Diese Diplomarbeit setzt sich mit der Abgabe von feminisierter Hausarbeit an Migrantinnen auseinander. Die Autorinnen gingen dabei im Wesentlichen der Frage nach, welche politischen und ökonomischen Faktoren die Umstrukturierung der Hausarbeit zu Ungunsten der hausarbeitenden Migrantinnen bedingen und wie diese Prozesse auf Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmerinnen einwirken. Auf empirischer Ebene wurden mehrere Interviews mit Arbeitgeber- und –nehmerInnen geführt und entsprechend qualitativer Methoden auf der Mikroebene ausgewertet.
Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort (Lena Rheindorf und Andrea Stoick)
2. Einleitung (Lena Rheindorf und Andrea Stoick)
2.1. Bezug auf Abschlussarbeiten des Feministischen Grundstudiums
2.2. State of the Art
2.3. Theoretische Verortung der Arbeit
2.4. Aufbau und Struktur der Arbeit
3. Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung (Lena Rheindorf)
3.1. Die bürgerliche Geschlechterideologie der Romantik
3.1.1. Familiäre Arbeitsteilung - Domestizierung der Frau
3.2. Innerfamiliale Arbeitsteilung im Wandel
3.2.1. Von der bürgerlichen Kleinfamilie zur„postfamilialen Familie“
3.2.2. Weiblicher Lebenszusammenhang und weibliche Identitätskonstruktion
3.2.3. Zeitbudget und Technisierung
3.3. Minderbewertung von Versorgungsarbeit
3.4. Partnerschaftliche Aufgabenteilung - „Mikro“Befunde
4. Wohlfahrtsstaatliches Geschlechterregime (Lena Rheindorf)
4.1. Das österreichische Geschlechterregime
4.2. Der politische Protest - die Gesetzesinitiative „Ganze Männer machen Halbe/Halbe“
4.3. Der supranationale Einfluss der EU
5. Häusliche Arrangements aus der Perspektive der Intersektionalität
5.1. Intersektionalität - Die Kategorien der Ungleichheit (Andrea Stoick)
5.1.1. Intersektionalität
5.1.2. Ethnizität
5.1.3. Ethnisierung und Rassismus
5.1.4. Kulturalisierung
5.1.5. „Ethnische“ Identität
5.2. Migration und Identitätskonstruktion (Andrea Stoick)
5.2.1. Die Phasen der Migration - Migrationskrise
5.2.2. Ethnische Communities
5.2.3. Transnationalität und Remigration
5.3. Abgabe von Hausarbeit seitens der Arbeitgeberinnen (Lena Rheindorf)
5.4. Ethnisierung feminisierter Hausarbeit (Andrea Stoick)
5.4.1. Dienstmädchen im 19. Jahrhundert
5.4.2. Moderne Dienstbotinnen - Migrantinnen in privaten Haushalten heute
6. Politische Dimensionen und Strategien (Andrea Stoick)
6.1. StaatsbürgerInnenschaft
6.1.1. Rassifizierung und Ethnisierung
6.1.2. Einwanderungsstatus
6.1.3. Sprache und Spracherwerb
6.2. Formeller/ informeller Arbeitsmarkt und Illegalisierung
6.2.1. Illegalisierung der Arbeit und des Aufenthaltes
7. Methodologischer Zugang (Lena Rheindorf)
8. Empirische Untersuchung (Lena Rheindorf und Andrea Stoick)
8.1. Einzelfallanalyse - Probeinterview mit Frau Müller
8.1.1. Chronologische Deskription
8.1.2. Grobanalyse des Interviews mit Frau Müller
8.1.2.1. Familienmodell und paarinterne Arbeitsteilung
8.1.2.2. Beschaffenheit des Arrangements
8.1.2.3. Ressourcenverteilung
8.1.2.4. Ethnisierungsprozesse
8.2. Einzelfallanalyse Interview mit Frau Bauer
8.2.1. Chronologische Deskription
8.2.2. Grob- und Feinanalyse des Interviews mit Frau Bauer
8.2.2.1. Familienmodell und paarinterne Arbeitsteilung
8.2.2.2. Beschaffenheit der Arrangements
8.2.2.3. Ressourcenverteilung
8.2.2.4. Ethnisierungsprozesse
8.3. Einzelfallanalyse Interview mit Frau Huber
8.3.1. Chronologische Deskription
8.3.2. Fein- und Grobanalyse des Interviews mit Frau Huber
8.3.2.1. Familienmodell und paarinterne Arbeitsteilung
8.3.2.2. Beschaffenheit des Arrangements
8.3.2.3. Ressourcenverteilung
8.3.2.4. Ethnisierungsprozesse
8.4. Differenzen zwischen den Arbeitgeberinnen
8.5. Einzelfallanalyse des Interviews mit Frau Wojcik
8.5.1. Chronologische Deskription
8.5.2. Grob- und Feinanalyse des Interviews mit Frau Wojcik
8.5.2.1. Familienmodell und paarinterne Arbeitsteilung
8.5.2.2. Beschaffenheit der Arrangements
8.5.2.3. Ressourcenverteilung
8.5.2.4. Ethnisierungsprozesse
8.6. Einzelfallanalyse Interview mit Frau Kowalska
8.6.1. Chronologische Deskription
8.6.2. Grob- und Feinanalyse des Interviews mit Frau Kowalska
8.6.2.1. Familienmodell und paarinterne Arbeitsteilung
8.6.2.2. Beschaffenheit der Arrangements
8.6.2.3. Ressourcenverteilung
8.6.2.4. Ethnisierungsprozesse
8.7. Differenzen zwischen den Arbeitnehmerinnen
8.8. Gegenüberstellung von Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmerinnen
8.8.1. Familienmodelle
8.8.2. Beschaffenheit der Arrangements
8.8.3. Ressourcenverteilung
8.8.4. Ethnisierungsprozesse
9. Resümee
9.1. Recommendations
10. Abschließende Betrachtung und Ausblick
10.1. Nachwort
10.2. Reflexion
11. Literatur
12. Anhang
12.1. Infoblatt für mögliche Interviewpartnerinnen
12.2. Fragebogen Arbeitgeberinnen
12.3. Frau Müller
12.3.1. Methodologische Kommentierung
12.3.2. Kontrollierte Interpretation
12.4. Frau Bauer
12.4.1. Methodologische Kommentierung
12.4.2. Kontrollierte Interpretation
12.4.3. Feinanalyse Frau Bauer
12.4.3.1. „[...] man braucht ihnen nur einen Sack in die Hand drücken und es verschwindet [,..]“412ff
12.4.3.2. Interpretation der Sinnzusammenhänge
12.4.3.3. „[...] sie sich im Regelfall auch krank an die Arbeitsstelle schleppen [...]“ Z. 453f
12.4.3.4. Interpretation der Sinnzusammenhänge
12.5. Frau Huber
12.5.1. Methodologische Kommentierung
12.5.2. Kontrollierte Interpretation
12.5.3. Feinanalyse
12.5.3.1. „[...] irgendwo in Bosnien LOST IN SPACE [...]“,
12.5.3.2. Interpretation der Sinnzusammenhänge
12.5.3.3. Ich habe mich [...] mit ihr ABGEQUÄLT, weil sie [...] das Geld gebraucht hat. [...]“
12.5.3.4. Interpretation der Sinnzusammenhänge
12.6. Fragebogen Arbeitnehmerinnen
12.7. Frau Wojcik
12.7.1. Methodologische Kommentierung
12.7.2. Kontrollierte Interpretation
12.7.2.1. Interaktion mit der Arbeitgeberin
12.7.3. Feinanalyse
12.7.3.1. „Da WILL ICH NICHT. [...] @Kann ich nicht so lange@“
12.7.3.2. Interpretation der Sinnzusammenhänge
12.7.3.3. „[...] dann [...] sagen mir die Leute auch was sie gerne möchten [...] und wie ich das machen will [...]“
12.7.3.4. Interpretation der Sinnzusammenhänge
12.8. Frau Kowalska
12.8.1. Methodologische Kommentierung
12.8.2. Kontrollierte Interpretation
12.8.3. Feinanalyse
12.8.3.1. ,,[...]"(sie) brauchen mich (mir) nichts sagen, was muss ich machen" [...]“
12.8.3.2. Interpretation der Sinnzusammenhänge
12.8.3.3. „Ich bin jetzt wie eine Mist [...]![...] Ich kriege nichts“
12.8.3.4. Interpretation der Sinnzusammenhänge
1. Vorwort (Lena Rheindorf und Andrea Stoick)
Die reproduktive Versorgungsarbeit ist für alle Menschen, speziell aber für Frauen, denen dieser Bereich seit Jahrhunderten zugeordnet ist, ein Thema und bleibt auch in Zukunft noch von hoher Aktualität. Daher ist es naheliegend diesen Bereich im Kontext unseres feministischen Zugangs zum Forschungsfeld zu machen.
Schon anhand unserer eigenen Lebensläufe wird die weibliche „Normalbiographie“ mit ihrer Zuordnung zur Versorgungsarbeit, sowohl in privaten und beruflichen Bereichen erkenntlich. Wir beide kommen aus bürgerlichen Familien, in denen die Beschäftigung von Hausarbeiterinnen als Reinigungskräfte, aber auch Altenpflegerinnen beinahe schon Tradition hat. Dabei handelte es sich allerdings nicht ausschließlich um Migrantinnen, aber doch in ihrer Mehrheit. Gleichzeitig wurde und wird in unserem familiären Umfeld die Versorgungsarbeit hauptsächlich von Frauen erbracht. Das von uns gewählte Untersuchungsfeld und die dadurch implizierten Spannungen sind uns beiden also an sich nicht fremd.
Auch wir wurden in der Vergangenheit und werden in der Gegenwart zur Erbringung solcher „Dienste“ unbezahlt heran gezogen. Darüber hinaus sind uns jeweils Hausarbeiterinnen sowie deren sozio-ökonomische Situation persönlich bekannt. Auf sehr unterschiedlichen Ebenen haben wir beide bereits im Care-Bereich gearbeitet: Andrea Stoick hat einerseits in ihrem früheren beruflichen Umfeld eng mit Personen aus dem Gesundheitswesen zusammengearbeitet und war daher oft mit dem Thema der „illegalen“ Pflege und Versorgung konfrontiert, andererseits hat sie im Zuge ihres Studiums als Kinderbetreuerin in privaten Haushalten von gut situierten Familien gearbeitet. Lena Rheindorf war, ohne berufsspezifische Vorbildung, als Betreuerin in einer Wohngemeinschaft für Menschen mit Behinderung tätig, bei der die Haushaltsführung und auch die Körperpflege der KlientInnen zu ihren Aufgabenbereichen zählten.
In der folgenden Arbeit haben wir uns dem Forschungsfeld von der Seite der nicht personenbezogenen, reproduktiven Versorgungsarbeit genähert und die komplexen Arrangements von Österreicherinnen, die Hausarbeit an Dritte delegieren und Migrantinnen, die diese als Reinigungskräfte ausführen untersucht. Relevant war dabei auch die Wechselwirkung zwischen der Gemeinsamkeit des „Frau-Seins“ und der Differenz der „Ethnie“ und deren Auswirkung auf die Machtverhältnisse und Ressourcen der jeweiligen Personen.
