Im Hagakure aus dem frühen 18.Jahrhundert zeigt sich der feudale japanische Clan. Hinweise auf Verwaltungsformen lassen sich finden und werden anhand Webers Bürokratiemodell erfasst. Es lässt sich feststellen, dass es bereits in der japanischen Feudalzeit erste Formen bürokratischer Verwaltung gab. Der rationale Charakter der "reinen" Bürokratie wurde jedoch durch ethische Normen gehemmt. Dennoch bildete diese bürokratische Vorform die Basis, der späteren wirtschaftlichen Entwicklung Japans.
Berechnende Menschen sind im Allgemeinen Feiglinge. Berechnend zu sein bedeutet, in den Kategorien von Gewinn und Verlust zu denken, und so kreisen die Gedanken dieser Leute ständig um diese Dinge“ (Yamamoto 2005b: 151). Der Urheber dieser abschätzigen Zeilen teilt dem Leser mit, dass Rationalität feige sei. Yamamoto Tsunetomo, ebenjener Autor, war Samurai und wurde Mönche, nach dem sein Herr, Fürst Nabeshima Mitsushige, der dritte Daimyô1 des Nabeshima-Clans, gestorben war. Als Emerit wurde er sieben Jahre lang regelmäßig von einem Samurai namens Tashiro Tsuramoto besucht. Im Jahre 1716 wurden ihre Gespräche aufgezeichnet und zum Buch gebunden, dem Hagakure; Ävon Blättern verborgen“ (Yamamoto 2001: 9). In ihm finden sich Beschreibungen, Anekdoten und Begebenheiten die in der Geschichte des Nabeshima-Clans von Bedeutung gewesen sind, als auch sittliche Verhaltensvorschriften für Samurai. Dabei tritt das Bild einer Verwaltung zutage, die angesichts der oben geäußerten Einschätzung gegenüber Rationalität, nicht vermuten lässt, dass - meine These - sich erste bürokratische Formen ausprägen konnten. In diesem Essay möchte ich daher versuchen zu zeigen, inwiefern die Verwaltung des Nabeshima-Clan, so wie sie in den Sentenzen des Hagakure zum Vorschein tritt, mit Webers Bürokratieverständnis vereinbaren lässt. Ich werde mit drei verschiedenen Versionen des Buches arbeiten, da jede Version unterschiedlich viele und auch zum Teil voneinander abweichende Sentenzen enthält, welche durch Kopien vom Originalmanuskript überliefert sind. Ich werde am Anfang einen kurzen historischen Abriss über die politische Situation und die Rahmenbedingungen geben, als das Hagakure geschrieben wurde. Danach fahr ich fort mit Webers Beschreibung der Bürokratie. Anschließend werde ich relevante Sentenzen aus dem Hagakure aufführen und abschließend Webers Idealtypen am Beispiel des Nabeshima- Clans diskutieren.
Japan war im 16. Jahrhundert geprägt vom hundertjährigen Bürgerkrieg zwischen rivalisierenden Clans der Feudalherren. Erst Anfang des 17. Jahrhundert gelang es schließlich dem Feldherren Tokugawa Ieyasu das Reich zu einigen und sich selbst zum shôgun2 aufzuschwingen. Fort an war es ihm möglich die Macht des bakufu3 zu konsolidieren und das Land von der Außenwelt abzuschotten. Der Staat der Tokugawa, der immerhin bestand hatte bis 1868, wird in der Forschung weniger als Zentralstaat, sondern viel mehr als baku-han- System4 charakterisiert (Vgl. Schwentker 2003: 81ff.). Das bedeutet, dass sich das bakufu aus den Angelegenheiten der einzelnen Lehnsherren rausgehalten hat. Die Verwaltung des Lehens war ganz in der Hand des jeweiligen Regenten. Eingegriffen wurde nur, wenn ein Feudalherr abgelöst oder versetzt werden sollte (Kure 2006: 124f.). Vor diesem Hintergrund der relativen Autonomie wirkten die einzelnen Herrschaftsverbände mit ihren Verwaltungsstäben und entstand auch das Hagakure.
Für Weber bedeutet Herrschaft im Alltag Verwaltung. Daher untersuchte er die Bürokratie eingehend (Müller 2007: 139). Die Funktionsweise des modernen Beamtentums besteht aus dem Prinzip der behördlichen Kompetenzen. Dies bedeutet, dass eine strikte Verteilung der regelmäßigen behördlichen Aufgaben besteht. Die damit verbundenen Befehlsgewalten und möglichen Sanktionen sind entsprechend den verschiedenen Kompetenzen zugeschrieben. Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, müssen die angestellten Personen über spezifische Qualifikationen verfügen. Aus diesen drei Elementen, Kompetenz, Befehlsgewalt und Qualifikation, bildet sich die öffentlich-rechtliche Behörde respektive in der privatwirtschaftlichen Dimension der Betrieb (Weber 1985: 551).
Ein zweites Prinzip ist das der Amtshierarchie und des Instanzenzugs. Hieraus gestaltet sich eine feste Struktur von Über- und Unterordnung, von Vorgesetzten und Untergebenden. Während erstere die Beaufsichtigung haben, haben die letzteren das Recht an die jeweils direkt Vorgesetzten zu appellieren (ebd.: 551f.).
