Der vorliegende Text untersucht die Rolle der USA im europäischen Einigungsprozess nach dem Ende des Kalten Krieges. Dabei werden vor dem Hintergrund des dritten Golfkrieges die Auswirkungen der veränderten europäische und globalen Sicherheitslage auf die transatlantischen Beziehungen analysiert.
Die Veränderung der transatlantischen Beziehungen nach 1989
Am 14. Mai 2003 veröffentlichte eine Gruppe namhafter amerikanischer Politiker beider großen Parteien, darunter die ehemaligen Außenminister Madeleine K. Albright und Warren Christopher sowie der frühere Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Zbigniew Brzezinski, eine gemeinsame Erklärung unter dem Titel Renewing the Transatlantic Partnership. Mit direkter Bezugnahme auf die amerikanische Unterstützung für den europäischen Einigungsprozess und den Bemühungen um den wirtschaftlichen Wiederaufbau in Westeuropa nach 1945 wenden sie sich gegen die, auf beiden Seiten des Atlantiks vorgetragene Sichtweise, wonach es einer transatlantischen Partnerschaft nicht mehr bedürfe. Die Erklärung spricht verschiedene Problemkreise in den amerikanisch-europäischen Beziehungen an. Mit größter Sorge wird dabei die Tendenz innerhalb der Europäischen Union betrachtet, wonach die zukünftige Entwicklung des europäischen Projekts nicht mehr in Kooperation, sondern in Abgrenzungen zu den USA vorangetrieben werden könnte. Als beispielhaft für diese Beobachtungen werden anti-amerikanische Äußerungen in der politischen Debatte in Europa angeführt. Die Gruppe fordert deshalb dazu auf, „[that] serious efforts should be made by all parties to renew, rehabilitate, and rebuild our alliance with the countries of Europe and their union.”
Den unmittelbaren Hintergrund dieser Erklärung bilden die transatlantischen Spannungen um den jüngsten Krieg am Golf, der von den USA und einer coalition of the willing mit dem Ziel geführt wurde, einen Regimewechsel im Irak herbeizuführen und damit das von diesem Staat ausgegangene Bedrohungspotential (durch Massenvernichtungswaffen) zu minimieren. Eine Opposition von Staaten, angeführt von den Vetomächten im UN-Sicherheitsrat Russland und Frankreich, hatte die Notwendigkeit für ein militärisches Eingreifen bestritten. Es stellt sich nun die Frage, ob die damals aufgetretenen punktuellen Spannungen in den transatlantischen Beziehungen nicht auch struktureller Art gewesen sein und ihnen demnach ein länger andauernder Veränderungsprozess zugrunde gelegen haben könnte. Im Folgenden soll daher untersucht werden, welche Ereignisse einen solchen Strukturwandel bewirkt haben und wie genau dieser beschrieben werden könnte.
Die jüngere Geschichte der europäischen Integration wie auch der transatlantischen Beziehungen zwischen Europa und den USA scheint von zwei Schlüsseldaten geprägt: Der Fall der Berliner Mauer vom 9. November 1989 symbolisiert das Ende des Kalten Krieges, der vom zentralen, ideologischen Gegensatz zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten bestimmt war. Die USA gingen aus diesem bipolaren Konflikt mit der Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ als einzige verbleibende Supermacht hervor. Die Beendigung des Ost-West-Konflikts hatte Veränderungen im internationalen Staatensystem zufolge, die sich einerseits in der globalen Dominanz der USA im Zusammenspiel mit einigen wenigen politisch, wirtschaftlich oder militärisch potenten Nationalstaaten (zusammengefasst als G8) und andererseits im Aufkommen regionaler Konflikte, inner- und zwischenstaatlicher Bürgerkriege sowie der teilweisen Erosion von Staatlichkeit manifestieren. Diese globalen strukturellen Ungleichheiten provozierten das Aufkommen von privaten, transnationalen Akteuren im internationalen Geschehen, deren terroristisches Handeln sich vor allem gegen die Vorherrschaft der Vereinigten Staaten aber auch des Westens insgesamt richtete und in den Anschlägen auf Washington und New York vom 11. September 2001 kulminierte.
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- Sebastian Rosche (Author), 2004, Die Veränderung der transatlantischen Beziehungen nach 1989, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153093
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