2 Einleitung (Lena Rheindorf und Andrea Stoick)
In dieser Abschlussarbeit zum Lehrgang 2008/2009 des feministischen Grundstudiums sollen die komplexen Arrangements untersucht werden, die sich im Kontext illegalisierter/ethnisierter Hausarbeit in privaten Haushalten in Österreich konstituieren. In dieser Arbeit summieren sich für uns wesentliche Impressionen aus den verschiedenen Modulen des feministischen Grundstudiums, wie etwa den Basismodulen (Univ. Lektorin Dr.in Ursula Kubes-Hofmann), jenen zur
Geschlechterpolitik (Prof.in Dr.in Birgit Sauer und Prof.in Dr.in Susanne Schunter- Kleemann), Neoliberalismus (Mag.a Dr.in Gabriele Michalitsch) und Migrationspolitik (Mag.a Leila Hadj-Abdou, Dipl. Volkswirtin Nilüfer Sözer und Dr.in Ruth Kronsteiner). Diese Diplomarbeit geht im Wesentlichen der Frage nach, welche politischen und ökonomischen Faktoren die Umstrukturierung der Hausarbeit zu Ungunsten der hausarbeitenden Migrantinnen bedingen und wie diese Prozesse auf Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmerinnen einwirken.
2.1. Bezug auf Abschlussarbeiten des Feministischen Grundstudiums
Da das Untersuchungsfeld eine Schnittstelle mehrerer feministischer Forschungsstränge darstellt, soll an dieser Stelle eine zusammenfassende Illustration der bisherigen Abschlussarbeiten des feministischen Grundstudiums, welche aus anderer Perspektive ebenfalls dieses Forschungsproblem behandelten, zur Einbindung und Positionierung innerhalb der Forschung und als Ausgangspunkt der weiteren Betrachtung dienen.
Drin Karin König und Maria Seebauer haben etwa in ihrer Arbeit aus dem Jahr 2001 „Ungeregelt, ungeschützt, unsichtbar. Neue Dienstbotinnenarbeit am Beginn des 21sten Jahrhunderts“ aufgezeigt, dass es sich bei dem sozialen Phänomen der Hausarbeiterinnen im Privathaushalt prinzipiell keineswegs um etwas neues handelt, sondern um ein Spezifikum und Charakteristikum des bürgerlichen Lebensstils seit der Industrialisierung. Das Neue daran sei heute allerdings das globale wirtschaftliche Setting, in dem die internationale Arbeitsteilung zwischen Frauen in Haushalten heute zu betrachten sei, so Seebauer und König.
Mag.a Patricia Velencsics hat sich hingegen 2007 mit dem „Auswirkungen des Fremdenrechtpaketes 2005 auf drittstaatsangehörige Migrantinnen“ beschäftigt. Im Rahmen ihrer Arbeit beschreibt sie nicht nur die Rahmenbedingungen der entsprechenden Gesetzgebung, sondern weist auf die besonderen Auswirkungen des Fremdenrechts für Migrantinnen hin, die zwar seit 2005 zusätzliche Möglichkeiten haben, ihren Aufenthalt in Österreich zu verlängern, jedoch keinerlei Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen und somit für ihren Lebensunterhalt nicht sorgen können und damit in Abhängigkeit verbleiben oder in diese geraten, da ihre Aufenthaltsgenehmigung vom Einkommen des Mannes abhängig ist und die Frau dessen Willkür ausgesetzt ist.
Ein weiterer Orientierungspunkt im Forschungsfeld, der uns zur Verfügung stand, ist Barbara Skalas Abschlussarbeit 2007: „Migrantinnen in Österreich oder „Von der Notwendigkeit fremden Frauen einen guten Empfang zu bereiten“ (Flora Tristan), die einen umfassenden Überblick über die Einwanderungsgesetze und -bedingungen in Österreich seit der Habsburgermonarchie bis zum Jahr 2005 bot und Migrationsgeschichten von Frauen in Form von Interviews festhielt und analysierte.
Als Zugang zum Thema der Familien- und Arbeitsmarktpolitik nutzen wir unter andern die Abschlussarbeit von Marie Ungersbäck von 2001 mit dem Titel: „Zwischen Markt, Staat, Haushalt - Frauenerwerbstätigkeit und Kindererziehung in Zeiten wirtschaftlicher Globalisierung“. Ungersbäck spannt den Bogen von der Familienpolitik der EU, wo sie die sozialdemokratisch-sozialistische Position, die die ökonomische Unabhängigkeit der Frau vertritt, die liberale Position, die auf die Arbeitskraft „Frau“ aus profitorientierter Sicht hinweisen und die konservative Position, welche die Frau als Zuständige für die Familienarbeit definieren und die bürgerliche Versorgungsehe vertreten, beschreibt, über die Frage der Arbeitsteilung und -verteilung, bis zum Thema der Solidarität und der Polarisierung unter Frauen.
Im Zuge des Feministischen Grundstudiums entwickelte sich für uns der Eindruck, dass die beiden gesellschaftlichen Entwicklungen - die Individualisierung des reproduktiven Sektors, respektive die geschlechtsspezifische Segregation des österreichischen Arbeitsmarktes im neoliberalen Wirtschaftssystem einerseits und andererseits die Ethnisierung und gleichzeitige Illegalisierung eben dieses reproduktiven Sektors - in ihrem Zusammenspiel das österreichische Geschlechterregime weitgehend reproduzieren und restaurieren.
2.2. State of the Art
Das von uns gewählte Forschungsgebiet zeichnet sich durch eine hohe thematische Komplexität aus. Die Bearbeitung der Literatur führte uns zu bereits intensiv erforschten Teilbereichen. So standen uns eine Reihe von Arbeiten mit dem Schwerpunkt Geschlechterregime im Wohlfahrtstaat zur Verfügung, sowohl in Hinblick auf die historische Entwicklung, als auch auf die soziologische Analyse von heterosexuellen Paarbeziehungen. Besonders hervorzuheben sind für uns die Arbeiten von Burkart (1997), Dackweiler (2004, 2005, 2006, 2008), Esping-Andersen (1990), Huinik (1995) und Huinik/Röhler (2005), Kubes-Hoffmann (1993), Lewis (1997), sowie Prokop (1990).
Des Weiteren fanden wir eine doch einen umfassenden Forschungsstand zum Thema Feminisierung der Hausarbeit und Delegation von Hausarbeit, sowie Arbeiten zur Thematik der Beziehung zwischen Frauen, wobei anzumerken ist, dass sich die Forschung zum guten Teil im angloamerikanischen Raum bewegt und sich vor allem mit Reinigungskräften beschäftigt die innerhalb der der Haushalte ihrer DienstgeberInnen leben, wie zum Beispiel bei Anderson (2003, 2006), Hochschild/ Machung (1993), Rerrich (2006), oder Stiegler (1993) .
Der dritte große Komplex der Literaturrecherche führte uns zum Thema Frau und Migration, sowie zur Thematik der Ethnisierung. Hier fanden wir einerseits einen ausgezeichneten Überblick über das gesamte Feld der Migrationsdebatte, von dem wir nur sehr kleine Ausschnitte wählen konnten, sowie den soziologischen konstruktivistischen Diskurs zum Thema Identität und Ethnisierung besonders interessant. Von diesen Themengebiet ausgehend fand sich auch neuere Literatur vor allem im angloamerikanischen Raum, jedoch auch zum zunehmend im deutschsprachigen stattfindenden Intersektionalitätsdiskurs, indem wichtige Kategorien sozialer Ungleichheit miteinander in Bezug gesetzt werden. Hier seien exemplarisch die Forschungsarbeiten von Aziz (2009), Bednarz-Braun/Heß-Meining (2004), Gutierrez Rodriguez (1999), Klinger/Knapp (2007), Kofler (2002), Kronsteiner (2008), Kubisch (2008), Odierna (2000) und Pentisch (2003), sowie Sökefeld (2007) erwähnt.
Wir sind in unserer Arbeit den aus unserer Sicht neuen Weg gegangen, alle oben angeführten Forschungsstränge zu verknüpfen und sie in direkten Zusammenhang mit dem wohlfahrtsstaatlichen Geschlechterregime in Österreich zu stellen. Wir beleuchten die damit verbundenen policies, aber auch die Frauen als aktiv handelnde Akteurinnen, beziehen uns im Kontext des Themas Ethnisierung auf Frauen als Protagonistinnen der Migration, auf aktive Migrantinnen und nicht passiv Reagierende. Weiters legten wir in der Betrachtung des Geschlechterverhältnisses den Fokus lediglich auf die Frauen selbst, nicht auf Paare, wie sonst in der Literatur gängig. Wir sehen Frauen also innerhalb der Komplexität der Forschungsgebiete als Akteurinnen, die das benachteiligende System durchaus auch nützen und schützen.
2.3. Theoretische Verortung der Arbeit
Die theoretische Verortung unserer Arbeit betreffend, streben wir auf makroanalytischer Ebene eine Synthese verschiedener Konzepte durch interdisziplinäre Auslegung an, um die Vielfalt der wirkenden „Policies", deren gemeinsames Ziel die Aufrechterhaltung des vom männlichen „Normallebenslauf" geprägten neoliberalen Wettbewerbsstaates ist, miteinander in Bezug zu setzen. Als Analyserahmen soll uns die Verquickung eines soziologischen und politikwissenschaftlichen Verständnisses des Wohlfahrtsstaates, wobei auch die geschlechterideologische Komponente der wohlfahrtsstaatlichen Beeinflussung normativer Prozesse und Machtverhältnisse einbezogen wird, mit einem strukturanalytischen Fokus auf „Gender, Ethnizität und Klasse“ dienen.
Unseren Betrachtungen liegt eine sozialkonstruktivistische Auffassung von Geschlecht, Ethnizität und Klasse zugrunde. Damit reihen wir unsere Arbeit in jenen Zweig der feministischen Forschung ein, welcher sich die der sozialen Konstruiertheit dieser Kategorien beschäftigt, alltägliche Interaktionsprozesse und das Handeln von in Institutionen involvierten Personen als konstitutiv für die Entstehung von zentralen gesellschaftlichen Ordnungsprinzipien betrachtet [Vgl. Bednarz-Braun, I., Heß- Meining, U. (2004)]. Das Bestehen dieser Kategorien gilt im Alltagshandeln als objektive Tatsache, die dementsprechend häufig naturalisiert wird. Einerseits ist „ist demnach der Akt des Zuschreibens von Bedeutung, der auf der anderen Seite auch dargestellt werden muss“ [S. Küchler, P. (2001): S. 13f.]. Situatives Handeln und Sozialstruktur bedingen einander also ständig gegenseitig, wodurch die Veränderung von gesellschaftlichen Normen und Strukturen auch immer Effekte auf die Kategoriekonstruktionen hat. Geschlecht, Ethnie und Klasse sind dabei als identitätsstiftende Kategorien zu betrachten. Durch diese Kategorien werden in der Alltagswelt Strukturen geschaffen, die dabei helfen die Welt zu begreifen. Bei diesem Ansatz geht es also um die „Analyse von konstitutiven gesellschaftlichen Ordnungsprinzipien, die wesentliche Lebensbereiche von Menschen nach kategoriespezifischen Distinktionsmerkmalen regeln und sich auf die Genese konfligierender Interessen, Machtunterschiede, die Herausbildung von Hierarchien, unterschiedlichen Privilegien und Teilhabechancen auswirkt“ [S. Glenn (1999): S. 5].
