Entrepreneurship, Gründungswelle, New Economy, Venture Capital. Begriffe, die der wirtschaftlich interessierte Leser während der Börsenhausse des Neuen Markts in den vergangenen Jahren in geradezu inflationärem Ausmaß zu hören bekam. Deutschland, so bekam man den Eindruck, erlebt den größten Gründerboom seit dem Deutschen Wirtschaftswunder unter Ludwig Erhard. Jede halbwegs größere Stadt veranstaltete Gründermessen, an den Hochschulen des Landes wurden Zentren für Existenzgründer eingerichtet, der Nachrichtensender n-tv etablierte die ”Wirtschaftswoche-Startup-Show“, bei der zwei Gründungsteams um die beste Geschäftsidee wetteifern und in den Wirtschaftsmagazinen wurde allwöchentlich ein neuer Jungunternehmer als Vertreter der neuen Selbstverständlichkeit der Selbständigkeit euphorisch bejubelt.
Der interessierte Beobachter musste sich zwangsläufig wundern, was sich da in seinem Land abspielte. Die Deutschen—ein Volk von Unternehmern und Existenzgründern? Was war plötzlich aus der ”Vollkasko-Mentalität“ in unserer Gesellschaft geworden, die jede Form von Eigeninitiative und Mut zum Risiko stets kritisch beäugt und das soziale Netz des Staates nicht nur engmaschig, sondern auch am liebsten so bequem hätte, dass ”soziale Hängematte“ der eigentlich treffendere Begriff wäre? Ist es wirklich so einfach geworden, ein Unternehmen zu gründen und kompetent zu führen? Braucht es dafür nicht mehr als eine vage Geschäftsidee, Grundkenntnisse in BWL, ein paar IT-Fachleute und willige Geldgeber? Das der Hausse folgende vielzitierte Platzen der Internet-Blase gab darauf in der Zwischenzeit eine eindrucksvolle und deutliche Antwort.
Diese Entwicklung gibt Anlass, einmal zu hinterfragen, was genau denn nun eigentlich ein ”Entrepreneur“ ist. Genügt es, den ”Entrepreneur“ mit dem deutschen Wort ”Unternehmer“ zu übersetzen und ihn mit ebensolchem gleichzusetzen? Woher stammt der Begriff ursprünglich und welchen Bedeutungswandel hat er im Laufe der Jahre erfahren? Wie wurde die Rolle des Entrepreneurs von den verschiedensten Wirtschaftstheoretikern
gesehen? Was bewegt einen Menschen dazu, ein eigenes Unternehmen zu gründen und welche Voraussetzungen sind dafür unabdingbar? Auf diese Fragen werde ich im ersten Teil meiner Arbeit, den Grundlagen, versuchen eine Antwort zu geben. Im zweiten Teil, den Herausforderungen, werde ich auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen eingehen, denen sich ein Entrepreneur gegenübergestellt sieht.
Inhaltsverzeichnis
1 Grundlagen
1.1 Einleitung und Motivation
1.2 Historische Entwicklung des „Entrepreneur“-Begriffs
1.2.1 Ursprung des Begriffs „Entrepreneur“
1.2.2 Der Unternehmer als Träger von Unsicherheit
1.2.3 Der Unternehmer als Koordinator im Markt
1.2.4 Der Unternehmer als Innovator
1.2.5 Der Unternehmer als Entdecker
1.2.6 Synthese und Bewertung
1.3 Beweggrände für einen Unternehmer
2 Herausforderungen von Entrepreneurship
2.1 Wirtschaftliche Herausforderungen
2.2 Gesellschaftliche Herausforderungen
Literaturverzeichnis
1 Grundlagen
1.1 Einleitung und Motivation
Entrepreneurship, Gründungswelle, New Economy, Venture Capital. Begriffe, die der wirtschaftlich interessierte Leser während der Börsenhausse des Neuen Markts in den vergangenen Jahren in geradezu inflationärem Ausmaß zu hären bekam. Deutschland, so bekam man den Eindruck, erlebt den größten Griínderboom seit dem Deutschen Wirtschaftswunder unter Ludwig Erhard. Jede halbwegs größere Stadt veranstaltete Griindermessen, an den Hochschulen des Landes wurden Zentren fur Existenzgriín- der eingerichtet, der Nachrichtensender n-tv etablierte die „Wirtschaftswoche-Startup- Show“, bei der zwei Griindungsteams um die beste Geschäftsidee wetteifern und in den Wirtschaftsmagazinen wurde allwäochentlich ein neuer Jungunternehmer als Vertreter der neuen Selbstverständlichkeit der Selbständigkeit euphorisch bejubelt.
