomischen Strukturen des Einzugsgebiet sowie der Jahreszeit (vgl. Wallmann [1] 2009, S. 142).
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- Arbeit zitieren
- Tobias Helmut Freitag (Autor:in), 2010, Klima- und Ressourcenschutz. Hydrothermale Karbonisierung. Anwendbarkeit und Wirtschaftlichkeit für die Städtische Werke AG Kassel., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153384
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