Geschlecht als soziale Kategorie wirkt nach Robinson (1992) auf drei verschiedenen Ebenen- als Strukturkategorie, Klassifikationssystem und Ideologie. Als Klassifikationssystem wird via Geschlecht- mittels Geschlechterdefinition, Geschlechterpositionierung und Geschlechteridentifikation- einzelnen Individuen eine bestimmte gesellschaftliche Position zugewiesen. Als Strukturkategorie dient Geschlecht dazu, gesellschaftliche Phänomene zu deskribieren, deuten und kategorisieren. Durchdrungen werden diese Vorgänge von Geschlechterideologien, in denen Geschlecht normativ wirkt, da die alltagsweltlichen Phänomene dem binären Code (weiblich: männlich) entsprechend bewertet werden und an die Individuen die Anforderung gestellt wird, sich den dominanten Geschlechterdefinitionen und Positionierungen gemäß zu verhalten.
Analog zum Konzept des „Doing Gender“ ist davon auszugehen, dass es ein „Doing Ethnicity“ gibt. Ebenso wie beim Geschlecht handelt es sich bei Ethnizitäten um Kategorien sozialer Attribuierungen, an deren Hervorbringung die „ethnischen Gruppen“ ebenso wie Dritte ihrer gesellschaftlichen Dominanz und Definitionsmacht innerhalb der Aufnahmegesellschaft entsprechend involviert sind. Im Vordergrund steht die Frage, „in welcher Weise sich politisch-rechtliche Maßnahmen und Regelungen des Nationalstaates segregierend auf den Status und die politischen sowie sozio-ökonomischen Teilhabechancen von MigrantInnengruppen innerhalb einer „Mehrheitsgesellschaft“ auswirken“ [S. Bednarz-Braun, I., Heß-Meining, U. (2004): S. 42ff.]. Im Kontext von Ethnizität und Geschlecht bildet sich Identität im Brennpunkt vielschichtiger Macht- und Herrschaftsachsen aus. [Vgl. Gutierrez Rodriguez (1999) und Gümen, S. (1998)]. Wir gehen dabei von der zeitgleichen Wirksamkeit von „Geschlecht, Ethnie und Klasse1 “ aus2. Subjekte können demnach in Bezug auf die verschiedenen Kategorien gleichzeitig sowohl dominant, als auch unterdrückt sein. Dieser jeweils spezifische Schnittpunkt der verschiedenen Kategorien wird im Allgemeinen als „Intersektionalität“ bezeichnet. Auf der Makroebene wird Intersektionalität als „matrix of domination" erfasst, während sie auf der Mikroebene als „complex social location" verstanden wird, als spezifischer sozialer Ort, der sich durch Kongruenz der Kategorien konstituiert [Vgl. Kubisch, S. (2008)]. Dieses Konzept der Intersektionalität soll besonders im empirischen Teil unserer Arbeit als Basis des Analyseschemas schlagend werden.
2.4. Aufbau und Struktur der Arbeit
Entrierend soll das Untersuchungsfeld „Arbeitsplatz Privathaushalt" abgesteckt werden, dass zunächst durch die geschlechtsspezifisch asymmetrische Arbeitsteilung zwischen „Partnerinnen" gekennzeichnet ist. Durch die Orientierung an einer Geschlechterordnung3 mit dem Leitbild der Arbeitsteilung der Geschlechter, in der Frauen seit der Industrialisierung und dem damit einhergehenden rapiden und tiefgreifenden Wandel der ökonomischen und sozialen Verhältnisse und der Arbeitsbedingungen4 in naturalisierender Weise die gesamte Versorgungsarbeit im „Privaten“ und Männern die Rolle des Familienernährers zugedacht wird, sind Frauen bis heute auch in ihrem beruflichen Werdegang in vielfältiger Weise benachteiligt, denn trotz hoher Erwerbsquoten österreichischer Frauen bleibt ihre gleichzeitige Zuständigkeit für die private Versorgungsarbeit weitgehend bestehen. Durch familialisierende Geschlechterpolitik wird dieses asymmetrische Geschlechterverhältnis vom österreichischen Wohlfahrtsstaat weiter tradiert und individualisiert. An dieser Stelle sollen uns vor allem die Untersuchungsergebnisse der Sozialwissenschafterin Regina-Maria Dackweiler als Grundlage zur Betrachtung der geschlechtsspezifischen Individualisierung von Versorgungsarbeit in Österreich dienen [Vgl. Dackweiler, R. (2003), (2004), (2005), (2006) und (2008)].
Auf Basis des beschriebenen Forschungsproblems konnten wir folgende Arbeitsthese generieren: Die aus dem Widerspruch zwischen gelebter Realität und dem Ideal der traditionellen Geschlechterleitbilder entwachsenen Spannungen werden auf der Mikroebene durch vielschichtige Arrangements zwischen den PartnerInnen oft lediglich scheinbar gelöst, denn die Entlastung der Frauen basiert häufig auf der unangemeldeten Abgabe der Versorgungsarbeit an Migrantinnen. Auf diese Weise wird zum einen der feministische Kampf um ein alternatives Konzept von Arbeit- abseits der geschlechtsspezifisch-bipolaren Trennung von Privatheit und Öffentlichkeit- unterminiert, andererseits auch der rechtsunsichere Status der hausarbeitenden Migrantinnen determiniert.
„Durch die Ethnisierung der Hausarbeit wurde ihre Feminisierung aufrecht erhalten. Man könnte von einer Retraditionalisierung sprechen, wird diese Arbeit doch durch ihre Ethnisierung noch mehr abgewertet und aus der öffentlichen Sphäre ausgeschlossen. Forderungen nach gesellschaftlicher Aufwertung, oder gar Professionalisierung und angemessener Bezahlung treten so immer mehr in den Hintergrund. Emanzipation wird in dem Zusammenhang zu einer Illusion, weil sie nicht auf Umverteilungen im Geschlechterverhältnis basiert, sondern auf der Hierarchie zwischen Frauen“ [S. Rommelspacher, B. (2006)]. Eine echte, offene Konfrontation und Ausverhandlung um eine geschlechteregalitäre Verteilung von Arbeit wird durch die Rekrutierung migrantischer Hausarbeiterinnen zumindest vorübergehend ad acta gelegt, die Spannungen werden nach außen verlegt.
Um die Dimension der Ethnisierung zu erfassen, folgt unsere Betrachtung den Kategorien der Ungleichheit aus dem Blick der Intersektionalitätsforschung. Die Kategorien Ethnie, Geschlecht und Klasse werden in Beziehung zueinander gesetzt und betrachtet, wobei besonderes Augenmerk auf den Aspekt von Geschlecht und Ethnie gelegt wird, wobei wie Klinger und Knapp vermerken, die Voraussetzung für die Einbeziehung und Betrachtung dieser Kategorien in den intersektionalen Diskurs erst durch die Entnaturalisierung dieser beiden Begriffe in der Forschung in den letzten Jahren möglich ist [Vgl. Klinger, C., Knapp, G. A. (2007)].
Des Weiteren werden die Termini Ethnizität, Kulturalisierung, Rassismus und Identität überblicksweise dargestellt, um die feinen Abgrenzungen zwischen den Kategorien und Definitionen genauso wie auch die sich bedingenden Bereiche sichtbar zu machen. Von diesen Kategorien ausgehend, leitet die Arbeit zum Thema der Migration über, wo die Formen der Migration, sowie die Migrationsphasen im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. In Hinblick auf die psychologische Komponente der Migration, die sich wiederum auf die Arrangements zwischen hausarbeitenden Migrantinnen und deren ArbeitgeberInnen wesentlich auswirkt, orientiert sich die Arbeit an den von Kronsteiner (2008) zusammengefassten Migrationsphasen nach Leyer (1991).
Spezielles Augenmerk wird auch auf die Thematik informeller Netzwerke in Form ethnischer Communities gelegt, wie auch auf das Thema der zirkulären Migration, die viele Frauen betrifft, die in zyklischen Abständen in Österreich und anderen europäischen Ländern einreisen, um dort zu arbeiten und anschließend wieder in ihre Herkunftsländer zurückkehren, dies oft wöchentlich oder monatlich, was Frauen nicht nur zu bewussten Akteurinnen der Migration macht [Vgl. Jungwirth, I. (2003)], sondern ihre subjektiven Identitätskonstruktionen maßgeblich beeinflusst: „In Bezug auf die Identität ist davon auszugehen, dass sich Identitäten über Differenzierungsprozesse konstruieren, [...]“ [S. Pentisch, S. (2003): S. 9f.]
Im weiteren Verlauf wendet sich die Arbeit direkt der Abgabe von Hausarbeit zu, einerseits von Seiten der ArbeitgeberInnen, wo die Delegationsgründe und damit verbundenen inneren wie äußeren Prozesse beleuchtet werden, andererseits von Seiten der Migrantinnen. Der Bogen beginnt bei einem kurzen Überblick über die Tradition der Beschäftigung von Frauen in privaten Haushalten, die bereits im Zuge der Trennung von Privat und Öffentlich im ausgehenden 18. beginnenden 19. Jahrhundert begann. Damals entwickelte sich der Stand der Dienstmädchen in den bürgerlichen und adeligen Haushalten. Es werden die wesentlichen Bedingungen und Lebensumstände diese Dienstmädchen dargestellt, die sehr stark auf der Ambivalenz von Informalität und Familialität, bei gleichzeitiger Distanz zu den Familien beruhten: ,,[...] Die neue Privatheit der bürgerlichen Familie beruhte darauf, dass man eine solche den Dienstboten gerade nicht zugestand“ [S. Schmidt, D. (2008) S.206f]. Überleitend wird sichtbar, welche Ähnlichkeiten die Beschäftigung von Reinigungskräften im ausgehenden 20ten und beginnenden 21ten Jahrhundert, mit der Dienstmädchenbeschäftigung des 19ten Jahrhunderts hat, zum Beispiel im Bereich der Informalisierung, aber auch welche Unterschiede, vor allem rechtlicher Natur es gibt. Die Situation der Migrantinnen in den modernen Haushalten ist eine rechtlich unsichere, emotional und ökonomisch abhängig von den ArbeitgeberInnen.