Der interessierte Beobachter musste sich zwangsläufig wundern, was sich da in seinem Land abspielte. Die Deutschen—ein Volk von Unternehmern und Existenzgriín- dern? Was war plotzlich aus der „Vollkasko-Mentalität“ in unserer Gesellschaft geworden, die jede Form von Eigeninitiative und Mut zum Risiko stets kritisch beäugt und das soziale Netz des Staates nicht nur engmaschig, sondern auch am liebsten so bequem hätte, dass „soziale Hängematte“ der eigentlich treffendere Begriff ware? Ist es wirklich so einfach geworden, ein Unternehmen zu gruänden und kompetent zu fuähren? Braucht es dafur nicht mehr als eine vage Geschäftsidee, Grundkenntnisse in BWL, ein paar IT-Fachleute und willige Geldgeber? Das der Hausse folgende vielzitierte Platzen der Internet-Blase gab darauf in der Zwischenzeit eine eindrucksvolle und deutliche Antwort.
Diese Entwicklung gibt Anlass, einmal zu hinterfragen, was genau denn nun eigentlich ein „Entrepreneur“ ist. Genügt es, den „Entrepreneur“ mit dem deutschen Wort Unternehmer“ zu uäbersetzen und ihn mit ebensolchem gleichzusetzen? Woher stammt der Begriff urspruänglich und welchen Bedeutungswandel hat er im Laufe der Jahre erfahren? Wie wurde die Rolle des Entrepreneurs von den verschiedensten Wirtschaftstheoretikern gesehen? Was bewegt einen Menschen dazu, ein eigenes Unternehmen zu gränden und welche Voraussetzungen sind dafär unabdingbar? Auf diese Fragen werde ich im ersten Teil meiner Arbeit, den Grundlagen, versuchen eine Antwort zu geben. Im zweiten Teil, den Herausforderungen, werde ich auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen eingehen, denen sich ein Entrepreneur gegenuäber- gestellt sieht.
1.2 Historische Entwicklung des ,,Entrepreneur“-Begriffs
1.2.1 Ursprung des Begriffs „Entrepreneur“
Das Wort „Entrepreneur“ stammt ursprünglich aus dem Französischen. Sein Ursprung reicht weit bis ins 14. Jahrhundert zurnck, die Bedeutung war am Anfang nicht eindeutig. Die historische Entwicklung dieses Wortes wird sehr treffend mit „The most general and probably the earliest meaning of the word entrepreneur is celui qui entreprend, which means an active person with initiative.
The word originates in the verb entreprendre, which has a meaning similar to ,getting things done‘. Up unto the sixteenth century entrepreneur meant:
(1) grasp, take hold of (saisir), (2) surprise, discover (surprendre)“[1] beschrieben. Im 15. Jahrhundert entwickelte sich die Bedeutung des Begriffs weiter und wurde verwendet, um Leute zu bezeichnen, die Risiken eingingen, insbesondere wöhrend eines Krieges. Im 16. Jahrhundert bezeichnete „Entrepreneur“ a large scale businessman who contracted to supply, having taken upon himself the responsibilities to combine the factors of production at his own expense and risk.“1
Dieser Begriff wurde zum ersten Mal von dem Iren Richard Cantillon (1680-1734) in seinem Werk „Essai sur la nature du commerce en general“ (entstanden 1730-1734)
„Entrepreneurship is defined as self-employment of any sort. Entrepreneurs buy at certain prices in the present and sell at uncertain prices in the future.