Die Amtsführung folgt der Aktenmäßigkeit. Schriftstücke werden in Urschrift oder Konzept aufbewahrt. Die Beamten und der Sachgüter- und Aktenapparat bilden zusammen ein Büro. Organisatorisch sind dabei das Büro und das Privathaus voneinander getrennt, die amtlichen Gelder und Mittel von dem Privatbesitz der Angestellten (ebd.: 552).
Eine Fachschulung ist Voraussetzung für die bürokratische Tätigkeit, ob in der staatlichen Behörde oder im privatwirtschaftlichen Betrieb. Zudem ist die Arbeitszeit im Büro festbegrenzt und nimmt die gesamte Arbeitskraft des Angestellten ein, während in vorbürokratischen Verhältnissen die Angelegenheiten eher nebenamtlich erledigt wurde. Die Amtsführung erfolgt von den Beamten durch erlernte, feste Regeln; wie Rechtskunde oder Verwaltungslehre. Daraus folgt, dass das Amt zum Beruf wird. Ein spezifischer Bildungsgang mit Fachprüfungen als Bedingung für eine Anstellung und die Übernahme der Amtstreuepflicht werden entgolten durch die Gewährung der Existenzsicherung. Die Amtstreue des Beamten gilt nicht einer persönlichen Beziehung zu einem Führer oder Herren, sondern sie gilt einem unpersönlichen sachlichen Zweck (ebd.: 552f.). ÄHinter diesem sachlichen Zweck pflegen natürlich, ihn ideologisch verklärend, als Surrogat des irdischen oder auch überirdischen persönlichen Herrn, in einer Gemeinschaft realisiert gedachte ‚Kulturwertideen‘: ‚Staat‘, ‚Kirche‘, ‚Gemeinde‘, ‚Partei‘, ‚Betrieb‘ zu stehen“ (ebd.: 553). Der Beamte dient dem sachlichen Zweck und keinem persönlichen Herren, das heißt, wenn die Führung wechselt, ändert sich theoretisch nichts für den Beamten, der Staat, die Partei, die Kirche an sich bleibt bestehen (ebd.: 553).
Die persönliche Stellung des Beamten genießt oft soziale Schätzung. Die Wertschätzung des Beamten ist desto höher, je stärker der Bedarf nach fachgeschulter Verwaltung ist und je höher die gesellschaftliche Differenzierung vorangeschritten ist. Zudem ist die soziale Schätzung dort hoch, wo die ÄKostspieligkeit der vorgeschriebenen Fachbildung und der ihn bindenden Standeskonventionen vorwiegend den sozial und ökonomisch privilegierten Schichten“ vorbehalten ist (ebd.: 553). Der Beamte wird von einer übergeordneten Instanz ernannt, um auf diese die Hierarchie zu wahren. Ein vom Volk gewählter Beamter wäre dem Vorgesetzten nicht mehr Rechenschaft schuldig. Die Amtshierarchie würde Schritt für Schritt demontiert werden. Desweiteren würde bei der Einsetzung durch einen Herr, technische und fachliche Aspekte größeres Gewicht hat (ebd.: 554f.). Der Beamte ist Beamte auf Lebenszeit. Die kontraktliche oder faktische Lebenslänglichkeit der Anstellung schützt den Beamten vor willkürlicher Ab- oder Versetzung und garantiert die streng sachliche und von Egoismen freie Arbeitsleistung des Beamten. Die Lebenslänglichkeit des Beamten ist jedoch nicht gleichzusetzen mit einem Ä‚Besitzrecht‘ des Beamten am Amt“ (ebd.: 555). Des Weiteren bezieht der Beamte ein regelmäßiges und festes Gehalt und Alterssicherung durch Pension. Das Gehalt, entlohnt in geldlicher Form, wird entsprechend des Ranges und der Dienstzeit bemessen. Dem Beamten winkt eine Laufbahn, entsprechend der Amtshierarchie beginnt er unteren, weniger wichtigen Stellungen und arbeitet sich Rang für Rang hinauf zu den wichtigeren und auch lukrativeren Positionen (ebd.: 555f.).
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1 Daimyô (wörtl. „großer Name“) war die Bezeichnung eines Territorialherren, dessen Lehen ein Ertrag von über 10 000 Scheffel Reis abwarf (Schwentker 2003: 127)
2 Der shôgun (sinngemäß „militärischer Befehlshaber im Kampf gegen die Barbaren“) war die politische und rechtliche Autorität und der faktische Herrscher (Zöllner 2009: 20f.)
3 Bakufu (wörtl. „Zeltregierung“) war die Bezeichnung für die Militärregierung des shôgun in der Feudalzeit (Vgl. Pohl 2002: 30)
4 Das baku-han-System ähnelt nach Zöllner am ehesten einem europäischen „frühneuzeitlichen Bundesstaat“ (Vgl. Zöllner 2009: 34)
- Citation du texte
- Jochen Rehmert (Auteur), 2010, Das bürokratische Stadium des feudalen japanischen Clans, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153152
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