Um dies zu verdeutlichen wird im Folgenden Augenmerk auf die politischen Aspekte der illegalen Hausarbeit gelegt, wo die Inklusions- und Exklusionsmechanismen des Staates beleuchtet werden. Zuerst wird die StaatsbürgerInnenschaft als wesentliches Merkmal der Inklusion in Abgrenzung vom Fremden mit dem Status von EinwanderInnen in Bezug gesetzt und die damit verbundene Entrechtlichung von Migrantinnen beschrieben. „Wenn Rechte an Staatszugehörigkeit gekoppelt werden, impliziert dies, dass es legitim ist, einer Person, die keine Staatsbürger ist, bestimmte Rechte zu verwehrt, selbst wenn diese Rechte als fundamentale Menschenrechte angesehen werden. [...]“ [S. Anderson, B. (2006) S.233] In einem nächsten Schritt, wird auch die Sprache beziehungsweise der Spracherwerb als wesentliches Kriterium der Inklusion in die Betrachtung mit einbezogen und in Hinblick auf die damit verbunden Partzipationsmöglichkeiten oder Restriktionen beleuchtet. Schließlich wendet sich die Arbeit zuletzt dem Arbeitsmarkt zu, wobei sowohl auf formelle, als auch auf informelle Arbeit Bezug genommen wird. Den Abschluss des theoretischen Teils bildet der Übergang von der Informalität zur Illegalität von Arbeit und Aufenthalt, denn diese stellt den Bezugsrahmen her, in dem die komplexen Arrangements ethnisierter und feminisierter Hausarbeit überhaupt erst wachsen können. Die politischen AkteurInnen tragen dieses System inoffziell mit, während die Frauen sich oftmals instrumentalisieren lassen, die privatisierte Versorgungsarbeit im Stillen und miteinander zu verrichten.
Im letzten Abschnitt unserer Arbeit wird das Forschungsdesign unserer Untersuchung zusammenfassend dargelegt. Der Nachvollziehbarkeit wegen erörtern wir die qualitative Methode des anzuwendenden problemzentrierten Interviews, das sich vor allem durch ihre inhärente Methodenvielfalt auszeichnet, die eine Betrachtung des Forschungsgegenstandes aus verschiedenen Perspektiven ermöglicht. Dieses Verfahren erlaubt uns eine theoriegeleitete Interpretation der Daten, durch einen Beobachtungstrichter aus den abgeleiteten Forschungsfragen soll die Datenflut und der Forschungsgegenstand sukzessive eingeschränkt werden. Die völlig offenen Fragestellungen des problemzentrierten Interviews sollen lediglich dazu dienen den interessierenden Gegenstand einzugrenzen, den Befragten aber obliegt die Strukturierung des Erzählten und der damit verbundenen Bedeutungskonstruktion [Vgl. Lamnek, S. (2005)].
Bevor wir zur Interviewinterpretation schreiten, gilt es einen integrativen Analyserahmen zu generieren, der das Zusammenspiel von „Ethnie, Geschlecht und Klasse“ für unsere Forschungsfrage ausreichend erklärt und der die komplexe Verwobenheit von Identität und Interaktion auf der Mikroebene mit sozialer Ungleichheit auf der Makroebene hinlänglich verdeutlicht [Vgl. Kubisch, S. (2008)]. Hierbei werden wir den Lebenslaufansatz, mit dem eine dynamisch-prozessuale Auffassung des Einflusses von Wohlfahrtsstaaten auf individuelle Biographien verbunden ist, adaptieren [Vgl. Leisering, L., Leibfried, S. (1999)].
Die vorläufigen Forschungsfragen die sich an die zunächst zu interpretierenden Interviewtranskripte und später zu analysierenden deskriptiven Daten richten werden und dem jeweiligen Kontext flexibel angepasst werden können, lauten daher wie folgt:
- Welche sozialen Rollen werden im Kontext des Arbeitsverhältnisses eingenommen?
- Welche Auswirkungen hat das Arrangement zwischen den Frauen auf die damit verbundene gesellschaftliche Positionierung?
- Wie gestaltet sich die Ressourcenverteilung zwischen den Frauen aus?
- Entsprechen die durch das Arrangement geschaffenen Ressourcen den ursprünglichen Erwartungen der Frauen?
Schließlich werden im „Ausblick“ zunächst die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit resümierend zusammengefasst, um ihre Bedeutung anschließend im Kontext des momentanen wissenschaftlichen Diskurses zu betrachten.
3. Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung (Lena Rheindorf)
Die geschlechtsspezifische Teilung des Lebens, die damit in engem Zusammenhang stehenden Geschlechterpositionierung und die Konstruktion des weiblich- konnotierten „Privaten“ als Ort der Intimität und des Rückzugs von der Außenwelt ist zunächst in ihrem historischen Kontext zu interpretieren. Im folgenden Kapitel wird daher zunächst auf die im 18ten und 19ten Jahrhundert konstruierte Geschlechterideologie, die polare Positionierung der Geschlechter sowie der Lebensräume an sich, die daraus resultierende Rolle der Hausfrau und deren Implikationen für die heutige weibliche Geschlechteridentität eingegangen.
3.1. Die bürgerliche Geschlechterideologie der Romantik
In der wissenschaftlichen Forschung besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass durch den Prozess der Industrialisierung und der zunehmenden funktionellen Arbeitsteilung zwei gesellschaftliche Sphären entstanden: der öffentliche und der private Raum, beziehungsweise die familiale und die berufliche Sphäre, wobei das Familiale/Private weiblich, und das Öffentliche/Berufliche männlich konnotiert wurde5. Die gesamtgesellschaftlich geschlechtsspezifische Polarisierung der Lebenssphären wurde meines Erachtens durch eine elaborierte Geschlechterideologie, welche durch literarische Strömungen und wissenschaftliche Wahrheitsansprüche legitimiert wurde, begleitet, deren Schatten bis in die Gegenwart reichen.
Das zunächst vor allem literarische Konstrukt der „romantischen Liebe“, welches seine Entsprechung im Bürgertum des Biedermeier fand und in dessen Zentrum das normativ-heterosexuelle Paar steht, trug besonders zur Propagierung der polaren Geschlechterideologie erfolgreich bei.
Zu Beginn des 18ten Jahrhunderts bildeten im malthusianischen Ehemodell noch wirtschaftliche Interessen bei der Paarbildung die Basis der Verbindung, die Ehe wurde vor allem als rationales Arrangement auf Basis beidseitiger Loyalität begriffen. Dieses Konstrukt der Liebe hatte seine Wurzel in der in Großbritannien vollzogenen Verbindung altenglischer und protestantischer Traditionen. Im Vergleich zu den meisten anderen europäisch-abendländischen Gesellschaften der Zeit war hier die beziehungsinterne Position der Frau relativ vorteilhaft: das hohe Heiratsalter, die Einehe, eine relative Gleichberechtigung zwischen den PartnerInnen, das nur schwer umsetzbare Scheidungsrecht, die Heiratsordnung der Außenheirat, die Ablehnung des gemeinsamen Lebens mit den Eltern und eine nahezu gleiche Aufteilung der finanziellen Mittel gehörten zu den wesentlichen Merkmalen der malthusianischen Ehe. [Vgl. Burkart, G. (1997): S. 25ff.].
Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde das malthusianische Ehemodell jedoch von einem neuen Ehe- und Familienkonstrukt verdrängt - „Liebe“ wurde zunehmend als bedeutender Bestandteil der PartnerInnenwahl betrachtet. „„Liebe“ wurde nun im Sinne eines affektiven Individualismus ein wesentliches Merkmal des Familienlebens“ [S. Burkhart, G. (1997): S. 28, Vgl. Giddens, A. (1993)]. Es sprach der feminisierten emotionalen Beziehungsarbeit in Form von Mutterliebe, Gattenliebe und Intimität in der Partnerschaft eine bedeutungsvollere Rolle zu als bislang, aber die heterosexuelle Leidenschaft und Erotik war ein nebensächlicher Faktor, die platonische Kongruenz bildete die Basis einer funktionierenden Beziehung. Die Verbindung war als Bildungsstätte konzipiert, in der sich das bürgerliche Individuum entfalten konnte. „Die eheliche Liebe sollte also zum einen „vernünftige Liebe“, zum anderen Gefühlsgemeinschaft, zum dritten „geistige Gemeinschaft“ sein“ [S. Burkhart, G. (1997): S. 28]. Damit einher ging eine Neudefinition und Determination der weiblichen Geschlechtsrolle in bis dahin ungeahntem Ausmaß - die bürgerliche Frau wurde als Hausfrau, Mutter und Ehefrau betrachtet, wobei erheblich höhere Ansprüche als bisher in allen drei Gebieten an sie gerichtet wurden. [Vgl. Burkart, G. (1997): S. 25ff.].
Im Emotionsdiskurs6 des 18. Jahrhunderts wurde die sich etablierende Literatur7 für die Bourgeoisie zu einem einflussreichen Sprachrohr, welches die „Liebe“ zu seinem Mittelpunkt erklärte. Durch literarische Propagierung wurde das Konstrukt der romantischen „Liebe“ mit der Institution der Ehe kompatibel. „Die Liebessemantik des 18. Jahrhunderts brachte nicht nur Liebe und Ehe zusammen, sondern auch Liebe und Individualität, Liebe und Subjektivität, sowie Liebe und Selbstthematisierung. [...] Diese neue Form von Liebe [...] setzt eine hoch entwickelte Individualität und eine differenzierte Subjektivität voraus“ [S. Burkhart, G. (1997): S. 28]. Hierbei steht die seelische und erotische Einswerdung der PartnerInnen im Vordergrund. Romantische „Liebe“ wurde als einzigartig, monogam, weltfern und abgekapselt konstruiert. Romantische „Liebe“ wirkt konstitutiv auf das Paar, das sich in der Folge vom Makrokosmos absondert - durch eine „Weltentfremdung des Subjekts“ erscheint die „Liebe“ als einziger Ausweg um die Verbindung zur Welt wieder herzustellen [Vgl. Burkart, G. (1997): S. 25ff. und Koppetsch, C. (2001)].
Zur Zeit der Jahrhundertwende befand sich auch das „Paar“ an einem Wendepunkt: Das reale Alltagsleben, mit seinen alten ökonomischen Zwängen, entsprach dem Ideal der romantischen „Liebe“ nicht. Das neu „angeordnete“ Ehe- und Familienmodell war zunächst nur Programm für die Bourgeoisie, die wenigsten
Familien konnten es sowohl gefühlsmäßig, als auch finanziell realisieren. In dieser Zeit kam es auch zunehmend zur Polarisierung und Fixierung geschlechtsspezifischer Rollen- weibliche Schönheit wurde ideologisch mit beinahe existentieller Bedeutung überfrachtet. Die Funktionalisierung „der Frau“ als schönes Beiwerk und Prestigeobjekt „des Mannes“, durch dessen Anerkennung sie ihren Selbstwert generierte, wurde ein wesentliches Merkmal der Konstruktion von Weiblichkeit [Vgl. Burkart, G. (1997): S. 25ff. und Huinik, J., Mayer, K. U. (1995)].
Die von der Romantik propagierte Parität der PartnerInnen wurde nicht verwirklicht, anstatt dessen wurde auf Basis verwissenschaftlichter Argumentationsmuster nach Rechtfertigungen für die „Unvollkommenheit“ der Frau gesucht [Vgl. Burkart, G. (1997): S. 25ff.]. Die romantische „Liebe“ war- trotz der Fiktion der leidenschaftlichen Beteiligung beider PartnerInnen- de facto völlig asymmetrisch, die Frau wurde als Projektionsfläche männlicher Imaginationen als Mängelwesen konstituiert. Gleichzeitig wurde eben dadurch die Frau zum diskursiven Objekt - Frauen wurden durch genau jene Diskurse, die angeblich ihr „wahres Wesen“ erschlossen hatten, zum vermeintlichen Rätsel [Vgl. Giddens, A. (1993): S. 70ff. und Coleman, J. S. (1986)]. Dem Zeitgeist entsprechend, wurde - wie bereits angemerkt- auch in den Wissenschaften die bipolare Geschlechterdichotomie Programm. Sie rückten den Menschen gewisser Maßen auf den Leib und schrieben ihnen Geschlechter ein.