The entrepreneur is a bearer of uncertainty.“2
und dem Franzosen Jean-Baptiste Say (1767-1832)
The entrepreneur is the agent who unites all means of production and who finds in the value of the products ... the reestablishment of the entire capital he employs, and the value of the wages, the interest, and rent which he pays, as well as profits belonging to himself.“[2]
im Zusammenhang mit der ökonomischen Theorie verwendet. Cantillon legt also besonderes Augenmerk auf die (Einkommens-)Unsicherheit, mit der der Unternehmer umzugehen hat, wöhrend Say hingegen die Hauptfunktion des Unternehmers in der Koordination der anderen Produktionsfaktoren sieht. Diese unterschiedliche Betonung der Unternehmerfunktion wurde in der folgenden Zeit von verschiedenen Wirtschaftswissenschaftlern aufgegriffen, weiterentwickelt oder um neue Theorien erweitert. Die vier wichtigsten Betrachtungsweisen sollen im Folgenden genauer beschrieben werden.
1.2.2 Der Unternehmer als Träger von Unsicherheit
Wie bereits oben erwöhnt, gehen die Wurzeln dieser Richtung auf Cantillon zuruck. Wöhrend aber Cantillon ganz allgemein vom Unternehmer als „bearer of uncertainty“, also als „Träger von Unsicherheit“ spricht, und damit in erster Linie Preisunsicherheit meint, geht der Wirtschaftstheoretiker Frank Hyneman Knight (1885-1972) einen Schritt weiter. Knight, der als Vertreter der sog. „Chicagoer Schule“ gilt, zu der übrigens auch der renommierte US-Okonom und Nobelpreiströger Milton Friedman (geb. 1912) gezaöhlt wird, verfeinert diese Unsicherheit in seinem ersten Buch Risk, Uncertainty and Profit“ (1921) dahin gehend, dass er zwischen Risiko und Unsicherheit differenziert. Unter Unsicherheit versteht Knight, die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses nicht zu kennen. Es gibt also keine Möglichkeit, das Eintreten eines unsicheren Ereignisses quantitativ erfassbar zu machen. Risiko hingegen bedeutet för Knight, die Eintrittswahrscheinlichkeit eines bestimmten Ereignisses zu kennen. Dadurch, dass die Wahrscheinlichkeit bekannt und somit quantifizierbar ist, kann sie ver- bzw. abgesichert werden.
Die Umwandlung von Unsicherheit eines Marktteilnehmers in kalkuliertes Risiko ist gerade heute die alleinige Existenzgrundlage der Versicherungsunternehmen, die sich för diese Leistung mit (Risiko-)Prämien entlohnen lassen. Doch auch an den Termin- mörkten, wo sich z.B. viele Höndler mit Terminkontrakten auf bestimmte Rohstoffe wie Weizen, Soja oder Rohöl absichern, wird die Verwandlung von Unsicherheit in Risiko deutlich.
Der Profit, den ein Unternehmer nach Abzug all seiner Kosten erhölt (auch Residualeinkommen genannt) ist för Knight die Kompensation för das Treffen der individuellen Produktions- und Handelsentscheidungen verbunden mit dem Tragen der daraus resultierenden Unsicherheit.[3]
1.2.3 Der Unternehmer als Koordinator im Markt
Während im vorhergehenden Abschnitt die zentrale Rolle des Unternehmers die Übernahme von Unsicherheit war, soll nun besonderes Augenmerk auf die Koordinationsfunktion des Unternehmers gelegt werden. Bei der Darstellung dieser Funktion soll vorwiegend auf die Arbeiten des Ökonomen Mark Cassou[4] (geb. 1945) eingegangen werden, da Casson nach Ripsas „das wohl größte Potential besitzt, den Unternehmer in die Lehrbuchökonomie zu integrieren.“[5]
Casson umschreibt in seiner Definition den Unternehmer als einen Marktteilnehmer, „who specializes in taking judgmental decisions about the coordination of scarce resources.“[6]
Mit „specializes“ bezeichnet Casson hierbei die Konzentration auf das Entscheiden. Der Entscheider — der Entrepreneur — kann dabei Selbstöndiger oder Angestellter sein, ist aber ausnahmslos immer eine Einzelperson und niemals ein Team. Als vorwiegende Handlungsgrundlage der Unternehmerperson nimmt Casson in seiner Theorie Profitmaximierung an. Unter „judgemental decisions“ versteht Casson Entscheidungen, die von verschiedenen Personen mit gleichen Zielen in vergleichbaren Situationen unterschiedlich getroffen werden. Als Grund hierfur werden Informationsassymetrien gesehen, Casson beschreibt dies so:
Basically a judgemental decision is one where some relevant item of information has not diffused to everyone. Those who have the information would therefore decide one way and those without it would decide another way.“[7]
Der entscheidende Begriff und Kernpunkt in Cassons Theorie ist jedoch „coordination“, wie auch schon Say auf diesen Punkt besonderen Wert legte. Es bietet sich deshalb an, den Begriff der Koordination naöher zu erlöautern.
