In Istanbul wurden Kaffeetrinker Ende des 17. Jahrhunderts verprügelt, es wurde ihnen die Zunge heraus gerissen und sie wurden bisweilen in Kaffee-Säcke eingenäht und ins Meer geworfen.
Was damals den Kaffeetrinkern widerfahren ist, geschieht heute in etwas anderer Form mit KonsumentInnen illegaler Drogen: Sie werden kriminalisiert, verfolgt, vor Gericht gestellt und in die Gefängnisse geworfen. Der Schwerpunkt der Studienarbeit sind zwar nicht Drogen im allgemeinen, doch wurde versucht im ersten Teil einen kurzen Abriss zu geben, wie weit die Forschung in Bezug auf Sucht fortgeschritten ist. Außerdem wird allgemein auf die Diskussion eingegangen, die sich um Drogen abspielt, wobei es wichtig war, gerade die ideologischen Hintergründe der Debatte aufzuzeigen. Hiermit sollte verdeutlicht werden, inwieweit immer auch das Menschenbild und der jeweilige kulturelle Hintergrund die Drogenpolitik determiniert.
Was politisch möglich ist, wo man geneigt ist, zumindest im Zusammenhang mit Drogen liberaler zu denken, zeigt das Beispiel Schweiz, dessen Drogenpolitik im ersten Teil ebenfalls kurz geschildert wird. In diesem Rahmen können auch Überlebenshilfeeinrichtungen gedeihen, wie beispielsweise Fixerräume oder Notschlafstellen mit psychosozialem Betreuungsangebot. Eine solche Einrichtung in Basel wird im zweiten und dritten Teil der Studienarbeit beschrieben. Die Überlebenshilfeeinrichtungen sind gegenwärtig leider notwendig und wichtig, um Drogen konsumierenden Menschen durch die Phase der Sucht zu helfen; - anstatt sie zu jagen und dafür zu sorgen, dass sie allmählich vergiftet werden, weil man den Drogenhandel dem organisierten Verbrechen überlässt.
Peter Engert, im Juli 1996
WICHTIGER HINWEIS: Die vorliegende Studienarbeit stammt aus dem Jahr 1996 - insofern können aktuelle Entwicklungen nicht einbezogen sein. Nichtsdestotrotz sind die meisten der gezogenen Schlüsse auch heute noch erschreckend aktuell.
Peter Engert, im Juli 2007
Gliederung:
Vorwort
1. Grundlegendes zu Drogen und Sucht
1. 1 Begriffsbestimmung: Abhängigkeit
1. 2 Suchttheorien
1. 3 Standpunkte aus der aktuellen Drogendiskussion
1. 4 Drogenpolitik der Schweiz
2. Die Institution
2. 1 Geschichte der Institution
2. 2 Struktur und personelle Ausstattung
2. 2. 1 Struktur
2. 2. 2 Personelle und räumliche Ausstattung
2. 2. 3 Einbettung und Vernetzung mit anderen Einrichtungen der Drogenhilfe
3. Die Praxis
3. 1 Die Jugendlichen
3. 2 Der jugendspezifische Beratungsansatz
3. 3 Ziele der Arbeit
Literatur:
Vorwort
Vielleicht, werter Leser, haben Sie sich soeben eine Tasse Kaffee zubereitet und lehnen sich nun bequem in ihrem Sessel zurück, um diese Arbeit zu lesen. Im Zusammenhang mit dem Kaffee möchte ich kurz schildern, was die Medizinische Fakultät der Universität Marseille im Jahre 1679 von diesem Getränk gehalten hat:
„Die verbrannten Partikelchen, die er im Überfluß mit sich führt, besitzen eine so stürmische Kraft, daß sie, wenn sie ins Blut dringen, die ganze Lymphe mit sich reissen und die Nieren austrocknen. Ferner bedrohen sie das Gehirn: nachdem sie seine Flüssigkeit, seine Windungen ausgedörrt haben, halten sie sämtliche Körperporen offen und verhindern so, daß die schlafbringenden, tierischen Kräfte zum Gehirn emporsteigen. Die im Kaffee enthaltene Asche verursacht durch diese Eigenschaften so hartnäckige Wachzustände, daß der Nervensaft eintrocknet, wo es unmöglich ist, diesen zu ersetzen, tritt allgemeine Erschlaffung ein, Paralyse und Impotenz. Und durch das Sauerwerden des Blutes, das bereits so schwach wurde wie ein Flußbett im Hochsommer, werden sämtliche Körperteile saft-entblößt und der ganze Körper verfällt der schrecklichsten Magerkeit“. Darüber besorgte Regenten ließen, beispielsweise in Istanbul, die Kaffeetrinker verprügeln, ihnen die Zunge herausreißen oder sie gar in Kaffeesäcke einnähen und ins Meer werfen.
(Quelle: Referat von Marie-Louise Ernst, Psych. lic. phil., gehalten an einer Tagung des Vereins Schweizerischer Drogenfachleute -VSD- am 14. 11. 1989 in Rüschlikon)
Was damals den Kaffeetrinkern widerfahren ist, geschieht heute in etwas anderer Form mit KonsumentInnen illegaler Drogen: Sie werden kriminalisiert, verfolgt, vor Gericht gestellt und in die Gefängnisse geworfen. In dieser Hausarbeit geht es zwar nicht speziell um Drogen im allgemeinen, doch habe ich versucht im ersten Teil einen kurzen Abriß zu geben, wie weit die Forschung in bezug auf Sucht fortgeschritten ist. Außerdem gehe ich auch allgemein auf die Diskussion ein, die sich um Drogen abspielt, wobei es mir wichtig war, gerade die ideologischen Hintergründe der Debatte aufzuzeigen. Hiermit wollte ich verdeutlichen, inwieweit immer auch jeweils das Menschenbild und der kulturelle Hintergrund die Drogenpolitik determiniert.