Durch den Körper versuchten sie das angeblich geschlechtsspezifische Innenleben und das soziale Verhalten zu determinieren. Diese „Erkenntnisse“ waren keineswegs „geschlechtsneutral“- „[...] Die vergleichenden Menschenwissenschaften [...] [beschäftigten sich etwa] mit dem Normalitätsproblem „Mensch versus Frau“, indem sie die Definition des Männlichen zum generell Menschlichen erhoben und dem „abweichenden“ Weiblichen kontrastierten [...]“ [S. Eder, F. X. (2002): 133]. Eswurde also vor allem der Frau zunehmend ein „Geschlechtscharakter“ zugeschrieben, der immer deutlicher biologisch definiert und naturalisiert wurde. Es wurden geschlechtsspezifische Tugendkataloge entwickelt, denen scheinbar allgemeingültige Geschlechtseigenschaften zu entnehmen waren. Aus diesem „Geschlechterwahn“ der Wissenschaften und dem Ideal einer neu entdeckten Intimität und sexuellen Leidenschaft als Basis der heterosexuellen Paarbeziehung entwickelten sich in der logischen Folge die so genannten Sexualwissenschaften. Michel Foucault legte (1977) in seinem Buch „Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit“ dar, welche Auswirkungen die Konstruktion einer „Sexualität“ hatte, immer weitere Gebiete der menschlichen Identität und Sinnstiftung wurden, entlang der binären Geschlechterdichotomie, sexuell belegt.
Während Männern die Kontrolle über ihre Sexualität zugeschrieben wurde, betrachtete man(n) die Frau und ihr Verhalten als durch ihre Sexualität und naturalisierten Triebe bestimmt. Dennoch wurde den Frauen gleichzeitig auch ein mangelndes, deviantes, oder „defektes“ und spezifisch weibliches Begehren unterstellt. „Homosexualität, „perverse Sexualität“ und „jüdische Sexualität“ waren gemeinsam mit weiblicher, „frigid-hysterisch-nymphomaner“ Sexualität jene Konstrukte, mit denen die Sexualwissenschaften das krankhafte „Andere“ der „gesunden“ männlichen Respektabilität bestimmten“ [S. Eder, F. X. (2002): 133f.].
Auf Basis der durch die Romantik entwickelten Geschlechterideologie wurde der weibliche Beitrag zum öffentlichen Leben und der kulturellen Sphäre weitgehendvernichtet. Auf die häuslich-private Sphäre beschränkt, in der die bürgerliche Frau vom Mann (vor allem finanziell) völlig abhängig gemacht wurde- sollte sie durch die romantische „Liebe“ und die überhöhte Imagination der intimen Paarbeziehung Erfüllung, beziehungsweise ihre Geschlechtsidentität finden [Vgl. Burkart, G. (1997): S. 31].
3.1.1. Familiäre Arbeitsteilung - Domestizierung der Frau
„Frauen sind in unserer Gesellschaft für Liebe „zuständig“. Liebe ist das „Ressort“ der Frauen als Mütter, Ehefrauen, Geliebte- und Ort ihrer Macht und Ohnmacht“ [S. Brückner, M. (1984): S. 216].
Vor der Industrialisierung war die Arbeit der Frau und des Mannes in der Familienwirtschaft noch relativ gleichwertig. Die außerhäusliche Arbeit und jene im Haushalt waren eine örtliche und ökonomische Gesamtheit - alle Angehörigen
hatten Teil an der Beschaffung und Herstellung von Bedarfsgütern. Auch wurden noch keine Geschlechtercharaktere determiniert.8 Im Agrarbereich war die Tätigkeit der Frauen nicht auf das Private begrenzt, aber sie war in engem Zusammenhang zum Häuslichen [Vgl. Sichtermann, B. (1987): S.23]. Ihre Arbeitsleistung war unentbehrlich auf allen Gebieten der Landwirtschaft. Darüber hinaus waren Frauen unter Tage, im Verlagswesen und in den Fabrikationsstätten unabhängig, fachgerecht und eigenständig tätig. Dennoch gab es auch im Lehnswesen ein rigoroses System der Arbeitsteilung, dass Frauen mit hohem Arbeitsaufwand und teilweise niedrigem Prestige belud. [Vgl. Hahn, S. (1993): S. 4ff.]
Durch die Arbeitsteilung wurden die bürgerlichen Frauen im städtischen Bereich bald aus der Erwerbsarbeit, dem bezahlten Reproduktionsbereich gänzlich exkludiert. Es gab zwar noch in den Agrarwirtschaften und auch in der Großstadt die Überreste der gemeinschaftlich arbeitenden Familienwirtschaft, in deren Zentrum die Frau autonom handelte und die diffizile Gemeinschaftsökonomie regelte, aber während der frühen Industrialisierung wurden- trotz zunehmender Übernahme bürgerlicher Familienideale- die weiblichen Arbeitskräfte vor allem aus dem ländlichen Bereich rekrutiert. Staatliche Bestimmungen zur Forcierung von Frauenarbeit wurden gezielt eingesetzt, um das Wachstum einzelner Wirtschaftssektoren zu begünstigen. Die schlechte Bezahlung der Arbeiterinnen, ihre fortwährende Disziplinierung in den Manufakturen und die maximale Ausbeutung ihrer physischen und psychischen Kräfte prägten ihre berufliche Arbeitswelt. [Vgl. Pfeisinger, G. (2006): 166f. und Vgl. Hahn, S. (1993): S. 4ff.].
Die bürgerlichen Hausfrauentugenden wurden - trotz de facto immer existenter weiblicher Erwerbsarbeit in anderen sozialen Schichten- im Laufe der Zeit zu weiblichen Verhaltenskodizes an sich. Das Familiäre wird in der Folge zum Bereich des Wohlbefindens, zum Eskapismus von der harten, Konkurrenzbetonten Außen- und Arbeitswelt des Mannes - in dem die Frau diese innere Harmonie in Form von Haus- und Beziehungsarbeit herzustellen hatte. Sie hatte sich einend, uneigennützig zärtlich und tugendhaft um ihren Mann zu kümmern [Vgl. Kubes-Hofmann, U. (1993): S.47ff. und Weber-Kellermann, I. (1991): S.49f.].
„Das häusliche Weib ist aber nicht bloß für sich selbst glücklich; sein ganzes Leben ist auch eine unerschöpfliche Quelle von Zufriedenheit für andere, und besonders für diejenigen, die am nächsten mit ihm verbunden sind“ [S. Ehrenberg, F. (1808): S.207]. In ihrer Rolle der Gemahlin, Hausfrau und Mutter wird sie zur Bewahrerin der bourgeoisen Sittlichkeit und Disziplin. Die Indoktrination dieses Ideals des familiären Zusammenlebens stand aber mit den tatsächlichen Gegebenheiten in Widerspruch9 [Vgl. Kubes-Hofmann, U. (1993): S.47ff.]. Die Rhetorik der „Liebe“ konnte die faktische „Knochenarbeit“ nicht völlig vertuschen: Zu ihren Aufgaben gehörte das Reinigen des Hauses, oft auch mit Hilfe einer Hausangestellten, die Obhut und Versorgung der Kinder, Kochen und Haltbar machen. Blieb ihr neben dem Schneidern, Nähen, Stricken und Stopfen noch Zeit, so verwendete sie diese für Häkeln, Sticken und andere feinere Techniken, manchmal auch zum Lesen von romantischer Literatur. Oft war die Bescheidenheit oberste Devise [Vgl. WeberKellermann, I. (1991): S.49f.]. Dennoch, oder vielleicht gerade wegen der offensichtlichen Brüchigkeit des Ideals, verinnerlichten viele Frauen ihre Rolle- die in gewisser Weise auch ihre Existenzberechtigung in der bürgerlichen Gesellschaft darstellte- sofern dies monetär möglich war, beinahe vollständig.
Die Schriftstellerin Fanny Lewald schildert in ihren Memoiren eindrucksvoll die Verinnerlichung der Hausfrauenrolle im Bürgertum während der Biedermeierzeit: „[...]
Indes wer es den damaligen Hausfrauen zugemutet hätte, irgendeiner ihrer wirtschaftlichen Gewohnheiten zu entsagen, [...] den hätten sie als einen Ketzer angesehen, als einen Frevler, der ihre hausfraulichen Pflichten beschränken wolle, um ihrer Würde und Bedeutung damit Abbruch zu tun und so das Glück der Ehen und der Familien allmählich zu untergraben“ [S. Lewald, F. (1861): S.36f., zitiert in Weber-Kellermann, I. (1991): S. 50].
Als Kulturträgerinnen werden den Frauen gesellschaftliche Obliegenheiten aufgetragen, welche durch das Regime beäugt und fixiert werden: „Kinder werden nicht mehr für den eigenen Gebrauch produziert, sondern für die Gesellschaft. Das macht einen tiefgreifenden Erziehungsprozess notwendig, der sich allmählich in die Familie verlagerte und dessen Ziel es war, äußere Verhaltenskontrollen durch verinnerlichte moralische Prinzipien zu ersetzen“ [Honegger, C., Heintz, B. (1981), zitiert in Kubes-Hofmann, U. (1993): S. 50]. Eltern die aus ökonomischen und zeitlichen Gründen nicht in der Position waren, ihre Kinder den bürgerlichen Werten entsprechend zu erziehen, wurden ihrer Erziehungsberechtigung entledigt [Vgl. Pfeisinger, G. (2006): 171]. Bürgerliche Frauen sollten den Nachwuchs10 und ihre Männer auf den „rechten Weg“ der Tugendhaftigkeit führen und geleiten.
Die Frau wird auf der Mikroebene des Familiären quasi zur Agentin staatlicher Disziplinierungsmaßnahmen, weshalb die Hausfrauenrolle zunächst in gewisser Weise auch eine bedeutende war. Die Rolle als Beziehungs- und Hausarbeiterin machte sie zum eigentlichen Zentrum des Mikrokosmos „Haushalt“- sie hatten großen Einfluss auf das alltägliche familiäre Leben und gestalteten weitgehend das Leben der Anverwandten. Die Funktionalisierung der Frau als Mutter, Gattin und Trägerin der „Kultur“ sollte die „REPRODUKTION“ des neuen Wertesystems sichern und von Mutter zu Tochter weiter tradieren [Vgl. Kubes-Hofmann, U. (1993): S.47ff.].
Die Frauen waren dazu angehalten, ob ihres eigenen Leidens an der eintönigen und unbefriedigenden Haushaltstätigkeit, ihren Töchtern durch frühkindliche Konditionierung dieses Leidens, diesen „Makel“ zu „ersparen“. Friedrich Ehrenberg, einer der führenden deutschen Pädagogen dieser Zeit, stellte folgende Ziele der Mädchenerziehung auf: „1. Eine Einführung in die Pflichten des häuslichen Lebens, 2. die Vermittlung nützlicher Kenntnisse und edler Gefühle, damit die Tochter sich später immer zu beschäftigen weiß und sich mit Liebe und Hingabe den häuslichen Geschäften widmet, 3. die Pflege der „Einfalt der Natur“, die, als solche bewahrt, Gewähr für die Erfüllung sämtlicher weiblicher Pflichten biete, und schließlich 4. die Sorge dafür, dass den Töchtern das häusliche Leben schon jetzt in einem erfreulichen Lichte erscheine [...]“ [S. Ehrenberg, F. (1808): S. 239f.].