Der schottische Moralphilosoph Adam Smith (1723-1790), der allgemein als der Be- griinder der Volkswirtschaftslehre gesehen wird, föhrte in seinem beruhmtesten Werk „The Wealth of Nations“ (1776) das Konzept von der „unsichtbaren Hand“ ein, die die Mörkte ganz automatisch alleine durch Angebot und Nachfrage regle. Dieses Konzept, so Casson, ist aber nicht in der Lage, zu erklaren, warum manche Marktteilnehmer
Güter nicht für den eigenen Konsum, sondern nur für den Wiederverkauf erwerben. Begründet werden kann dies durch die Tatsache, dass Anbieter und Nachfrage sich gegenseitig nicht kennen bzw. sich misstrauen und eine dritte Partei diese Transaktionsprobleme beheben kann.
„Fur Casson ist es der Unternehmer, der durch seine Tätigkeit im Markt die Ressourcenallokation beeinflußt (koordiniert) und dadurch seine Rolle im Wirtschaftsprozeß definiert. (...) Das Koordinationsproblem besteht darin, individuelle Praäferenzen von Marktteilnehmern mit den vorhandenen Ressourcen, den Gegebenheiten der Natur und dem Stand der Technik zu kombinieren, d.h. das Problem kann sich auf die Wahl einer Produktionstechnologie, die Organisation arbeitsteiliger Produkte oder aber auf den Warenaustausch beziehen.“[8]
Wenn die Koordinationstätigkeit des Unternehmers dazu fährt, dass die Ressourcen einer effizienteren Nutzung zugefuhrt werden und somit einen Wertgewinn erfahren, stellt letzterer den unternehmerischen Profit dar. Wenn der Unternehmer jedoch falsche Annahmen uber die Ressourcen macht, verliert er sein eingesetztes Kapital. Fär einen Unternehmer am Markt sind seine zusätzlichen, besseren Informationen — also sein Informationsvorsprung gegenuber anderen — sein eigentliches Kapital:
In order to protect his superior judgement he has to keep apart the people between whom he is intermediating. He also has to ensure that he does not weaken his bargaining position by giving away too much information in the course of negotiating with each party.“[9]
Die beschriebene Mittlerfunkton nennt Casson „market making function“. Jeder Makler oder Bärsenhändler ist ein typischer Vertreter dieses Unternehmerbildes.
1.2.4 Der Unternehmer als Innovator
Bei dieser Uberschrift fällt einem zwangslaufig der Name Joseph A. Schumpeter (1883— 1950) ein, wird doch dieser als der Vertreter schlechthin dieser Sichtweise auf die Unternehmerrolle angesehen.
Das Revolutionäre an Schumpeters Theorie ist, dass er im Gegensatz zu vielen anderen Oä konomen klar zwischen dem Kapitalgeber und dem Unternehmer unterscheidet.
[...]
[1] Elkjær, J0rgen R. (1991), S. 805
[2] http://www.staff.fh-vorarlberg.ac.at/pj/KFE.htm, [Stand Mai 2002]
[3] vgl. Ripsas, Sven (1997), S. 14
[4] Homepage von Mark Casson: http://www.rdg.ac.uk/gcib/staff/casson.htm
[5] Ripsas, Sven (1997), S. 16
[6] Casson, Mark (1982), S. 23
[7] Casson, Mark (1982), S. 328
[8] Ripsas, Sven (1997), S. 20
[9] Casson, Mark (1982), S. 66
- Citation du texte
- Thomas Vocke (Auteur), 2002, Grundlagen und Herausforderungen von Entrepreneurship, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15305
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