Was politisch möglich ist, wo man geneigt ist, zumindest im Zusammenhang mit Drogen etwas liberaler zu denken, zeigt das Beispiel Schweiz, dessen Drogenpolitik ich im ersten Teil ebenfalls kurz schildere. In diesem Rahmen können auch Überlebenshilfeeinrichtungen gedeihen, wie beispielsweise Fixerräume oder Notschlafstellen mit psychosozialem Betreeungsangebot. Eine solche Einrichtung in Basel beschreibe ich im zweiten und dritten Teil der Hausarbeit. Diese Überlebenshilfeeinrichtungen sind in unserer Zeit leider notwendig und wichtig, um drogenkonsumierenden Menschen durch die Phase der Sucht zu helfen; - anstatt sie zu jagen und dafür zu sorgen, daß sie allmählich vergiftet werden, weil man den Drogenhandel dem organisierten Verbrechen überläßt.
Peter Engert, im Juli 1996
1. Grundlegendes zu Drogen und Sucht
1. 1 Begriffsbestimmung: Abhängigkeit
Abhängigkeiten gibt es viele. Allen gemeinsam ist der Wunsch oder das unstillbare Verlangen nach Überwindung von, in der sozialen Realität gesetzten Schranken, mit Hilfe bestimmter Verhaltensweisen oder unter Verwendung bestimmter Stoffe oder Substanzen. Zumeist ist damit ein Lustgewinn oder zumindest die Abschwächung von Unlustgefühlen verbunden. Unter Abhängigkeit im engeren Sinn versteht man „eine Gruppe körperlicher, sozialer und kognitiver Phänomene, bei denen der Konsum einer Substanz oder einer Substanzklasse für die betreffende Person Vorrang hat gegenüber anderen Verhaltensweisen, die von ihm früher höher bewertet wurden“ (nach Ladewig, siehe Literaturverzeichnis). Es werden psychische und physische Formen der Abhängigkeit unterschieden, wobei letztere bei Ausbleiben der Substanz mit körperlichen Entzugserscheinungen einhergehen.
1. 2 Suchttheorien
Die Theorien zur Entstehung von Sucht folgen verschiedensten zum Teil auch ideologisch begründeten Ansätzen. Als sicher gilt zumindest, daß Sucht nie aufgrund einer einzigen Bedingung entsteht, sondern daß vielmehr in jedem Fall mehrere Faktoren synergetisch zusammenwirken, und so zur Entstehung einer Sucht führen. In der Literatur finden sich verschiedene Begründungen, die in ihrem Zusammenspiel die Gefahr, süchtig zu werden jedenfalls drastisch erhöhen können.
So bedingen beispielsweise bestimmte Persönlichkeitsmerkmale eine Disposition zur Sucht. Hierzu gehören Labilität im Gefühlsbereich, Antriebsarmut, übersteigertes Mißtrauen, übertriebene Angst vor Zurückweisung oder Zurücksetzung, Neigung zu Eifersucht, Anhedonie, geringe Fustrationstoleranz, Selbstbezogenheit etc.
Der neurobiologische Ansatz untersucht die Zusammenhänge zwischen der Neigung zur Sucht und möglicherweise bestehenden Ungleichgewichten bei bestimmten Neurotransmitter-systemen. Von den Medizinern wurden verschiedene Arten von Rezeptoren entdeckt, an welchen beispielsweise Opiate „andocken“ können. Während manche Rezeptoren im mesolimbischen System des Gehirns das „Belohnungssystem“ aktivieren, werden durch die andere Gruppe von Rezeptoren aversive, also Unlust erzeugende Mechanismen aktiviert. Wenn diese Systeme sich nun bei manchen Menschen im Ungleichgewicht befinden, so könnte durch den Einfluß von Opiaten vorübergehend ein Gleichgewicht erreicht werden.
Das sozio-psychodynamische Modell vereinigt Aspekte aus der Tiefenpsychologie, der Systemtheorie und der psychosozialen Forschung im Suchtbereich. Hier wird im Wesentlichen nach den Ursachen für die oben beschriebenen defizitären Persönlichkeitsmerkmale geforscht.
In diesen Bereich gehören auch die familiären Einflüsse. Auf der Basis der Erkenntnisse aus der Familienforschung ist es gelungen ein Vulnerabilitätsmodell zu entwickeln. Ähnlich dem in der Schizophrenieforschung verwendeten Vulnerabilitätsmodell lassen sich damit bestimmte Risiko- und Schutzfaktoren ableiten.
Nicht zuletzt sollte auch Streß als Dispositionsfaktor Erwähnung finden. Bestimmte Stressoren spielen sowohl bei der Sozialisation, als auch unmittelbar vor der Phase eines akuten Suchtmittelmißbrauchs eine nicht unwesentliche Rolle.
Wie schon angedeutet, können uns die beschriebenen Theorien jeweils nur Teilaspekte für das Verstehen von Sucht liefern. Es ist utopisch zu glauben das Phänomen Sucht könne je in all seinen Facetten erklärt werden...
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- Arbeit zitieren
- Peter Engert (Autor:in), 1996, Niedrigschwellige Beratung drogenkonsumierender Jugendlicher, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15302
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