Margarete Lenk beschreibt ihre Disziplinierungserlebnisse, die sie zur Hausfrau machen sollten, folgender Maßen: “0 wie viele bittere Tränen hat es mich gekostet, dass ich nicht einen Funken Ordnungssinn in diese wohlgeordnete Welt mitgebracht hatte! [...] Entschieden, ward dieser für ein Mädchen so hässlicher Fehler von der Mutter bekämpft. Nicht selten geschah es, dass ich [...] mein ganzes Besitztum [...] am Boden liegend fand und genötigt ward, es sauber wieder einzuräumen“ [S. Lenk, M. (1911): S.59, zitiert in Weber-Kellermann, I. (1991): S. 55].
Die Mädchenerziehung und -ausbildung war zunächst äußerst bescheiden, für junge Frauen gab es freilich keine Schulpflicht.11 Während es sich wohlhabende Familien leisten konnten, ihre Töchter in private Mädchenpensionate zu stecken, oder sie von PrivatlehrerInnen erziehen zu lassen, genoss die Mehrzahl kein solches Privileg.12
Üblicherweise war die bürgerliche Mädchenerziehung darauf ausgerichtet, diese zu künftigen Hausfrauen zu formen. Zu den Unterrichtsfächern zählten neben dem Handarbeiten die pflichterfüllte Erhaltung von Ordnung und Reinlichkeit. Auf diese Weise wurden sie zu haushälterischer „Zucht und Ordnung“ gedrillt, während bei den Burschen diese „Tugenden“ eher als unbedeutend betrachtet wurden [Vgl. WeberKellermann, I. (1991): S.52ff.]. Während die Burschen draußen wie drinnen wild toben durften- da die berufsbezogene außerhäusliche Welt ein solches Verhalten zur Behauptung des männlichen Selbst sogar verlangte- mussten die Mädchen lernen ihren kindlichen Bewegungs- und Entdeckungsdrang zu unterdrücken. Mädchen sollten sich ihrem später äußerst eingeschränkten Wirkungs- und Bewegungsbereich entsprechend schon früh an das Stillsitzen und Warten gewöhnen.13
Es galt für Mädchen und junge Frauen als unschicklich, ja sogar anrüchig das Haus zu verlassen. Darüber hinaus wurden ihre künftigen Fähigkeiten zum Bemuttern forciert, indem sie zum Spielen mit Puppen gedrängt wurden. Die Geschlechterideologie war demnach bereits im frühen 19ten Jahrhundert fixer Bestandteil einer geschlechtsspezifischen häuslichen Kindererziehung geworden [Vgl. Hopfner, J. (1990): S. 90ff.]. Einerseits hatte das absolutistisch-merkantilistische Regime14 ein großes Interesse daran, die berufsmäßigen Fähigkeiten und die dafür erforderliche Bildung im Sinne der Aufklärung bei seinen BürgerInnen zu fördern. Andererseits galt es auch, diese zu gehorsamen und gottesfürchtigen Menschen heranzubilden.
Dies erklärt auch, warum die Einrichtung eines Schulsystems nach öffentlichbürgerlichem Begehren nur relativ dilatorisch realisiert wurde. Dies galt vor allem für die Mädchenerziehung - „Das Mädchen [...] soll der Regel nach seine ganze Jugendzeit bis dahin, wo ein Mann es zu seiner Lebensgefährtin wählt, im Schoße der Familie verweilen. Es braucht die Klugheit der Welt nicht, weil seine Bestimmung die Welt nicht ist, sondern das Haus [...]“ [S. Hillebrand, J. (1818), zitiert in Hopfner, J. (1990): S. 92]. Sie sollten möglichst jung mit oft deutlich älteren Männern mit hohem Prestige verheiratet werden, wobei ihre Arglosigkeit oft das ursprüngliche Objekt der Begierde war. Der fast nahtlose Übertritt von kindlicher Abhängigkeit in die eheliche, machte deren intellektuelle Bildung beinahe abträglich. [Vgl. WeberKellermann, I. (1991): S.56f.].
Diese Fixierung der Mädchenerziehung auf den häuslichen Bereich, selbst wenn den meisten bürgerlichen Müttern de facto die Zeit dazu fehlte, begründet sich auf der generellen Deckung des „Heimunterrichts“ mit den Endzwecken, Inhalten und der Didaktik weiblicher Erziehung. Gleichwohl bestand aber auch die Notwendigkeit, den Mädchen eine - zur Erfüllung ihrer Tätigkeiten im Haus erforderliche - gewisse rudimentäre intellektuelle Bildung zu gewähren. Deshalb sollte bei der Institutionalisierung weiblicher Ausbildung zunächst die Orientierung an katholischen Dogmen eine gewichtige Brücke schlagen, durch welche der Wissensdrang der Mädchen in den vorgesehenen Bahnen reguliert werden sollte. [Vgl. Hopfner, J. (1990): S. 90ff. und S. Ecker, H. (2008): S.52ff.].
3.2. Innerfamiliale Arbeitsteilung im Wandel
Seit der Entstehung der bürgerlichen Kleinfamilie und der geschlechtsspezifischen Trennung der gesellschaftlichen Bereiche „Privat“ und „Öffentlich“ gab es selbstverständlich auch familienstrukturelle Wandlungsprozesse, welche die traditionellen Familienformen in gewisser Weise ins Wanken brachten, während sich die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung innerhalb der Familienstrukturen anscheinend einer schlichtweg sagenhaften Beständigkeit erfreuen.
In Österreich besteht trotz einer weiblichen Erwerbsquote von etwa 69 Prozent15 nach wie vor ein starkes Ungleichgewicht in der häuslichen Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern.Um die grundsätzliche politisch-aktuelle Relevanz der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung zu verdeutlichen ist aufschlussreich, sich Daten über den Wandel der Aufgabenteilung im Haushalt seit der Mitte des 20ten Jahrhunderts anzusehen - eine Zeit, in der die Technisierung zunehmend Einzug in die „privaten“ Haushalte hielt und sich die ebenso die Versorgungsarbeit wandelte.
Zu diesem Zweck werden im folgenden Kapitel auch so genannte Zeitbudgetstudien herangezogen, welche das geschlechterspezifische Belastungsverhältnis in (heterosexuellen) Paarbeziehungen quantitativ erfassen. In qualitativer Hinsicht sind besonders die Ergebnisse jener Untersuchungen, welche geschlechtsspezifische Verteilung der Versorgungsarbeit als diskursives Feld, als Arena geschlechtsspezifischer Aushandlungsprozesse begreifen, von Interesse.
3.2.1. Von derbürgerlichen Kleinfamilie zur „postfamiiiaien Familie“
Der so genannte Trend zu „neuen“ Lebensformen abseits der bürgerlichen Kleinfamilie, sowie die Illusion einer diesbezüglichen Wahlfreiheit bestimmen den heutigen Diskurs um Familienformen zunehmend. Das immanente Postulat nach scheinbar mehr Selbstständigkeit und Unabhängigkeit im „Privaten“ geht dabei einher mit dem „Bild einer pluralistisch ausgerichteten Gesellschaft“ auf der Makroebene, so Monyk (2007). In den letzten Jahrzehnten entstanden durch höhere gesamtgesellschaftliche Anforderungen die Mobilität des/der Einzelnen betreffend zahlreiche nicht-normative Formen des Zusammenlebens, „welche die Konturen der „postfamilialen Familie“ entstehen ließen16 “ [S. Monyk, E. (2007): S. 1 ff.].
Die familialen Lebensformen sind also im Wandel begriffen, die Zahl der so genannten „Patchworkfamilien“, „Familienverbände, in die Elternteile ihre Kinder aus früheren Ehen oder Lebensgemeinschaften in eine neue Beziehung einbringen“ [S. www.statistik.at], ist auch in Österreich stark im Steigen begriffen.
„Patchworkfamilien“ kommen vor allem im städtischen Raum vor- in Wien macht ihr Anteil zwölf Prozent aus. Auch die sinkende Geburtenrate17 ist fortwährend ein fixer Bestandteil der „Familiendebatte“. Etwas polemisch wird immer wieder von einer „zweiten demographischen Transition“ gesprochen, also von einem Wandel zu einer Gesellschaft, welche durch eine geringere Zahl von Trauungen, sinkende Geburtenraten, Scheidungshäufigkeit, einem Anstieg von nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften und AlleinerzieherInnen geprägt sei. [Vgl. www.unternehmen.allianz.at und Kreisky, E. 2009].
Auch die Bevölkerungsforschung beschäftigt sich seit den 1960er Jahren mit dem Wandel der Bevölkerungsstruktur „hinsichtlich des Verhältnisses von Geburten- und Sterbezahlen als Anschlags- und Zerfallsszenarien: einerseits aufgrund des Geburtenrückgangs und andererseits aufgrund des Trends zur Alterung. Diese Bevölkerungsprognosen bilden sowohl die Hintergrundannahmen des zu legitimierenden Abbaus wohlfahrtsstaatlicher Leistungen, als auch Ansatzpunkte eines geschlechterpolitischen Diskurses, der den dramatischen Reden über die „Schrumpfung“ der Gesellschaft eingeschrieben ist“ [S. Dackweiler, R. (2006): 81f.].
Trotz des Trends zu individualisierten Lebensformen orientiert sich die Mehrheit jedoch noch immer an den traditionell-institutionalisierten Strukturen. Obwohl die bürgerliche Kleinfamilie heute de facto nur mehr eine von vielen Lebensformen darstellt, so besteht noch immer das gesellschaftliche Ideal der „heterosexuellen Kernfamilie“- „nostalgisch wird [auch in der Familiendebatte] einer Familienidylle nachgetrauert, die es in dieser Form zu keiner Zeit jemals gegeben hat“ [S. Monyk, E. (2007): S.
3.2.2. Weiblicher Lebenszusammenhang und weibliche Identitätskonstruktion
Nun entgegnen familialisierende Diskurselemente dem Hausarbeitsdiskurs18 im Sinne einer egalitären Arbeitsteilung seit jeher, dass „Frauen“ ja „heute“ nicht mehr „nur“ Hausfrauen seien, sondern zum Großteil auch der Erwerbsarbeit nach gingen und heute wie zwischen polaren Lebensstilen frei wählen könnten [Vgl. Textor, M., R. (1991)]. Abgesehen davon, dass es sich hier prinzipiell um kein Novum handelt, trifft diese Behauptung teilweise tatsächlich zu- seit der Mitte des 20sten Jahrhunderts konnten die Frauen sich am österreichischen Arbeitsmarkt zunehmend etablieren. Waren 1951 erst 35 Prozent der Frauen erwerbstätig, so waren es 2006 schon 45 Prozent, die 46 Prozent der gesamten dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte Österreichs darstellten [Vgl. Statistik Austria (2007): S. 18f.]. Nur macht diese Tatsache den Diskurs an sich nicht obsolet, sondern erweitert ihn lediglich, denn Hausarbeit wird noch immer vorwiegend Frauen zugeteilt.
Die „Doppelbelastung“ von Frauen, ihre charakteristische Vergesellschaftung19, die ihre Arbeitskraft prinzipiell doppelt - als Haus- und als Erwerbsarbeit - verteilt, rückte zunehmend in den Vordergrund der feministischen Debatte. Diese scheinbar divergierenden Arbeitsformen müssen tagtäglich unter einen Hut gebracht werden, und dass vor allem von Frauen. Die Doppelbelastung bedeutet auf der Mikroebene also das „Managen“ von Berufstätigkeit und Familienleben, wobei die Bereiche strukturell voneinander getrennt, ja einander sogar entgegengesetzt sind. Beide Sphären stehen aufgrund der knappen zeitlichen Ressourcen in Konkurrenz zueinander [Vgl. Becker-Schmidt, R. (2004) und Gottschall, K. (2000)].
Nicht dieser Umstand der Doppelbelastung per se ist dabei etwas neues, sondern dass diese Tatsache im Zuge der Entwicklungen der letzten Jahrzehnte und die entsprechenden strukturellen Antagonismen nun thematisiert werden - die ambivalenten Anforderungen an Frauen durch die “doppelte Vergesellschaftung“ gerieten infolge der postmodernen Individualisierung verstärkt ins Blickfeld [Vgl. Becker-Schmidt, R. (2003)].
Vor allem das grundlegende Theorem von Ulrike Prokop (1976) zum „Weiblichen Lebenszusammenhang“ rückte die „Doppelbelastung“ der Frauen in den Brennpunkt. Sie entwickelte die Theorie des „weiblichen Lebenszusammenhangs“, als eine dem Alltagshandeln zugrunde liegende Struktur, welche diesem erst seine Bedeutung verleiht, und die den Rahmen zum besseren Verständnis der Anliegen und Wünsche von Frauen bildet.20 In ihrer Analyse zeitgenössischer Studien kam Prokop zu dem Schluss, dass Frauen im stärkeren Ausmaß auf die Familie orientiert bleiben als Männer, auch wenn sie erwerbstätig sind. Ihre Erwerbsarbeit erleben sie laut Prokop oft als eine Art notwendiges Surrogat zum Einkommen ihres Partners. Nach Prokop war zumindest in den 1970er Jahren der weibliche Lebenslauf nicht auf „lebenslange“ Erwerbsarbeit ausgerichtet, ganz im Gegensatz zum männlichen. Die Meisten der befragten „Vollhausfrauen“ waren Mütter, und waren gleichzeitig ihrer Kinder wegen „Vollhausfrauen“. Trotz der starken Familienorientierung konnte Prokop feststellen, dass das „Vollhausfrauen-Dasein“ als Selbstzweck dem Gros der Frauen nicht genügte, die meisten dachten - vor allem aufgrund ihrer starken Isolation- an einen Wiedereinstieg ins Berufsleben - Erwartungen die oft nicht er Realität entsprachen.
Weiters konnte sie zeigen, dass „die Fesselung der im weiblichen Lebenszusammenhang vorhandenen Produktivkräfte in den Produktionsverhältnissen und die Folgen, die die darin bestehende Produktionsweise für die Identität und für das Bewusstsein der Frauen hat - knapp charakterisierbar als Ambivalenz von Bedürfnisorientierung versus mangelndem Selbstbewusstsein- in der bei allen Frauen vorhandenen diffusen Angst, den für „doppelbelastete“ Frauen typischen vegetativen Störungen21 - wie etwa Nervosität, Kreislaufbeschwerden, Kreuzschmerzen und Kopfschmerzen, Erschöpfungszustände, Herzbeschwerden, Schlafstörungen, Schwindel, Magenprobleme, oder auch Angstzustände/ Panikattacken- und in den prekären Einstellungen zum Bereich von Leistung und Konkurrenz spürbar sei“ [S. Prokop, U. (1976): S. 97].
Prokop vertrat die Ansicht, dass aus dem Bewusstwerden der widersprüchlichen Anforderungen an Frauen exakt jenes emanzipatorische Moment entspringen könnte, welches notwendig sei, um Gleichbehandlung zu erzielen, wobei die Art des Protestes stark von den vorhandenen Ressourcen der Frauen abhängig sei. Die unbefriedigende Situation der Frauen - die begrenzten Möglichkeiten zur Persönlichkeitsentfaltung und die Fremdbestimmtheit der Tätigkeiten- begünstige die Erkenntnis der Unmöglichkeit einer weiblichen Subjektwerdung im Nimbus des Haushaltes, ebenso wie im Rahmen der männlich-geprägten Erwerbsarbeitsstrukturen.
Auch Beck machte in den späten 1980ern eine Doppelbelastung der Frauen aus, die sich aus den gesellschaftlichen Anforderungen der Arbeitsmarktindividualisierung bei zeitgleicher Fesselung an die Versorgungsarbeit ergibt. Durch die Illusion eine Wahl zu haben, sich zwischen Versorgungs- und Erwerbsarbeit entscheiden zu können, würden die ambivalenten Spannungen zwischen ArbeitsmarktIndividualisierung und althergebrachter geschlechtsspezifischer Aufgabenteilung vielen Frauen bewusst [Vgl. Beck, U. (1986): S. 189 ff.].
Seit den 1970ern hat es keine gesamtgesellschaftlich-getragene Befreiung aus der zugrundeliegenden „Wert-Abspaltungsform“ gegeben, dafür haben allerdings Segmentierungs- und Individualisierungsprozesse stattgefunden. Insofern hat sich auch die „doppelte Vergesellschaftung“ selbst gewandelt- laut Roswitha Scholz stellt sie heute ein gesellschaftliches Ideal dar, welches besonders für weibliche Identitätskonstruktionen Gültigkeit besitzt - „an ihrer subalternen, minderbezahlten Position innerhalb der öffentlichen Sphären hat sich durch ihre verstärkte Einbeziehung in die „öffentliche Sphäre“ ebenfalls nichts geändert. Die WertAbspaltungsstruktur hat sich somit gewandelt, sie ist aber dennoch existent“ [S. Scholz, R. (1999)].
3.2.3. Zeitbudget und Technisierung
Zeitbudgetstudien im deutschsprachigen Raum haben gezeigt, dass das Arbeitsvolumen für Versorgungsarbeit um etwa zehn Prozent höher ist als jenes der gesamten Erwerbsarbeit. Der durchschnittliche Arbeitsaufwand beträgt etwa 24 Stunden pro Woche für Erwerbsarbeit, und etwa zwei Stunden mehr im Bereich der Hausarbeit. Abgesehen vom gesamtgesellschaftlich höheren Arbeitsaufkommen wird das Gros der Hausarbeit, etwa zwei Drittel, nach wie vor von Frauen erbracht [Vgl. Arn, C. (2000): S. 2f.].
Bauböck macht drei wesentliche Elemente der zeitlichen Normierung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung aus: Der „Input“, wie etwa Konsumgüter, der 16 Trotz des Ungleichgewichts des Forschungsstandes innerhalb der Familienforschung zugunsten heterosexueller Paarbeziehungen hat sich die Forschungsgruppe CAVA (Care, Values and the Future of Welfare) in ihren empirischen Untersuchungen vor allem mit „normabweichenden“ Lebensformen beschäftigt. Die Soziologinnen Sasha Roseneil und Shelly Budgeon (2005) etwa schrieben Prozesse der Individualisierung und Enttraditionalisierung, ebenso wie die Erosion der Bipolarität von Homo- und Heterosexualität in ihre Forschung mit ein.
[...]
1 Der Begriff der Klasse, welcher oft synonym mit Schicht verwendet wird - wobei der Klassenbegriff sich in stärkerem Ausmaß an ökonomischen, und machthierarchischen Kriterien orientiert, während „Schicht“ in der realen Forschung oft eher in Bezug auf deskriptive, starre Bestandsaufnahmen von Soziallagen - zielt auf die Ausbildung sozialer Kategorien entlang sozioökonomischer Faktoren ab, welche mit „ähnlichen Lebenserfahrungen, Persönlichkeitsmerkmalen sowie ähnlichen Lebenschancen und Risiken verbunden sind“ [S. Geißler, R. (2002): S. 110f.]. Nach Theodor Geiger lassen sich folgende „Schichtdeterminanten“ festhalten: Der jeweilige Zugang zu Produktionsmitteln, durch Einkommens- und Besitzverhältnisse oder durch berufliche Indikatoren [Vgl. Bachmann, S. (1995)]. Auch bei der Verwendung dieses Begriffes gehen wir von einem konstruktivistischen Ansatz aus.
2 „Race, gender and class are salient characteristics of each individuel that accompany the individual into every interaction or experience“ [S. Landry, B. (2006): S. 11].
3 Auch der Soziologie Connell (1987) begreift „Geschlechterbeziehungen als Struktur gesellschaftlicher Institutionen und gesellschaftlichen Handelns. Die durch Geschlecht geformten Gesellschaftsstrukturen konstituieren sich auf unterschiedlichen Ebenen. Auf der untersten Strukturebene befinden sich nach Connell Substrukturen, welche die Geschlechterbeziehungen formen. Diese bilden die nächste Ebene. Darüber angeordnet gibt es gesellschaftliche Institutionen, die auf Vorstellungen von Geschlechterbeziehungen basieren. Dabei nimmt er drei Substrukturen als Hauptelemente der Geschlechterbeziehungen an: Macht, Arbeit und Kathexis. Die se Substrukturen sind zwar autonom, aber auch eng miteinander verflochten. Sie basieren auf unterschiedlichen Ordnungsprinzipien und werden durch das soziale Handeln der AkteurInnen spezifisch geformt. Die verschiedenen Arten von Institutionen können auf unterschiedlichen Vorstellungen von Geschlechterbziehungen basieren und reproduzieren diese wiederum durch ihr soziales Handeln. Die Transformation dieser Strukturen kann nur im Handeln der AkteurInnen stattfinden. Das Zusammenwirken von Substrukturen, Geschlechterbeziehungen und Institutionen bezeichnet Connell als die Geschlechterordnung der Gesellschaft" [S. Beckmann, S. (2005): S. 44f.].
4 Mechanische Technologien breiteten sich in einem bis dahin ungeahnten Ausmaß aus, ebenso wie die Produktionsleistungen, die einen erhöhten Aufwand an Kapital und Arbeiterinnen erforderlich machten. Parallel entwickelte sich die „Arbeitsdisziplinierung" zunehmend als Programm der wissenschaftlichen und herrschaftlichen Debatte, mit der erklärten Absicht, gesellschaftlich anerkannte Verhaltensnormen, allgemeine Zielvorstellungen und Pflichtgefühl im Volk zu verankern. Die Arbeitsdisziplinierung, durch welche „Arbeit" einen sehr hohen gesellschaftlichen Stellenwert erlangte, machte diese zu einer bedeutsamen Voraussetzung für den Erfolg des Staates [Vgl. Pfeisinger, G. (2006)]. Im Zuge der Industrialisierung kam es durch die Arbeitsteilung zum so genannten Phänomen der „Entfremdung" der Erwerbsarbeit: Darunter wird unter anderem verstanden, dass sich diese als Objekt von dem/der ArbeiterIn verselbstständigt und nicht mehr im direkten Zusammenhang mit der Lebenswelt des Subjekts steht [Vgl. Reinhold, G. (2000): S. 140]. Dieser umfassende Wandel wird entscheidend vom sich etablierenden, sich gegen aristokratische Geburtsrechte auflehnenden Bürgertum geprägt.
5 Dennoch gibt und gab es auch hier Gegenstimmen, wie etwa jene Britta Rangs, die 1986 den „epochalen Bruch im 18ten/19ten Jahrhundert bestritt und argumentierte, schon in der Renaissance habe es in Humanistentexten die Vorstellung von der Geschlechterpolarität gegeben, welche sich wiederum auf die Antike beriefen“. [S. Lundt, B. (2008): S. 60],
6 Ursula Kubes-Hofmann (1993) legt in ihrem Buch „Das unbewusste Erbe“ dar, auf welche Weise sich namhafte Philosophen- wie Kant, Hegel oder Schopenhauer maßgeblich an dieser Polarisierung, am Geschlechter- und Emotionsdiskurs der Romantik beteiligten, beziehungsweise diesen gestalteten. Ebenso erläutert Ulrike Prokop (1990) anhand des Werkes Rousseaus die Polarisierung der Geschlechter um 1760. Im Rousseauschen Erziehungsmodell werden Züge der vermeintlichen Minderwertigkeit von Frauen erkennbar. In seien Abhandlungen werden auch die, der romantischen Liebe innewohnenden, Ambivalenzen deutlich: „Die Imago des Weiblich-Mütterlich-Machtvollen [...], die Phantasie von der Allmacht der Frau [...] ist immer assoziiert mit Glück und Verlust von Männlichkeit. [...] Die Gewalt gegen Frauen [...] ist mit der Allmachtsphantasie über die Weiblichkeit verknüpft. [...] In seinen Phantasien vernichtet er die weibliche Macht, um sie im gleichen Augenblick neu zu erfinden. [...] Mit der Imago der allmächtigen Frau wird die Ohnmacht, die Bewusstlosigkeit, das Schweigen, die Entmannung verbunden. [...] Das unbewusste Thema ist die ödipale Dramatik in der kulturspezifischen Form“ [S. Prokop, U. (1990): S. 26ff.].
7 Durch die Zwischenschaltung der sich etablierenden Medien wurde erstmals ein „öffentliches“ Publikum zugänglich. Nach Habermas (1990) entstand eine Art publikumsbezogene Privatheit, deren Publikum wiederum das Bürgertum war- somit konnten die konstruierten Grenzen des Privaten zugleich überschritten, als auch inhaltlich- durch die Etablierung einer LeserInnenschaft- verbreitet werden. Diese Entwicklung veränderte das Wahrnehmungsmuster der Welt eklatant- es kam zu einem rationaleren Umgang mit der Welt als Grundlage für einen neu aufkommenden Individualismus.
8 „Für die Periode des Mittelalters kann in der Tat nicht von einer Einheitlichkeit, sondern vielmehr von einer Variationsbreite weiblicher Lebensräume gesprochen werden. Heide Wunder hat den Begriff des „Arbeitspaares“ geprägt, das eine grundsätzliche Gleichwertigkeit der Tätigkeit beider Geschlechter bezeichnet, die PartnerInnen aber auch als Einheit kennzeichnet. Über eine „Geburt der Hausfrau“ kann man/frau erst für die Zeit seit der Reformation sprechen“ [S. Lundt, B. (2008): S.61f.].
9 Auch innerhalb der Paarbeziehungen entsprach die Realität nicht dem romantischen Ideal von Intimität, gegenseitiger Leidenschaft und Ergebenheit. Berend Goos’ „Erinnerungen“ geben Aufschluss über die männliche Vormachtstellung im Privaten: „[...] Das Familienoberhaupt galt als unbeschränkter Gebieter, dem wohl [...] Vorschläge gemacht wurden, dessen Beschlüsse und Erkenntnisse aber dann auch weiter keine Einreden zuließen; seine Befehle und Wünsche forderten unbedingte Folgeleistung. Diesen fügte man sich stillschweigend und überließ dagegen jede Verantwortlichkeit dem Oberhaupte. [...] Die Gefahr lag nahe, dass sich ein so unumstrittener Gebieter zum Haustyrannen heranbildete, während andererseits die wahre Kindesliebe der Heuchelei den Platz räumte und Verschweigen, Vertuschen allmählich sich einschleichen mussten“ [S. Goos, B. (1896): S.39 f., zitiert in Weber-Kellermann, I. (1991): S.53].
10 Parallel zur Entstehung der polaren Lebenssphären Öffentlich und Privat wurde auch ein neues Konzept von „Kindheit“ im Bürgertum des 18. Jahrhunderts entwickelt. Die Idee einer ungezwungenen Entwicklung in der Kindheit als geschützte Lebensphase wird durch die Schriften Rousseaus und Lockes auch in breitere soziale Schichten getragen.
11 Erst circa hundert Jahre nach der Regentschaft Maria Theresias und Joseph des zweiten lässt sich, im ausgehenden 19ten Jahrhundert mit der „Allgemeinen Schulordnung“ des Abtes Felbiger, von einer einsetzenden institutionalisierten Volksschulbildung für alle männlichen Kinder sprechen [Vgl. Ecker, H. (2008): S.88].
12 Das mangelnde „Engagement“ der Eltern aus den unteren Klassen was die Sozialisierung bürgerlicher Werte anging, vor allem in Bezug auf moralische Werte und Disziplin, rief erzieherische Institutionen auf den Plan. Schulen und andere Erziehungseinrichtungen sollten ihre Funktionen übernehmen. An den Kindern wurden disziplinäre Exempel statuiert- so wurden Mädchen aus dem Proletariat, welche die bürgerlichen Werte des Pflichtgefühls nicht genügend internalisierten, oft körperlich gepeinigt. Häufig stand sogar die Androhung einer Abschiebung zur „Besserung“ in ein „Arbeitshaus“ im Raum. Die Interventionen des Staates in die Kindererziehung der unteren
Schichten diente unter anderem zur Rechtfertigung von Kinderarbeit - „Kinder galten als das beste Kapital für Familie, Unternehmer und letztlich den Staat“ [S. Pfeisinger, G. (2006): 170f.].
13 Es gibt auch heute eine geschlechtsspezifische Nutzung von öffentlichen Freiräumen. Bütow (2002) fasst die Ergebnisse mehrerer empirischen Untersuchungen wie folgt zusammen: Mädchen orientieren sich eher in Innenräumen und ihre Aktionsräume sind prinzipiell eingegrenzter als die von Jungen. Mädchen sind im öffentlichen Raum der Straße eher Anhängsel der Burschen und zeichnen sich entweder durch tradierte Rollen- und Verhaltensmuster sowie weibliche Attraktivitäts- Ideale oder durch die Anpassung an, beziehungsweise den Versuch der Übernahme männlicher Werte und Verhaltensweisen aus.
14 Merkantilismus meint die in der Zeitspanne von 1500 bis 1750 vollzogene wirtschaftliche Ausrichtung auf die „Geldwirtschaft“ zur Stärkung der entstehenden Nationen in der, auf Konkurrenz basierenden, Expansion des Welthandels. Der, zur Betreibung einer aktiven Bevölkerungspolitik notwendige, massive Staatsinterventionismus sollte zur Gewährleistung des benötigten Arbeitskräftepotentials beitragen.
15 Quelle: AMS Jahresbericht 2007 auf http://www.ams.or.at/_docs/001_jb07.pdf
16 Erzählungen der Interviewten Freundschaften im Mittelpunkt standen und die Bedeutung sexueller Paarbeziehungen zurück tritt; dass sexuelle Liebesbeziehungen verschiedene Formen jenseits der Heteronormativität annehmen; dass Netzwerke wechselseitiger Unterstützung geknüpft und gepflegt werden; dass der häusliche Bereich offener und durchlässiger gestaltet wird“ [S. Eckart, C. (2008): S. 308ff.]
17 “Wenn [in Österreich oder Deutschland] von der Krise der Familie gesprochen wird, wird meist auf den starken Rückgang der Geburten seit Mitte der 1960er Jahre verwiesen. Dabei wird leicht übersehen, dass der wesentlichere säkulare Geburtenrückgang bereits um die Wende zum 20sten Jahrhundert eingesetzt hat und der aktuelle Rückgang den langfristigen Trend lediglich fortsetzt.“ [S. Peuckert, R. (2008): S. 95f].
18 „Unter Diskurs wird das „in einem Aussagensystem enthaltene Regelsystem, das die Formation der Diskurselemente bewirkt, [verstanden]. Es ist die diskursive Praxis, die die Produktion von Aussagen reglementiert und so eine strukturierte Praxis und strukturierende Praxis ist“ [S. Diaz-Bone, R. (2002): S. 129]. Die verschiedenen in der Gesellschaft bestehenden und miteinander konkurrierenden Diskurse sind konstitutiv für die subjektive Bedeutungsbildung und Realitätswahrnehmung.
19 „Der Begriff „doppelte Vergesellschaftung“ ist vielschichtig. Er besagt zunächst, dass Frauen über zwei unterschiedliche und in sich widersprüchlich strukturierte Praxisbereiche in soziale Zusammenhänge eingebunden sind“ [S. Becker-Schmidt, R. (2003): S. 14f.]. Darüber hinaus meint „doppelte Vergesellschaftung“, dass die weibliche Sozialisation durch zwei Kategorien sozialer Positionierung charakterisiert ist: Geschlecht und Schicht. „Und zum dritten ist mitgesetzt, dass Eingliederung in die Gesellschaft sowohl soziale Verortung als auch Eingriffe in die psychosoziale Entwicklung einschließt. Frauen versuchen demnach, das zusammenzuhalten, was durch die Geschlechtertrennung und die gesellschaftliche
Dissoziation von Privatsphäre und Öffentlichkeit fragmentiert ist: weiblich und männlich konnotierte Praxisbereiche sowie personen- und sachbezogene Interessen“ [S. BeckerSchmidt, R. (2004): S. 65f.].
20 Infolge der „doppelten Vergesellschaftung“ werden soziale Erfahrungen von Frauen anders gestaltet und interpretiert als von Männern. Frauen müssen psychische Anpassungsleistungen erbringen, welche es ihnen ermöglichen sich an beiden Bereichen zu orientieren, welche es ihnen aber gleichzeitig versagen, sich in einem der beiden zu entfalten [Vgl. Gottschall, K. (2000): S.177].
21 Eine Schweizer Studie ergab etwa, dass solche psychosomatischen Probleme vor allem bei Frauen mit traditionellen Normen, deren Lebenssituation auch von diesen Normen geprägt war, auftraten. [Vgl. Prokop (1976): S. 88f.].
- Citar trabajo
- Lena Rheindorf (Autor), Andrea Stoick (Autor), 2010, "Reinigungstätigkeit, das ist nicht mein Thema, das macht wer anderer.", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153189
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